sein soll. Im Schwarzwald   findet man die Feldgraswirtschaft, in der fruchtbaren Rheinebene die Fruchtwechselwirtschaft und die sogenante freie Wirtschaft oder Faustwirtschaft, die man auch Raubbau nennen kann und die ins entgegengesegte Extrem wie der Parzellenbau verfällt, den Boden rücksichtslos ausnuzt und seine Produktivität auch schwächt.

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Die Mängel des bäuerlichen Kleinbetriebs werden in der Denkschrift der Regierung von allen Seiten beleuchtet. Es werden von den Bauern feine Bücher geführt, und sie sind sich über ihre Einnahmen und Ausgaben selten im flaren. Sie behalten Pferde, wo sie mit Rindvieh auskommen können; sie können nicht richtig berechnen, wieviel Arbeitskräfte sie brauchen, nehmen oft zuviel und verteuern sich den Betrieb; sie zahlen oft zu hohe Preise beim Ankauf und zu hohe Pachtzinse, weil sie ohne Buchführung nichts vorher berechnen können, und sie laffen sich beim Viehhandel von den Zwischenhändlern übers Ohr hauen. Bringt man dies noch in Verbindung mit der un­vollkommenen Betriebsweise überhaupt, so kann man sich denken, daß die Rentabilität des Bodens nur eine geringe sein kann. Im allgemeinen wird schlecht gelebt im badischen Bauern­stand. Die Regierung hat sogenannte Kost zettel ausfüllen lassen. Bei großbäuerlichen Landwirten stellt sich der Kosttag auf 60-70 Pf., bei einem Großbauern im Dorfe Dittmar auf 49 Pf. Man nennt dies leztere einfach und sparsam" leben; wir nennen es schlecht leben. Am besten leben die Be­wohner der Weinorte, bei denen der Kosttag auf 80, 81, ja 93 Pf. kommt, freilich nur bei den mittleren Bauern. Wie viel die ärmeren Bauern und die Tagelöhner täglich für Essen aus­geben können, ist leider nicht angeführt, man kann sichs aber denken, wenn man von den angeführten Ziffern zurückschließt. Das ist wenig bei so harter Arbeit, und es läßt sich leicht denken, daß bei fast gänzlicher Ermangelung höherer Lebensgenüsse der Mensch stumpf und dumps werden muß, wenn er es nicht

schon ist.

Bezüglich der Rentabilität der Grundstücke sind sichere Daten vorhanden. In der Gemeinde Königsbach   bei Pforzheim  , teilt Buchenberger mit, wurde für eine großbäuerliche Wirtschaft mit einem Besiz von 22 ha*) ein Verzinsung des Steuerkapital­werts der Liegenschaften und Gebäude,( Grundrente) von 0,77%, für einen fleinbäuerlichen Betrieb( 5,57 ha) eine solche von 1,2% berechnet. nungen, bei welchen die gesammten baaren Einnahmen und die gesammten baaren Ausgaben der Wirtschaften tunlichst zu

im Steuerkapitalwert von rund 40 000 Mt. eine nennenswerte Verzinsung sich nicht ergibt."

In Oberwolfach   auf dem Schwarzwald   erzielten die größeren Bauerngüter eine Rente von 1,6 bis 2,8 Prozent; einige mittlere und kleinere Bauerngüter gar keine Reute. In Bischoffingen  , in der besten Gegend am Kaiserstuhl  , hat ein Großbauer( mit 11 ha) ein Defizit von 933 Mt. gemacht, ein Kleinbauer hat einen Ueberschuß von 191 Mf. erzielt. Dieser Ueberschuß war nur dadurch möglich, daß der Kleinbauer für Kost nur 48 Pf. pro Tag und Kopf ausgab. Darnach lebt also ein Kleinbauer( 5 ha) in der fruchtbarsten Gegend Badens auch nicht viel besser als ein sächsischer oder schlesischer Weber leben kann, und der Groß­bauer, der besser leben will, stürzt sich in Schulden.

In Hemsbach   an der Bergstraße stellte sich bei einem größeren Bauerngut( 9 ha) die Verzinsung des Grundkapitals von 19 600 Mt. auf 0,27%, die Verzinsung des Grund- und Betriebskapitals zusammen auf 0,99%, bei einem mittleren Bauerngut( 4,7 ha) die Grundrente auf 0,75%, die Grund­und Betriebskapitalrente auf 1,4%. Die Rentabilität ist zurück­

gegangen.

Diese Ziffern sind sehr lehrreich. Natürlich gibt es Leute genug, denen sie keinen Kummer machen. Namentlich die sich nach feudalen Zuständen sehnenden Junker finden, daß die Lebenshaltung der badischen Bauern, von welcher wir durch jene 3iffern ein untrügliches Bild bekommen haben, ganz den Um­ständen angemessen ist.

Bezüglich der Verschuldung des ländlichen Grundbesizes sind genaue Ziffern in dem Bericht der Regierung enthalten, die wir natürlich nicht hier anführen können. Bei der Immobiliar verschuldung der rein landwirtschaftlichen Betriebe beginnt die Belastung bei 7,26% und steigt bis zu 112,67% des Steuers fapitalwerts. Die Regierung tröstet sich damit, daß sie anführt, ein erheblicher Bruchteil der landwirtschaftlichen Be völkerung habe sich von jeder Verschuldung freigehalten. Leider nahme begriffen ist; allem Anschein nach ist sie in der Zu wird nicht dargelegt, ob die Verschuldung in Zunahme oder Ab­nahme begriffen. So wird der erhebliche Bruchteil", der noch schuldenfrei ist, bald zusammengeschmolzen sein.

mäßig verschuldet sind

In dem Aufsaz Buchenbergers wird die Verschuldung der In den sogenannten Haushaltungsrech Grundstücke darauf zurückgeführt, daß der Liegenschaftserwerb -bei den kleinen Leuten namentlich, die am meisten verhältnis ermitteln gesucht wurden, ergab sich ein durchschnittlicher jähr- Besserung dieses wenig erfreulichen Zustandes ist nur dann zu -gewöhnlich auf Borg erfolgt. Eine erwarten, wenn die ländliche Bevölkerung sich entschließen kann, bei dem Ankauf von Grundstücken mehr mit den eigenen - Allein wenn diese Mittel nicht da sind? Dann muß der Betreffende Tagelöhner werden und, wie nach Abzug der auf die Bewirtschaftung der 0,59 ha fallenden stellen", ein Schicksal, das schon der Schatten des Helden Achilleus  der alte Homer sagt, einem dienenden Mann das Feld be­Arbeitstage noch etwa weitere 350 Arbeitstage zur Verfügung ſtehen.**)

licher barer Ueberschuß bei dem Großbauer von nur 304 M., bei dem Kleinbauer von nuc 199 Mf., während bei einem der Berechnung unterworfenen Taglöhnergütchen ein Defizit von 300 Mt. sich herausstellte, das im Taglohn verdient werden muß, was übrigens gut möglich ist, da der Familie desselben

Das sind wahrlich keine rosigen Zustände.

Die Gemeinde Richen bei Pforzheim   wird zu den glücklich ſituirten" des Landes gezählt. Ein merkwürdiges Glück, denn für ein Bauerngut von 20 ha wurde eine Rente von 1,8%,

Mitteln zu rechnen."

in der Unterwelt als das Schlimmste bezeichnet hat.

Daß unter diesen Umständen die badische Landwirtschaft für das Land das nicht leisten kann, was sie sollte, ist völlig flar.

Ein von Natur so reichgesegnetes und so fruchtbares Land, das gar nicht übervölfert, dessen Bevölkerung gar nicht über mäßig rasch gewachsen ist es mögen jezt 1570 000 jein­

-

für ein solches von 12,92 ha eine Rente von 0,88% berechnet. deckt seinen Bedarf an Getreide nicht. Nur der Kreis Konstanz  

Was sollen unsere Börsenmänner davon denken, daß man, unt cine winzige Rente" zu erzielen, bei jeder Witterung auf dem Felde arbeiten muß!

Aus Unadingen   in der Baar wird berichtet: Bei einem Bauerngut von 22,3 ha ergibt sich nach Bestreitung aller baaren Auslagen ein Ueberschuß von durchschnittlich 1000 Mt., der als Arbeitslohn des Wirtschafters und als Verzinsung des Betriebs­

nicht. Es müssen jährlich 2 600 000 Zentner eingeführt werden. bringt seinen Bedarf an Getreide selbst auf; alle übrigen Streife So teilt der ministerielle Bericht auf Seite 78 mit. Es werden 51,4% der gesammten Bodenfläche mit Getreide bebaut. Der Kartoffelbau hat vielfach den Hülsenfrüchten- und Körnerban

verdrängt.  

fapitals betrachtet werden kann, während für das Grundkapital anfechtbarer Gewißheit hervor, das eine auf dem Parzellensystem Für uns geht aus den Resultaten der Erhebung mit un beruhende Landwirtschaft innerhalb der heutigen Verhältnisse dem Verfall nicht entgehen fann. In Baden hat dieser Verfall be gonnen, die Produktivität des Bodens ist zurückgegangen, feine Rentabilität unter dem Kleinbetrieb ist eine geringe, die Ver schuldung ist start und das alles sieht aus, als ob es sich nicht

*) 1 Heftar= 100 Ar; 1 Ar

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100 Quadratmeter.

**) Buchenberger, a. a. D. S. 244. Was wird aus den armen Kindern, wenn Mann und Frau in die Fabrik oder auf das Feld müssen, um das Defizit ihrer Scholle zu decken?