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menschliche Magen in besonderer Art angegriffen resp. erkrankt sein,| Salmiakgeist ist ein so sicheres Mittel gegen Schlangengift, wie das um den Cholerabaccillen das Leben und die gefahrdrohende Entwicklung Chinin gegen Wechselfieber." zu ermöglichen.

Ueber Schlangenbisse. Die Frage der Wirkung des Schlangen­gifts und etwaiger Gegenmittel ist in der Presse mehrfach zur Be­sprechung gelangt, in Anbetracht dessen, daß unsere deutsche Heimat auch eine gefährliche Giftschlange, die Kreuzotter, beherbergt, deren Biß schon manches Leben zum Opfer fallen mußte. In einer Sizung der Niederrheinischen Gesellschaft zu Bonn   hat nun kürzlich Herr Professor Binz einen Vortrag über Heilmittel bei Schlangenbissen gehalten, und dabei insbesondere eins, den neuerdings empfohlenen Salmiakgeist, be­sprochen. Die Köln  . 3tg." entnimmt dem Vortrage das Folgende:

Infolge der früheren diesbezüglichen Mitteilungen des Vortragenden, welche hier veröffentlicht worden, ging mir in dankenswerter Weise ein Brief aus Port Elizabeth am Kap der guten Hoffnung von Herrn S. A. Behr und gleichzeitig ein Fläschchen eines Geheimmittels zu, welches dort unter dem Namen Shaws Sure Cure" verkauft wird. Zwanzig Tropfen davon sollen gleich nach der Verwundung innerlich, mit etwas Wasser verdünnt, genommen und die durch einige Messer­schnitte aufgerizte Wunde damit ausgewaschen werden. Gemäß der mit­gegebenen Anweisung zum Gebrauch ist das Geheimmittel ein Auszug aus afrikanischen Pflanzen. Der Darsteller lebt in einem Gebiet, das sehr stark von Kaffern bevölkert ist, er steht bei ihnen in großem An­sehen, ist mit ihrer Sprache und ihren Sitten schr vertraut und soll das Geheimnis der Fabrikation" von ihnen mitgeteilt bekommen haben. Die von dem Vortragenden angestellte Untersuchung der braunen Tink­tur ergab, daß sie wesentlich aus Salmiak besteht, der durch einige brenzlich riechende und schmeckende Stoffe maskirt ist. Da man kaum annehmen darf, daß die Kaffern ihre chemischen Kenntnisse und Fertig­feiten bis auf die Bereitung von Salmiakgeist ausgedehnt haben, so wird der leztere also wohl den gewöhnlichen zivilisirten Quellen ent­sprungen sein. Das Fläschchen von etwa 50 ccm. Inhalt foſtet 7 sh. und 6 d.( nahezu 8 M.). Der Fabrikant warnt vor Nachahmungen und schließt mit der für ihn gewiß sehr wichtigen Mahnung, man möge jein Leben niemals billigen Präparaten anvertrauen!

Der Salmiakgeist ist nun in der Tat bei den Bissen von gewissen Schlangen von großem Nuzen. Darüber hat der im Zululande ge­borene Sohn eines eingewanderten deutschen   Arztes, Dr. A. Schulz, Versuche angestellt und diese in seiner Doktor- Dissertation( Berlin   1881) beschrieben. Er ließ Meerschweinchen von der Kreuzotter beißen und behandelte die Wunde gleich nachher mit Aezkali oder Salmiakgeist oder gar nicht. Jene Behandlung bestand darin, daß ein halbes oder ein ganzes Gramm der Flüssigkeit mit der gewöhnlichen Morphiumsprize in die Bißwunde eingeführt wurde. Die mit Alezkali oder gar nicht be­handelten Tiere gingen sämmtlich zu Grunde, während die mit Salmiat­geist behandelten alle am Leben blieben. Dies ist ein sehr merkwürdiges Ergebnis, welches auch bei uns, wo zuweilen Kreuzottern vorkommen, Beachtung verdient. Nicht vergessen werden darf, daß der Salmiakgeist bei den Biffen mancher andern Schlangen vollkommen ohne Wirkung bleibt. Man kann ihn mit dem Gift der Brillenschlange innig mischen und dieses nun erst dem Tiere beibringen, er wird dann das Gift in feiner Weise zerstören. Das gibt wenigstens Fayrer in seinem großen Wert auf Grund einer ganzen Reihe mitgeteilter Versuche an.

Einen viel größeren Wirkungskreis als Dr. Schulz weist ein deutscher Kaffeepflanzer, Herr A. Schaar in Misantla( Mexiko  , Prov. Berakruz), dem Salmiakgeist bei Schlangenbissen an. In einem Brief an die Kölnische Zeitung  , der dem Vortragenden zur Verfügung gestellt war, chreibt er: Während meiner Anwesenheit hier, habe ich mehr als in sechzig Fällen Schlangenbisse geheilt. Kein einziger der Gebissenen ist gestorben, obgleich einige gefährlich frank waren. Die gebissenen Glieder waren start angeschwollen, das Blut brach aus Mund und Ohren her­bor, die Besinnung war schon geschwunden. Ich gebe dem Gebissenen jede halbe Stunde zwanzig Tropfen Salmiatgeist mit Wasser oder Branntwein verdünnt ein, so lange der Puls nicht in Ordnung oder waren die Kranken auf diese Weise binnen vierundzwanzig Stunden jeder Gefahr enthoben. An der Wunde darf nichts geschehen; es iſt auch vollkommen überflüssig, denn das Gift geht sofort ins Blut über Sträfte, sich zu erheben. Um die Geschwulst zu vermindern, gebrauche und der Gebissene hat häufig schon nach wenigen Minuten kaum die ich zuweilen faltes Wasser mit Karbolsäure vermischt; nasse Tücher mit dieser Mischung werden auf die Geschwulst gelegt. Wenn trozdem so viele Fälle auch hier vorkommen, daß Indianer am Schlangenbiß sterben, so liegt die Ursache darin, daß diese Leute ihre unbrauchbaren Hausmittel oder ihre Wundermittel zuerst anwenden und dann erst ihre Zuflucht zum Salmiakgeist nehmen, wenn der Kranke bereits im Sterben liegt. Meine Arbeiter in den Kaffeepflanzungen werden häufig von Giftschlangen gebissen. Es sind Fälle vorgekommen, in denen der Ge­bisfene unterstützt werden mußte, um den eine Viertelstunde weiten Weg bis zum Hause zurückzulegen.

diese Kranken binnen vierundzwanzig Stunden vollständig wieder her­Die schwersten Symptome waren schon eingetreten, dennoch wurden gestellt. Häufig sind drei Gaben von Salmiakgeist ausreichend, in Fällen dagegen, wenn über den Gebrauch von Hausmitteln die Zeit bergangen war, mußte ich vierundzwanzig Stunden lang mit dem Salmiatgeist fortfahren und habe dann stets Erfolg gehabt. Kurz, der

Der Vortragende bemerkt hierzu, daß diese Mitteilungen eines Laien ihm sehr auffallend erscheinen und daß er nur wünschen könne, sie seien frei von jedem Irrtum. Durch anderweitige Versuche an Tieren und durch Beobachtungen am Menschen ist allerdings erwiesen, daß der Salmiakgeist, in mäßigen Gaben ins Blut gelangend, die Tätigkeit eines durch krankhafte Einflüsse geschwächten Herzens anfacht und auch die sinkende Atmung hebt und belebt; daraus folgt teoretisch seine Nüz­lichkeit beim Schlangenbiß, das Herz und das Atmungszentrum sind ja die ersten Angriffspunkte vieler Schlangengifte. Daß aber der Salmiakgeist, wie der obige Brief ihn schildert, unfehlbar lebensrettend sein kann, entspricht wenigstens nicht den Erfahrungen, welche die wissen­schaftliche Heilkunde in andern Zuständen bei uns gemacht hat. Auch Fayrer hat seinen Tieren, die er von indischen Giftschlangen beißen ließ, den Salmiakgeist unmittelbar ins Blut nachgeschickt, aber die Tiere starben alle an dem Schlangengift. Es handelte sich allerdings an dem Wohnorte des Herrn Schaar um andere Arten dieser Reptilien. Jeden­falls wäre es von höchstem und dankenswertestem Interesse, wenn die Ergebnisse unseres Landsmanns in Misantla durch einen wissenschaft­lich geschulten Arzt auch nur zu Hälfte bestätigt würden. Der Salmiak geist wäre dann selbst mit dem Preise, den der Geheimmittelfabrikant Shaw am Kap der guten Hoffnung   für ihn fordert, nicht zu hoch be­zahlt.

Handel und Verkehrswesen.

Die Länge des Eisenbahnnezes der Erde. Das Eisenbahnnez der Erde erreichte zu Ende des Jahres 1882 eine Gesammtlänge von 411 667 km. Hiervon entfallen auf Europa   180 137, auf Asien   17282, auf Amerika   200 316, auf Afrika   5149 und auf Australien   8783 km. Die Bahnlängen der europäischen   Staaten, geordnet nach der Dichtig­keit des Nezes, ergeben sich aus folgender Tabelle:

Länder.

Belgien  .. Luxemburg  Großbritannien  Deutsches Reich  Schweiz  . Niederlande  

Ganze Länge.

Auf

1000 qukm.

entfallen.

Länder.

Ganze Länge.

Auf 1000 qukm. entfallen.

km. 4293

km.

km.

km.

1458 Spanien  

9810

197

360 1391

Portugal  

1673

187

26619

941

Schweden  .

6305

140

35500

657

Rumänien  

1475

113

2682

648

Türkei  

1432

54

2022

Dänemark  Desterreich- Ungarn 19735 Italien...

28804 1770

8775

613 Norwegen 545 Rußland 462 Bulgarien 317 Finnland. 304 Griechenland

1524

47

22890

46

224

35

1171

31

73

11

Frankreich  

Der größte Teil der asiatischen Bahnen entfällt auf Britisch- Indien mit 15892 km. oder 70 km. auf 10000 qukm.; die übrige Länge ver­teilt sich auf Java mit 613 und auf Ceylon, Japan   und Kleinasien  mit je 200 bis 300 km. In Amerika   betrug die Bahnlänge in den Vereinigten Staaten 168677 km. oder durchschniitlich 183 km. auf 10000 qukm., in Kanada   12224, in Brasilien   4865, in Mexiko   4654, in Argentina   2811, in Peru   2510, in Chile   1855 und auf Kuba  1382 km.; außerdem sind noch 12 amerikanische Staaten mit Eisen­bahnen ausgestattet, deren Längen zwischen 22 und 376 km. liegen. In Afrika   finden wir Algerien  , die Kapkolonie und Egypten mit 1531, 1543 beziehungsweise 1518 km. Eisenbahn vertreten; an der verblei­benden Länge beteiligen sich Tunis   mit 226, Natal   mit 159 und Mau­ritius mit 132 km. Von den australischen Bahnen endlich entfallen auf Australien   selbst 6381, auf Neuseeland   2075, auf Tasmania   276 und auf Hawaii   51 km. Eisenbahn.

Das Eisenbahnnez der Erde hat von 1879 auf 1880 um 12853 km., von 1880 auf 1881 um 23261 km. und von 1881 auf 1882 um 31371 km. zugenommen. ( Nach der Wochenschrift des österreichischen  Ingenieur- und Architektenvereins, 1884, S. 8.)

Beiträge zur Länder und Völkerkunde.

Ein Besuch auf der schwimmenden Insel. Wir hatten von einer Naturmerkwürdigkeit gehört, die sich nicht weit hinter der preußisch­russischen Grenze in den baltischen Provinzen befindet. Es handelte sich um eine schwimmende Insel, die allsommerlich aus der Tiefe eines Sees an die Oberfläche steigt und mit Beginn des Winters wieder spurlos in das Wassergrab versinkt.

Ein namhafter Naturforscher aus Königsberg   begleitete uns, und so fuhren wir, drei Herren, an einem festgesezten Tage zunächst von Eydtkuhnen   über Dünaburg   nach Kokenhusen, einer Station der Riga­Dinaburger Eisenbahn. Es war an einem prächtigen Herbsttage, als wir in Kokenhufen eintrafen. Hier nahmen wir Postpferde und er= reichten nach mehrstündiger Fahrt und nach etlichem Pferdewechsel das