Hatte sich nun erst einmal ein berühmter Alchemist die wunderbare Stärkungs- und Heilkraft der großen Panacee ein­geredet und davon geschrieben, so stand sie fest für die Jahr­hunderte, da niemand, der nicht sofort alle seine Geltung als Adept einbüßen wollte, dagegen auftreten konnte. Dazu fam, daß die frommgläubigen Christen des Mittelalters die Wun dergeschichten der Bibel von dem langen Leben der Erzväter u. s. w. doch absolut nicht bezweifeln durften, aber gar zu gerne erklärt hätten, was fonnten sie daher besseres tun, als an ein Universallebensverlängerungsmittel zu glauben, das der all­gütige Christengott jedenfalls nicht nur für die Juden des alten Testamentes geschaffen haben konnte.

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Erklärlicherweise gab es auch sofort Leute, die versicherten und es vielleicht schließlich selbst glaubten, es mit Hülfe der Banacee zu einem mächtigen Alter gebracht zu haben.

So der lateinische Alchemist Orteghius   im 12. Jahrhundert, der sich die etwas unbescheidene Zahl von 1000 Lebensjahren beilegte.

Der noch 1700 in der Nähe von Trient   als Einsiedler lebende Reichsgraf von Trautmannsdorf   war viel beschei­dener; er behauptete 1462 geboren, also noch nicht ganz 240 Jahre alt zu sein.

400 Jahre alt soll der 1724 gestorbene Venetianer Frie derikus Gualdus geworden und 350 Jahre behauptete der sich Graf St. Germain nennende, von 1770-1795 von sich reden machende Abenteurer alt zu sein.

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Damit war es aber mit der wunderbaren Kraft des Steins der Weisen immer noch nicht genug, auch flug, weise, edel, fromm sollte er machen, nicht nur Armut und Tod, sondern selbst Teufel und Hölle besiegen. Troz alledem ist der kritische Sinn des Menschengeschlechtes so weit rege gewesen, daß ungeachtet der mächtigen Bollwerke, welche die Alchemie umgaben, und ungeachtet ihrer weiten Ver­breitung schon jahrhundertelang Zweifel an ihr rege und Kampf wider sie geführt wurde.

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Vornehmlich mögen es die handgreiflichsten Betrügereien gewesen sein, welche den alchemistischen Aberglauben in für die Betroffenen allzufühlbarer Weise ausbeuteten und dadurch er­schütterten.

Alchemisten, welche Kunstreisen machten und Vorstellungen gaben, praktizirten allerlei Goldpräparate heimlich in das schmel­zende unedle Metall, unter anderem dadurch, daß sie einen

hohlen mit Goldkörnern gefüllten und mit Wachs verschlossenen Stab, der gewissermaßen ihren Zauberstab darstellte, in die

schmelzende Metallmasse tauchten. Dabei schmolz natürlich das Wachs und das Gold kam in den Schmelztiegel, wo es nun

als Beweis für die Richtigkeit alchemistischer Ansichten aufge­wiesen wurde, umsomehr als man durch anhaltende Glühhize das Blei verbrannte oder das Duecksilber zur Verflüchtigung

brachte und das Gold allein übrig behielt.

Solche und ähnliche Betrügereien konnten nicht immer ver­borgen bleiben und mußten die Alchemie überhaupt kompromit­

tiren. Daher kam es, daß schon im 14. Jahrhundert geistliche und weltliche Herrscher wider die alchemiſtiſchen Bemühungen durch Edikte einzuschreiten ſuchten, aber da stets mehr hohe

geistliche und weltliche Würdenträger für die Alchemie ein­genommen waren als dagegen, so geschah das mit sehr wenig Erfolg.

Im Anfang des 16. Jahrhunderts erklärte sich der be­rühmte Arzt und Naturwissenschafter Philippus Aureolus  

des Kaisers und des Pabstes Reichtümer zusammen nicht zu bezahlen vermöchten."*)

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In dieser Weise schwanken selbst die zweifelsüchtigsten und scharfsinnigsten Köpfe, zu diesen hat Paracelsus   tatsächlich gehört,-haltlos zwischen dem Glauben an die Alchemie und dem Kampf für sie einerseits und dem Kampf gegen sie und die sich an sie knüpfenden Betrügereien andererseits hin und her,- was wunder, daß die gerngläubige, goldhungrige, elend geplagte Menge wie mit eisernen Ketten an den Wundern des roten und weißen Löwen hangen blieb.

Im Anfang des 17. Jahrhunderts machten sich im Abend­lande ganze Gesellschaften an die Erforschung des Steins der Weisen, indes aus Fez, an der Meeresküste von Afrika  , schon um 1500 von großen Alchemistenzusammenfünften zur Beratung und Förderung der gemeinsamen Bestrebungen in einer Moschee zu berichten war.

Die bedeutendste an Mitgliederzahl und Einfluß ist die der Rosenkreuzer  , welche im Anfang des 17. Jahrhunderts gegrün det wurde und bis ans Ende des 18. Jahrhunderts bestand**). Zur selben Zeit bestand in Frankreich   ein Collegium rose­anum, nach ihrem Stifter Rose, genannte alchemistische Ges sellschaft, welche mit den Rosenkreuzern häufig, aber irrig in in denselben Topf geworfen wurde.

Eine andere alchemistische Gesellschaft von Bedeutung war die von Nürnberg  , welche 1654 gegründet wurde und über fünfzig Jahre bestanden hat. Ihr berühmtestes Mitglied war der große Philosoph Leibnitz  , der allerdings nur zwei Jahre lang ihr Sekretär war.

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Erfolg hatten die Bemühungen der alchemistischen Gesell schaften je mehr sie ehrlich strebten, desto weniger. Von den einzelnen Alchemisten wurden im 16. und 17. Jahrhundert mehr und mehr des Betrugs überwiesen. So ließ 1575 Herzog Julius von Braunschweig- Lüneburg   die Alchemistin Anna Maria Ziegler  , die Schlüters Ilse genannt wurde, wegen im Namen der Alchemie verübten Betrugs verbrennen, 1590 wurde ein als Graf Bragodino in Deutschland   reisender angeb lich Gold machender Industrieritter in München   in flitterver goldetem Kleide an einem vergoldeten Galgen erhängt; 1597 ließ es Herzog Friedrich von Württemberg mit Georg Honauer  

ebenso machen.

Aehnlich erging es vielen anderen. Der bekannteste und großartigste Schwindler unter ihnen war ein Ende des 17. Jahr­hunderts zum baierischen Feldmarschall erhobener italienischer Bauernsohn, welcher als Graf Ruggiero und Graf Caetano außer in Baiern   auch in Spanien  , in Desterreich, in der Pfalz  und in dem neuen Königreiche Preußen als Günstling der be oft genug als Betrüger erkannt wurde, ebenso oft zu entwischen treffenden Fürsten sein ungeheuer kostspieliges Wesen trieb und verstand, endlich aber 1709 in Preußen, nachdem er noch zu

guterlezt preußischer General der Artillerie geworden war, üblich selbst vergoldet und gehängt wurde.

wie

Nicht viel weniger Aufsehen als der italienische Betrüger Caetano machte der deutsche Gauner Johann Hector von Klet tenberg, der nach vielen alchemistischen Kreuz- und Duerzügen in Dresden   Kammerherr des Königs August II.   von Polen und

1720 auf dem Königstein   enthauptet wurde.

Ein Jahr früher war ein glücklicherer Alchemist   in Sachsen  eines natürlichen Todes gestorben und zwar als Direktor der

föniglichen Porzellanmanufaktur er hieß Bötticher.

Derselbe war 1701 in Berlin   Apotekerlehrling gewesen und der ihm eine Portion des Steins der Weisen schenkte. Bötticher unwillkürlichen Täuschungen und betont, daß ihm die Bereitung und die Verwandlung von Duecksilber in Gold soll vortrefflich prüfte in Gegenwart mehrerer Zeugen die Kraft des Steins

Theophrastus Paracelsus Bombastus   von Hohenheim als solcher mit dem reisenden Adepten Laskaris bekannt worden,

wiederholt gegen die Alchemie und nennt die Alchemisten Narren, die leeres Stroh dreschen, warnt vor absichtlichem Betruge und

des Steins der Weisen nie gelungen sei. Doch mindestens ebensooft spricht er auch von eben diesem Stein der Weisen, als einer ihm wohlbekannten Sache, rühmt ihn als Universal­arznei, begreift nicht, wie man an der Möglichkeit der Metall­verwandlung zweifeln könne, und prahlt mit Schäzen, die er mit Hülfe der Alchemie dargestellt habe und deren Kostbarkeit

gelungen sein.

*) Kopp a. a. D. Bd. I, S. 97.

**) Was in Meyers großem Konversationslexikon über die Rosen­freuzer geschrieben steht, ist in mehreren Beziehungen durchaus un richtig. Wir kommen gelegentlich in einem kleineren Feuilletonartifel

auf die kulturhistorisch interessante Gesellschaft zurück.