Der Strauß.( S. 503.) Dieser große Bogel gilt heute als ein ziemlich dummes Tier, und man sagt von ihm, daß er, wenn er sich verfolgt sähe, seinen Kopf in den Sand stecke und sich dann vor seinen Feinden verborgen glaube. Dem ist indessen nicht ganz so, denn der Strauß wartet seinen Verfolger keineswegs mit dem Kopfe im Sande ab; er hat nur die Gewohnheit, nicht in die Ferne, sondern im Kreise um seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort herum zu fliehen. Dadurch wird die Jagd auf ihn wesentlich vereinfacht; indessen entwickelt der Strauß bei solchen Gelegenheiten doch eine solche Schnelligkeit, daß die Beduinen ihre besten Pferde nehmen müssen, wenn sie ihn einholen wollen. Die Alten hielten diesen Vogel nicht für dumm; eine Straußenfeder galt als Symbol der Wahrheit, weshalb auch die sonderbare egyptische Gottheit Thot, der Mondgott mit dem Jbiskopf, neben der Mondscheibe eine Straußenfeder in der Hand trägt. Die Mitglieder des höchsten egyptischen Gerichtshofes trugen das Symbol der Wahrheit, die Straußenfeder, auf dem Kopf, woraus man allerdings nicht schließen darf, daß bei der altegyptischen Justiz die Wahrheit das allein Maßgebende gewesen sei. Schön sieht der Strauß im übrigen auch nicht gerade aus. Der kleine flache Kopf mit dem dicken kurzen Schnabel fizt auf einem sehr langen Halse. Der Kopf, der Hals und die dicken plumpen Schenkel sind nur mit einem ganz leichten Flaum bedeckt; den Körper aber überwallt ein starkes Gefieder, das namentlich beim Männchen sich zu wahrhafter Pracht entwickelt. Die Straußenfedern dienten schon in alter Zeit als Schmuckgegenstand; später waren sie eine beliebte Helmzier und heute schmüden sie hauptsächlich die Kopf-= bedeckungen des schönen Geschlechts. An den Füßen des Straußes befinden sich nur zwei, aber sehr starke Zehen. Diese Tiere, die sich meistens von Pflanzen nähren, in deren Magen man aber gewöhnlich auch eine Menge von unverdaulichen Stoffen, Steinen, Metallstücken u. s. w. vorfindet, leben in großen Massen zusammen in den Steppen und Wüsten von Afrika und auch in Asien . Nach den Mitteilungen von Reisenden ist der Strauß in den Steppen im Innern Arabiens gar feine seltene Erscheinung. Auf ein Männchen kommen beim Strauß zwei, drei, vier oder auch fünf Weibchen. Das Nest befindet sich in einer Art von Grube oder Mulde in der Erde, wo sich mehrere Weibchen aushalten können. Ein Weibchen legt etwa zwölf Eier. Das Brutgeschäft überläßt man bei Tage den Sonnenstrahlen, Nachts brütet meistens das Männchen. Nach 65 Tagen kriechen die Jungen aus. Der afrikanische Strauß wird bis zu 3 Meter hoch und 2,5 Meter lang; der südamerikanische dreizehige Strauß( Nandus) ist kleiner. Fliegen können diese Tiere mit ihren furzen Flügeln gar nicht; sie rennen aber so rasch wie die schnellsten Pferde. Man hält es für möglich, den Strauß nach Europa , z. B. nach Dalmatien zu verpflanzen, und es haben auch diesbezügliche Versuche stattgefunden, über deren Resultate uns indessen nichts Näheres bekannt ist. In Afrika wird, was von den Tieren verwendbar, tüchtig und gewissenhaft ausgenuzt; wie beim Kamel, so auch beim Strauß. Die Federn werden Schmuck, das Fleisch und die Eier werden gegessen, leztere auch von den Ansiedlern im Kapland als Naturalabgabe eingeliefert, und aus der Schale Trinkgefäße gemacht. Straußenbutter ist ein Gemisch aus Straußenblut und Straußenfett. Das Fell wird zu Leder gegerbt. Im alten Rom , wo man auf die unsinnigsten Leckereien verfiel, wurden am kaiserlichen Hose auch Straußengehirne gegessen. Die Jagd auf den Strauß, ein Hauptbergnügen für die Beduinen, wird auf eine sehr grausame Weise betrieben. Sobald der Jäger das im Kreise fliehende Zier erreicht, schlägt er es zu Boden und durchschneidet die große Halsader, damit es sich verblutet. Damit das Blut aber nicht zu reichlich ströme und die schönen Federn verderbe, wird dem Tier eine Zehe abgeschnitten und in die Wunde geſtedt. So muß der Strauß langsam verbluten. Der Strauß ist ein im ganzen harmloses Tier; nur wenn er in seinem Nest angegriffen wird, verteidigt er sich sehr hartnädig. Wir sehen diese Ziere viel in den zoologischen Gärten; sie pflanzen sich auch in der Gefangenschaft mit Leichtigkeit fort. Einige Länder verdanken der Ausfuhr von Straußenfedern ein schönes Einkommen, vor allen das Kapland in Afrika , Uruguay und Argentinien in Südamerika . W. B.
Mitteilungen aus dem Gebiete der Industrie, Technik und Landwirtschaft.
Vorteile der Bienenzucht. Obschon die Ausdehnung und Hebung der Bienenzucht in den lezten Dezennien im preußischen Staate, speziell in der Provinz Hannover , bedeutend zugenommen hat, wodurch dem Lande durch Mehrproduktion von Honig und Wachs nicht allein manche Genüsse erwachsen und pekuniäre Vorteile erreicht sind, sondern auch längst nicht die Ausdehnung erreicht, zu welcher sie gekommen sein sollte und zucht noch nicht erreicht, daß soviel Honig und Wachs in Deutschland erzeugt als verbraucht wird.
Es werden immer noch tausende
von Zentnern Wachs und Honig aus dem Auslande bezogen, welche ganz gut im Inlande produzirt werden könnten; es wäre möglich, noch der Bienen für dieselben ein Futtermangel eintreten würde. Es gehen in bedeutendes Quantum auszuführen, ohne daß durch Bermehrung alljährlich noch mehrere millionen Mart für Wachs und Honig ins Ausland. Außer diesem erwähnten, durch vermehrte Bienenzucht erreich baren Vorteil bringt sie noch einen zweiten Borteil, welcher haupt
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sächlich den Land- und Gartenbauern zugute kommt. Nach vielen Beobachtungen hat sich herausgestellt, daß die Bienen bei dem Befruchtungsprozeß der Pflanzen eine sehr wichtige Rolle spielen; denn man hat gefunden, daß bei vielen Pflanzen getrennten Geschlechts, bei welchen der Blütenstaub von Pflanze zu Pflanze getragen werden muß, in den meisten Fällen keine Befruchtung stattfindet, wenn solche nicht durch das Befliegen von Bienen oder andern, Honig und Blütenstaub sammelnden Insekten vermittelt wird. Zu dieser Ueberzeugung gelangte man am sichersten durch Beobachtungen, welche man bei Pflanzen anstellte, die im geschlossenen Zimmer oder im Treibhause sich befanden, die daselbst wenig oder gar keinen Samen brachten, denselben aber in Menge ansezten, sobald man ein Fenster öffnete und die Pflanzen von Bienen u. dergl. besuchen ließ. Ferner sind Beobachtungen gemacht worden, daß Obstbäume und andere Gewächse, welche in der Nähe von Bienenständen sich befanden, stets mehr und bessere Früchte lieferten, als solche, die von Bienenständen weiter entfernt waren und deren Blüten nicht so stark von den Bienen besucht wurden. Mögen diese Winke Beachtung finden und dazu veranlassen, auch zur Vermehrung und Hebung der Bienenzucht mitzuwirken.
Um kaltflüssiges Baumwachs zu erhalten, welches außerordentlich schön ist, nehme man folgendes: 2 Teile weißes Pech, 2 Teile gelbes Wachs, 3 Teile virginischen Terpentin, zu ca. 1/2 Pfund dieser Mischung für etwa 5 Pf. Baumöl, sowie etwas Spiritus, der zugesezt wird, wenn die Teile zusammengeschmolzen sind. Damit der Spiritus nicht verflüchtet, so ist das Wachs in einem geschlossenen Gefäß aufzubewahren; nach dem Gebrauch wird es hart und hält mehrere Jahre.
H. Hagen, Landmann( Ahrenlohe, Holstein).
Aus dem Bereiche der Antropologie und Gesundheitspflege. Bakterien und Algen auf Goldmünzen. Das größere Publikum ist schon längst davon unterrichtet, daß Gegenstände, welche viel von Hand zu Hand gehen, unter Umständen für die Gesundheit recht verhängnisvoll werden können, weil sie von jedem, und so auch von den Kranken, etwas annehmen, was gleich einem Fermente weiter wirken und Veranlassung geben kann zu Krankheiten, deren Ursache dann kaum noch zu erraten ist. Von alten Kleidern ist das auch ohne ärztliche Beobachtung dem Volke längst bekannt gewesen, aber diese ärztliche Beobachtung hat doch die Sache derartig erweitert, daß man gelegentlich der neueren Cholera- Epidemien imstande war, den Pfad der lezteren, mit v. Pettenkofer , nach den getragenen Kleidern zu verfolgen. Ebenso hat man auf viel gelesene Bücher, namentlich der Leihbiblioteken, als auf Gegenstände hingewiesen, die nur zu sehr dazu geeignet find, allerlei Krankheiten zu verbreiten, die aus Ansteckung durch Spaltpilze leicht hervorgehen. Es ist uns darum niemals zweifelhaft ge= wesen, daß selbst die Geldmünzen in die Reihe dieser Krankheits- Verbreiter zu rechnen seien; um so weniger, als man nur zu häufig erlebt, wie Unwissende dergleichen Münzen sogar zwischen Lippen und Zähne bringen. Wir wollen garnicht davon sprechen, daß nach alter Ueberlieferung unter Geldleuten die Kassirer die kürzeste Lebensdauer haben sollen. Sicher ist ja, daß auch das Bapiergeld nach langem Gebrauche ein Gegenstand wird, den man oft nicht mehr in die Hand zu nehmen wagt. Schließlich haben sich nun auch Geldmünzen als hierher gehörig entpuppt, und ein sehr bekannter Mikroskopiker ist es, welcher uns die Tatsache lehrt, Hr. Paul F. Reinsch in Erlangen . Derselbe war so gütig, uns einen Aufsaz darüber mitzuteilen, den er soeben in Nr. 9 der botanischen Zeitschrift" Flora" hat drucken lassen, und da selbige nur den Botanikern von Fach zugeht, so ist es für uns um so angezeigter, die Tatsache der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Sie ist insofern überraschend, als ihr Entdecker, durch einen zufälligen Umstand zur mikroskopischen Untersuchung einer kleineren Silbermünze veranlaßt, die frappante Beobachtung zahlloser Bakterien und auch einzelliger Algen in den dünnen Krusten machte, welche sich durch ununterbrochenen Gebrauch auf der Oberfläche der Münzen zu bilden pflegen. Was Reinsch fand, ist folgendes. Bei gewöhnlicher Vergrößerung( also einer 250 bis 300 maligen) bemerkte er zunächst ein Gemengsel größerer oder kleinerer Körnchen, Stückchen von Fasern, Fettkügelchen, insbesondere aber aus Stärketörnchen gebildeter Massen, dazu zahllose bewegliche winzige Körperchen, deren Beweglichkeit anfänglich nur die bekannte Molekular- Bewegung zu sein scheint, aber nach einiger Zeit in die lebhafteste bakteroide Bewegung übergeht." Unter stärkerer Vergrößerung treten die Bakterien deutlich hervor und zeigen sich in verschiedenen Formen: stabförmige mit oszillirender ( vibrionischer) oder spiraliger( spirillischer) Bewegung und tugelförmige( mikrofoffische) mit der eigentümlich tanzenden Oszillation. Bisweilen traf er beide Formen auf einer und derselben Münze zusammen, während sie sonst meist getrennt vorkommen; die kugelförmigen bilden jedoch stets die Hauptmasse. Von Algen fand der Beobachter auf deutschen, österreichischen, ungarischen, italienischen und nordameritanischen älteren Silber- und Bronzemünzen zwei ganz bestimmte und beständige Formen: einen winzig fleinen Chroococcus und eine einzellige Alge, welche eher mit Balmella-, als mit Phytochrom- Algen verwandt ist." Ersteren nennt er Chr. monetarum, leztere Pleurococcus monetarum. Diese Algen- Formen finden sich aber nicht auf jüngeren Münzen. Außerdem vermischen sich diese Organismen mit unentwickelten Pilz- Hyphen( Fäden) und Sporen von Schimmel- und Staub
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