Wenngleich die Umgebungen der Elbe und Oder, dieser beiden Haupttaleinschnitte Norddeutschlands, nirgends mehr die Regelmäßigkeit in der Form und die bestimmte Beziehung zu den unterliegenden Gebirgsarten so klar und deutlich zeigen, als im Rücken der Lüneburger Haide, so finden sich doch, besonders in dem Lande, das zwischen beiden Tälern liegt, mehrfache Verhältnisse, welche mit den erwähnten verglichen werden können. In dem nördlichen Teile der Altmark liegen etwas abwärts vom Elbtale, bedeutungsreich für die Nähe des älteren Gipses, die Salzquellen von Salzwedel und von Osterburg , und fast in der Verbindungslinie zwischen Osterburg und dem Gipse bei Lüne burg sieht man den Arendsee , einen bedeutenden Erdfall von 114 Kilometer Umfang und bis zu 63 Meter Tiefe, dessen Einsturz im Jahre 822 und Nachsenkung im Jahre 1685 dort ein mächtiges Flöß voraussezen. Die Salzquelle von Selbelang, im Westen von Nauen , und die salinischen Erscheinungen bei Uz im Havellande und bei Brandenburg , sowie die von Storkow liegen im Grunde selbst des großen Tales, indes die Salzquelle von Salzbrunn, zwischen Beliz und Treuenbrießen, und die von Trebbin ein wenig an den nördlichen Abfall des Talrandes hinauftreten. Am weitesten gegen Südosten endlich erhebt sich noch einmal der ältere Flößzips bei Sperenberg mit seinem mächtigen Salzlager, und über ihm gegen Süden ragt ein steiler Kamm des aufgeschwemmten Landes in dem Golmberge zu einer absoluten Höhe von 180 Meter cmpor.
Die Weichsel hat man bekanntlich mit der Netze durch einen Kanal vereinigt; derselbe ist aber auch nur möglich geworden durch jene Vorarbeiten der Natur, welche erlaubten, bei Müll rose Spree und Oder zu vereinigen. Der Bromberger Kanal liegt ebenso in einem verlassenen Strombette, wie der FriedrichWilhelms- Kanal. Dieselben Oberflächenerscheinungen, welche dazu nötigten, das Ddertal mit dem jezigen Sprcetal zu ver einigen, zwingen auch dazu, bei Bromberg einen ehemaligen Lauf der Weichsel durch das Tal der Neze und Warthe in dem jezigen Unterlauf der Oder anzunehmen.
Von Bromberg bis Stettin ist es nicht weiter, als von Bricskow nach Hamburg . Der Landrücken an der unteren Weichsel hatte im Munde des Volkes längst den alten Ruf des höchsten in Pommerellen und dem heutigen Westpreußen . Sein Scheitel, der Türmberg bei Schöneberg , im Quellengebiet der Radaune gelegen, erreicht eine Höhe von 330 Meter über der Ostsee , und dieser Landrücken hat daher mit seinen Ausläufern ehemals den Abfluß des Stromes gegen Norden erschweren müssen. Ja, sogar geschichtliche Spuren weisen darauf hin, daß noch in der historischen Zeit die Weichsel nicht durch ihr jeziges Tal von Fordon nach Danzig geflossen ist. Diese Bahn war zwischen Fordon und Ostromeßzkow verschlossen; die Gewässer der Weichsel stauten zu einem der Schwarze See genannten Binnenmeere, das den tieferen Teil der Ebene bedeckte und den höheren in einen Archipel verwandelte. Seinen Wasserüberfluß führte dieser See durch die breite Tallinie ab, der gegenwärtig der Bromberger Kanal, die Neße, Warthe und Oder folgen. Mit dieser Tatsache, die bisher übersehen worden und die altpolnische Chroniken überliefern, dürfte manche scheinbare Unrichtigkeit in den Angaben der Alten gelöst, manches Dunkel in der Geschichte der östlichen Völker aufgeklärt sein.
Man überzeugt sich bald von der Wahrscheinlichkeit dieser historischen Ueberlieferung und jener geologischen Annahme, wenn man das Tal der Neze etwas näher ins Auge faßt. Der kleine Fluß, der zwischen Bromberg und Nakel mit sehr schwachem Gefälle von Süden her in ein breites, offenes Tal tritt, hat unmöglich die tiefe Auswaschung hervorbringen können, die meist mehr als 334 Kilometer Breite hat und an einigen Stellen, z. B. bei Chodziesen, 513 Kilometer Breite erlangt. Außerdem zeigt sich dieselbe Erscheinung zwischen Netze und Weichsel , wie zwischen Spree und Oder. Vertieft man den Bromberger Kanal ein wenig, so läuft er mit mächtigem Gefälle in die Weichsel und nicht in die Oder .
Wie die Oder die altmärkische Wische durch Anschwemmung gebildet hat, so die Weichsel den Oderbruch . Untersucht man
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die Gehänge des Oderbruches genauer, so erstaunt man über die hohe, schmale Landzunge von Reitwein und Podelzig . Das Plateau erhebt sich hier 40 bis 50 Meter über die Niederung, und man sieht leicht ein, daß unmöglich die gegen Norden abfließende Oder eine solche Ausspülung hätte hervorbringen können. Diese erscheint aber einfach als eine Fortsezung des südlichen Randes vom Nepetal, das sich hier gegen Norden wendet und auf der Südseite denselben Bogen zwischen Reitwein und Selow macht wie auf der Nordseite den minder scharf ausgeprägten Bogen zwischen Tamsel und Klossow.
Zwei andere Erscheinungen unterſtüzen diese Annahme noch wesentlich, nämlich das weite, leere Tal der Welse- Randow und die drei Mündungen der Oder in die Ostsee . Die große Talweitung, in deren Mitte Vierraden liegt, sowie das weite Tal, das sich fast ohne Gewässer von hier gegen Norden bis Uecker münde fortsezt. ist offenbar nicht von der Oder gebildet, und derselbe Strom brauchte zu seinem Ausflusse in die Ostsee faum den weiten Durchbruch der Swine , wie viel weniger noch zwei Nebenwege, um ins Meer zu gelangen. Wer die Gegend zwischen Misdroy und Swinemünde näher untersucht hat, wird sich überzeugt haben, daß hier allein schon mehr Raum, als nötig, vorhanden war, einen Strom, wie die Oder, selbst beim höchsten Wasserstande zu Meer zu führen; wie viel weniger bedifte es noch zweier flußähnlich eingeschnittener Mündungen, wie der Peene bei Wolgast und der Dievenow bei Wollin . Es mußte ein viel größerer Strom gewesen sein, der unterhalb Schwedt zwei mächtige Ausflußtäler bildete und mit drei Mündungen sich ins Meer ergoß, und das war die Weichsel .
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Und wie die Spree ein Nebenfluß der alten Oder war, so war die Warthe ein Nebenfluß der alten Weichsel ,- ein hydrographisches Verhältnis, von dem das Gedächtnis selbst im späteren Mittelalter noch nicht erloschen gewesen ist, weil es nicht ungewöhnlich war, die Warthe nach ihrer Vereinigung mit der Netze mit dem Namen des zulezt genannten Flusses zu belegen.
In diesen kurzen geologischen Auseinandersezungen über die ursprüngliche Richtung der Haupt- Flußtäler und das ihr vorhergegangene Dasein eines großen Süßwasser- Binnenmeeres, dem aber nach Analogie des Kaspi- See's salinische Bestandteile beigemengt waren, liegt die Erklärung der Bodenbeschaffenheit der Mark Brandenburg zwischen ihrem deutschen Ufer, dem laufizer- bläminger Grenzwalle im Süden, und ihrem skandinavischen Ufer, den Höhenzügen und Landrücken in der Briegniß, der Ucker- und Neumark gegen Norden. Der höhere Grund des Binnenmeeres und der späteren Haupt- Flußtäler der alten Oder und der alten Weichsel ragte in Gestalt von Inseln über die Wasserfläche hervor und bildete einen Archipel, den wir gegenwärtig. nach Ablauf der Gewässer, in den zahlreichen Plateaux erkennen, welche den Boden der Mark karakterisiren. Und wie es eine wohlbekannte, an sehr vielen Landseen wahrnehmbare Erscheinung ist, daß, sofern sie mit Inseln besezt sind und einen Abfluß haben, diese Eilande umso größer und langgestreckter zu sein pflegen, je entfernter sie von dem Ausflusse liegen, und desto kleiner und rundlicher, je näher demselben, so erkennt man auch in den Plateaux der Mark die jezt durch Bruchtäler getrennt sind, die nämlichen Folgen in ihren Umrissen. Beispiele hiervon sind: die Hochebene von Sternberg, welche vor Bildung der jezigen Oder unterhalb Brieskow mit dem Plateau von Lebus und des Barnim eine zusammenhängende, langgestreckte Insel bildete; sodann die fleinen, meist rund geformten Plateaux von Liebrose, des Teltow , der Zauche, die noch kleineren Eilande im Havellande, das Plateau von Döberiß und das von Bähniß im hohen Havellande oder der Merica Obula, der Glin, das Ländchen Bellin, Friesack , Rhinow .
Denken wir uns, das Wasser der heutigen Havel - Seen zwischen Spandau und Plaue sei abgeflossen, so würde das Grundbett dieser Seenkette ein Bild im Kleinen geben von der Oberflächengestalt, die uns die Mark im Großen darbietet. Eine große Talrinne würde vorhanden sein, in welcher der lezte