ihnen handelt, so muß für jedes Schaf besonders bezahlt werden. Nehmen wir z. B. an, zwei Tabaksrollen seien der Tauschwert für ein Schaf, so würde es einen Damara jämmerlich ver­wirren, wenn man ihm zwei Schafe nehmen und ihm dafür vier Rollen geben würde." Ein Vorfall, der vor nicht langer Zeit passirte, und für die Denk- und Handlungsweise der Natur­menschen karakteristisch ist, soll hier plaz finden. Ein nach Süd­ afrika   ausgewanderter deutscher Arzt hatte seine alten Ulanen­uniformen mit hinübergenommen, um sie zur Bekleidung seiner Diener zu verwenden. Ein schwarzer Barolong, der als Kutscher in den Dienst jenes Arztes getreten war, erhielt eine prächtige Ulanka als Galauniform, die ihm nicht wenig Freude bereitete. Plözlich verschwindet der brave Barolong mit seiner Uniform, aber ohne Mitnahme seines restirenden Lohnes von etwa achtzig Mark. Die Sache schien unerklärlich, bis endlich ein aus dem Innern kommender Händler Licht hineinbrachte. Der Barolong hatte eines Tages von seinem Herrn einige Ohrfeigen hinnehmen müssen und die Drohung, daß er bei weiteren schlechten Streichen aus dem Dienst entlassen werden würde. Aus Furcht, daß die Drohung sich bewahrheiten und sein Herr ihm dann die schöne Uniform abnehmen möchte, war er lieber gleich so durchgegangen, freilich zu seinem Unglück, denn als er in voller Pracht in sein Heimatsdorf einzog, teilte man allgemein seinen Geschmack und der Häuptling bat sich sogar die Ulanka zum Geschenk aus, was ihm natürlich nicht gewährt wurde. Da wußte sich denn Da wußte sich denn der Herrscher jenes Stammes in seinem Trachten nach dem bunten Rock nicht anders zu helfen als dadurch, daß er den Ausreißer totschlug und ihm so den umworbenen Gegenstand mit Gewalt abnahm. Außerordentlich mächtig ist bei den Natur­menschen das Freiheitsgefühl vorhanden. Peschel gibt in seiner Völkerkunde u. a. darüber folgendes Beispiel:

Ein junger Botokudenknabe wurde von einer brasilianischen Familie in Bahia erzogen; er besuchte die Gymnasien, die Uni­versität, erwarb sich das Doktordiplom und praktizirte eine zeit lang als Arzt in Bahia. Eines Tages verschwand er, und nach Jahren erhielten seine Pflegeeltern die sichere Kunde, daß er Kleider und Erziehung abgestreift habe und nackt mit seiner Horde in den Wäldern umherstreife." Wir sehen also, daß der Freiheitstrieb allen Völkern, selbst den am tiefsten stehenden, innewohnt und nur wenige machen eine Ausnahme, unter ihnen die schon erwähnten Damaras, welche die Sklaverei vorziehen. Ein den meisten Wilden anhaftendes Merkmal ist ihre Trägheit. Ein Fulbekönig, dem der Franzose Lambert Vorwürfe wegen Zögerns in der Ausführung seiner Versprechens machte, sagte darauf: Ich schäme mich, daß ich dich so lange zurückgehalten habe und weiß wohl, daß Euer Gouverneur gegen meine Unter­tanen ganz anders verfahren würde. Aber wir gehen nun ein­mal ganz anders zu Werke; bei uns geschieht alles langsam." Derselbe Forscher erzählt uns auch ein Histörchen von der Naivität der Schwarzen, das höchst ergözlich ist. Er war näm­lich während seiner Krankheit von der jüngsten Frau des Herr schers, den er besucht hatte, gepflegt worden und frug nun, ob er ihr irgendwie danken könnte, worauf ihm dieselbe er­widerte, daß ihr, der Frau eines Herrschers, der über ein paar Millionen Seelen gebietet, nichts so angenehm sein würde, als ein Paar Schuhe. Zufällig hatte Lambert den Gegen­stand ihres Wunsches und übersandte ihr solchen, aber siehe da, das Geschenk hatte weitere Folgen, denn die drei anderen Frauen des Almamy wollten ebenfalls dergleichen schöne Fuß bekleidung haben und intriguirten so lange, bis ihnen unser Gewährsmann ganz ernsthaft Maß nahm und versprach, die Schuhe zuhause anfertigen zu lassen. Ja selbst der Herrscher fing sich in Fallstricken und gab Lambert zu verstehen, wie sehr ihm blanke Lederstiefel gefielen.

Was das Essen der wilden Menschen angeht, so finden wir da alles Mögliche und Unmögliche. Man ißt in China   als Delikatesse Froschlaich, Vogelnester und faule Eier, in Grönland  Seehundfleisch, Renntierfleisch und Walfischschwanz, alles ver­fault. Die Araber genießen mit Vorliebe Fett und viele unter ihnen schlürfen jeden Morgen vor dem Frühstück einen Napf

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voll geschmolzener Butter durch Mund und Nase ein. In Afrika  ißt man allerlei Fleisch, so das von Schlangen, Eidechsen, Wür­mern und schließlich auch Menschen, ja sogar auch Erde. Viele suchen sich das Ungeziefer aus den Haaren und verzehren es als Leckerbissen. An vielen Orten Afrikas   fehlt es freilich oft am Allernötigsten, z. B. am Salz, das als Leckerei betrachtet wird. Will man sagen, daß jemand vermögend sei, so sagt man: Er ißt Salz zur Mahlzeit."

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Auch der Kleidung und des Schmuckes soll hier Erwähnung getan werden. Zwar ist erstere oft recht mangelhaft und laufen viele ganz nackt, ja selbst in dem Europa   so nahe gelegenen Nordafrika  , z. B. in Egypten, tragen die Erwachsenen selten mehr als ein langes Hemd, während die Kinder oft ganz nackt herumlaufen, dennoch soll auch die geringe Deckung oder Schmückung, deren sich die Naturmenschen für ihren Körper be­dienen, inbetracht gezogen werden. Die primitivste Kleidung ist der aus Blättern, Federn und Fellen gebildete Lendenschurz der Afrikaner, ebenso der bei den meisten Naturmenschen vorhandene Kopfpuz aus Federn. Ein Fortschritt auf dem Bekleidungs­gebiete ist dann das Tragen des Felles irgend eines erlegten Tieres und schließlich das Tragen von Beinkleidern, welche Sitte sich von Europa   aus auch nach Nordafrika   und Asien   verbreitet hat. Inbezug auf Verschönerung ihres Körpers haben die Wilden höchst sonderbare Ansichten. Die einen halten das gräß­liche Beschmieren des Gesichtes für schön, die anderen das Spiz­schlagen der vorderen Zähne was obendrein den Vorteil ge­währt, daß man seinem Gegner beim Ringen besser in den Arm beißen kann Arm beißen kann und wieder andere begnügen sich mit einem roten Klecks auf der Nasenspize, diesen als die vortrefflichste Verzierung betrachtend. Viele sind grausamer und durchbohren sich Nase, Lippen und Ohren, um verschiedene Zierraten, so Stäbe und Platten hineinzubringen. Von den Bewohnern der Marshallinseln   erzählt Chamisso, daß sie sich das Ohrläppchen über den Kopf zu ziehen vermochten, eine Folge des von früh auf getragenen schweren Behanges. Daß die Ohrläppchen auf die Schulter herabhängen, findet man bei vielen Naturvölkern. Auf den Philippinen hat man sie derart durchbohrt und ge zogen, daß ein Arm hindurchgesteckt werden kann. Viele miß­handeln ihre Nase durch Verlängern und Schmaldrücken der selben, andere drücken sie platt, da sie eine lange Nase als entstellend ansehen. In Afrika   ist bei den Weibern das Durch­bohren der Lippen sehr im Gange. Von frühester Jugend an erweitert man die Lippen, bis man talergroße Platten aus Kupfer, Horn u. dergl. hineinzuzwängen vermag und so entsteht ein Lippenpaar, das einem Entenschnabel sehr ähnlich sicht, namentlich wenn die Frauen zu sprechen anfangen und so die schwer behängten Lippen zusammenklappen. Recht eigentümlich ist das Verhältnis zwischen Schwiegereltern und Schwieger­kindern, die bei Naturvölkern meist auf sehr gespanntem Fuße leben, also ungefähr wie bei uns. Bei etlichen Stämmen Süd­ afrikas   darf die Frau ihren Schwiegervater nicht ansehen oder seinen Namen aussprechen. Ebenso meidet auch der Mann seine Schwiegermutter. Vielfach sucht er sich einen anderen Wohnort, nur um seiner Schwiegermutter nicht in den Weg zu kommen. Auch in Amerika   und Australien   ist das Verhältnis ein ähn liches. Aus Australien   berichtet z. B. Stanbridge: Die Schwiegermutter erlaubt unter feinen Umständen, daß ihr Schwiegersohn sie ansieht; ist er in der Nähe, so versteckt sie sich, und bei ihren Ausgängen macht sie große Umwege, wenn sie weiß, daß er ihr begegnen könnte; auch bedeckt sie sich sorg­fältig mit ihrem Mantel." Interessant ist die Art, in der man sich bei den Wilden begrüßt. Puchta erzählt von seiner Reise in Innerafrika, daß ihm ein Häuptling der Niambara ins Ge­sicht spie und das galt als hohe Auszeichnung. In Hinder indien   hat man die kriechendste, phrasenhafteste Begrüßungsart. Da nennt man sich einem zu Begrüßenden gegenüber das Stäubchen auf der Fußsohle des heiligen Herrn der Barm herzigkeit," ich, das Härchen," ich, die kleine Bestie" und folch' Unsinn mehr. Manche Südseeinsulaner legen bei der Be grüßung eines Höhergestellten Schmuck und Kleidung ab. Wie

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