dann, wenn nicht rasch umsichtige ärztliche Hilfe eingreifen konnte. Ist dies aber der Fall und entwickelt sich der Choleradurchfall nicht zur eigentlichen Cholera, so tritt nur äußerst selten der Tod, den völliger Kräfteverfall( Kollaps) herbeiführen kann, ein. Die Dauer des Choleradurchfalls kann eine Woche betragen, in wenig Fällen mehr. Die Fäkalien des an diesem Durchfall Erkrankten können ihre spezifische Beschaffenheit durch Ueber­tragung des Choleragistes auf Gesunde bewähren, daher müssen sie durch Desinfektion möglichst unschädlich gemacht werden.

Tritt zum Choleradurchfall Erbrechen hinzu, so hat er sich zur Cholerine entwickelt. Gleichzeitig mit dem Erbrechen nehmen die Durchfälle an Zahl und Menge zu und büßen ihre gallige Beschaffenheit ein.

Das Erbrochene weist anfänglich deutlich die Spuren dessen auf, was der Kranke genossen hat, geht später in eine gräulich­gallige Flüssigkeit über und zeigt sich zulezt wässrig.

Bei vielen Kranken meldet sich frühe ein quälender Durst, schmerzendes Ziehen in den Waden und große Ermattung. Allmälich wird die Stimme heiser, das Gesicht fällt ein, die Haut fühlt sich kühl an, indes der Pulsschlag in den meisten Fällen rascher, zuweilen jedoch langsamer wird. Auch an der Bunge zeigen sich die Spuren der große Wasserverluste be­dingenden Krankheit durch klebrig- und Trockenwerden. Aus demselben Grunde nimmt die Harnausleerung( Diuresis) ab, stockt mitunter ganz oder produzirt auch Eiweißspuren. In der Magengegend empfindet der Kranke häufig ein leichtes Druck­gefühl, welches beim Betasten( Palpation) zunimmt.

Nicht immer geht die Cholerine aus dem Choleradurch fall hervor, sondern sie tritt oft auch ohne solchen Vorläufer auf, nicht selten ohne in die ausgebildete Cholera sich auszu­wachsen. Alsdann ist sie ebenso selten töflich als der Cholera­durchfall.

Bei der eigentlichen Cholera treten alle Krankheitserscheinungen, die wir bei der Cholerine beobachtet haben, in erhöhtem Maße auf. Das Erbrechen kommt fast nie ohne gleichzeitigen Durch fall vor, dagegen fehlt es selbst zuweilen, ohne daß die Krankheit dadurch an Gefährlichkeit wesentlich verlöre. Die Flüssigkeitsausleerungen nehmen bei diesem Grade der Krankheit sogleich den bedrohlichsten Karakter an, indem anstatt gefärbten Darminhalts rasch große Mengen reiswasserähnlicher Ent­leerungen zutage treten. Diese reiswasserartige Flüssigkeit ent­stammt dem Blute und wird aus den Blutgefäßen der Darm­schleimhaut ausgeschwizt. Diesem Ursprung entsprechend führt sie zahllose Teilchen der Darmschleimhaut, sowie Blutkörperchen, Fettkörperchen, Krystalle der salzigen Blutbestandteile mit sich und verschiedene Formen von Spaltpilzen.

Ist schon im Anfangsstadium der ausgebrochenen Cholera der Darm durch Lähmung verhindert sich zu bewegen, so hat man es mit der besonders gefährlichen trocknen Cholera zu tun, bei der es zu gar feinen Ausleerungen kommt, die reis­wasserähnlichen Ausleerungen der Darmschleimhaut stauen sich alsdann im Körper auf.

Der Wasserverlust durch die Ausleerungen macht das Blut dicker und mindert seine Leichtflüssigkeit. Daher geht der Blut­umlauf nicht mehr so lebhaft vonstatten, als bei gesunden Men­schen; der Pulsschlag, welcher anfänglich, zuweilen bis zu hundert­vierzig Schlägen in der Minute, beschleunigt ward, wird lang samer und langsamer, auch die Bluterneuerung in den Lungen wird mehr und mehr erschwert und gehindert; die feinen Haar­gefäße in der äußeren Haut, in Augen, Nase, Lippen, Zunge, Mundhöhle u. s. w. werden nicht mehr bei jedem Puisschlage mit neuer Blutzufuhr unterſtüzt, daher werden die betreffenden Körperteile falt, trocken und nehmen bläuliche Färbung an, weil die Verwandlung des dunklen venösen Bluts, in hellrotes arterielles Blut, wie sie sonst ununterbrochen in den Lungen vor sich geht, gestört ist; die Haut wird außerdem runzlig und verliert ihre Elastizität; die Trockenheit der Zunge und Mund­höhle erzeugt jenen quälenden Durst, die des Kehlkopfs macht die Stimme schwach und rauh; das ungenügende Funktioniren. der Lungen verursacht Atembeschwerden, Druck und Augstgefühl.

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Auch durch das Aufhören der Harnabsonderung äußert sich der Feuchtigkeitsmangel im Körper.

Dabei beweisen Muskel- und Nervensystem, daß sie in Mit­leidenschaft gezogen sind; das erstere durch Krämpfe, haupt­sächlich der Waden- und Bauchmuskeln, ferner durch Schwäche und später durch Lähmung; das Nervensystem durch allerlei eigentümliche Empfindungen und Schmerzen, Gefühl großer innerer Hize, durch Sinnestäuschungen und Teilnahmlosigkeit.

Der Choleraanfall ist um so gefährlicher, je weniger der Herzschlag zu bemerken ist; doch sind Kranke öfter auch dann noch dem Tode entgangen, wenn bei ihnen vom Pulse schon garnichts mehr zu fühlen war.

Die Periode der Besserung des Krankheitszustandes fündigt sich durch allmäliche Hebung der tiefgesunkenen Körpertemperatur an; der Pulsschlag wird wiederum bemerklicher, und was be sonders wichtig ist, es tritt Harn- und Schweißabsonderung, sowie Schlaf ein und die Kräfte kehren langsam zurück. Rasches Steigen der Hautwärme und plözliches Aufhören der Aus­leerungen sind dagegen nicht als gute Symptome zu betrachten.

Ist der Kranke 36 Stunden nach Ausbruch der Cholera noch am Leben, so kann man sich der Hoffnung auf Besserung hingeben. Die dem Tode Verfallenen sterben gewöhnlich 12 bis 30 Stunden nach dem Beginne des Anfalls. Jedoch sind die Rekonvaleszenten noch nicht aller Gefahr überhoben, wenn sie der Cholera selbst entgangen sind. Nicht selten etwa ciner unter je vier oder fünf verfallen sie noch einer typhus­ähnlichen Fieberkrankheit, Choleratyphoid genannt, das wochen­lang dauern und tötlich werden kann.

Von den Schuzmitteln gegen die Cholera ist unter allen Umständen das sicherste: Verlassen der von der Epidemie heim­gesuchten Gegend und Aufenthalt in einer von ihr freien, am besten in einer derjenigen Ortschaften, welche durch die bis­herige Erfahrung überhaupt als cholerafrei bekannt sind, wie wir sie z. B. in Deutschland   in Aachen  , Baden- Baden  , Stuttgart  aufzuweisen haben.

Da aber nur verhältnismäßig wenigen Glücklichen solche Flucht vor der Seuche möglich sein wird, so muß sich die große Mehrzahl der Bedrohten mit Schuzmaßregeln von minderer, bei ursprünglich gutem Gesundheitsstande wahrscheinlich aber vollständig ausreichender Beschaffenheit genügen lassen.

Diese bestehen in Mäßigkeit im Essen und Trinken, über­haupt in Enthaltung von Exzessen jeder Art, sowie in Ver­meidung von Erkältungen  . Dabei weiche man jedoch von seiner gewohnten Lebensweise im großen und ganzen nicht ab, hüte sich vor jeder unnötigen Berührung mit bereits Erkrankten, halte sich, seine Kleidung und Wohnung so sauber als möglich, benuze nicht fremde und unreinliche Aborte, wähle zur Nahrung nur solche Speisen, welche nicht leicht Durchfall verursachen, wie alle schwerverdaulichen oder besonders wasserhaltigen Nahrungs­mittel, unter lezteren Salat, rohes Obst, Gurken, Melonen und dergleichen. Als Getränk benuze man nur kräftiges, ja nicht junges Bier, und in fleinen Quantitäten guten Rum oder ein Glas guten Rotweins, auch dem Trinkwasser tut man gut etwas Rotwein zuzusezen. Fleisch, Gemüse und derartiges wasche man mit möglichster Sorgfalt und seze alles, soweit tunlich, vor dem Genusse der Siedehize aus. Was aus Häusern stammt, beziehentlich dort aufbewahrt war, wo Cholera herrschte, genieße man überhaupt nicht. Die Füße und den Leib halte man warm durch Flanell und wollene, auch in der Nacht nicht abzulegende Bauchbinden.

Die Abtritte und die Ausgüsse in den Küchen vergesse man bei seiner Vorsorge gegen die Cholera nicht.

" Durch die Abtritte", heißt es sehr zutreffend in Bocks Buch vom gesunden und kranken Menschen*), stehen die Häuser meistens mit den Abtrittgruben in direkter Luftverbindung; dasselbe ist der Fall in Küchen, deren Ausgüsse in unterirdische Kanäle münden. Zumal im Winter übt das warme Haus

*) Dreizehnte Auflage. Bearbeitet von Dr. med. May Julius Zimmermann. Leipzig   1883. Bd. I, S. 689.