Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

und in der Ferne ein Echo fanden. Da gingen auch Menschen, aber so weit, so weit!

Die Sterne blinzelten und zuckten am Himmel. Ein Lufthauch kam durch die stille Nacht und säuselte in den kahlen Bäumen am Trottoirrand.

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Wie im Frühling," fliisterte Lena. Es ist auch Frühling ebenso leiſe.

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bei mir," sagte er

Sie bogen in die lezte Querstraße ein, sie hielten vor einem hochstöckigen Hause. Ich danke Ihnen " Ich danke Ihnen bielmals; nun bin ich zu Haus!" Lena zog den Schlüssel heraus.

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Er nahm ihn ihr ab und steckte ihn zögernd in's Schloß. Fräulein Langen" er beugte sein Ge­sicht ganz nahe an das ihre- ,, nun sagen Sie mir, wann, wann darf ich Sie wiedersehen? Morgen, übermorgen, bitte!"

,, Uebermorgen!" Es klang wie ein Hauch. Danu hastig: Bitte, schließen Sie auf, bitte, ich muß rasch hinauf!"

Er drehte langsam den Schlüssel. Und ich darf Sie hier erwarten, hier vor der Thür? Um welche Stunde? Bitte!"

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Um zehn!" Sie mußte plößlich lachen, als sie sein Gesicht sah. Es ist sehr früh für Sie, nicht wahr?" Ihr liebes Gesicht blinzelte ihn schelmisch an was sie für Augen hatte, kinderrund und blank und doch abgrundtief!

Ich ich- Fräulein Langen- Lena-!" Er war wie trunken, er faßte, gleichsam einen Halt suchend, nach dem Mädchen. Seine Rechte schmiegte sich unter das rosige, fühlglatte Kinn; mit der Linken zog er sie an der widerspenstigen Haarlocke über der Stirn sachte näher und näher. Ihr Kopf lag an seiner Brust; die rosa Kapuze hing ihr im Nacken.

Lieb so lieb!" flüsterte er auf den braunen Scheitel herunter. Sie nickte stumm.

War's ein Stuß, den sie da oben auf ihrem Haar fühlte, eine liebkosende Hand in ihrem Nacken?

" Gute Nacht!" Sie riß sich los. Und nun noch einmal ein Lächeln: Gute Nacht!" Die Thür sprang auf jetzt war sie geschlossen.

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V.

Doktor Allenstein   und Frau Susanne, geborene Bredenhofer, wohnten Kanonierstraße, in einem der dort noch seltenen eleganten Häuser. Ringsherum, gegenüber, rechts oder links mehr oder weniger recht provinzialstädtisch aussehende, langweilige Bauten; die Straße etwas dister, dazu ewiges Pferdebahn­geklingel. Aber die Lage war gut, überall leicht hin zu kommen, die Theater und Konzerte bequem zu erreichen; nebenbei ist es für einen Arzt erwünscht, in der Mitte der Stadt zu wohnen.

" Spezialist für Nasen- und Ohrenfrankheiten" stand auf dem Schild unten am Haus. Allenstein  hatte eine große Praxis. In den vor- und nach­mittäglichen Sprechstunden wurden die teppichbelegten Treppen ordentlich abgelaufen; die elektrische Klingel an der Entréethür vibrirte in einem fort, bis sich's Frau Susanne energisch verbeten hatte. Ich werde bald zu Deinen Patienten gehören," klagte sie ihrem Manne, meine Nerven sind zum Neißen angespannt. Ach, schrecklich" sie hielt sich die Ohren zu schon wieder! Ich glaube, mein Trommelfell springt!"

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Seit der Zeit stand der Diener hinter der halb offenen Entréethir und komplimentirte die Leute hinein und hinaus; geflingelt wurde nicht mehr. Und waren die Patienten alle fort, dann machte man einen Höllendurchzug und sprengte mit wohl­riechenden Essenzen. Die gnädige Frau war so überaus empfindlich, der Geruch von Krankheit und Medifamenten machte sie frank. Sie roch schon

etwas, wo ein anderer Mensch noch garnichts ahute; dann zitterten ihre feinen Naſenſtigel, sie nahm eine Eau de Cologne- Douche und verkroch sich in ihr Schlafzimmer, ganz an's Ende der großen Wohnung. Dort lag sie auf dem Ruhebett, den angegriffenen Kopf in das seidene Kissen gedrückt.

Susanne Allenstein war als Fräulein Breden­hofer ein hübsches Mädchen gewesen. Einen ner­bösen Zug in dem blassen, interessanten Gesicht, um die dunklen Augen, hatte sie immer gehabt; jezt

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trat der sehr stark hervor. Sie hatte die gleiche Angewohnheit wie ihr Bruder Nichard, mit der Hand über die Stirn zu scheuchen.

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Doktor Allenstein   nahm viel Geld ein; man brauchte es aber auch. Gesellschaften geben, in Ge­sellschaften gehen, Toiletten, die Theaterpremièren, Konzerte Frau Susanne hatte das entschiedene Bedürfniß, sich zu zerstreuen, einen Heißhunger nach bunter Abwechselung; und er, der Doktor, wünschte, daß ein besonders guter Tisch geführt würde. Dazu im Frühjahr eine Kur in Franzensbad   für sie; später im Sommer, wenn es dem Doktor gelang, sich los= zumachen, ein gemeinschaftlicher Aufenthalt in Pon­zumachen, ein gemeinschaftlicher Aufenthalt in Pon­ tresina   oder Sylt. Man traf stets nette Menschen dort und machte angenehme nene Bekanntschaften. Man war nie allein, man hatte immer Unterhaltung.

Frau Susanne dachte gerade daran, wieviel Ein­ladungen sie in diesem Winter schon wieder mehr erhalten, wie im vorigen, als sie auf der Chaise­longue im Schlafzimmer lag. Die dichten Stores waren zugezogen; beschäftigen konnte man sich in dem halbdunklen Zimmer nicht, nur das Feuer im Kamin warf lange Lichter über den Teppich.

Der große Tannenbaum war zerhackt worden; jeden Vormittag, wenn Frau Doktor ruhte, kam das jeden Vormittag, wenn Frau Doktor ruhte, kam das Stubenmädchen herein und warf einen ganzen Arm voll dürrer Zweige in den Kamin. Das prasselte und knackte so hübsch und roch nach lauter Wald und Poesie; dabei ließ sich gut träumen.

Die schlanken, nahezu mageren Glieder lang ge­streckt, die Arme zu beiden Seiten des Ruhebettes schlaff herunterhängend, lag Susanne. Um die Augen schlaff herunterhängend, lag Susanne. Um die Augen hatte sie viele kleine Fältchen und einen scharfen Zug unter der Nase. Sie war heute besonders an­gegriffen; erst in der Morgenfrühe von einem Ball nach Haus gekommen, um Neun war Karl schon herausgepoltert wie rücksichtslos! und eben war das Mädchen dort am Kamin gegen den Stuhl gerannt, daß man vor Schreck einen Nervenchoc be­kommen konnte.

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Die Zweige im Kamin praffelten, jetzt ein lautes Knacken die Nuhende schreckte zusammen und fuhr hoch auf. Ha!" Mit unruhigen Fingern zupfte sie die Schleifen an ihrem spißenbesezten mattlila Morgenrock zurecht." Habe ich mich erschreckt ha!" Sie strich sich die Haare aus der Stirn und hielt sich den Kopf. Wie Alles an mir zuckt wer ist da? Herein!" Sie sagte es ziemlich scharf; sie wollte doch nicht gestört sein, die Ruhe that ihr sie wollte doch nicht gestört sein, die Ruhe that ihr so noth!

"

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Eine angenehme Stimme rief draußen: Gut Freund!" Gleich darauf schob sich Richard Breden­hofer's elegante Gestalt in die verdunkelte Stube.

( Fortsetzung folgt.)

Am Grenzwall.

Von Martin Stein.

& ist ein großer Irrthum, der noch heute weite Verbreitung hat, wenn man erklärt, der un­geleckte Germanenbauer danke im Anfang seiner Geschichte, im Frühmittelalter, seine Stultur dem Christenthum. Christlich  - germanisch hört man oft die gesammte mittelalterliche Kultur benennen mit einer Bezeichnung, welche nicht gerade ganz und gar aus der Luft gegriffen, für das Frühmittelalter aber geradezu falsch ist.

Daß Alles das, was das Christenthum an

materieller Stultur zu Anfang seines Daseins besaß, auf der Antike, dem klassischen Alterthum der Griechen und Römer, und was die religiösen Ideen anlangt, ganz wesentlich auf jüdisch- orientalischer Grundlage beruht, ist sattsam bekannt.

Ohne jeden Zweifel darf man die materielle Kultur des Mittelalters als römisch- germanische be= zeichnen. Alle Arbeitsverfahren, alle Technik in

Stiinsten und Handwerken beruhen auf den Ueber­lieferungen der Antike. Selbst die christlich- kirchliche Kunst übernahm die antiken Nohstoffe und Bearbei­tungsweisen desselben, wie auch Typen und Formen.

Was Deutschlands   Kultivirung anlangt, so ge=

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schah dieselbe theils dadurch, daß einzelne Germanen als Kaufleute oder Gesandte, in noch viel größerer Zahl aber auch als Soldaten, welche die verbüin­deten oder unterjochten Stämme den Römern stellen mußten, auf römischem Boden die erhöhte und ver­schönte Lebensführung einer vorgeschrittenen Gesittung kennen lernten und mancherlei davon mit in ihr barbarisches Vaterland zurückbrachten, wenn sie heim­kehrten.

Andererseits trugen Roms siegreiche Heere eine Menge Kulturgüter in die Gaue Germaniens  . Am nachhaltigsten natürlich da, wo sie sich länger oder ständig aufhielten, in den festen Pläßen des zu be­hauptenden Feindeslandes und am Grenzwall.

Der Name Grenzwall, Pfahlgraben oder auch kurzweg Pfahl genannt, Limes  , wie die Römer sagten, läßt sich am fürzesten übersetzen mit dem Ausdruck Militärgrenze  . Man hat früher gemeint, daß der Limes   eine Pfahlverschanzung, eine Palis= ſadenabsperrung längs der ganzen Grenze des von den Römern ihrem Neiche einverleibten Gebietes gegen das Feindesland gewesen sei, eine Art chinesische Mauer von Pfählen; das ist jedoch technisch und auch was den Kostenpunkt anlangt, recht unwahr­scheinlich. Es war vielmehr die deutliche Marke, die Kennzeichnung der Grenze des römischen Reiches, ,, die Niemand in Zweifel ließ, was er thue, wenn er sie überschritt"( v. Cohausen).

Der Grenzschutz zwischen Rhein   und Donau   besteht zum großen Theil in seinen Fundamenten heute noch. Der obergermanische Limes reicht von Rheinbrohl  bis Lorch   und ist 368 Stilometer lang. An ihn schließt sich der rätische, 174 Kilometer lang, an. Von der Donau   her bei Kohlheim, oberhalb Regens­ burg   läuft dieser, zweimal die Altmühl   überschreitend, im Bogen nach Westen ebenfalls nach Lorch  . Die Kastelle des obergermanischen Limes sind einen halben Tagemarsch oder 15 Kilometer voneinander entfernt. Wo nicht Flüsse das Terrain sperren, sind künstliche Vorrichtungen angebracht: Verhaue und Palissaden, oder ein mäßig hoher Wall mit außen vorgelegtem Graben und in furzen Entfernungen hinter denselben angebrachten Wachtthürmen. Die rätischen Kastelle liegen ebenfalls hinter Verhau oder Wall, nie weiter davon entfernt als einen halben Kilometer.

Der rätische Wall ist eine bloße durch Aufschüttung von Bruchsteinen bewirfte Sperrung ohne Graben und Wachtthürme, mit der auch die Kastelle ohne organische Verbindung sind; keins ist näher am Limes als 4 bis 5 Kilometer.

Nicht wie der britannische Wall hat der ger­manische Limes den kriegerischen Zweck, die Feinde von einem Einbruch abzuhalten, sondern vornehmlich sollte keine unkontrolirte Ueberschreitung der Grenze stattfinden und die Kastelle sollten die auf sie aus­laufenden Straßen schüßen, zugleich auch als Zoll­häuser dienen. Der Stamm der Hermunduren durfte sogar( allein von allen Germanen) ohne Kontrole die Reichsgrenze überschreiten und im römischen Ge­biet, namentlich in Augsburg  , frei verkehren.-

Ein französischer Gelehrter, Graf Champagny, sagt in einem Werke über römische Staisergeschichte: ,, Kein Volk ist im Kriege mehr Architekt gewesen als die Römer. Ihre Wachtgebäude waren Festungen, und ihre Lager sind Städte geworden, sie kämpften mit der Mauerfelle ebenso wie mit dem Schwerte  ."

Uralter Brauch der römischen Heere war es, selbst wenn sie nur eine Nacht an einem Orte bivoua­tirten, ein regelrechtes Lager mit Wall und Graben und Palissadenwerk zu errichten. Schanzpfähle ge­hörten zu der regelrechten Ausrüstung des Legions­soldaten zu Fuß. Daß die römischen Legionen ( Regimenter würden wir etwa sagen) ihre Zimmerer= und Maurertalente da besonders entfalteten, wo sie dauernd in Garnison   blieben, versteht sich von selbst. Das bestätigen die von Reichswegen seit 1892 methodisch betriebenen Forschungs- und Ausgrabungs­arbeiten, welche den Zweck haben, das ganze Grenz­system des römischen Reiches auf deutschem Boden und seine allmälige Entstehung wissenschaftlich fest­zustelln. Man muß alle Achtung davor haben, wie die römischen Legionäre ihre heimische Kunst unter den primitiven Verhältnissen an der Reichsgrenze am Limes bethätigt haben.

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