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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ziger und Breslauer, sowie rheinischen Ausbuchtungen hinein mit Stohlenflögen von oft sehr weiter Aus­dehnung und großer Mächtigkeit durchzogen.

Die Steinkohlen wurden in den beiden Perioden gebildet, welche der Tertiärepoche vorangehen, und sie sind um so gehaltvoller und auch um so reicher abgelagert, je älter sie sind. Denn in der Sekundär­epoche, wo die heutigen Kontinente zumeist vom Meere bedeckt waren, hatten die Pflanzen feine große Gelegenheit, ihre fohlenbildende Thätigkeit zu ver­richten. Die Steinkohlen der Bückeburger   Gegend verdanken zum Beispiel jener Epoche ihre Entstehung. Am reichsten vollzog sich die Steinkohlenbildung in einem Abschnitt der Primärepoche, so reich, daß man jene Periode direkt Steinkohlenzeit genannt hat. Da­mals waren es nicht nur gewaltige Baumfarren, welche das Material für die Steinkohle lieferten, sondern allerhand andere Kryptogamen, Schachtel­halme, Bärlappe, welche als mächtige Bäume in fohlensäurereicher Luft und auf feuchtwarmem Sumpf­boden riesige Wälder bildeten. Die damalige Pflanzen welt, die noch keine Blumen, keine Monokotyledonen und Difotyledonen fannte, war verhältnißmäßig arm an Arten, um so reicher war die Zahl der Indivi­duen. So bildeten denn die Pflanzen der Stein­fohlenperiode riesige Erdschichten, die an Größe den Kalfablagerungen der organischen Welt fast eben­bürtig sind. Die Steinkohlengegenden Deutschlands  , Englands, überhaupt Europas   sind bekannt, sie stehen aber in feinem Verhältniß zu den ausgebreiteten Kohlendistriften, welche in Nordamerika   viele Staaten in undurchbrochenem Zusammenhang durchziehen. Es lassen sich dort sechs gewaltige Gebiete unterscheiden. Davon erstreckt sich das eine an der Westseite des Alleghanygebirges hin über Ohio  , Kentucky  , Tenessee, Alabama   und nördlich über Pennsylvanien  . Es um­faßt ein Gebiet von 2400 Quadratmeilen und er­reicht an mehreren Stellen eine Mächtigkeit von 40 Metern. Von den anderen fiinf Revieren ist zwar nur eins ebenso groß, aber auch die anderen Steinkohlengebiete sind nicht eben klein zu nennen. Auch Asien   ist reich an Steinfohle, besonders soll China   noch unermeßliche, aber bisher noch uner­schlossene Kohlenfelder befizen. Uebrigens ist in den meisten dieser Distrikte die Steinkohle zum Theil in Anthrazit übergegangen. Jedenfalls läßt sich an der gewaltigen Verbreitung der Kohlen über die ganze Erde ermessen, welche außerordentlich wichtige Rolle die Pflanzen durch ihre kohlenbildende Thätigkeit bei der Zusammensetzung der Erdoberfläche spielen.

Wie die Pflanzen infolge von Vermoderung Erd­schichten zusammensetzen, so führt auch die Ver­moderung von Thieren zur Erzeugung besonderer, wenn auch viel unbedeutenderer Substanzen der Erd­rinde. Denn das Petroleum ist das Zerseßungs­produkt aufgehäufter Thierleiber, die durch besondere Umstände vor Verwesung geschützt wurden. Das Erdöl   findet sich an seichten Meeresbuchten, in denen sich eine reiche Thierwelt entwickelte. Durch Abschluß vom Meere wurde der Busen, da viel Wasser ver­dunstete, immer enger und die Thierwelt konzentrirte sich an einer immer kleiner und kleiner werdenden Stelle, bis das Wasser überhaupt zum Leben nicht mehr ausreichte. Hier gingen nun diese zusammen­gepferchten Thiere massenhaft zu Grunde, aber eine Verschüttung durch Erde bewahrte ihre Leiber vor Verwesung. Durch allmälige Zerseßung bildete sich aus ihnen das Erdöl, das sich an verschiedenen Stellen des Erdballs in unterirdischen natürlichen Bassins findet und aus Quellen zu Tage tritt. Solche Quellen sind vor allem im Elsaß  , auf der Insel Zante   in Griechenland  , auf der Halbinsel Abscheron am Kaspisee   und in besonderer Ergiebigkeit in den Unionsstaaten Ohio  , Pennsylvanien   und in West­Virginien. Eine ähnliche Entstehung, wie das Petroleum, hatte auch der Asphalt, der ebenso, wie jenes, zum großen Theil aus Kohlenstoff in Ver­bindung mit Wasserstoff besteht und darum ein Seitenstück zu den Kohlen bildet. Doch können sich diese thierischen Verkohlungsprodukte an Bedeutung und Verbreitung mit denen der Pflanzen nicht im geringsten messen.

Neben der Bildung von Kalfgebirgen und Kohlen­flözen üben die Pflanzen auch durch Ablagerung von

Kieselerde einen gesteinbildenden Einfluß aus. Es sind nur Mikroorganismen, die diese Schichten von Kieselerde erzeugen, Strahlenthierchen und Kieselalgen, aber schon das Beispiel der Nummuliten hat zur Genüge gezeigt, welche ungeheuere erdumgestaltende Straft gerade diese Kleinwesen entwickeln können. Gleich den Nummuliten umgeben sich auch die Kiesel­algen und Strahlenthierchen mit einem festen Bauzer, der hier aber nicht aus Stalt, sondern eben aus Stiefelerde besteht. Indem sich nun die Panzer der sterbenden Mikroorganismen im Meere übereinander­häufen, entstehen ausgedehnte Lager von Kieselerde. Noch heutzutage ist das Meer an vielen Stellen mit großen Schichten von Panzern der Strahlenthierchen bedeckt. Aber auch in der Vorzeit sind auf diese Weise größere Ablagerungen entstanden, die heute als Polirschiefer und Kieselguhr größere, in Nord­ amerika   sogar Hunderte von Metern dicke Erdschichten bilden. Unter anderen ist auch der Boden, auf dem Berlin   steht, aus den Kieselpanzern mikroskopischer Pflanzen zusammengesetzt.

In kleinerem Maßstabe sind Thiere und Pflanzen noch vielfach die Veranlassung zur Bildung der ver­schiedenartigsten Gesteine und Schichten der Erd­oberfläche gewesen. So ist aus der Anhäufung von Knochen größerer Wirbelthiere eine besondere als Knochenbreccie" bezeichnete Erdbildung entstanden. Die Stelette mächtiger Reptilien und Fische haben an mehreren Stellen der sogenannten Triasformation ( des Zeitabschnittes, der der Jurazeit voraufging) fleinere Schichten gebildet. Lagen von Knochen, die von Elephanten, Flußpferd, Rhinozeros und anderen Thieren des Diluviums herrühren, fanden sich häufig in Höhlen und Spalten von Gebirgen, wo diese Thiere jedenfalls Unterschlupf suchten. Die seltsamste Art und Weise der Erdveränderung findet sich aber ohne Zweifel bei einigen Seevögeln, welche auf den Inseln und Küsten des westlichen Südamerika   ihre Erfremente abseßen. Bei dem guten Appetit, den diese Vögel entwickeln, und dem Neichthum an Fischen, die ihnen zur Nahrung dienen, absolviren sie ihre Thätigkeit mit so großem Erfolge, daß weite Küsten und Inseln mit Guano bedeckt werden und daß dieser bis zu zwölf Meter dicke Schichten bildet.

So technisch wichtig die Guanoerzeugung ist, so schädlich ist eine andere Erdbildung, welche durch den Einfluß von Pflanzen entsteht. Die norddeutschen Heiden werden meist von einer ausgedehnten, wenn auch wenig mächtigen rothen Erdschicht durchzogen, welche sich nur wenig unter der Bodenoberfläche dahinschiebt. Sie ist so stark eisenhaltig und so fest, dahinschiebt. Sie ist so stark eisenhaltig und so fest, daß keine Wurzel durch sie hindurchdringen kann und daß infolgedessen jeder Baumwuchs ausgeschlossen ist und nur armseliges Haidekraut hier gedeihen kann. Dieser sogenannte Rafeneisenstein wird durch die chemische Einwirkung verwesender Pflanzen auf die Bodenunterlage erzeugt. Außer in Norddeutschland ist dieser für den Acker- und Forstbau sehr ver­hängnißvolle Naseneisenstein auch noch in Holland  und in Polen   sowie in Standinavien ziemlich weit verbreitet. Ganz anders ist die Wirkung der Man­grove Bäume, welche in tropischen Gegenden an sumpfigen Flußrändern und Meeresbuchten wachsen und vom Ufer aus immer weiter in den Moraft und vom Ufer aus immer weiter in den Morast eindringen. Durch ihre eigenartige dichte Verwurzelung bilden sie auf und in dem Wasser undurchdringliche Dickichte, in denen das Gespiile des Meeres fich verfängt. Auf diese Weise wird der fumpfige Boden nach und nach ausgefüllt und seines Sumpfcharakters nach und nach ausgefüllt und seines Sumpfcharakters beraubt und neues Land dem Meeresboden ab­gerungen. Auch verhindern die Mangrove- Bäume, daß der Schlamm, den Flüsse mit sich führen und an ihrer Mündung abseßen, von der Meeresströmung hinweggeführt wird. Sie benutzen ihn vielmehr, um auch damit in der wirksamsten Weise das Küstenland zu erweitern und auf Kosten des Meeres zu ver­größern. Noch in manch anderer Weise wirken Pflanzen und Thiere, wenn auch in bescheidenerem Pflanzen und Thiere, wenn auch in bescheidenerem Maße, auf die Bildung der Erdoberfläche ein. Es Maße, auf die Bildung der Erdoberfläche ein. Es ist jedenfalls klar, daß die organischen Wesen eine höchst mannigfaltige geologische Thätigkeit entwickeln. Sie sind es, die viele vorhandene Gebilde der Erdoberfläche zerstören und die andererseits auch solche Gebilde in reichstem Maße schaffen. Wie die

organische Welt an Formen und Kraftbethätigung viel reicher und mannigfaltiger ist als die anorganische, so ist auch die geologische Thätigkeit der Pflanzen und Thiere weit abwechslungsreicher, buntfarbiger und interessanter als die Wirkung aller der anderen Kräfte, welche an der Umgestaltung des Erdbodens arbeiten.

Die Sintfluthsagen.

Von A. Demmer.

nter den großen Naturereignissen von ver nichtender Wirkung, die im menschlichen Bewußtsein einen gewaltigen, unvergeßlichen Eindruck hinterlassen, stehen Ueberschwenimungen von ungewöhnlichem Umfang durch Verbreitung und Häufig feit ziemlich obenan. Es ist daher sehr begreiflich, daß sich in den ältesten Ueberlieferungen zahlreicher Völker aus Zeiten, als das Leben sonst einförmig dahinfloß, der Gesichtskreis eng begrenzt, das Wissen gering war, die Erinnerung an besonders furchtbare und opferreiche Ueberschwemmungen findet, die dann leicht zu Ueberfluthungen des ganzen Erdkreises mit Vernichtung alles Lebenden ausgestaltet werden. Merk würdig aber ist, daß für eine dieser Ueberlieferungen noch heute vielfach der Anspruch erhoben wird, buch­stäblich für wahr gehalten zu werden. Sie ist ent halten in den Kapiteln des ersten Buches Mosis, der Genesis, die erzählen, wie Gott   beschließt, die Menschen wegen ihrer Verderbtheit vom Erdboden zu vertilgen, und zu diesem Zweck eine allgemeine, eine Sintfluth* über die Erde hereinbrechen läßt, die selbst die höchsten Berge bedeckt, und der nur der fromme Noah, seine Frau, seine drei Söhne und deren Weiber als Stammhalter der fünftigen Menschheit nebst Eremplaren aller Säugethiere, Vögel und Kriechthiere in einer von Noah erbauten Arche entrinnen.

Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, welche Menge unüberwindlicher Bedenken sich der buchstäblich verstandenen biblischen Erzählung ent gegenstellen. Wenn die höchsten Berge überschwemmt gewesen sein sollten, so müßte die Fluth auf der ganzen Erdkugel die Höhe von etwa 9000 Meter über dem Meeresspiegel erreicht haben, und man fragt sich vergeblich, woher dieses Wasserquantum tommen sollte. Hier muß man schon ein Wunder annehmen, wovon freilich in der Bibel nichts steht. Die Vulkane der Tertiärzeit, also einer Epoche, wo es noch keine Menschen auf der Erde gab, haben lockere Aschenkegel, die von der Fluth hätten weg gespült werden müssen; da dies nicht geschehen iſt, so muß man hier wieder ein Wunder annehmen. Fische wurden in die Arche nicht aufgenommen, nun können die meisten Fische nur entweder in Salz oder in Süßwasser eristiren, hätten also in der durch die Sintfluth erzeugten Wassermischung zu Grunde gehen müssen. Ueber die erstaunliche Bauart der Arche, die drei Stockwerke, aber nur ein einziges Fenster obenan von der Größe einer Elle hat, braucht kein Wort verloren zu werden. Aber fragen muß man sich, wo in einem Fahrzeug von 300 Ellen Länge, 50 Ellen Breite und 30 Ellen Höhe Plas war nicht nur für die riesige Menagerie von Thieren, sondern auch für Lebensmittel auf ein ganzes Jahr; hier muß man wieder ein Wunder annehmen, etwa ein besonders konzentrirtes Nahrungsmittel, wie das. denn auch geschehen ist. Genug, jedes weitere Wort würde die Undentbarkeit einer allgemeinen Fluth mit allen Nebenumständen, wie sie in der Bibel stehen, nur noch augenscheinlicher machen, ohne doch weiter zu führen.

Um zu verstehen, wie der biblische Bericht auf­zufassen ist, inwiefern er Glauben verdient, was zu Grunde liegende Thatsache, was spätere Ausschmückung iſt, muß man seiner Zusammensetzung und seinem Alter auf die Spur zu kommen suchen. Da ist nun das Wichtigste, daß die Sintflutherzählung der Bibel

* So schreibt Luther   noch stets; das Wort bedeutet allgemeine Fluth" und hat mit Sünde" nichts zu schaffen; darum ist die Schreibart Sündfluth" unrichtig.