Die wieder eine unklare Scheu, von der sie nicht wußten, wie sie ihnen fam.

Marianne merfte, wie die Magd sie be­obachtete Aloisias Augen verfolgten sie in den Schlaf hinein, so oft begegnete sie ihnen des Tags.

Die Aloisia betete viel und auffällig in dieser Zeit. Ein paarmal im Borbeigehen gewahrte Marianne, wie sie das Kreuz schlug. Affes ihrem Is lei de 1

im Hause durch sie pergiftet!

Das feltsame Wesen der Magd fiel auch dem Blinden   auf. Des lekteren Spürsinn hatte sich allmählich so geschärft, daß er ihm beinahe die Augen ersetzte. Eines Tages putte Aloisia in der Wohnstube Fenster. Da trug Marianne ihren Mann in die Stube und bettete ihn in seinen Lehnstuhl. Mach vorwärts," mahnte sie die Magd, " Bugluft ist dem Mann nicht gut." Mit diesen Worten ging sie hinaus. Aloisia aber, während sie in ihrer Arbeit weiter­fuhr, betete vor sich hin, ein eintöniges Baterunjer ums andere.

Bist aufgezogen?" fragte Denier nach einer Weile. während welcher er vor sich hinbrütend dagesessen.

,, Es tut not, daß eines betet hier im Haus," gab die Magd zurück. Sie fuhr fort zu murmeln und rieb bedächtig an der Scheibe, die sie unter den Händen hatte. Hör auf, zum Teufel," schimpfte Denier.

Aloisia zitterte, als sie sich umdrehte. ,, Bielleicht, wenn Ihr feine Kegerin ge­nommen hättet, wäret Ihr jetzt gesund," sagte sie. Ihre Badenfnochen flapperten, so erregt war fie.

Haha," lachte der Blinde. Er war in feinem Unglüd nicht frömmer geworden. hr könnt noch etwas erleben," eiferte die Magd weiter, ohne daß er groß acht auf sie hatte.

Sie sehen sich mit sonderbaren Augen fuhr fie fort, die Frau und ber Michel."

an.

Sie brachte dann die Arbeit zu Ende. Ich weiß nicht, ob ihr der Gesunde nicht besser gefiele," schloß sie.

,, Halt Dein Schandmaul," brouste Denier auf. Gedankenlang war etwas von der auf­rechten Art feiner gefunden Tage an ihm.

Aloisia war auf dem Weg, aus der Stube.zu gehen. Wenn eine feinen Glau­ben hat, ist ihr nichts zu schlecht," sprach Пle. Es war feinerlei persönliche Gehäffigkeit in ihrer Rede In ihr bäumte fich etwas auf, was von Kindesbeinen an vielleicht die meiste Gewalt über den beschränkten Men­schen, der sie war, gehabt hatte. Die Worte fprangen ihr aus einem Vulfan innerer Er­regung heraus auf die Lippen. Sie fonnte es nicht ändern. daß sie so sprach. Noch immer am ganzen Leibe zitternd und mit flappernden Kiefern ging fie hinaus.

Denier stükte den gesunden und den lah­men Arm, welch letzterer die Schlinge nicht mehr trug, auf die beiden Stuhllehnen. Als die Tür sich schloß, neigte sein Oberkörper fich ianmer mehr nach vorn. Er dachte nach. Dann mindete er mit aufgeblasenen Nüftern. Der Michel und die Frau! Er gifteite etwas in sich hinein. Er ich die Marianne vor sich, und es aab ihm wie einen Ruck: Berdammtes Lästermensch. die Aloisia!" Er glaubte fein Wort. Dafür tannte er bie Marianne zu gut! Oder---? All­mählich verlor fich die sichere Shmmung. Zweifel tamen getrochen, lanalam, einer nach dem andern.

An diesem Tage war es, als ob Denier mit hundert Ohren hörte. Es eniging ihm fein Wort, das gewechselt wurde, und er schien die Anwesenden an jeder Bewegung zu fennen. Manchmal fab er mit weit über den Tisch geneigtem Oberförper und drehte fich plötzlich, wenn Michel sprach oder Ma­rianne ein Wort fagie. Es war, als riffe

Neue Welt. Jllustriertes Unterhaltungsblatt.

es ihn förmlich hin, auf jede Silbe zu lau schen. Marianne staunte, und als sie Michel anfah, mußte fie, daß auch ihm des Betters Art auffiel. Aber sie sprachen nicht von ihrem Befremden.

Die Dachlammer, in die Marianne immer häufiger flüchtete, je mehr der Zwift ihres Innern sich steigerte, wurde zu einer Folterkammer. Marianne war nicht nur äußerlich eine starte Frau. Was an Jugend und heißem Leben in ihr war, loderte auf. Sie glühte davon, und täglich hatte sie grö­Bere Mühe, das Feuer ihres Innern zu dämmen. Das schwüle Liebestreiben zwischen Heinrika und dem Knecht Mel? nahm seinen Fortgang.

Da tint Michel liver die Schwelle. Als er

die Tür hinter sich zutat, war sein dunkles Gesicht rot. Die Wolke zündete ihm hinein.

,, Was tuft Du denn jeden Tag da oben?" fragte er Marianne. Aber im Augenblic des Fragens fiel ihm selbst die Antwort ein. Er bekam ein Schlucken in den Hals und brachte die Worte nicht frei und ungezwun gen über die Lippen.

Marianne erhob sich. Ich habe mich einen Augenblid hingesetzt," fagte fie.

Er versuchte, ein leichtes und gleichgül­tiges Wesen anzunehmen, trat zu ihr ans Fenster und blickte hinaus. Es ist schön heute abend," sagte er.

Marianne wollte beiseite treten, aber die Rammer war schmal, und sie konnte sich nicht vorüberdrängen. Einen Augenblic lang, während Michel sich aus dem Fen ster bog, blieb sein harter Arm fest an den thren gepreßt. Vielleicht lag es daran, dah er die Ungezwungenheit wieder verlor. Er fuhr sich in das dichte, frause Haar. Dann brachte ihn der Zorn über die Schou, die ihn befiel, völlig aus der Fassung.

Blöglich brach er los: Jeht will ich wiffen, was ist! Meinst, ich merke nicht, daß Du etwas an Dir haft! Daß die Un­ruhe Dich in die Kammer hinauftreibt!"

Marianne machte fich Weg und ging fangfam der Tür zu. Es fchickt sich nicht, daß wir miteinander hier oben steden." jagte fie Sie schlenkerte die Arme, als sei fie ganz ruhig und habe nur etwas Nebensächliches Nur in ihrer Stimme war ganz gefaat. versteckt ein bloker Rest, den sie nicht hatte unterdrücken können, ein Zirtern.

Micha hörte aber den Zon heraus. Er fah. dak ste mühsam über sich Herr wurde. Das Mitleid raubte ihm den Verstand. ,, Marianne!" schrie er sie mit engem Atem an. Sein breiter Naden war gebogen, der Burze Hals vorgebeugt. Die scharfen Augen glänzten, und die ganze stämmige Gestalt hatte eine Haltung, als ob er sie pacen wollte.

Bleib stehen, wo Du bist," sagte Ma. rianne. Sie legte die Hände an die Wand und stand mit dem Rücken daran gelehnt, auch fie breit, aber mit einem Gesicht, so weiß wie die Gipsmand der Kammer. Die Härchen der Wimpern und Brauen leuch beten in diesem faltigen Gesicht.

,, Du Du," begann Michel wieder. Sie unterbrach ihn. Wohin soll es fommen, wenn wir so fortfahren?" Ich habe mich nie um Euch Weiber ge­fümmert." marf er hin, aber

"

Er stortte und wußte nicht weiter. Fret lich, um Welber hatte er sich nie bemüht! Er war nicht umsonst in diese Jahre hinauf ledig geblieben.

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glitt der Tür näher immer den Rücken an gelehnt, als ob sie halt brauchte.

Bleib wo Du bist, sage ich," fuhr fie ihn leise an Die Zähne schlugen ihr auf einander. Als sie fast mechanisch das Ge. sicht über die Achsel und ihm zudrehte.

Es war weder Berechnung noch Bor bedacht in dem, was er fagte. Die Worte sprudelten ihm fast wider seinen Willen heraus. Ein Lump werde ich, wenn wenn ich mit Dir nicht zusammenkommen tann!"

"

Sie hatte jetzt die Tür ganz nahe, legte die Hand auf die Klinke und öffnete fie. Es ist genug," sagte sie, ich will nicht, daß uns einer da oben beisammen ertappt." Und plöglich trat sie hinaus und zog hinter sich die Tür zu Michel blieb allein zurück.

Im Davongehen schon fühlte Marianne, wie nach dieser Unterredung alles noch schlimmer mar als früher. Es reute sie, daß sie nicht geblieben war und auf irgendeine Weise ein Ende gemacht hatte. Auf irgend eine Weise. Im gleichen Augenblick empfand fie, daß sie nicht wußte, wie sie ein Ende machen sollte. Sie stieg über die Treppe nie­der. Ihr Gesicht färbte sich nicht. Sie fror vor Erregung. Oben hörte fie Michel aus der Kammer treten und in feine eigene Bald nachher geben. während sie fich fam er an eine Arbeit gemacht hatte herunter Eie begegnete ihm im Flur. Er hatte gute Kleider angelegt und trug die Müke auf dem Kopf. Sie fah ihn an, wollte ihn fragen, was er im Sinn habe und scheute sich doch mit ihm zu reden. Aber er gab ihr Auskunft. ohne daß sie sie forderte.

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Ich will nicht den ganzen Abend in ber Stiluft hocken."

Sein Aussehen befremdete sie. Jekt schob er die Müße seitwärts so daß etwas Leicht­fertiges an ihm war. Er brauchte nicht zu fagen, daß er ins Wirtshaus wollte; man fah es ihm an.

Es ist bald Nachteffenszeit." sagte Ma­rianne die, ohne ihn anzublicen, ein paar Schritte von ihm hinweggetreten war.

Meinetwegen," gab er achfelzuckend

zurüď.

war

Da ging sie mit gefenftem Kopf die Treppe hinauf. Michel verließ das Haus. Das Nachtessen vorüber, aber Knechte und Mägde faken noch am Lisch, als jener zurüdtam. Er war nicht lange fortaeblieben; doch mußte er seine Zeit wohl genugt haben Sein Geficht war heiß. Ein zelne Schweißtropfen ftanden auf seiner Stirn, und feine Augen erschienen tiein und wäfferig.

Denier hatte nach ihm gefragt. Sein fel nes Empfinden ließ ihn den Zustand des anderen erraten, ehe der mur ein Wort Sprach. Er lachte höhnisch. Was fommt Dich on, mitten in der Woche?" fragte er Michel.

Das wird wohl meine Sache sain," gab dieser zurück. Er warf die Kappe in einen Stubenwinkel, lachte furz auf und ließ sich auf einen Stuhl am Tisch fallen.

More und die Mägde staunten.

Willst Du noch essen?" fragte Marianne. Sie mußte faum, was sie sagte, fror noch immer. und die Stube drehte sich mit ihr.

Wenn es noch etwas gibt," antwortete Michel grob

Das Gesinde erhob sich. Marianne wollte nicht. daß eine der Mäode zurüdfomme. So trug sie selbst das Essen bent Betrunkenen hinein. Als fie mit der Schiffel fam, faken die beiden Männer in störrischer Haltung am Tisch. Keiner hatte gesprochen: es fühlte jeder, daß der andere ein zorniges Wort auf den Lippen hatte. Aber Michels Bunge fak lofer. Blöhlich roch ihm auf, daß Denter

Jekt tamen ihm die Worte wieder. Aber begann er dort, wo er auf. gehört hatte, an Dir tönnte ich verrückt werden! Ich fann mir nicht helfen! Tag für Tag sehe ich, wie Du meggeworfen bist an den Krüppel. den Jost. Du wirst altlich über ihn ärgerte. Er legte flirrend Den werden neben ihm und haft feine Jugend gehabt und hättest doch ein Recht Du wie manche mehr Recht Er trat einen Schritt vor.

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und

Marianne aber

Böffel in den Teller. Es paßt Dir etmas nicht an mir, he?" wandte er sich höhnisch an den anderen. So fann ich ja gehen, Das kann ich."