Schwärmt Herr Träger nicht für das Evangelium der Selbst­hülfe"?

Siebzehn Jahre nach dem Tod Ferdinand Lassalle's  !

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Unsere Offiziösen möchten dem Attentat auf Garfield gar zu gern politische Motive unterschieben. Als ob die nordamerikanische Republik  ein Kaiserreich wäre!

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Apropos läge ein politisches Motiv vor, so müßte nach derselben Logik, die auf Wilhem den Ersten- und hoffentlich auch Letz­ten 1878 zwei Sozialdemokraten schießen ,, ließ", ein gut kaiserlicher Monarchist geschossen haben. Es gibt ja in Amerika   einige Leute und sie stecken nicht alle in der Zwangsjacke die ein Kaiserreich nach deutschem Muster einer Republik vorziehen.

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Was das amerikanische   Attentat unseren Offiziellen und Offiziösen besonders unangenehm macht, ist die fatale Aehnlichkeit Guiteau's mit Nobiling. Jener wie dieser hatte sich angeblich um ein Amt be­worben. Jener wie dieser handelte unter dem Impuls erblichen Wahn­finnes.

In den Vereinigten Staaten würde aber der Staatsmann, der den Versuch machte, die That eines in seinem Ehrgeiz gekränkten Verrückten zu einem Ausnahmegesetz, zu einer Aechtung zu benutzen, unrettbar ent­weder ins Zuchthaus oder ins Irrenhaus gesteckt werden. Und das mit .Recht.

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Ueber die Massenhauereien in Brag große Entrüstung unserer Patrioten. Auf einmal taugt das Nationalitätsprinzip" nichts, in dessen Namen die Deutschen   von den Tschechen durchgeprügelt werden. Und das sagen uns jetzt deutsche   Kornblumfanatiker, die noch vor wenig Jahren Jeden, derdas Nationalitätsprinzip für Deutschland   verleugnete, gern durch­geprügelt hätten, d. h. falls die nöthige Kourage und Erlaubniß von Oben vorhanden gewesen wäre. Der Hauptspaß an der Geschichte ist, daß diejenigen, deren Entrüstung über die Deutschenhezze in Böhmen   am größten ist, identisch sind mit den sauberen Patronen, welche die Juden­hezze" durch die Deutschen   angestiftet haben. Sie sehen nun, wie das Gehetztwerden thut.

Und zum

Im Vorbeigehen sei bemerkt, daß unsere deutschen Landslente in dem Geprügel twerden echt germanischen Gefallen zu finden scheinen­wenigstens geben sie die Prügel konsequent niemals zurück. Schluß noch eins: die traurige Lage, in welche das Deutschthum in Desterreich gerathen ist, ist die Folge der Verhältnisse, welche das glor­reiche Jahr 1866 mit seiner durch Herrn Bismarck   bewerkstelligten Zer­reißung Deutschlands   geschaffen hat.

Und es gibt heute noch Simpel, die jedes Verbrechen am deutschen  Volke für ein deutsch  - nationale Großthat halten! Die Dummen werden nicht alle.

Wie das Volk lebt und kämpft!

Wir geben in dem Nachfolgenden auch eine Antwort auf die neuesten Gewaltstreiche der Reaktion, auf die Verhängung des kleinen Belagerungs­zustandes über Leipzig  . Der buchstäbliche Abdruck des nachfolgenden Schrei­bens erfolgt in der alleinigen Absicht, aus dieser Anklagefchrift gegen die modernen Gewalthaber und Gesellschaftsreprä­sentanten speziell in Deutschland   und ihre Mitverschworenen allerwärts die materiellen und geistigen Leiden der Unterdrückten, Licht­und Brodverlangenden in ihrer vollen, lebenswahren Allgewalt laut werden zu lassen. Hut ab vor solchem Kampfes­und Opfermuth! Ohren auf, Ihr Professoren der modernen Volkswirth­schaft, Ohren auf, Ihr Staatsweisen, der Proletarier hat das Wort: Aus Südfrankreich  , 3. Juli 1881. Geehrder Herr Herter! Ich Uehbersende hier 3 Franken ihn Brief­marken, 2. 50 vier dehn Sozialdemokrat vier das 3te Kwartall, sowie 50 Zentihm viehr In die Kaffe der Gemaßregelten und Verfolgten Freiheits Kämpfer. Es ist Nahtürlich nicht viehl, nuhn Wenn ein jeder ein Kleines Schärflein Gehben tuht, wenn ein jeder dehn Richtigen Ge­danken ihn sich fiert, Wahrer Sozialist zu sein. Wenn ein jeder die Wahre Näksten Liebe Jn sich Trägt, Nuhn dann möhgen Unserre Ver­folger Tohben wie sie Wollen, dann wierd der Siehg doch Nicht Aus­bleiben.

Geehrter Herr Herter, Ich Gähbe Gerne mehr wenn ich könnte Und wenn ich es hätte, Ahber ich Glaube Sie werden wissen wie der Arme Schumacher beschdellt ist, ich Arbeite hier zeit dehn zweiten De­zember 1880. Jch will hier ihnen schreiben, waß vier Einen Lohn ich hier verdiehne, sie werden wohl schdaunen, ich binn auf Woche, da habe ich die Woche 3 Fr. Ich schreibe Drei franken und Kost, das macht 50 Zentihm dehn Tag. Da kann ich Freihlich keine 5 Franken Zurid­Lehgen wie mein Werther Patron Meinte ich sollte mehr Schpaaren, Brauchte so teine Zeitung a la Roschfort zu Lehßen, das leßen Wehre nichts schlegtes, Denn ehr tuht auch Gerne Leßen Freihlich La Fason A la Gambetta, Ich habe ihn doch dazu genöhticht, das er Mehr Gehben tuht, Ahber diese Herren, sie denken, wenn sie ein Fremden Arbeiter

Feuilleton.

Die nationale" Bewegung in Böhmen  .

I.

Die Exzesse, die in jüngster Zeit in Prag   gegen Deutsche   verübt werden, fordern zu einer eingehenden Erwägung der Ursachen derselben auf. Mit einigen wohlfeilen Phrasen der Entrüstung über den Pöbel", bezahlte Aufwiegler"," Völkerverheßung" 2c. kommt man über die Frage ebensowenig hinweg als über die jüngsten Exzesse in Marseille  gegen die dortigen Italiener  .

Der Zwiespalt zwischen Deutschen   und Tschechen in Böhmen   ist ein tief in der historischen Entwicklung begründeter. Um ihn zu verstehen, muß man, wenn auch nicht auf Adam und Eva, so doch auf die An­fänge staatlicher Gestaltungen in Böhmen   zurückgehen.

Als die zunehmende Schwäche und Entvölkerung des römischen Welt­reiches den an den Grenzen lauernden Germanen im 4. Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrechnung den Weg an die Küsten des Mittel­meers eröffnete, setzte sich die ganze Masse der noch halbnomadischen Germanen in Bewegung nach Südwesten, den Nordosten Europas   den nachdrängenden Slaven überlassend, welche ihnen nach bis über die Elbe vordrangen. Die Vorwärtsbewegung der Germanen erreichte indeß bald ihr Ende, da die Versuche derselben, germanische Reiche in Afrika   zu gründen, scheiterten; ja diese Vorwärtsbewegung schlug schließlich in eine Rückwärtskonzentrirung" um, namentlich seit dem Vordringen der Araber in Spanien   und Süditalien. Eingezwängt zwischen Arabern und Slaven  begannen die Germanen einen verzweifelten, Jahrhunderte lang währenden Kampf ums Dasein, der schließlich mit der Verdrängung der Araber aus Spanien   und Italien   einerseits, sowie der Vernichtung der Wenden und Zurückdrängung der Polen   andererseits endete.

Den vorgeschobensten Posten der Slaven bilden die Tschechen: heute noch spielt sich in Böhmen   die Fortsetzung des Kampfes ab, der vor einem Jahrtausend begonnen. Die Fortschritte der Kultur haben die Erscheinungen des Kampfes gemildert; die Heftigkeit des­selben hat dagegen mit der Zeit eher zu- als abgenommen, je bedrohter und isolirter die Stellung der Tschechen wurde. Es ist ja eine bekannte Erscheinung, daß der Fanatismus einer Sekte oder Nation im umge­tehrten Verhältniß zu ihrer Größe steht.

Einige ,, deutsche  " Gelehrte wollen allerdings in die deutsche  " Geschichts­wissenschaft die Ansicht einschmuggeln, die nationale Bewegung in Böhmen  sei ein Produkt der neueren Zeit, künstlich von einigen tschechischen Literaten und Alterthumsforschern ins Leben gerufen. Sie erklären, Böhmen   sei im Mittelalter ein deutsches Land gewesen und weisen darauf

haben woh die Schprache nicht kann, da Meinen sie, sie könnter ihm Gehben, wass sie wollen, vohr mihr hatte er einen Schpanier dießer wahr Fünf jahre bei ihm, dießer Arme Teufel, dehn hatt er zwei Franken Gegehben die Woche und dießer hätte sich noch geschpahrt dabei, nuhn ich ich habe ihm meine Meinung soh viehl Ich kann auf Französch gesacht, desshalb sind die Jttalljehner so wie Schpannier sehr verhaft unter dehn Arbeiteru hier herrum.

Geehrter Herr Herter, Sie brauchen nicht zu denken das ich Viehleicht Schmarozzen oder schön tuhn Wollte oder wollte mich brüsten ihnen Gehgeniehber, Nein, das sei fern fon Mihr, sonndern das was ich schreibe das schreibe ich aus vollem Herzen, Ich dehte meinen Brief besser Aufsetzen Wie es meine Gedanken wollen, Ahber dazu habe ich keine Schuhle Genossen, denn ich habe eine Ehlende Und Erbermliche Er­ziehung gehabt, defshalb bitte ich sie vielmahls Um Entschuldigung. Wenn es ihnen Angenehm ist, so werde Jch ein Seiten- Schdück Ueber meine Erziehung schreiben. Freilich besser aufsetzen. Mitt Sozialdemokratdischem Gruß

sein Schreiben

Unser braver Genosse wird uns nicht mißverstehen, ist in seiner Urabfassung beredter als Alles, was man noch dazu sagen

wollte!

Aus Bulgarien  .

Tirnova  , 1. Juli 1881. Unter der Knute und den Schlägen der russischen Befreier" sind die Wahlen in Bulgarien   vollzogen worden. Man kann sich leicht vorstellen, was für einen Werth sie in einem Lande haben, wo der arme Bauer mittelft Drohungen, Strafen, Schlägen, Verhaftungen 2c. gezwungen wird, einer ihm bezeichneten Person seine Stimme zu geben, wo die Gesetze als eine leere Formalität, als ein beschriebenes Blatt Papier   betrachtet werden, wo ehrenhafte Bürger ohne Grund und ohne Urtheil( was sollte man auch verurtheilen, wenn es sich lediglich um die freie Ueberzeugung han­delt!) gemißhandelt und ihrer Freiheit beraubt werden? Was für Wahlen können das sein, bei denen man seines Lebens und das seiner Familie nicht sicher ist, wenn man sich frei ausspricht! Leute, wie Zankoff, Slavei­koff, Karaveloff 2c., welche sich infolge ihrer unermüdlichen 30jährigen Thätigteit für das Wohlergehen des bulgarischen Volfes allgemeiner Be­liebtheit und Achtung erfreuen, werden auf eine ganz barbarische Art verfolgt und eingekerkert. Und warum das? Aus dem einfachen Grunde, weil sie kein blindes Werkzeug der Regierung Battenberg  - Ernroth u. Co. sein wollen, weil sie einen würdigen Tod für die Rechte und das Wohl­ergehen ihres Volkes den hohen Einkünften, hervorragenden Stellen und äußerlichen Ehren vorziehen. Dem russischen Agenten und Herrn Batten­ berg   gefällt die Wahrheit nicht, weil durch dieselbe ihre Mißgriffe und Ungerechtigkeiten an's Licht kommen könnten. Der, würdige, bescheidene" Gelbschnabel findet das Land desorganisirt und diskreditirt und ge= leitet von seinen Erfahrungen"( wahrscheinlich in den Berliner   Café­chantants) will er in dem im Innern desorganisirten und nach Außen diskreditirten Bulgarien" geordnete Zustände herbeiführen, indem er den Absolutismus einführt. Mit seiner auf die Unterstützung Oesterreichs  , Rußlands   und wahrscheinlich auch Deutschlands   hin am 27. April erlas­senen Proklamation, wußte er durch die unverschämtesten Lügen die Be­völkerung Europa's   zu hintergehen, während er das ganze Volk beleidigte. Es hieß mit anderen Worten: Alle Bulgaren   taugen nichts und vermögen nichts auszurichten, nur Ich bin im Stande, sie zu retten. Wovon will er Bulgarien   retten, womit kann er beweisen, daß das bulgarische Bolt sich nicht seit der Befreiung sehr besonnen und vernünftig gezeigt habe? Er will die Verfassung für sieben Jahre aufheben, weil das Volk einer solchen halbrepublikanischen, konstitutionellen Verfassung noch nicht würdig sei." Womit kann er beweisen, daß die Verfassung schlechte Früchte getragen habe? Was verteht er unter den Worten des orga­nisirt und diskreditirt, wer, wo und wann? Erst drei Jahre in Freiheit, soll Bulgarien   schon desorganisirt sein! Wenn nur Fürst Battenberg  , der das Weiße schwarz nennt, nicht selber moralisch desor­ganisirt ist! Wieso er wegen seiner Würdigkeit und seiner Talente zum Fürsten von Bulgarien   einmüthig gewählt wurde, darüber werde ich ein anderes Mal sprechen; in der That, es gehört Talent" dazu, das zu thun, was der Betrüger Battenberg   fertig gebracht hat: der Text der Proklamation lautet im Bulgarischen   ganz anders als im Französischen. Vor Eiropa wußte Alexander die Sache ganz anders darzustellen als vor dem bulgarischen Volfe. Sehr flug und ehrenhaft! Dank seinen auf Erfahrungen" beruhenden Schritten ist jetzt Bulgarien   in der That desorganiirt, aber die Bulgaren  , die das 500­jährige Foch wach und sehr aufmerksam erhalten hat, werden hoffentlich der Welt zeigen, daß sie solche Personen, wie Seine Hoheit, der Fürst Battenberg  , nicht dulden, sie werden zeigen, daß die Zeit vorbei ist, wo man das Schicksal eines Volkes en erfahrenen" Händen eines Gelb schnabels anvertraut. Ein anderes Mal werde ich Ihnen etwas über die Wahlmethode, die Fürst Battenberg   in Bulgarien   eingeführt hat und praktiziren läßt, mittheilen. M. Betroff

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hin, daß es ein Theil des deuschen Reiches war und daß in seiner Hauptstadt die älteste deutsche   Universität begründet wurde.

Diese hypergelehrten Geschichtsforscher scheinen nicht zu wissen, daß ein deutsches Kaiserthum erst seit dem 18. Januar 1871 eristirt, daß es im Mittelalter und bis 1806 wohl römische Kaiser deutscher   Nation, nicht aber deutsche   Kaiser gab. Diese Unterscheidung ist keine bloße Wortspielerei. Die römischen Kajer deutscher   Nation fühlten sich als Nachfolger der römischen Zäsarn zur Weltherrschaft berufen. Die Ueberreste römischer Kultur beherrschten die Geister der barbarischen Germanen während des Mittelaltes so mächtig, daß Rom   noch immer als die Hauptstadt der Welt galt und daß um den Besitz Roms, sowie des imperium mundi( der Welterrschaft) eine Menge des kostbarsten deutschen Blutes nutzlos verschwendet wurde. Dieses Festhalten an der römischen Tradition hat neben den dreißigjährigen Kriege wesentlich dazu beigetragen, daß Deutschland   in seiner politischen Entwicklung hinter England und Frankreich   zurückgebieben ist.

Wenn Böhmen   zum heiligen ömischen Reich gehört hat, so war es deswegen um nichts deutscher, als Italien  , welches ja auch zu diesem gezählt wurde. Die Zugehörigkeit zu demselben hat keinen anderen Effekt gehabt, als den, daß der Deutschein Böhmen ebenso verhaßt ist, wie er es noch vor kurzem in Italien   wr.

Und was die erste deutsche  " Universität anbelangt, so genügt es da­rauf hinzuweisen, daß sie wesent ch unter italienischem Einflusse, namentlich Petrarcass zu Sinde kam, und daß auf derselben kein Wort deutsch  , sondern blos I teinisch gesprochen wurde, da das Deutsche   erst zwei Jahrhunderte nach ihrer Gründung Schriftsprache wurde. Indeß schrieb man noch ur Zeit Friedrich II.   fast alle gelehrten Werke lateinisch oder französisch, rcht aber deutsch  . Das blödsinnige Wort von der deutschen" Wissenschaft mr zu Karl IV.   Zeit noch nicht erfunden. Wie stark während des Mittelaers das nationale Leben in Böhmen  war, beweisen die Hussitentiege.

Die Reformation ist wentlich ein Protest der Nationen gegen die Bevormundung durch Rom  , nachdem die auf nationaler Basis auf­gebaute Kultur dem spärlichen lefte der antiken im Christenthum ver­knöcherten Kultur längst den Verang abgelaufen hatte und sich nun von der Einengung durch diesele zu befreien suchte. Es ist charat­teristisch, daß neben England e Böhmen   war, welches zuerst die nationale Fahne im Gegensatz zu römischen, und allerdings, der Tradi tion gemäß, auch im Gegensatz zr deutschen, aufpflanzte.

Die Bewegung verlief im Sare, aus Ursachen, die hier zu erwähnen, zu weitläufig wäre. Als aber ei Jahrhundert später die Reformations­bewegung ganz Europa   erschüttert da stand Böhmen   wieder in den ersten Reihen und spielte während d dreißigjährigen Krieges eine hervor­ragende Rolle.

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Sozialpolitische Rundschau.

Zürich  , 13. Juli 1881.

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Der Züricher Kantonsrath hat am 11. und 12. ds. über den Protest des Schweizer   Parteikomite's gegen das Verbot des Weltkon­gresses berathen und sich wie zu erwarten war mit großer Ma­jorität( 120 gegen 69 Stimmen) für die gesetzliche Zulässigkeit des Ver­botes entschieden. Die Sache wird nunmehr vor das Bundesgericht zur Entscheidung kommen.

In der ziemlich heftigen Debatte zeigte es sich deutlich, wie sich die Liberalen aller Länder doch so frappant einander ähneln. Die Aus­führungen der Herren Spiller, Frei und 3uppinger gleichen auf ein Haar denen der Herren Bamberger  , Bennigsen und Rickert aus den Debatten bei Schaffung des Sozialistengesetzes im Jahre 1878. Ganz dieselbe Rechnungsträgerei nach oben wie nach unten selbstver ständlich unter Wahrung der liberalen Grundsäße". Die Herren wußten ebenso gut, auf welche Art die 30,000 Unterschriften zusammengebracht wor­den waren, als die Nationalliberalen wußten, auf welche Art die Atten­tatswahlen erzielt worden waren, aber trotzdem flunkerten sie wie jene mit der Volksstimme".

Treffliche, markvolle Worte fielen dagegen auf demokratischer Seite. Forrer von Winterthur   rief den Liberalen zu: Wenn der Ver­treter der Mehrheit darauf hinweist, daß die sozialistische Partei in Verbin­dung stehe mit dem russischen Attentate, und wenn er bei dieser Gelegenheit seinen Abschen über letzteres ausdrückt: habe ich da wohl das Recht, meinen Abscheu auszusprechen über das Regierungssystem in Rußland  ? Wenn die Mehrheit darauf hinweist, daß die sozialdemo­fratische Partei in Deutschland   verpönt sei: habe ich da nicht das Recht zu sagen, daß ich die größten Sympathien mit diesen Sozialisten habe, weil sie die republikanische Staatsform in der Monarchie vertheidigen?" Und nachdem er die Rechtsfrage eingehend erörtert, nachdem er daran erinnert hatte, wie viel das Land gerade den politischen Flüchtlingen zu verdanken habe, schloß er mit einem feurigen Appell, nicht den dunklen Wolken des Vorurtheils und Rückschrittes zu folgen, sondern den hellen Sternen der Freiheit und Gleichheit, nicht Fremde nur deswegen zu prostribiren, weil sie in der Heimath prostribirt find.

Regierungsrath Walther Hauser erklärte offen, als Bürger eines Landes, das so zahlreiche Errungenschaften der Revolution verdanke, wolle er selbst dann, wann der Gesichtspunkt staatsgefährlicher Lehren der rich­tige wäre, nicht die Propaganda solcher Lehren verbieten.

Nicht minder energisch sprachen der alt Regierungsrath 3iegler und der Nationalrath Profeffor Vögelin. Auf des Letzteren aus­gezeichnete, mit Sarkasmen gewürzte Rede kommen wir in der nächsten Nummer noch zurück. Für heute seien nur die vortrefflichen Worte hervorgehoben, mit denen er das Geheul über die Streichung des gesetz­lichen Weges aus dem Programm der deutschen Sozialdemokratie recht­fertigte. Achtung vor den Männern, rief er aus, die den Muth hatten, mit der Lüge von dem gesetzlichen Weg zu brechen!"

Selbst der ins liberale Lager übergegangene ehemalige Kommunist Professor Treichler sprach sich sehr energisch gegen das Verbot aus. Er erwiderte dem Regierungsrath Spiller auf dessen Schwarzmalereien: Wir haben alle ein Recht, am Umsturz unserer Zustände zu arbeiten, insofern wir dies mit gesetzlichen Mitteln thun. Es sei glücklicher Weise so, daß die Bildung eines Staates nie fertig sei und daß der Volksgeist ununterbrochen am Umsturz des Bestehenden arbeite, woraus dann eben das sich ergebe, was wir als Fortschritt der Kultur bezeichnen. Was war die Reformation anders als ein Umsturz des Bestehenden? Und

1830?"

Half aber alles nichts. Die liberale Mehrheit im Kantonsrath mochte nun einmal ihre Gesinnungsgenossen im Regierungsrath nicht im Stich laffen. Sie erklärte ihnen also das Recht zu, administrativ eine Versammlung, an der Fremde theilnehmen, zu verbieten. Wollen ab­warten, wie das Bundesgericht darüber denkt.

- Die erste Lifte der aus Leipzig   Stadt und Umgebung Ausgewiesenen liegt jetzt vor. Es sind dies:

1) Aus Leipzig  :

A. Bebel, Drechslermeister; W. Hasentiever, Schriftsteller; W. Liebknecht, Schriftsteller; W. Fink, Buchhändler; F. Gold­hausen, Buchdruckereibesitzer; Th. Burckhardt, Xylograph; F. Nauert, Maler; Chr. Hadlich, Buchhändler; R. Willeden, Tischler; L. Witt, Schneidermeister; H. Mosemann, Tischler; Schröder, Schuhmacher; C. Wienholz, Bierverleger; H. Rieß­ling, Notendrucker; G. Kießling, Markthelfer; R. Tiedt, Schnei­dermeister; J. Windhorst, Cigarrenfabrikant; C, Heinrich, Schmiede­meister.

2. Aus der Umgegend.

B. Geiser, Redakteur; M. Preißer, Zimmermann; E. Mör it, Schneidermeister; A. Vogeniz, Schriftsetzer; A. Rebner, Cigarren­arbeiter; M. Schröter, Schriftsetzer; H. Höhne, Maurer; E. Kirchner, Notenstecher  ; E. Grude, Markthelfer; D. Peutert,

Nach der Schlacht am weißen Berge wurde allerdings der tschechische Adel vernichtet und durch einen deutschen ersetzt, deutsche   Jesuiten   famen in's Land und die ersten Anfänge des Kapitals, die sich damals zeigten, waren in deutschen   Händen. Die herrschenden Klassen in Böhmen   waren fortan deutsch  , die tschechische Literatur verfiel und die nationalen Kämpfe traten anscheinend in den Hintergrund. Das Volk aber hielt natürlich ausgenommen die rein deutschen Bezirke an seiner Natio­nalität mit seiner sprichwörtlichen Zähigkeit feft. Auch blieb Böhmen  bis zur pragmatischen Sanktion ein selbständiges Land und selbst diese brachte keine wesentlichen Aenderungen in seiner staatsrechtlichen Stellung mit sich.

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Erst unter Joseph II.   begannen die Versuche, den Absolutismus und Zentralismus gewaltsam durchzuführen. Joseph II.  , dieser Verehrer Friedrich II.  , von einigen sonderbaren Schwärmern für einen Demokraten gehalten, sah sein Jdeal in der preußischen Kaserne. Er verfolgte den Klerus, hauptsächlich deßwegen, weil derselbe damals neben dem Monarchen die einzige selbständige Macht im Staate war. Mit der Aufklärung" zu kokettiren, war damals kein Verdienst, sondern eine Mode, der z. B. auch Katharina II.   von Rußland   huldigte. Der Absolutismus   war das Endziel Joseph II.   Deßhalb ersetzte er die Staatsverwaltung des Adels und Klerus durch eine der Büreaukratie, die von ihm gänzlich abhängig war, und deßhalb verordnete er im Interesse der Uni­formität die Germanifirung ganz Desterreichs.

Noch blieb Böhmen   ruhig, Ungarn   dagegen, dessen Kraft nicht durch eine Niederlage gleich der am weißen Berge seiner Zeit gebrochen worden war, erhob sich energisch gegen die Germanisirungsversuche Joseph's. Die Slaven wären ihnen vielleicht gefolgt. Aber zum Theil widerrief der sterbende Kaiser selbst seine Reformen", anderntheils nahmen die hochgehenden Wogen der französischen   Revolution, die damals sich zu entwickeln begann, die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch. Als aber der Sturm derselben sich gelegt hatte und Metternich in Desterreich mit einer zentralisirten germanisirenden Büreaukratie wesentlich im Sinne Joseph's II. weiter regierte natürlich der durch die große Revolution geänderten Sachlage gemäß ohne den Beigeschmack der Auf­klärung" da rührte sich nicht nur in Ungarn  , sondern auch in Böhmen  die nationale Reaktion gegen den Zentralismus. Da die deutschen Liberalen Metternich als Vertreter des Absolutismus natürlich ebenfalls haßten, so war es selbstverständlich, daß Deutsche  , Ungarn   und Tschechen  einmüthig ihm entgegentraten und einmüthig zu seinem Sturze zusammen­wirkten. Aber ebenso natürlich war es, daß sie nach dem Sturze Metternichs fich entzweiten.

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