wirthschaftlichen Liberalismus. Ein mächtiges Anwachsen der Sozialdemokratie auf der einen Seite, auf der andern ein Auf­raffen der wirthschaftlichen Reaktionsparteien aller Art war die Folge, das Sozialistenunterdrückungsgesetz und die Wirthschafts­reform" tam zu Stande. Die nächste Krisis, die, wie wir oben gezeigt, eine noch weit intensivere, noch weit verheerendere sein wird, als die früheren, findet die beiden Parteien der heutigen Ausbeutergesellschaft abgewirthschaftet, auf wen soll daher die große Masse des Volkes anders blicken, als auf die bislang unterdrückte Partei der neuen Gesellschaft, auf die Partei des demokratischen Sozialismus!

Diese Krisis aber wird, wie ihre Vorläuferinnen, eine inter­nationale sein. Sie wird, Dank dem revolutionären Korn" Amerikas  , Australiens   und Indiens  , auch das heilige Rußland nicht verschonen. In den zwei Nachbarländern Rußland   und Deutschland   wird sie die Verhältnisse überreif finden zu einer politisch- sozialen Revolution. Und es sprechen viele Anzeichen dafür, daß es diesmal mit Recht heißen wird: Von Osten kommt uns das Licht! Von Osten wird die Revolution, oder richtiger die revolutionäre Erhebung ausgehen, von Osten, wo schon heute der Geist der Empörung täglich sich manifestirt. Und daß er nicht über Deutschland   wirkungslos dahinrauschen wird, dafür hat vortrefflich gesorgt unser Revolutionär wider Willen: Bismard.

In diesem Sinne allerdings können auch wir, die revolutionäre Sozialdemokratie, von seiner Wirthschaftspolitik sagen, daß sie zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft be rechtigt!" Leo.

Verbrecher Album.

II.

Die Jdee eines Verbrecher- Albums für die Mitglieder der Ordnungs­banditenzunft ist eine so zeitgemäße, der Stoff ein so unerschöpflicher, daß ich glaube, diese Rubrik des Blattes wird für lange Zeit zu einer stehenden werden.

Für heute liefere ich einige Beiträge über Persönlichkeiten aus dem schönen Schwabenlande. Da ist zuerst Herr Schönhardt, der in diesem Blatte bereits mehrfach genannte Staatsanwalt am Land­gericht Stuttgart  . Seine mit Vorliebe gepflegte Spezialität sind Sozialistenprozesse, in denen er sich als gehässigster und eifrigster Ver­folger jeder freien Regung hervorthut. Er war es, der im Jahre 1878 die Verfolgung gegen Dulk und Genossen einleitete, weil in einem Wahlflugblatte, als dessen Verfasser sich Dr. Dult freiwillig bekannte, die Behauptung aufgestellt war, die neue Zoll- und Steuerpolitik werde zu einer Mehrbelastung des Volkes führen. Schönhardt hatte die eiserne Stirn, dies für eine wissentlich erdichtete Thatsache zu erklären, seine Rede, die von den gemeinsten Ausfällen und Beschimpfungen strotzte bestimmte in der That die Bourgeoisgeschworenen die ja mit Vorliebe zu einem ,, Schuldig", worauf gegen Sozialisten ihre Klassenjustiz üben der Gerichtshof den Genoffen Dulk zu zehu, zwei Mitangeklagte als Beihelfer zu je drei Monaten Gefängniß verurtheilte.

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Herr Schönhardt spielt nebenbei den Schöngeist und verübt bisweilen haarsträubend schlechte Gedichte, die bis dato ihn noch nicht zum be­rühmten Mann gemacht haben. Sei es nun der Neid allein, oder Neid in Verbindung mit politischem Haß genug, er beehrt noch immer Dr. Dulk, der sich als Dichter und Schriftsteller seit Jahrzehnten einen geachteten Namen erworben, mit seiner ganz besonderen Abneigung. Als vor einiger Zeit die Frage angeregt ward, ob nicht der Schillerverein dem betagten und schwer um die Existenz ringenden Dulk seine Hilfe zuwenden solle, bot der Auchdichter" Schönhardt als Mitglied des Vereins Alles auf, die löbliche Absicht zu hintertreiben, was dem schönen Herz" bei der sprichwörtlich gewordenen politischen Versumpstheit unserer Literaturhelden auch nur allzugut gelang.

Das Sozialistengesetz war für diesen Menschen selbstverständlich ein gefundenes Fressen. Die Stuttgarter   Genossen gehören zu den rührigsten in ganz Deutschland  , namentlich auch hinsichtlich der Verbreitung von Flugblättern. Freilich ist ihnen schwer beizukommen, weil sie in der Regel schlauer sind, als die Polizei- und Justizschergen. Da kühlt nun Herr Schönhardt sein Müthchen dadurch, daß er stets, wenn nur eine Spur von Verdachtsgründen vorhanden, die Untersuchungshaft beantragt und gewöhnlich auch bei den feigen und gewissenlosen Richtern seinen Willen durchsetzt. So ließ er im vorigen Jahre einen Schriftsetzer aus Stuttgart   und dessen Braut, beide geborene Stuttgarter, je vier Wochen in Untersuchungshaft setzen, weil er behauptete, die beiden hätten eine Korrespondenz im Sozialdemokrat" verfaßt, in welcher er und sein Spießgeselle Gottlieb Köhn nicht gerade glimpflich weggekommen waren. Die Gefangenen mußten schließlich als unschuldig entlassen werden zum großen Aerger der beiden Justizbanditen. Schönhardt liebt es ferner in Sozialistenprozessen unter allerlei nichtigen Vorwänden den Ausschluß der Oeffentlichkeit herbeizuführen. Er packt seine Opfer am liebsten hinter verschlossenen Thüren, weil ihn die Kontrole des Publi­kums zu sehr genirt. Seinem Beispiele ahmen die würdigen Kollegen in Heilbronn  , Tübingen   und Ulm   nach.( An letzterem Orte zeichnet sich besonders Staatsanwalt Pfaff als Hauptjustizflegel aus.) Es ist überflüssig, über diese Ordnungssäule des Stuttgarter   Parkets weitere Details zu geben; das Vorstehende wird zu den Umrissen eines Porträts für unser Album genügen.

Von der Justiz zur Polizei ist heute in Deutschland   noch weniger als ein Schritt. Darum wollen wir als Pendant zu Herrn Schönhardt dem Stuttgarter Polizeiinspektor Kern ein Plätzchen in unserer Sammlung anweisen. Kern ist ein bornirter Kopf, hat nichts gelernt, besitzt eine große Portion Gewissenlosigkeit und Frechheit und ist also gerade der rechte Mann für die heutige Ordnungs" wirthschaft. Er wars, der im Jahre 1878 ohne jeden Schatten von Rechtsgrund das ganze Wahlkomite und das Personal der Genossenschaftsdruckerei in Stuttgart  willkürlich verhaftete, worauf unser Gottlieb" einen Theil der Juhaf­tirten wochenlang unschuldig sitzen ließ. Die Lorbeeren des Dr. Rumpf lassen den Hohlkopf Kern nicht schlafen. So verfiel er auf den Gedanken, sich auch Spione" zuzulegen, beging aber den dummen Streich, gleich einen so nichtsnutzigen Spitzbuben verwenden zu wollen, daß er darob zum öffentlichen Gespött ward. Der Agent Kerns nämlich, sich als Theil der Sozialistenpartei und mithin allmächtig fühlend, ging alsbald in das nahe bei Stuttgart   gelegene Dorf Gaisberg  , nahm dort ganz un­motivirte Verhaftungen vor, ließ sich das Geld der Verhafteten aus­liefern, versoff dasselbe sogleich im Wirthshaus und trieb noch sonst schmutzige Allotria, worauf er vom Schultheiß selbst verhaftet, seine Gefangenen aber in Freiheit gesetzt wurden. Die Sache hatte ein Nach­spiel, denn Kern's Agent wurde vom Landgericht Stuttgart   wegen wider­rechtlicher Freiheitsberaubung 2c. zu zehn Monaten verdonnert, wobei Herr Schönhardt nicht als Staatsanwalt fungirte. Kern war als Zeuge geladen und spielte eine recht jämmerliche Figur.

Noch ein kleines Histörchen über diesen Ehrenmann, und sein Porträt ist fertig. In Stuttgart   war ein Wirth, Namens Otterbac), Kassier eines Kriegervereins. Bei dem verkehrte Herr Kern sehr fleißig, denn Otterbach   hatte eine hübsche und gefällige Frau, und Kern war " Hausfreund". Otterbach   unterschlug einen bedeutenden Betrag aus der Vereinskasse, wurde zur Untersuchung gezogen, worauf Kern ihm recht­zeitig einen Wink gab, er solle verduften. Ganz Stuttgart   wußte um

diesen skandalösen Zusammenhang; trotzdem blieb Kern ruhig in seinem Amte. Später wurde Otterbach   auswärts verhaftet und abgeurtheilt, Kern aber tröstete fleißig die verlassene Frau.

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Eine Heldenthat Kerns sei schließlich noch erwähnt. Im vorigen Jahre kam ein junger Schriftsetzer nach Stuttgart  , der kurz vorher in Rottenburg   zwei Monate wegen Verbreitung" hatte brummen müssen. Gefundenes Fressen für die Polizei. Der arme Mensch erhielt die Auf­forderung, sich auf dem Polizeibureau einzufinden, um dort den Leuten der heiligen Hermandad vorgestellt zu werden, damit diese sich seine Physiognomie als die eines gefährlichen Subjektes" einprägen könnten. Auf Anrathen eines Freundes ging er nicht, sondern erhob bei der höheren Stelle Beschwerde, ausführend, nach unserem Gesetze sei die Stellung unter Polizeiaufsicht nur zulässig, wenn ein richterliches Urtheil dies ausdrücklich feststelle. Doch was fragt die deutsche   Polizei nach Gesetz und richterlichen Urtheilen! Der Schriftsetzer erhielt abermals eine Vorladung auf die Polizei, angeblich um Bescheid über seine Be­schwerde zu erhalten. Man bestellte ihn auf eine bestimmte Stunde und ließ ihn dann so langewarten, bis die gleichfalls be= stellten Polizisten ihn alle beaugenscheinigt hatten. Dann sagte man ihm kurz und barsch, seine Sache sei erledigt. Als er über diese Behandlung ungehalten wurde, ließ man ihn sofort wegen ,, ungebührlichen Betragens" 24 Stunden einsperren, wobei er auf dem Wege zum Polizeiarrest noch von den Polizisten körperlich mißhandelt

wurde.

Das ist die deutsche   Reichswirthschaft in Schwaben  , und Schön­hardt und Kern sind ihre würdigsten Organe. Ehud.

Briefe eines Achtundvierzigers.

Berlin  , 8. Januar 1882. Erst die Rücktrittsdrohung, dann die Auflösungs­drohung, das ist das alte Rezept Bismarcks bei Behandlung des deutschen   Bürgerthums ein Rezept, an dem keine Veränderungen an­gebracht werden, und das mit pedantischer, unteroffiziersmäßiger Pünkt­lichkeit seit nunmehr fast acht Jahren befolgt wird. Die Rücktrittsdrohung nach der vorjährigen Wahl hat nichts genützt, und da haben wir denn nun die Auflösungsdrohung.

Wenn man sich erinnert, wie viel hundertmal dem letzten Reichstage mit Auflösung gedroht wurde, und wie er schließlich eines natürlichen Todes und sogar an Altersschwäche verstarb, so wird man den neuesten Auflösungsdrohungen keine sonderliche Wichtigkeit beilegen, zumal Bis­mard sich unmöglich der Illusion hingeben kann, eine Auflösung würde ihm bessere Wahlen bringen. Erleidet die ganze politische Lage und mit ihr die Stimmung des Volkes, soweit es von bürgerlichen Ideen direkt und indirekt beherrscht ist, nicht einen vollständigen Umschwung, so hat Bismarck   von einer Auflösung, selbst wenn die Neuwahlen unter dem denkbar höchsten Polizeidruck und Beamtenterrorismus erfolgten, nichts zu erhoffen. Möglich indeß, daß er sich dem Wahn hingibt, durch seine " Sozialreform" einen solchen Umschwung herbeiführen zu können, allein diese Sozialreform" muß doch erst Hände und Füße haben, überhaupt greifbar sein, ehe das Mirakel eintreten kann, und vorläufig ist die Bis­mard'sche Sozialreform" noch ein neues Nebelgebilde, über deffen eigent­liche Natur kein Mensch im Klaren ist, am wenigsten Bismarck selbst. Es soll zwar, offiziösen Notizen gemäß, im Reichsministerium fabelhaft ,, gearbeitet" werden, indeß das Bebrüten eines Windeis ist auch eine fabelhafte Arbeit", und die Bismarc'sche Sozialreform" ist und bleibt ein Windei.

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,, Deutsche Sozialisten in der Fremde" unter dieser Ueber­schrift veröffentlicht jüngst die Berliner   Tribüne"( Organ der Sezes­sionisten") einen seitdem in alle uns feindlichen Blätter übergegangenen Artikel( angeblich eine Korrespondenz aus New- York  ), der sich mit den nach Amerika   gegangenen deutschen   Sozialdemokraten, insbesondere Grott­kau, Vahlteich, Walster und Fritzsche beschäftigt und speziell über die beiden leztgenannten ganze Kübel schüttet. Was bezüglich Walster's be­hauptet wird, ist entschieden unwahr. Walster hat in Amerika   schon traurige Erfahrungen gemacht und lebt auch in nichts weniger als gün­stigen Verhältnissen, was aber der Urheber der New- Yorker Korrespon­denz" über die Lebensweise desselben sagt, ist von A bis 3 erlogen.

Das Gleiche gilt von dem, was über die Thätigkeit Fritzsche's als Präsident des Vereins deutscher   Tabakarbeiter und als Verwalter der Kaffe dieses Vereins gesagt wird. Wir haben das Weggehen Fritzsche's auf das Energischste getadelt, wir haben auch heute kein Wort der Ent­schuldigung und Beschönigung für seine Ausreißerei, allein politischer Deserteur und gemeiner Kassendieb, das ist denn doch etwas sehr Ver­schiedenes, und, sind wir auch außer Stande, die Angabe des New­Yorker Korrespondenten", so weit sie Fritzsche betreffen, in jedem einzelnen Punkt widerlegen zu können, so wissen wir doch positiv, daß diejenigen Personen, welche Fritzsche's Thätigkeit als Präsident des Tabakarbeiter­vereins am Genauesten kennen, ihm keine Unterschlagung zum Vorwurf gemacht, ja ihn ausdrücklich gegen diesen Vorwurf in Schutz genommen haben.

Wir erwarten, daß Fritzsche durch die New- Yorker Korrespondenz" der Tribüne" veranlaßt wird, endlich einmal über seine Thätigkeit als Präsident des deutschen   Tabakarbeitervereins und namentlich über die Kaffenverwaltung einen soweit nicht die deutschen   Verhältnisse Dis­fretion gebieten rückhaltlosen Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen, durch dessen bisherige Nichtveröffentlichung er sich unzweifelhaft in ein schiefes Licht gestellt und den Verdacht förmlich großgezogen hat.

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Der Berliner  , Tribüne" möchten wir aber zum Schluß zurufen, sich von dem Thema der Ausreißerei" fern zu halten. Im Haus des Er­hängten darf man sprichwörtlich nicht vom Hängen reden, und in der Zeitung des Herrn Bamberger, der weiland bei Kirchheimbolan­ den  ( 1849), so kühn davon geloffen", soll man nicht von Ausreißerei und Fersengeld sprechen.

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Ist die Dummheit größer oder die Bosheit? so fragt man sich unwillkürlich, wenn man Notizen liest, wie die nachfolgende, welche soeben die Runde durch die deutsche Presse gemacht hat. Inner­halb der Sozialdemokratie Deutschland 8, so lautet die fragliche, offenbar einem Reptilei entschlüpfte Notiz", bahnt sich wieder eine Spal­tung an, welche, von den Führern ausgehend, wohl bald sich über die Massen erstrecken wird. Schon gelegentlich der Debatte im Reichstage über die Denkschriften der Regierungen von Preußen, Sachsen   und Ham­ burg   betreffend die Ausführung des Sozialistengesetzes, fiel es auf, daß der Abgeordnete Hasenklever den züricher Sozialdemokrat" zu ver­leugnen bestrebt war, trotzdem auf dem Wiedener Kongresse ausdrücklich beschlossen worden war, daß das züricher Blatt als Organ der Sozial­demokratie deutscher   Zunge" gelten sollte. Während Hasenklever das ,, Organ" öffentlich verleugnete, steht Bebel starr auf dem von dem Blatte vertretenen radikalen Standpunkte. Aus dieser Spaltung erklärt sich auch zur Genüge, weshalb der Abgeordnete Geiser so energisch gegen die ihm zugemuthete Mandatsniederlegung protestirte. Auffällig genug war es schon, daß Herr Liebknecht nicht rechtzeitig" in Berlin   sein konnte, um au der oben erwähnten Debatte Theil zu nehmen, welche die Verleugnung des züricher Sozialdemokrat" gebracht hatte.

Dies das Machwerk. Wieder eine Spaltung" innerhalb der deutschen  Sozialdemokratie! Wieder"? Aber hat es denn schon eine Spaltung" gegeben? Hat die deutsche Sozialdemokratie nicht seit Erlaß des Sozia liftengesetzes gerade durch ihr Zusammenhalten die Ver- und Bewunde

rung ihrer Feinde hervorgerufen? Oder ist es eine Spaltung", daß ein paar Feiglinge und Lumpen vom Schlachtfeld desertirt sind? Dann wäre auch die deutsche Armee 1870/ 71, gespalten" gewesen, denn sie hatte mindestens zehnmal so viel Deserteure aufzuweisen.

Und nun gar jetzt das Spaltungs" märchen aufzutischen, jetzt, wo die deutsche Sozialdemokratie in einem beispiellos schweren und heftigen Wahlkampf nach dem Eingeständniß aller Gegner einen großartigen Triumpf erfochten hat? Nach Niederlagen können in Parteien wohl Spaltungen eintreten, aber wahrhaftig nicht nach Siegen.

Daß in Bezug auf die Stellung der Partei zum Sozialdemokrat" innerhalb der Partei keine Differenzen existiren, die zu einer Spaltung" führen könnten, das wissen unsere Genossen, und unsere Feinde würden es wissen, wenn sie sich die Mühe nähmen, statt über uns zu schimpfen, unferere Partei und ihre Thätigkeit erst zu studiren.

Daß angesichts der blödsinnigen, seit Wochen in verschiedenen Formen auftauchenden Behauptung, die sozialdemokratische Partei habe diesen oder jenen der gewählten Abgeordneten zum Bettwärmer" für den leider nicht gewählten Bebel ausersehen, einem der zur Bettwärmerrolle Desig nirten der Geduldsfaden zerriß, ist gewiß sehr natürlich.

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Wir können und wollen unsern Feinden nicht verwehren, sich mit uns zu beschäftigen je mehr sie es thun, desto schmeichelhafter für uns wir geben ihnen jedoch den Rath, etwas mehr gesunden Menschenverstand dabei zu verwenden.

Sozialpolitische Rundschau.

3ürich, 11. Januar 1882.

- Das Ereigniß des Tages ist der kleine" Staatsstreich in Deutschland  , Bismarck- Wilhelm's Erlaß vom 4. Januar 1882. Das liberale Bürgerthum der ganzen Welt ist sittlich entrüstet ob solchen Schlages in's Gesicht des konstitutionellen Gedankens", wir aber be­grüßen diesen neuesten Bismarck  'schen Geniestreich mit heller Freude. Das war uns einmal so recht aus dem Herzen gesprochen! Ein so rücksichts­loses, offenes Aussprechen dessen, was ist, ein so kräftiges Zerstören aller Illusionen vom Rechtsstaat, vom Verfassungsstaat und wie die schönen Träume des Liberalismus sonst noch heißen mögen, das kann in unserer Zeit des gegenseitigen Anfügens nur von Nutzen sein. Jahrelang ist dieses infame System von Beamtenkorruption geübt worden, jahre­lang ist das Volk künstlich in dem Wahne erhalten worden, die Beamten des Staates seien lediglich um seinetwillen da, von dessen saurem Schweiß sie bezahlt werden, dem man direkt und indirekt den letzten Heller aus der Tasche stiehlt, um fette Posten für verdiente Staats­männer" und geschulte" Kräfte à la Reichshundejunge zu schaffen, während thatsächlich die Beamtenmaschinerie immer mehr und mehr zum willfährigen Mittel des krassesten Absolutismus, der Volksknechtung, wie sie im Buche steht, dressirt wurde, jahrelang wurde die Phrase vom ,, unabhängigen Beamtenthum" dem Volke vorgeleiert da kommt endlich wie ein reinigender Blitzstrahl die ,, nothgedrungene" Erklärung des edlen Brüderpaares Bismarck- Wilhelm  , die sich heute stark genug wähnen, dem Volke ihr wahres Geficht zu zeigen!

Es ist deshalb Mein Wille, daß sowohl in Preußen wie in den gesetzgebenden Körpern des Reiches über Mein und Meiner Nach- folger verfassungsmäßiges Recht zur persönlichen Leitung der Politik Meiner Regierung kein Zweifel gelassen und der Meinung stets widersprochen werde, als ob die in Preußen jederzeit bestandene und durch Artikel 43 der Verfassung ausgesprochene Unverletzlichkeit der Person des Königs oder die Nothwendigkeit verantwortlicher Gegenzeich nung Meinen Regierungsaften die Natur selbstständi­ger Königlicher Entschließungen benommen hätte." Himmelfreuzmillionendonnerwetter, noch bin Jch Herr! flucht es aus jeder Zeile uns entgegen.

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Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für diejenigen Beamten, welche mit der Ausführung Meiner Regie­rungsakte betraut sind, deshalb ihrer Dienste nach dem Disziplinar­Gesetze enthoben werden können, erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene Pflicht der Vertretung der Politik Meiner Regierung auch bei den Wahlen."

Der Teufel soll Euch holen, wenn Ihr nicht Ordre parirt! Und in dieser holden, duftigen Kasernensprache ist das ganze Ding gehalten!

Nun, Herr Eugen Richter  , was meinen Sie dazu? Wollen Sie immer noch von den Hohenzollern   regiert werden"? Ei freilich, Sie sind ja Seiner Majestät allergetreueste, verfassungsmäßige Opposition! Darum: ,, Es lebe unser allergnädigster Kaiser und König, Hoch, hoch, hoch!" Verdammt, das Hoch ist Ihnen wohl in der Kehle stecken geblieben, Herr Virchow?

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Der König rief und Alle, Alle kamen!" so hieß es ja in dem Wahl­blatte Ihrer Partei. Nun, der König ruft jetzt, also immer' ran, Ihr getreuen Diener des Königs, genirt Euch nicht!

Oh, jetzt werden sie sich als wahre Helden zeigen, die Männer des Fortschritts; jetzt ist ja die Zeit des Verfassungskonfliktes" zurückgekehrt! Jetzt werden wir wieder die schönen Reden von 1863 2c. zu hören be­kommen, die Rechte des Volkes werden wieder aufgefrischt werden, daß es eine wahre Wonne ist. Bismarck   aber kennt seine Leute; er weiß, daß die liberale Opposition nicht gefährlich ist. Mit dem stramm orga­nisirten Beamtenthum trott er allen Deklamatoren, und er hat nach Kräften dafür gesorgt, daß das Beamtenthum seit 1863 stattlich angewachsen ist. Er wird die liberalen Helden reden lassen und nach wie vor thun, was er will, bis

bis auch seine Herrlichkeit ein Ende nimmt. Denn in Einem hat sich der große Staatsmann verrechnet, in dem modernen Proletariate. Das Bürgerthum kennt er und weiß es nach seinem inneren Werthe zu be­handeln, in Bezug auf das moderne Proletariat aber ist er schon einmal hineingefallen und wird es auch diesmal. Die Arbeiter lassen sich weder faufen, noch zurückschrecken, sie setzen auch nicht ihren Stolz darein, gute Unterthanen" zu sein, sie brauchen das Königthum nicht zum Schuße des Eigenthums", zur Aufrechterhaltung der heiligen Ordnung", und an dem Widerstande des Proletariats wird der hohen­30llersche Absolutismus zu Grunde gehen.

Wenn wir den königlichen Erlaß als ein Bismarck's ches Ma ch werk bezeichnen, so wollen wir damit nicht gesagt haben, daß der alte Heldengreis so ganz unschuldig an dem Ding sei. Wir haben niemals an das Märchen von dem ,, milden Kaiser" geglaubt, wir kennen Wilhelm, den Helden von 1849, besser. Gerade weil er alt und kindisch geworden, zeigt er sich heute in seiner wahren Gestalt als starrer Anhän­ger des Absolutismus  . Nur nothgedrungen hat er bisher nachgegeben, und, wo er nur immer kann, wird er dem Volfe ein Recht nach dem andern wegeskamotiren lassen. Man erinnere sich nur des berüchtigten Hinterpförtchenparagraphen beim Zivilehegesetz*) welches dem Kaiser zu Liebe" angenommen wurde. Man braucht ja kein großer Geist zu sein, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Dummen haben das Glück, sagt das Volk und meint damit jene bornirten Gesellen, die, jeder höhe­ren Regung bar, nur auf ein Ziel losarbeiten, reich zu werden. Wilhelm fennt auch nur ein Ziel, die hohenzollersche Hausmacht zu vergrößern, und er hat unablässig darauf hingearbeitet. Deshalb paßte ihm der gewissenloseste Minister, der das Geld nimmt, wo er es findet, am besten, deshalb seine

*) Bei welcher Gelegenheit Hausmeier Bismarck   die loyale historische Aeußerung that: Will der Schimmel nicht von vorne' rein, so muß er von hinten." Aum. d. S.