Bedenkt man, daß die Mehrzahl unserer Abgeordneten parlamentarische Rekruten, daß Bebel und Auer bei der Wahl unterlegen waren, daß Liebknecht in Folge seiner Doppelwahl und seines Doppel­mandats vor Weihnachten nur wenige Sitzungen des Reichstags besuchen konnte, und daß Hasenclever, der einzige geübte Parlamentarier, der zur Verfügung stand, häufig durch andere Arbeiten abgehalten war bedenkt

man dies, so wird man zugeben müssen, daß unsere Vertreter ihre Schuldigkeit gethan haben. Soviel steht fest, an Arbeit haben sie es nicht fehlen lassen an Arbeit im Dienste der Partei. Und die parlamentarische Arbeit war nur ein kleiner Bruch­theil dieser Arbeit.

Wenn wir die Debatte über das Sozialistengesetz in einigen Partien und einige nicht hinlänglich scharfe Aeußerungen über die Bismarc'sche Wirthschafts- und Sozialreform ausnehmen, wird indeß anerkannt werden müssen, daß die Reden unserer Genossen den an solche Reden zu stellenden Anforderungen vollkommen entsprochen haben, daß in allen Fragen, wo unsere Abgeordneten zu reden verpflichtet waren, der Standpunkt unserer Partei würdig vertreten worden ist.

Jedenfalls ist es recht thöricht, wegen einiger Fehler und Ungeschicklich­feiten, die in den Verhältnissen ihre natürliche Erklärung finden, den Vorwurf der Charakterlosigkeit, wo nicht gar des Verrathes zu erheben. Alles ist einig darin, daß das Wahlresultat ein großartiges war. Wohlan, haben denn nicht gerade diejenigen Männer, über die jetzt von verschie denen Seiten so ungerecht geurtheilt wird, zu diesem großartigen Wahl­resultat beigetragen? Unter den jetzigen Reichstagsabgeordneten ist kein einziger, der nicht mit dem Aufgebot aller seiner Kräfte in der Wahl­tampagne mitgestritten, und die ärgsten Strapazen gehabt hätte. Für verschiedene der Abgeordneten haben die Anstrengungen und Aufregungen noch nicht überwundene Gesundheitsschädigungen nach sich gezogen. Die Ankläger haben zweifelsohne vom wahren Sachverhalt keine Kenntniß und haben sich nicht die Thätigkeit der Abgeordneten im Wahlkampf zurückgerufen, sonst würden sie nicht so leichten Herzens die Steine gegen pflichttreue, hart arbeitende Genossen erhoben haben.

Und hätten unsere Abgeordneten während der verflossenen Session auch wirklich einige Ermüdung und Abgespanntheit gezeigt, wäre das etwa nach diesem furchtbar aufreibenden Wahlkampf zum Verwundern gewesen? Es war jedoch nicht der Fall und um so thörichter und ungerechter sind die erhobenen Vorwürfe.

Nicht als ob wir der Kritik Zügel anlegen wollten; fritifire man so scharf und so viel man will. Allein bleibe man stets gerecht, und hüte fich, den Charakter anzugreifen, wo höchstens Irrthümer und Taktlosig­keiten vorliegen.

Soweit der Einsender.

Nachdem wir im Parteiorgan, wo es uns geboten erschien, an dem Verhalten unserer Genossen im Reichstage Kritik geübt und ebenso der Kritik der Genossen unsere Spalten geöffnet, glaubten wir uns verpflichtet, auch der Vertheidigung der Angegriffenen gegen übertriebene Vorwürfe das Wort geben zu sollen. Wir glauben aber ferner im Interesse unserer Sache zu handeln, wenn wir damit die Debatte über diesen Gegenstand im Speziellen vorläufig schließen. Unsere Abgeordneten haben jetzt Ge­legenheit, mit den Parteigenossen, bezw. ihren Wählern direkt zu ver tehren und deren Wünsche und Urtheile zu vernehmen, und die Partei selbst wird in hoffentlich nicht allzuferner Zeit gleichfalls die Stellung ihrer Vertreter im Parlament zu diskutiren haben.

Insoweit wir es jedoch nicht lediglich mit Unterlassungs- 2c. Sünden, sondern auch mit ganz wesentlichen grundsätzlichen Meinungsverschieden heiten über die Stellung unserer Partei gegenüber der heutigen Geſetz­gebung zu thun haben, halten wir es auch fürderhin für Sache des Parteiorgans, in Ruhe und mit sachlichen Gründen diese Prinzipien­fragen zu diskutiren. Es ist das sicher besser, als daß wir uns jedesmal, wenn sie in greifbarer Gestalt an uns herantreten, entweder durch gereizte Vorwürfe oder durch Beschönigungsversuche dem berechtigten Spott unserer Feinde aussetzen.

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Aus der Frühjahrssession des Reichstags scheint nichts werden zu wollen. Herr Bismarck, der verunglückte Oedipus, merkt, daß er mit seiner Arbeitergesetzgebung", sintemalen er nichts davon versteht, elendes Fiasko machen würde, und er möchte dies Fiasko möglichst hinausschieben. Verdenken kann ihm das Niemand. Die offiziösen Blätter versichern zwar jetzt wieder, der Gedanke der Frühjahrssession sei noch keineswegs aufgegeben, nur werde dieselbe statt im April erst im Mai stattfinden können, allein das ist offenbar nur eine Rückzugslüge. Weshalb sollte Herr Bismarck   überhaupt den Reichstag einberufen, ehe es geschehen muß? Die Kämpfe, welche ihm dort auf politischem wie auf sozialreformatorischem Gebiete bevorstehen, sind keineswegs anlockend; das Geld zur Schmierung und Unterhaltung der Staatsmaschine hat er auf ein Jahr in der Tasche vor Februar des künftigen Jahres braucht er den Reichstag nicht, der dann noch vor Ablauf des nächsten Budget­jahres( 31. März 1883) Zeit hat, die Bewilligungen für 1883/84 zu machen. Und zu Anderem braucht Bismarck   doch den Reichstag nicht!

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Die Loyalität  " in der Handhabung des Sozialistengesetzes ist unseren Lesern zur Genüge bekannt. Wir hatten uns von vorneherein teine Jllusionen gemacht, wir wußten von vorneherein, daß die Polizei, deren Willkür wir überliefert wurden, ihrem Wesen entsprechend, die brutalfte Willkür gegen uns würde walten lassen. Und so kam es auch natürlich. Allein obgleich feierlich im Reichstag gemachte Versprechungen schamlos mit Füßen getreten wurden, ließ die ausschließlich in Händen unserer Feinde befindliche Preffe doch Alles geschehen und mit Aus­nahme eines oder zweier Organe haben sämmtliche Zeitungen die an uns verübten Schandthaten entweder mit Gleichgiltigkeit betrachtet oder gar ihre Billigung ausgesprochen.

,,,, Loyalität" gegen Sozialdemokraten?" Gegen Sozialdemokraten ist Alles erlaubt, ihnen gegenüber gibt es keine Pflichten der Treue, der Menschlichkeit. Wenn nur uns gegenüber die von Eulenburg so pathetisch verbürgte Loyalität" beobachtet wird!

Nun, auch diese Loyalität hat ein Loch; während der Wahlbewegung ist das Sozialistengesetz vielfach auf andere Parteien angewandt worden, und es hat auch an Versuchen nicht gefehlt, die nichtsozialistische Oppo­fitionspreffe unter das Fallbeil des Sozialistengesetzes zu bringen. Indeß bisher ohne Erfolg, oder beffer ausgedrückt, noch ohne den richtigen Ernst. Ende des vorigen Monats ist aber ein Schlag gefallen, der Schrecken in die bürgerliche Oppositionspresse geworfen und das Gefühl der Sicherheit stark erschüttert, wo nicht zerstört hat: wir meinen das Ver­bot des Glauchauer Beobachters" auf Grund des Sozia­liftengesetzes.

Der Glauchauer Beobachter" ist notorisch das Eigenthum des Rechts­anwalts und früheren Reichstagsabgeordneten Schraps, eines Groß­deutschen" aus der Wuttke'schen Schule. Mit Scharfsinnigkeit konfus, hat Herr Schraps vielfach hin und her geschwankt, bis er endlich, nach aller­hand Irrfahrten, in den Hafen volksparteilicher Verschwommenheit einlief. Feste Grundsätze hat der Mann nicht die Beschaffenheit seines Hirnes und nur zwei feste politische Anhaltspunkte: macht es unmöglich 1) Haß gegen Preußen und die preußische Wirthschaft; und 2) Haß gegen die Sozialdemokratie im Allgemeinen und Bebel und Liebknecht im Besonderen.

Vom Joche" der Letzteren und vom Gifte des Sozialismus die sächsischen und deutschen Arbeiter zu befreien, das betrachtet Herr Schraps seit Jahren als seine Mission, und er hat auf der Trümmerstätte ver­botener und schmachvoll unterdrückter sozialdemokratischer Lokalblätter seinen Glauchauer Beobachter" ausschließlich in der Absicht gegründet, seinem Doppelhaß gegen Preußen und die Sozialdemokratie Luft zu machen und die fozialdemokratischen Arbeiter für die Volkspartei  " ein­zufangen.

Und dieser Beobachter" ist auf Grund des Sozialistengesetzes verboten

worden.

Vorwand: sozialdemokratische Umsturzbestrebungen.

Grund: ein Leitartikel, in welchem die famose Aeußerung des säch sischen Ministers v. Nostiz- Wallwitz: er ziehe die Annexion der atheistischen Republik   vor, vom partikularistischen Standpunkt aus als eine Art von Landesverrath bezeichnet war; und zwei oder drei Artikel, welche das Knappschaftstassenwesen einer, obendrein recht stumpfen, Kritik unterwarfen und das Vorgehen der sächsischen Regierung in dieser Angelegenheit miß­billigend beurtheilten.

Deshalb Verbot des Beobachters".

Einfache politische Opposition und halbwegs freimüthige Besprechung von Arbeiterfragen konstituirt also: Umsturzbestrebungen" im Sinne des Sozialistengesetzes. Erhält die Beschwerdekommission, was höchst wahr­scheinlich, das Verbot aufrecht, so ist die gesammte Oppositionspresse, welche den Bismarck  'schen Staatssozialismus bekämpft, dem Sozialisten­gesetz verfallen. Was ihr gar nichts schaden wird. Und uns erst recht nichts.

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Es lebe die Staatshilfe für die Besitzenden! Die Grund- und Hausbesitzer in Aachen   haben sich an den großen Sozialreformer" mit der Bitte gewendet, er möge doch dahin wirken, daß die Aermsten aus der Lage befreit werden, die Steuern der Nichtgrundbesitzer decken zu müssen. Wir beehren uns noch", heißt es weiter ,,, darauf hinzuweisen, daß die stets steigende Einschätzung und Gemeindeumlage die Häuserwerthe von einem veränderlichen Elemente abhängig macht, ein Umstand, welcher dem Wesen des Grundbesitzes zu­widerläuft". Auf gut Deutsch   heißt das: Wenn infolge Anwachsens der Städte, verbesserter Straßen 2c. der Werth der Häuser und Grundstücke steigt, so ist das ganz gut und schön, nur darf man von uns armen Haus- und Grundbesitzern nicht verlangen, daß wir, die wir den Löwen­antheil schöpfen, dann auch mehr Steuern bezahlen sollen. Ein solches System führt zur Verarmung der Nation".

Dieser rührenden Bitte hat der für das Wohl der Nation" so bedachte Reichskanzler denn auch ein geneigtes Gehör geschenkt. Ich halte meinerseits", antwortet er den armen verhungerten Hausbesitzern, Eure Klagen bezüglich der Grund- und Gebäudesteuer für berechtigt", Abhilfe aber, liebe Freunde, wird sich erst dann beschaffen lassen, wenn die Ein­nahmen des Staates durch eine entsprechende Vermehrung des Reiches aus der indirekten Besteuerung gehörig hinauf­geschraubt find. Und Jubelgeschrei ertönt in den Reihen der Haus- und Grundbesitzer. Es lebe der politische und wirthschaftliche Führer der Nation hoch, hoch, hoch!

Der Masse der Enterbten wird das Geld indirekt in jeder Weise ab­gezapft, um direkt die Besitzenden zu entlasten, kann man wirksamer entgegentreten der Verarmung der Nation"?

Nein, das kann man nicht, denn die Nation", das sind nur die besitzenden Klassen, die nationale" Wirthschaftspolitik ist die Wirth­schaftspolitik im Interesse der Besitzenden, der christlich- nationale " Sozialismus" heißt Staatshilfe für die Besitzenden.

Darum ist Bismarck   der Wohlthäter der Nation",- Volk, wann wirst Du endlich einsehen, daß Du nicht zur Nation" gehörst?

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Gegen die Judenverfolgungen in Rußland   haben in England und Amerika   verschiedene Massendemonstrationen stattgefunden. Wenn dabei auch, soweit dieselben von den herrschenden Klassen ausgehen, viel Pharisäerthum mitspielen mag, so ist die Sache, um die es sich handelt, doch der Sympathie aller Freunde der Unterdrückten werth. Es ist für das Christenthum  ", welches sich heute in Deutschland  so gewaltig breit macht, bezeichnend, daß die Träger desselben, die Stöcker, Distelkamp, Förster und Konsorten mannhaft für die- Unterdrücker eintreten. Wir sind wahrhaftig die Letzten, welche die Juden als die reinen Tugendengel hinzustellen geneigt sind, dem Schwindel aber, daß man die Opfer der ebenso seigen wie grausamen Hetzpolitik der russischen Tyrannei als die Schuldigen an den grauenhaften Erzessen in Süd- und Mittelrußland hinstellt, können wir nicht scharf genug entgegentreten. In keinem Lande der Erde sind die Juden so rechtlos, so der Willkür preis­gegeben, wie in Rußland  , in keinem Lande herrscht unter ihnen so großes Elend wie im Zarenreiche. Die Spitzbuben, die das Volk bestehlen und berauben, es schinden und ausbeuten, ihm den letzten Blutstropfen aus­pressen, Ihr chriftlich"-sozialen Volksfreunde, das sind die frommen Diener des Zaren, das sind die Beamten, vom Generalgouverneur bis zum Gensdarmen herab! Dieselben brauchen die Juden als Ableiter der ge­rechten Wuth des Volkes und stiften daher auch die Hetzen an, denen sie mit schadenfrohem Händereiben zusehen, so heuchlerisch schadenfroh, wie Ihr den Hetzen in Hinterpommern. Und wie in Hinterpommern die eigentlichen Hetzer frei ausgingen, während die Gehetzten bestraft wurden, so auch im heiligen Rußland  . Die scheinheiligen Hinweise der russischen Regierung auf die zahllosen Verhaftungen, welche ihre Subjekte vor­genommen, beweisen für ihre eigene Schuldlosigkeit gar nichts. Es glaubt ihr auch Niemand in der Welt als einzig und allein Stöcker, der Wahrheitsliebende.

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- Echt liberal. Das fezessionistische Leipziger Tageblatt  ", Organ für Schweinsknöchel, Denunziationen und Sauer­fraut, bricht aus Anlaß der mannhaften Reden unserer Abgeordneten in lautes Wehklagen darüber aus, daß der Präsidenten nicht strengere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, den verruchten Sozialisten das gottlose Maul zu stopfen. Das edle Blatt gibt sich aber der sicheren Hoffnung hin, daß diesem Uebelstand bald abgeholfen werde.

Und das charakterlose Gesindel wundert sich noch, daß in Sachsen  Alles, was nicht sozialistisch ist, zu den offenen Konservativen läuft! Schreit jeden Augenblick nach der Polizei und heult nachher über Reat­tion". In der That, gemein und brutal ist die Bourgeoisie in anderen Ländern auch, aber eine gleichzeitig so bodenlos feige, wie die deutsche  , findet sich nirgends. Das ist ein Spezifikum des Landes der Gottes­furcht und frommen Sitte.

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Noch etwas von der Armee in Feindesland! In Hanau   war's, und zwar am 24. Januar dieses Jahres. Auf dem Paradeplatz wurden die Söhne des Volkes in der hergebrachten Manier zu brauchbaren Unterdrückungswerkzeugen geschunden oder, wie man das in Hanau   nennt, gestriezt. Ein 62jähriger Mann blieb stehen und sah dem Striezen" mit Stechschritt und anderen Hanswurstereien zu. Das paßte dem Hauptmann nicht, er kommandirte einem Gefreiten", dem lästigen Zuschauer mit dem Gewehrkolben den Weg zu weisen. Der Gefreite kam natürlich diesem Befehle pflichteisrigst nach und stieß dem Greise mit heldenmäßiger Bravour eine Rippe entzwei! Ja, Volk der Denker, so geht's eben zu

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im Kriege.

Nach der Wahl! Am letzten Sonntag, Abends 5 Uhr, haben unsere Genossen in Barmen Elberfeld   und Umgegend ein aus­gezeichnetes Flugblatt, Nach der Wahl" betitelt, in Tausenden von Exemplaren verbreitet. Es konstatirt die Bedeutung der großartigen Lebensäußerung der Sozialdemokratie bei den letzten Reichstagswahlen, und entwickelt in kurzen, schlagenden Sätzen die Gründe, weshalb selbst unter den heutigen Verhältnissen das Wählen nothwendig war.

Einige der Verbreiter sollen verhaftet worden sein. Man wird ihnen aber ebensowenig anhaben können, wie den Verbreitern des Flugblattes zur Stichwahl, die trotz aller Bemühungen der als Zeugen" auf­marschirenden Elberfelder   Schnüffelgarde, Oberschnüffler Bor­chard voran, vom Landgericht freigesprochen werden mußten.

Uebrigens ist es schon infam genug, daß sich die Polizei herausnehmen darf, die Arbeiter ohne Weiteres in Untersuchungshaft zu nehmen. Wollte man nur die unschuldig verbüßte Untersuchungshaft

politisch Mißliebiger seit Bestehen des Sozialistengesetzes in Deu   tschland zusammenrechnen, es kämen Jahrhunderte zusammen.

Thut nichts, wir leben doch in einem Rechtsstaat. Wer lacht da?

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Der Rebell", gedruckt in der Ersten freieu Druderei"," Deutschland  " ohne Angabe des Verlegers, Herausgebers oder Verfassers"- ist vom Regierungspräsidenten zu Stettin   verboten worden. Hat sich was zu verbieten, wo­von man nichts kennt als den Titel!

Der aus Berlin   ausgewiesene Sozialist Priet ist, wie die Zeitungen melden, als muthmaßlicher Verbreiter" sofort verhaftet worden. So logisch es nun auch von der Polizei war, anzunehmen, daß ein Ausge­wiesener rebellisch werden muß, so scheint sie diesmal doch den Rechten nicht erwischt zu haben.

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Dem deutschen Spießbürger graust es. In Deutsch­ land  , der frommen Kinderstube, tauchen jetzt allerorts nihilistische Schriften auf. Der Rebell" in Stettin   kann doch nur von " Nihilisten" ausgehen, und nun hat auch der Stadtrath von Gotha notabene ein ehrendes Zeichen seiner Intelligenz die Subskriptionsliste zu Gunsten der Opfer der russischen Tyrannei offiziell als, nihilistische Schrift st ü cf e" verboten. In Deutschland   der Nihilismus man denke nur, welcher Gräuel vor dem Herrn!

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Wie man im Auslande schreibt. Die neueste Nummer des in London   erscheinenden Republican  " hat als Titelbild eine Karrikatur über die Anbettelung des englischen Volkes zur Bewilligung einer Aussteuer für den jüngsten Sprößling der Königin Viktoria  . Er läßt den Prinzen mit einem Plakat, hungrig, arbeitsunfähig" am Arme seiner Braut betteln gehen, während Viktoria vom Fenster hinabschielt, ob John Bull   auch gehörig blecht. In der Erklärung des Bildes heißt es u. A.: Man behauptet, das britische Volk sei ein wahrer Krösus, wie viele Millionen von gequälten, leidenden, halbverhungerten Männern und Frauen sind in diesem betrügerischen Ausdruck inbegriffen? Diese sind es, welche, da sie die große Majorität ausmachen, Leopold und seine Braut erhalten sollen, und in ihrem Interesse erheben wir einen ener­gischen Protest gegen die Anwendung der Gelder des Volkes zur Erhal tung der Sprößlinge eines unnützen Königthums in Müssiggang   und Verschwendung!"

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Und die deutschen Offiziösen sind entrüstet", weil der Londoner  " Bunsch" neulich Wilhelm als Bismarcks Marionette abgebildet hatte. Das Gesindel möchte die deutsche Preßsuchtel am Liebsten allen Ländern aufoktroyiren. Aber leider! gibt es noch einige Flecken auf der Erde, wo Bismarck ,, nir to seggen hett".

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Die Ordnungsblätter entsetzen sich darüber, daß dem preußischen Gouverneur von Sachsen  , dem König  " Albert, bei seiner jüngsten Anwesenheit in der Seestadt Leipzig   mehrere Nummern des Sozialdemokrat" in einem Bittschrift" überschriebenen Kouvert über­reicht worden seien. Das sei der Gipfel der Frechheit und könne nicht hart genug bestraft werden, notabene, wenn man nur den verschmitzten Bittsteller" hätte.

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Einige radikal angehauchte Fortschrittsblätter drücken sich etwas milder aus und bezweifeln den Nutzen dieser Demonstration, d. h. sie sagen mit anderen Worten, daß die Könige unverbesserlich sind. ,, König  " Albert mag sich dafür bei ihnen bedanken.

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Neueste Nachricht vom Kriegsschauplaze. In Berlin   wurde am letzten Montag dem Tischler August Kramer, der sich erfrecht hatte, durch ein Astloch dem Drillen der Rekruten des Kaiser Alexander Regimentes zuschauen zu wollen, vermittelst eines Bajonnetstich es dieser Unfug gründlich versalzen. Fortschrittliche Blätter nennen das ein ,, beklagenswerthes Ereigniß", während in Wahr­heit der Verbrecher von Glück sagen kann, daß ihm das Bajonnet nicht, wie es beabsichtigt war, direkt in's Auge gegangen ist, sondern dies unter demselben in's Gesicht fuhr, so daß er vielleicht mit dem starken Blutverlust davon kommt. Der tapfere Soldat soll noch am selben Tage die Kriegsdenkmünze als Belohnung erhalten haben. C'est la guerre, sagt der Franzose. Das ist' mal so Brauch im Kriege.

Liebknecht's zu Schutz und Truz" ist soeben in pol= nischer Uebersetzung erschienen, und zwar als neuestes Bändchen der in Genf   erscheinenden polnischen sozialdemokratischen Bibliothek". Dasselbe ist mit einer Vorrede, eine kurze Biographie Liebknechts ent­halten, versehen. Beides, Uebersetzung wie Biographie, rührt wahrscheinlich von unserm Genossen, Dr. Bol. Limanowski, her.

-Aus Frankreich  . Die Ausweisung des russischen sozialistischen  Gelehrten P. Lawroff, eines der hervorragendsten Schriftsteller des heutigen Rußland  , eines Mannes, dessen selbst die offiziöse Presse Ruß­ lands  , die sonst Alles begeifert, was nach Sozialismus oder Revolution riecht, nur mit Anerkennung seines wissenschaftlichen Werthes gedenkt, die Ausweisung dieses Mannes, lediglich weil er sich an der Spitze eines Unterstützungskomite's zu Gunsten der Opfer des politischen Freiheits­tampfes in seiner Heimath gestellt, ist ein neuer Schandfleck auf dem Konto der dritten Republik. Wie haben sie es doch herrlich weit gebracht, die ehrenwerthen Bourgeoisrepublikaner! In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts nahm das monarchische Frankreich   nicht nur die poli­tischen Flüchtlinge aus anderen Ländern gaftlich auf, sondern ein Guizot zahlte sogar mehreren derselben jährliche Unterstützungen aus. Die demo­kratischen" Republikaner   aber, die sich die Erben der französischen   Revo­lution nennen, jagen einen Mann aus ihrem Lande, weil er ein auto­fratisches Regiment bekämpft, wie es Frankreich   selbst unter Ludwig XIV  . nicht gekannt hat.

Die lahme Entschuldigung, daß die französischen   Gesetze die Regierung der Republik   zwingen, dem Gesuche Rußlands   auf Ausweisung Folge zu geben, ist eitel Flunkerei. Es ist die kurzfichtige Eintagspolitik der profit­wüthigen Geschäftsmenschen, welche diesem Akt feiger Kriecherei zu Grunde liegt.

Mit preußischer Erlaubniß Tunis  , mit russischer Egypten aus­saugen, das wollen die Herren Bourgeois, und wenn es sich um ein gutes Geschäftchen handelt, dann Adieu Grundsätze, Adieu Menschenrechte, Adieu Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit!

Ganz und gar hinfällig ist auch die Ausrede, das Ministerium& am- betta habe die Ausweisung zugesagt, deshalb müsse das neue Ministe­rium sie halten. Hat sich denn sonst dieses Ministerium nicht gerade überstürzt, alle Maßnahmen seines Vorgängers wieder aufzuheben? Nein, die Herren Goblet und Freycinet wußten sehr wohl, was sie thaten, als sie dem Zaren den Liebesdienst erwiesen.

Lawroff, der am 13. Februar Paris   verlassen hat, hat vor seiner Abreise noch einen ebenso würdig wie scharf gehaltenen Brief in der " Justice" veröffentlicht. Leider geht uns die betr. Nummer erst bei Redaktionsschluß zu, so daß wir von einem Abdruck desselben für diesmal absehen müssen.

In Roanne   haben 11 große Webereien ihre Arbeiter au&- gesperrt, weil dieselben einen neuen Tarif, der eine Lohnreduktion von 15 Prozent bedeutet, nicht anerkennen wollen. Dadurch kommen 4000 Arbeiter außer Arbeit. Daß die Regierung gegen die Herren Fabrikanten eingeschritten wäre wegen Eingriffes in die Freiheit der Arbeit", wie sie es gegen die streikenden Bergarbeiter von Grande Combe gethan, davon steht nichts geschrieben. Unsere Freunde von der Egalité" haben auf Sonntag, den 12. Februar, eine all­gemeine Arbeiterversammlung zu Gunsten der Ausgesperrten in dem Salle Graffard, Paris  , einberufen.