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Ueberzähligen, was soll insbesondere mit all den Leuten von der Hausindustrie, die verschwinden muß, geschehen? Die Entschädigungen, welche da auf geführt sind, kann ich nicht anders ich weiß freilich nicht, ob es parlamentarisch ist denn als komisch bezeichnen. Wenn man das noch Entschädigungen heißen will, daß man nur den geringsten Theil der Leute, und die nur sehr gering entschädigen will, dann weiß ich nicht, was man unter„ Entschädigung" verstehen soll. Das kann ich nur als eine Beihilfe oder als Bettelgroschen bezeichnen, aber von einer Entschädigung kann in keiner Weise die Rede sein.
Dann kommt noch etwas Weiteres hinzu. Sie finden im Gesetzentwurf die Worte,„ daß derjenige entschädigungsberechtigte Arbeiter, welcher ohne genügende Gründe nicht in den Monopolbetrieb übertritt, oder aus demselben austritt, jeglicher Entschädigung verlustig sein soll". Nun möchte ich wissen, was das heißt: ohne genügende Gründe“? Nach einem bekannten Worte ist es gar nicht schwer, genügende Gründe zu finden; wenn man sie nur haben will, dann sind sie billig wie Brombeeren, und die Herren am Regierungstisch haben sich immer sehr findig erwiesen, wenn es sich darum gehandelt hat,„ Gründe" zu finden, und sie würden sie daher auch in diesem Falle finden.
Ein ähnlicher Punkt ist der Satz von der selbständigen Erwerbsquelle". Es soll nur derjenige entschädigt werden, für welchen die Tabakfabrikatian eine selbständige Erwerbsquelle ist. Nun, meine Herren, wer die Tabakfabrikation nur einigermaßen kennt, weiß ganz genau, daß es in ihr mehr als anderswo eine Reihe von Arbeitern und kleinen Fabrikanten gibt, welche nur zum Theil mit dieser Fabrikation beschäftigt sind; ich meine da besonders die Hausindustrie. Diese Leute leben nicht ausschließlich von der Zigarrenmacherei, sie sind häufig Besitzer eines kleinen Grundstücks, eines Häuschens oder treiben sonst ein Nebengewerbe, und die Regierung wird es sehr leicht haben, zu finden, daß dieses kleine Grundstück, dieses Häuschen, das Nebengewerbe, die eigentliche Erwerbsquelle ist und das übrige nur Nebensache. Man wird diese Leute dann nicht entschädigen und so selbstverständlich um so mehr Profit für den Staat herausschlagen.
Der Herr Staatssekretär Scholz hat uns dann gesagt, daß allerdings die mangelhaften Arbeiter aus dem Staatsbetriebe verschwinden würden". Nun wäre es mir sehr wünschenswerth, zu wissen, was er denn unter ,, mangelhaft" versteht? Sollte da nicht vielleicht politische ,, Mangelhaftigkeit" darunter zu verstehen sein? Ich glaube, daß das ganz besonders darunter zu verstehen sein wird. Man versteht es ja schon heute in den Staatswerkstätten recht wohl, einen mißliebigen Arbeiter, wenn man will, fortzumaßregeln, und das wird in Zukunft selbstverständlich noch mehr der Fall sein.
Dann habe ich noch ein Wort an jene Seite des Hauses( rechts) zu richten.
Herr von Minnigerode hat vorgestern, wie mir gesagt worden ist ich war nicht im Saale anwesend, aber ein Parteigenosse, der genau aufgepaßt hat, hat es mir hinterbracht gesagt, daß die„ ,, Reinigung des Tabakarbeiterstandes", welche bewirkt wird durch die Entlassung von einigen tausend oder zehntausend Arbeitern, dem Stande sehr gut thue, denu„ die Tabatarbeiter seien ganz besonders verwildert". Nun, meine Herren, ich weiß nicht, worauf Herr von Minnigerode seine Behauptung gestützt hat denn man muß doch vermuthen, daß ein Mann, welcher hierherkommt, um ernst über solche Dinge zu berathen, nicht auf's Geradewohl spricht. Hat er vielleicht im Auge gehabt unter dieser besonderen, Ver= wildertheit", daß die 3igarrenarbeiter die bestorganisirte sozialdemokratische Gewerkschaft gehabt haben? In diesem Falle würde ich mich selbstverständlich für befriedigt erklären, denn ich kann gar nicht unzufrieden sein, wenn man das von jener Seite( rechts) als„ Verwilderung" bezeichnet. Aber im Uebrigen muß ich doch im Namen der deutschen Zigarrenarbeiter dagegen protestiren, daß sie im Parlamentssaale in einer derartigen Weise beschimpft werden.
Meine Herren, Sie reden immer vom Kleingewerbe, und es gibt Leute, welche glauben, sie hätten den Schutz des Kleingewerbes allein gepachtet. Es wundert mich nur, daß jene Generalpächter zugleich die sind, welche das kleingewerbe in der Tabakindustrie am allermeisten schädigen. Es gibt wenige so lebensfähige Kleingewerbe in Deutschland , als es gerade in der Tabakindustrie der Fall ist. Wenn Sie diese ichten, so proletarisiren Sie sie eben und arbeiten uns selbstverständlich in die Hände. Wir können nichts dagegen einwenden; ich meine aber, daß diejenigen Herren, welche das thun, nicht das Recht haben, sich zu Vorkämpfern und Beschützern des Kleingewerbes aufzuwerfen.
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Dann, meine Herren, im Anschlusse an die Arbeiter wäre auch ähn liches zu sagen in Beziehung auf die Tausende von Kaufleuten, auf die Magazinangestellten, die Angehörigen der Nebengewerbe u. s. w., welche überflüssig werden. Darauf kann ich indessen nicht weiter eingehen. Vergegenwärtigen Sie sich aber einmal, welche ungeheure Gewalt die Regierung in die Hände bekommt gegenüber den Arbeitern. Es ist uns, meine Herren, erst vorhin von dem Herrn Staatssekretär Scholz gesagt worden wenigstens so ähnlich lautete es, glaube ich, die Regierung habe nicht die Absicht, einen derartigen Einfluß zu üben. Meine Herren, die Absichten der Regierung sind mir sehr gleichgiltig, ihre Thaten beurtheile ich( Bravo ! Red.); und ihren Thaten nach hat sie kein Recht darauf, den Anspruch zu erheben, daß wir ihre Worte unbedingt auf guten Glauben hinnehmen sollen. Erinnern Sie sich doch einmal führe hier an, was ja schon von einem Vorredner geschehen ist den bekannten Erlaß vom 4. Januar. Man hat damals den Staatsbeamten gegenüber sehr wohl Zwangsmaßregeln anzuwenden, ihnen eine gebundene Marschroute für die Wahlen zu geben gewußt. Nun, meine Herren, wenn man schon diesen Herren gegenüber, die doch so hochrespektable sind in Ihren Augen, das thut, so möchte ich sehen, was Sie mit armen Tabatarbeitern anfangen würden!
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ich
an
Muth
Noch ärger als mit den Tabakarbeitern verfährt der Entwurf mit den Tabatpflanzern, und ich muß gestehen, daß ich den bewundere, mit dem die Regierung sich dabei noch als„ Beschützerin" der Tabakpflanzer ausgibt. Meine Herren, Sie machen den Tabakpflanzer ganz einfach zum Staatsarbeiter, zum gewöhnlichen Staatsarbeiter, ohne aber ihm auch die Vortheile solcher zu geben. Wenn Sie sich eine sozialistische Gesellschaft vorstellen Sie mögen sie sich von Ihrem Standpunkt so schlimm vorstellen, wie Sie wollen so werden Sie mir doch zugeben, daß der Arbeiter, der ja nicht für seine eigene Rechnung, sondern für diejenige des Staates arbeitet, zwar nicht die Annehmlichkeiten, welche Sie dem Eigenthum zuschreiben, aber auch nicht seine Unannehmlichkeiten hat. Aber hier nehmen Sie dem Tabakpflanzer sämmtliche Vortheile des Eigenthums und lassen ihm Alles, was es ihm unangenehm macht. Wenn Sie folgerichtig wären, dann müßten Sie den gesammten Tabakboden in Deutschland expropriiren und in Staatsbesitz übernehmen. Das ist die einzige Konsequenz, die Sie ziehen könnten. Dann würde der Pflanzer einfach Staatsbeamter oder Staatsarbeiter wie Sie es nennen wollen aber er hätte keine Verantwortung für etwas, was ihm nicht gehört. Es drängt sich mir darum unwillkürlich ein Beispiel aus Feindesland auf. Wird da ein Grundbesitz von den Truppen besetzt, der zur Vertheidigung nothwendig ist, etwa gegenüber den gegnerischen Befestigungen, und er wird einfach expropriirt, so halte ich das für weit angenehmer und besser, als wenn Sie dem Besitzer Hunderte von Soldaten hinlegen und ihn zwingen, alle möglichen Umbauten und Neubauten auszuführen und Alles zu bezahlen.
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Das thun Sie aber thatsächlich bei dem Tabakbauer; der Tabakbeamte wird ja geradezu zum unumschränkten Kommandanten in Haus und Feld. Ja dem Pflanzer gegenüber verschwinden sogar die geringen Schutzmaßregeln, welche das Gesetz für den gewöhnlichen Bürger getroffen hat. Es soll bei ihm gehaussucht werden können mitten in der Nacht, ohne Haussuchungsbefeht, lediglich wie es die Interessen des Staates, d. h. des Tabakmonopols, erfordern; ihm kommt überhaupt nicht das geringste Recht zu. Dabei ist noch zu betonen, daß Diejenigen, welche den Tabatpflanzer kommandiren, ein Interesse haben, ihn zu drücken; denn Sie werden mir nicht lengnen, daß es das Regierungsinteresse ist, aus dem Monopol möglichst viel herauszuschlagen. Auch in Frankreich geschieht dies in der rücksichtslosesten Weise, man drückt die Löhne herunter, man sucht die Herstellungskosten auf jede Weise zu verringern, und ich befürchte das auch hier, besonders wenn ich mir noch die Personen vorstelle, welche die Sache machen
werden.
( Heiterkeit.
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Meine Herren, das ganze Verhältniß, insbesondere bei dem Tabakpflanzer,- Sie können mir das um so eher glauben, da ich kein Freund des Privateigenthums bin ist ein Hohn auf das Eigenthum, und wenn Sie einmal das Eigenthum so gering schätzen, wie es hier geschieht, wäre es in der That viel besser und ehrlicher, dem privaten Tabakbau ein für allemal den Garaus zu machen und nicht so langsam, sozusagen ratenweise.
Wir Sozialisten, das will ich noch hinzufügen, wir ziehen diese Konsequenz; uns wird es nicht einfallen, den Leuten das Eigenthum, wie es hier geschieht, erst möglichst unangenehm zu machen, um es dann möglichst billig zu bekommen. Nein, wir sind ja grundsätzlich gegen das Privateigenthum, wir würden es vollkommen enteignen. Aber vergessen Sie nicht, wir wissen dann auch, was wir mit den Enteigneten anzufangen haben. Wir sagen ihnen nicht, wie es in der Gewerbeordnungsnovelle geschehen ist und hier an allen Ecken und Enden wieder auftritt: Marsch, fort mit euch von dieser Stätte und sucht, wie ihr weiter kommt! Wenn man sich das Recht anmaßt, den Eigenthumserwerb des Bürgers einzuschränken, dann muß man auch die Mittel in der Hand haben, ihm einen anderen Erwerb zuzuweisen, das aber haben Sie nicht! Sie sagen immerwährend nur: dem Manne soll in Zukunft verboten werden, zu kolportiren, der darf nicht mehr Tabak bauen, der nicht mehr haufiren u. s. w. Was mit den Leuten weiter geschieht, darum fümmern sie sich wenig, darum lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen! Man denkt da unwillkürlich an ein Wort, welches in den Motiven der Gewerbeordnungsnovelle dem Verfasser entschlüpft ist, indem es einmal heißt, daß die und die Leute in der und der Branche beseitigt" werden müssen. Ja, meine Herren, das Einfachste wäre freilich, wenn Sie diese Leute gleich ganz todt schlügen.
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Ich habe nicht nothwendig, Ihnen Ausführlicheres zu sagen über das ungeheure Maß von Polizeispitzelei, von Denunziationen, vom Wachrufen aller schlimmen Leidenschaften, welche dabei zu Tage treten müßten. Jeder Einzelne, welcher keinen Tabakverschleiß bekommen hat und gerne einen haben möchte, hätte natürlich ein Interesse, daß er den Besitzer anschwärzt u. s. w. Oder aber, die Verschleißer sind nicht gesinnungstüchtig"- was man nämlich so gesinnungstüchtig heißt so würde ihre Anstellung jederzeit widerrufen werden können, und es würde sich mit Leichtigkeit ein Grund finden, sie aus ihrem Erwerb hinauszuwerfen. Ganz dasselbe ist bei den Tabakpflanzern der Fall. Ich habe keine Lust, schon Gedrucktes zu reproduziren, aber ich will Sie doch einmal an die bekannte Thatsache erinnern, daß zur Zeit, als das Elsaß noch zu Frankreich gehörte, alljährlich ganz große Quantitäten von Tabak zu sogenanntem Nichtkaufgut erklärt, aber dann ganz ruhig in Deutschland und anderswo verarbeitet worden sind. Ju wessen Händen liegt es aber, die Tabakernte als Kaufgut oder Nichtkaufgut zu erklären, in die 1., 2. oder 3. Güterklasse einzutheilen oder sie gar vor den Augen des Bauers, der sich mit der Kultur im Schweiße seines Angesichtes abgemüht hat, zu verbrennen, ohne daß er auch nur selbst eine Pfeife davon rauchen dürfte? Das liegt wiederum in den Händen Derer, welche ein Interesse daran haben, möglichst gering abzuschätzen und dem Manne möglichst wenig dafür zu geben.
Hieran schließt sich ideal von selbst die Beseitigung des Rechtsweges durch den administrativen Weg. Indessen ist das gar nichts Neues, das ist ja ein System, das sich seit dem Sozia listengesetz überall einschleicht; allenthalben sollen an Stelle der Gerichte Kommissionen treten, und man weiß gar nicht, wie weit das noch gehen wird vielleicht kommen wir auch noch zu den napoleonischen commissions mixtes!
Ich bin nun mit den Gründen, welche ich gegen das Tabakmonopol anzuführen habe, im Wesentlichen zu Ende. Wenn es zu einer Spezialdebatte kommt, so werden sich ja von unserer Seite Redner finden, die noch mehr vorbringen, als ich es bisher gethan habe. Ich meinerseits wünsche nicht, daß das geschehe; ich wünsche vielmehr, daß die Vorlage einfach brevi manu der Regierung zurückgegeben werde, und zwar aus dem guten Grunde, weil ich will, daß der Regierung einmal eine Lehre gegeben wird darüber, daß sie uns nicht fortwährend Vorlagen macht, von denen sie im Voraus wissen kann und wissen muß, daß sie verworfen werden. Auch vom Tabakmonopol hat sie es längst im Voraus gewußt. Freilich ist die Vorlage zu einem ganz anderen Zwecke gemacht. Ich meine aber, daß man die Vertretung der deutschen Nation" nicht Tagelang mit einer Arbeit hinhalten soll, welche von vorneherein eine vollkommen fruchtlose ist.
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( Sehr richtig! links.)
Ich meine, man sollte die ganze Vorlage kurzweg der Regierung zurückgeben und dabei sei es ausdrücklich oder schweigend um mich mit dem Herrn Staatsminister v. Puttkamer auszudrücken sich für die Zukunft derartige Vorlagen, verbitten".
Was den Antrag Ausfeld anbetrifft, so läßt sich ja dagegen materiell nichts einwenden. Wir unsererseits sind auch der Meinung, daß es noch nicht damit gethan sei, daß man das Tabakmonopol ablehnt; nein, es muß auch überhaupt jede höhere Besteuerung des Tabaks unmöglich gemacht werden! Nun habe ich allerdings bei der betreffenden Stelle der Rede des Herrn Staatssekretärs Scholz den Ruf ,, niemals" gehört, d. h. das Tabakmonopol wird niemals bewilligt werden. Wir haben aber in Bezug auf das„ niemals" in diesem Hause sonderbare Erfahrungen gemacht; ich möchte sagen, daß es vielleicht für die Herren besser gewesen wäre, wenn sie nicht niemals" gerufen hätten. Ich meinerseits stehe ja auf dem Standpunkt des Niemals, aber andere Leute stehen nicht so jest wie wir. Auch die Erhöhung der Steuern muß ausgeschlossen bleiben, schon aus dem einfachen Grunde, weil endlich einmal der Beunruhigung, welche in der Tabakindustrie vorhanden ist, und welche seit Jahren fünstlich erregt wird, ein Ende gemacht werden muß. Meine Herren, oder sind wir denn so reich, sind denn unsere Erwerbsverhältnisse und unsere Handelsverhältnisse so glänzende, daß wir uns herausnehmen könnten, einen blühenden Erwerbszeig zu ruiniren, daß wir ihn fortwährend beunruhigen dürfen? Eben deshalb wäre es nothwendig, wenn dem Dinge ein Ende gemacht würde durch einen energischen Beschluß des Reichstages.
Nun, meine Herren, habe ich noch einen anderen Grund gegen das Tabakmononopol, welcher bis jetzt sehr wenig oder fast gar nicht angeführt worden ist, ich meine nämlich den Zusammenhang des Tabakmonopols mit der Wirthschafts- oder SozialReform. Es ist wahr, daß in der Begründung das bekannte, berüchtigte ,, Patrimonium der Enter bten" nicht wieder aufgetaucht ist, nachdem es nämlich seine Zwecke als Wahlköder erfüllt oder auch nicht erfüllt hat. Aber es ist vollständig zweifellos, und der Herr Staatssekretär Scholz hat es selbst schon angeführt, daß die Sozialreform innig zu welcher ja auch das Tabakzusammenhängt mit dieser Finanzreform monopol gehört, daß ein Theil des Geldes, welches hier herauskommt, unzweifelhaft zu den Zwecken dieser Reform verwendet würde. Deshalb sind die Finanz- und die Sozialreform etwas Zusammenhängendes. Meine Herren, das ist für mich ein weiterer Grund, mich zu erklären als Gegner der Vorlage, weil ich mich nicht zum Mitschuldigen an einem politischen Bauernfang machen lassen will denn das und nichts anderes ist die Sozialreform.
( Heiterkeit).
Wenn man sonst gesprochen hat von Enterbten, vom Elend, der Ausbeutung des Volks und dergleichen, dann ist es ein„ Verbrechen" gewesen. Meine Herren, erinnern Sie sich einmal an die sozialistische Agitation was haben wir denn anderes gesagt und gelehrt? Ganz dasselbe und bis zu einem gewissen Grade sogar mit denselben Worten, wie es auf jener Seite( rechts) jetzt geschieht. Wir haben den Arbeitern gesagt, daß sie Enterbte, daß sie Beherrschte sind, daß sie ausgebeutet werden vom Kapital, alles Redewendungen, welche Sie( rechts) sich gegenwärtig angeeignet haben.
( Große Heiterkeit).
Damals hat man es Aufreizung zum Klassenhaß geheißen, und es ist bestraft worden, unter Umständen bis zu zwei Jahren; heutzutage gilt es als Patriotismus und findet seine entsprechende Belohnung.
( Sehr richtig links.)
Früher hat man sich sehr wenig gekümmert um die Arbeitergesetzgebung, man mnßte erst von uns dazu gezwungen werden. Aber als man gesehen hat, welche Wirkung unsere Agitation und unsere Lehre auf die Massen hatte, da hat man sich
gesagt: wenn diese Leute eine solche Wirkung erzielen, den Profit könnten wir ja für uns in Anspruch nehmen ähnlich wie jetzt mit dem Tabakmonopol! ( Sehr gut!)
Man hat gesucht, sich der Sympathien der Arbeiter, des Volkes zu bemächtigen. Zuerst hat man die Handelspraxis gebraucht, sich unsere Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Dies ist durch das Sozialistengesetz geschehen, welches uns mundtodt macht. Und nun konnte es mit der Sozialreform drauf los gehen.
Meine Herren, der Gedanke der Sozialreform ist nichts weniger als neu und feineswegs genial. Auch haben wir im Voraus gewußt, daß man damit nicht weit kommen würde. Meine Herren, ich gestehe ja in manchen Dingen der Regierung große Geschicklichkeit zu, auf diesem Gebiete aber hat sie verwünscht wenig Geschick gezeigt. Die Herren auf jener Seite( rechts) sind ja sonst in der Reitkunst sehr groß, aber in dem Wettrennen um den armen Mann haben sie sich als schlechte Reiter erwiesen,
( Heiterkeit)
da sind sie gewaltig hinter uns zurückgeblieben und werden uns auch niemals erreichen. Man hat die gute Absicht gehabt, uns beim Volke aus dem Sattel zu heben, indem man ihm einige anscheinende Zugeständnisse machte. Und dies Bestreben zeigt sich ja auch jetzt wieder in den Motiven zu den Vorlagen über die Unfallversicherung.. Ueberall ist besonders die sozialpolitische Wirkung" betont, d. h. der Arbeiter soll einsehen lernen, daß ihm der Staat etwas gibt, ihm sozusagen einen Beschwichtigungsknochen hinwirft, damit er wieder eine zeitlang zufrieden sein und nicht mehr weinen und klagen und schimpfen, sondern ein gutes Kind machen soll.
Meine Herren, man hat damit aber herzlich wenig Erfolg gehabt. Man hat ja vielleicht im Anfang manche irregeleitet, allein diese Wirkung ist längst wieder vorbei. Ich brauche blos anzuführen, daß trotz des für Sie günstigen Umstandes des Sozialistengesetzes, trotzdem wir keine Presse haben, das leitende Organ in dieser Beziehung, der Staatssozialist", vor einiger Zeit das Zeitliche gesegnet hat.
Das Spiel mit dem Feuer, das dabei getrieben wurde, hat uns nicht geschadet, wohl aber dürften Sie damit sich selbst die Finger verbrennen. Wenn man fortwährend gegen das Kapital im allgemeinen hezt und gegen das jüdische insbesondere,
( hört, hört! links)
so gehen solche Phrasen keineswegs spurlos am Volke vorüber; das Volk macht nicht so feine Distinktionen( Unterschied), daß es das jüdische Kapital für schlecht, das christliche aber für gut hält; sondern wenn man ihm sagt, das Kapital ist schlecht, so versteht es darunter das ganze Kapital. Wir können Ihnen nur dankbar dafür sein, daß Sie das dem Volfe zu einer Zeit gelehrt haben, wo wir dafür bestraft wurden. Wenn Sie aber glauben, daß Sie durch derartige halbe Zugeständnisse unsere Bewegung aufhalten, so irren Sie sehr; Sie gießen damit nur Oel ins Feuer und arbeiten für uns.
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Zu gleicher Zeit hat sich auch die Unfähigkeit der Polizei gegen uns in hervorragender Weise wie Sie jetzt wohl alle zugestehen werden gezeigt. Die Verfolgung hat uns gar nichts geschadet, und, meine Herren, wenn Sie auch gegenwärtig nur wenig von unserer Bewegung sehen, so hören Sie doch an dem einen oder anderen Ende bisweilen das Hohnlachen des Zauberers, auf den der Riese losschlägt, ohne ihn zu sehen.
So stehen Sie denn, meine Herren, rathloser als jemals vor der Lösung der sozialen Frage, vor der sozialen Sphinx. In diesem Augenblick, wo Sie mit der gegenwärtigen Vorlage das Spiel auf's neue beginnen, wo das Wettrennen um den armen Mann wieder fortgesetzt werden soll, in diesem Augenblick erlauben Sie mir, daß ich Ihnen noch ein offenes Wort sage.
Meine Herren, es gibt zwei Arten der Lösung der sozialen Frage, zwei Arten, wie man sie auffaffen kanu: a 18 Kulturfrage oder als Gewaltfrage. Die Auffassung als Kulturfrage ergibt sich ja leicht, sie besteht darin, daß man die Hindernisse, welche der Entwicklung des Volksgeistes im Wege stehen, nach Möglichkeit beseitigt, daß man den dringendsten Bedürfnissen, welche sich im Volke zeigen, nach und nach, gradweise, nachgibt, und dadurch eine ununterbrochene Reform- Aera herbeiführt. Dieser Weg ist ein langsamer, aber er ist ein zivilisatorischer und wahrhaft menschlicher; aus diesem Grunde haben wir auch niemals versäumt und ich fordere hierüber das Zeugniß Aller auf-, zu erklären, daß wir zu diesem Wege, zum Wege des Sieges des Gedankens, vollkommen bereit sind. Die Auffassung als Gewaltfrage charakterisirt sich einfach durch die Worte Blut und Eisen". Man verschließt sich aller Einsicht; man verschanzt sich hinter den Besitz der Vorrechte, welche man nun einmal hat; man bekämpft bis auf das Messer diejenigen, welche auch vom Leben Etwas haben wollen; man steht schließlich mit dem größten Theil des Volkes auf dem Kriegsfuß und läßt es eher darauf ankommen, daß eine Katastrophe herbeigeführt wird, als daß man das Geringste von seinen Vorrechten nachläßt.
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Meine Herren, leider haben Sie, als Sie die Wahl hatten zwischen diesen beiden Wegen, den letzteren gewählt, und ich muß Ihneu sagen, daß ich der Meinung bin, daß Sie schon viel zu weit vorgeschritten sind auf diesem letzteren schlechteren Wege, als daß Sie noch zurüd könnten! Der Weg, den Sie zu gehen haben in dieser Beziehung, dieser Weg ist Ihnen damit vorgezeichnet.
Er ist aber nicht nur Ihnen vorgezeichnet, sondern auch uns. Und das macht sich besonders auch geltend in Bezug auf den Antheil, welchen das Volk nimmt an den gegenwärtigen Verhandlungen. Erinnern Sie sich noch daran, wie wir uns früher verhalten haben in unserer Presse gegenüber derartigen Gesetzen und Vorlagen. Damals haben wir Sozialisten uns mit Forschungen beschäftigt, damals sind viele Broschüren und Bücher geschrieben worden über die allmähliche Entwicklung und gradweise Verstaatlichung, über Monopole, und was irgend im Entferntesten zur Verbesserung führen könnte. Damals, meine Herren, wenn sozialreformatorische Entwürfe vorgelegt worden wären, damals hätte das Volk und hätten wir bedeutenden Antheil daran genommen. Heute aber ist das wesentlich anders. In weiten Kreisen des Volfes verzweifelt man daran, überhaupt noch etwas Ersprießliches von der Regierung und dem Parlamente zu erhalten, und weite Voltskreise hat man in der That, wie es bei der Begründung des Belagerungszustandes angeführt ist, daran gewöhnt, eine Erlösung nur allein vom Volk, von einer aus dem Volk kommenden Befreiungsthat zu erwarten. Das ist die Quittung auf das Sozialistengeset!
Demnach werden Sie es begreiflich finden, wenn auch ich an den Berathungen, wie sie gegenwärtig über die Wirthschaftsreform hier stattfinden, nur ein sehr getheiltes Interesse nehme, weil ich nach der ganzen Sachlage nicht mehr daran glaube, daß auf diesem Wege etwas Fruchtbares geleistet wird, weil ich glaube, daß die Entscheidung wo ganz anders liegt.
Meine Herren, schon in der früheren Zeit, so lange wir im Hause anwesend sind, ist von einem parlamentarischen Parteikampfe meiner Partei gegenüber im eigentlichen Sinne des Wortes niemals die Rede gewesen. Aber heute ist es weniger als jemals der Fall, heute be= finden wir uns im offenen Kriegszustande, und zwar sind es Sie, welche den Krieg uns erklärt haben. Meine Herren, jetzt handelt es sich nicht um Gründe, nicht um das ,, ob" oder„ wie", sondern und das ist seit vier Jahren der Fall es gilt einfach, uns zu vernichten, und zwar mit allen Waffen. Vom realpolitischen Standpunkte aus denn es würde vergeblich sein, hier ein pathetisches Wort zu sagen vom realpolitischen Standpunkte aus habe ich nichts dagegen einzuwenden; ich kann es Ihnen nur überlassen, zu sehen, wie weit Sie auf dem Wege kommen. Aber, meine Herren, wenn Sie fämpfen, wenn Sie herschlagen, so wollen Sie doch die ehrliche Soldatenlogik gegen uns beobachten, daß auch der Gegner das Recht hat, hinzuschlagen und sich ebenfalls die Waffen zu wählen, wie sie ihm passend erscheinen, und nicht blos die, welche Sie ihm geben.
Aus diesem Grunde möchte ich wünschen, daß wir hier offen als Gegner einander gegenüberstehen; lassen Sie aber gefälligst die Moral-, Friedlichkeits- und Gesetzlichkeits" predigten bei Seite, meine Herren. Bei Ihnen hat die Wahl der Waffen gelegen, Sie sind auch verantwortlich für die Wunden! ( Bravo ! bei den Sozialdemokraten.)
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