man durch solches Regiment Patriotismus erzielen zu können? Wie kann man erwarten, daß das Vaterland geliebt werden soll von verfolgten und gehezten Männern? Ein solches Vaterland ist eine Rabenmutter für die Gehezten und Verfolgten. So lange Sie das heutige Regiment und die jetzige Polizeiwirthschaft nicht abschaffen, werden Sie teinen Patriotismus erwarten können.
Sozialpolitische Rundschau.
Zürich , 28. Juni 1882. Willkommen! Willkommen dem Zuchthäusler, willtommen dem Meineidigen!
So rufen wir aus vollem Herzen unseren waderen Genossen Karl Ibsen entgegen, der am 2. Juli das Zuchthaus zu Kaffel verläßt, nachdem er daselbst zwei und ein halbes Jahr als„ Meineidiger" ge= ſeffen.
,, Verlustig der bürgerlichen Ehrenrechte", tritt unser Genosse aus dem Zuchthaus in die Freiheit", auf fünf Jahre hinaus hat man ihm das Brandmal der politischen Ehrlosigkeit aufdrücken wollen, aber nicht er ist es, der sich an dem vergangen hat, was man die Gesetze der Ehre nennt, sondern diejenigen, welche über ihn zu Gericht saßen, die sich seine Richter nannten.
Wir wollen dieses Schandstück deutscher Justiz, welches sich ,, Prozeß Jbsen " nennt und seinerzeit Hunderttausenden in Deutschland einen gerechten Schrei der Entrüstung entlockte, hier nicht noch einmal behandeln, aber wiederholen wollen wir hier zur Begrüßung Jbsens, was der ,, Sozialdemokrat" damals über sein Verbrechen schrieb: Darum wird auch jeder vernünftige Arbeiter und Sozialdemokrat den„ Verbrecher" nach verbüßtem Zuchthaus in seine Arme schließen für uns ist der Mann ein Märtyrer, kein Verbrecher!"
Darum noch einmal: Willkommen dem 3uchthäusler!
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Als Gegenstück zu der in voriger Nummer mitgetheilten großartigen Demonstration der Berliner Arbeiter fann eine am 21. Juni stattgehabte Versammlung des Vereins zur Wahrung der Interessen der Zimmerer Berlins " gelten. Ein Vortrag des Herrn Henrici über „ Herkunft und Sprache unseres Volkes" stand auf der Tagesordnung, und während die Judenheze auf die„ Gebildeten" unserer Nation noch immer ihre bekannte Anziehungskraft ausübt, blieben die rohen und ungebildeten Arbeiter dieser Versammlung demonstrativ fern. Noch nicht 50 Mann hatten sich eingefunden, und selbst diese machten dem Vorstand nach stattgehabtem Vortrag, in welchem sich Herr Henrici mit Rücksicht auf sein Publikum jeder Abschweifung vom Thema enthalten hatte, lebhafte Vorwürfe über Wahl des Referenten und des Thema's.„ Der Vorsitzende", heißt es im Bericht der Berliner Zeitungen,„ beklagte tief die außerordentliche Lauheit der Zimmerer, und meinte, daß wenn ein Vortrag Hasenclevers angekündigt wäre, der Saal die Zahl der Theilnehmer kaum gefaßt haben würde."
Dieser Vorwurf ist eine Ehre für die Berliner Zimmerer.
Es lebe der Eretutor! Das ist unsere Losung im Gegensatz zu Bismarck , der dem Steuerexekutor den Krieg bis auf's Messer erklärt hat. Der Steuereretutor ist gewissermaßen der Gradmesser des öffentlichen Wohlstands, wo selbst er nichts findet, da herrscht sicherlich Noth und Elend, und, was auch die Liberalen dagegen schreiben mögen, Bismard hat ganz Recht, wenn er aus der ungeheuerlichen Summe fruchtloser Exekutionen, beziehungsweise Pfändungen in Preußen den Schluß zieht, daß große Massen des Volkes so arm sind, daß sie die Steuern nicht zahlen können. Da er die Armuth des Volkes weder abschaffen kann noch will, so will Bismarck wenigstens den Steuererefutor abschaffen, eine Maßregel, so schlau, als wollte Jemand den Thermometer abschaffen, weil ihn die große Hize plagt. Es ist etwas Fatales mit der direkten Steuer, das begreifen wir sehr wohl. Sie zeigt dem Volk, was ihm seine theuere Herren Regierer fosten, und den Herren Regierern zeigt sie mit unverkennbarer Beweiskraft, wo etwas faul ist im Staate Dänemark ; sie benimmt ihnen das bequeme„ Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Darum weg mit dieser barbarischen" Steuer, ziehen wir lieber als zivilisirte Volksaussauger dem armen Mann das doppelte und dreifache auf indirektem Wege aus der Tasche! Das ist der Grundtert zu Bismarcks rührender Melodie, mit welcher sich übrigens seine Standesgen offen mastbürgerlicher Linie auch ich bin ein Schnapsbrenner! immer mehr aussöhnen. Die großproßigen Organe, Kölnische 3tg.", ,, Augsburger Allgemeine "," Hamburgischer Korrespondent" rücken eines nach dem andern mit der Erklärung herbei, es sei wirklich kein schönes Bild, welches die Steuertabellen aufweisen, darum also nieder mit dem Thermometer!
Wir haben natürlich keinen Grund, den Thermometer des öffentlichen Wohlstandes oder richtiger des öffentlichen Noth standes beseitigt zu sehen: so lange der Nothstand besteht, soll und muß er auch aller Welt zum Bewußtsein gebracht werden. Betrachten wir daher das Bild, welches unsern Staatsweisen, und mit Recht, heut so viel Kopfschmerzen macht, gleichfalls etwas näher:
" Im verflossenen Jahr 1881", heißt es,„ gliederten sich die Einkommen der Erwerbenden, Selbstthätigen( in Preußen) so, daß unter den letzteren
waren:
Steuerbefreite*) tlassensteuerpflichtig:
1. Stufe: 420-660
zusammen dürftige
fleine: 660-1500 mittlere: 1500-3000 einkommensteuerpflichtig:
gute
3000-9600
reichliche: 9600-36000
Erwerbende Prozent der Gesammtzahl. 3,931,231 42.94
=
Mt. 2,709,972= 29,60 6,641,203 72,54 1,959,866 376,827
"
"
=
=
21,41
4,11
"
155,394
1,69
"
sehr große über 36000
20,124 2,471
0,22
"
0,03
9,155,885
-
100.
Also die dürftigen und die kleinen Einkommen zusammen machen schon 93,95 Prozent der gesammten Erwerbenden
au 8.
Nicht wahr, das sind häßliche Zahlen für die Vertreter der heutigen beften aller Welten? Borsichtigerweise unterlassen fie dabei noch die Summe des Einkommens der 2471 sehr Großen" anzugeben, dieselben würden nicht nur einen hübschen Kontrast zu der ungeheuerlichen Zahl der kleinen und dürftigen Einkommen abgeben, sondern auch zeigen, wie lächerlich gering diese sehr Großen" im Verhältniß zu den kleinen und Dürftigen besteuert sind. Und nun bedenke man, daß die halbe Million jährlicher fruchtloser Exekutionen, die schlechtest Situirten, die 42,94 Prozent der selbstthätigen Staatsbürger, da dieselben überhaupt keine Steuer zu zahlen haben, gar nicht trifft, sondern sich faft ausschließlich auf die 50 Prozent der klassensteuerpflichtigen ,, Kleinen und Dürftigen" beschränkt, und man wird die Angst Bismarcks und seines allerhöchsten Brodgebers begreifen. Die direkte Steuerschraube zieht bei der großen Masse 94 Prozent! nicht mehr, sie nach oben hin stärker anzuziehen, würde die besten Freunde Bismarcks treffen, es müssen also andere ausgiebigere Steuerobjekte ausfindig gemacht werden. Wie gesagt, wir begreifen und würdigen den Schmerz, den es Bismarck und seinen hohen Gönnern bereitet, daß ihnen diese Objekte nicht bereitwilligst apportirt werden, aber verworfen und böswillig, wie wir einmal sind,
-
*) Das heißt unter 420 Mark Jahres- bezw. 8 Mark Wochenein
tommen.
wünschen wir, daß in dem Kampf Bismarcks wider den Exekutor nicht Ersterer stegen, sondern- die 94 Prozent Kleinen und Dürftigen. Bis dahin aber rufen wir: Es lebe der Exekutor!
-
-
Noch etwas vom Nothstands Thermometer. Die obige Steuertabelle erhält durch eine von Herrn Samter in Königs berg angestellte Vergleichung der Ergebnisse von 1881 gegen die von 1877 erst die rechte Bedeutung. Aus derselben geht nämlich bis zur Evidenz hervor, daß die Tendenz der Bewegung in den vier Jahren eine ungünstige gewesen ist; die absolute und prozentuale Ziffer der dürftigen Einkommen hat ganz erheblich zu, diejenige der Einkommen zwischen 660-1500( des kleinen Mittelstandes) dagegen abgenommen. Die Gesammtzahl der Leute mit dürf tigem Einkommen hat sich um 642,136 vermehrt, diejenige der über sie hinausliegenden um 135,000 vermindert. Erstere machen 1881 3,18 Prozent der Gesammtziffer mehr, letztere 3,24 Prozent der selben weniger aus als in 1877.
Rechnet man die Angehörigen dazu eine Berechnung, die allerdings theilweise nur auf Schäßung beruhen kann, da die offiziellen Nachweise sich in dieser Hinsicht auf die drei Gruppen der Steuerbefreiten, der Klassen und der Einkommensteuerpflichtigen beschränken so ergibt sich für 1881 folgendes Bild:
Die Steuerbefreiten zählen
Die Einkommen von 420-660 Mt.
Die dürftigen Einkommen zusammen also Die kleinen Einkommen von 660-1500 Mt. Die mittleren Einkommen von 1500-3000 Mt. Die guten Einkommen von 3000-9600 mt. Die reichlichen Einkommen von 9600-36000 mt. Die sehr großen Einkommen über 36000 Mt.
-
-
Köpfe
Proz. der Ges.- Bevölkerung.
7,825,781 8,818,340
29,29
=
16,644,121 7,906,542 1,520,119 563,922 173,030
33,1 62,30 29,59 5,69
2,11
0,28
8,967 26,816,701
0,03
100
Die Vergleichung mit 1877 liefert hier ein noch ungünstigeres Ergebniß, als wenn man blos die Erwerbenden ins Auge faßt. Gibt es eine vernichtendere Kritik unserer heutigen Zustände als diese nackten Zahlen? Und nun kommt das Allerschönste, wir finden sie in der„ Norddeutschen Allgemeinen" als einen Beweis dafür angeführt, daß eine progressive Einkommensteuer auf die reichlichen und sehr großen Einkommen nicht genug einträgt, weshalb den kleinen und Dürf tigen die wichtigsten Lebensmittel noch mehr besteuert werden müssen. O Volk der Denker, wie müssen Dich diese Schufte verachten, daß sie so schamlos mit Dir zu spotten wagen!
Auch ein kritischer Gesichtspunkt. So betitelt sich eine Feuilletonuotiz, welche jetzt durch die Zeitungen geht und auch von demokratischen Blättern mit Behagen aufgetischt wird. Sie
lautet:
In der internationalen Kunst- Ausstellung in Wien besah sich jüngst ein Arbeiter die vielen, oft übergroßen Bilder und rief endlich entrüftet: ,, Es ist ein Skandal, so viel Leinwand zu verderben, während so viele Arme nicht' mal das Hemd auf dem Leibe haben!"
Vielleicht hat der Arbeiter" nicht so ganz unrecht gehabt: denn es gibt unzweifelhaft sehr viel Gemälde, deren Leinwand weit vortheilhafter zu Hemden verwandt worden wäre.
"
Allein, eine Satire auf unsere modernen Sudelmaler hat der Verfasser obiger Notiz nicht liefern wollen: sein Zweck war offenbar die Rohheit“ und„ Ungebildetheit" unserer Arbeiter zu zeigen, die angeblich gar keinen Sinn haben für Kunst und die höheren Genüsse des Lebens. Natürlich ist die Anekdote erlogen. Denn bei unseren Arbeitern herrscht durchschnittlich eine weit höhere Berehrung für Kunst und Wissenschaft, als unter allen übrigen Klassen der Gesellschaft, und wir sind überzeugt, es gibt nicht einen Arbeiter( der diesen Namen ver dient), welcher der obigen Aeußerung in dem Sinne, wie sie verstanden ist, fähig gewesen wäre. Unsere Arbeiter haben von der Kunst und Wissenschaft unserer Zeit, die ja eine feile, korrupte, prostituirte Kunst und Wissenschaft ist, eher einen zu hohen Respekt.
Wohl aber finden sich in den sogenannten gebildeten Klassen zahlreiche Individuen, denen eine solche Aeußerung wohl zuzutrauen wäre. Sind 3. B. etwa die Kunstmäcene selten, die ihre Gemälde nach der räum lichen Größe kaufen, weil sie dieselben zu Tapezierzwecken verwenden wollen? Ein Gemälde zur Tapete herabgewürdigt, ist doch sicherlich nicht minder barbarisch" als die Verwendung von Gemälden zu Hemden, die unter Umständen im Kunstinteresse wie im philantropischen Interesse sehr praktisch sein könnte? Und doch wir wollen ja keinen Artikel über die Kunstbarbarei unserer herrschenden Klassen und„, leitenden Kreise" schreiben. Genug wenn die Bourgeoispreffe zeigen will, welch rohe und gemeine Anschauungen in Bezug auf Kunst obwalten, dann lasse sie gefälligst die Arbeiter ungeschoren und fege vor der eigenen Thüre.
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„ Der Antrag Phillips" beschäftigt jetzt lebhaft die deutsche Presse, und kein Tag vergeht, ohne daß sie für denselben sich ins Zeug legte. Das ist an sich nun recht gut. Der Zweck des Antrags ist: unschuldig Verurtheilten, deren Unschuld sich herausstellt, eine Entschädigung zu geben ein durchaus billiges Verlangen, dem beiläufig die sä chsische Gesetzgebung in Form der sogenannten„ Sachsenbuße" bis zur Einführung der in fast jeder Hinsicht, auch juristisch, einen schmachvollen Rückschritt bedeutenden Reichsstrafgesetzgebung Rechnung getragen hat. Also gegen den Antrag haben wir nichts einzuwenden; im Gegentheil, wir wünschen ihm den besten Erfolg. Um so aufrichtiger, als es ja ein sozialdemokratischer Antrag ist. Und das bringt uns zu dem Punkt, der diese Notiz veranlaßt hat. Der jetzt auf den Namen des Abgeordneten Phillip's getaufte Antrag ist vollkommen identisch mit dem von Frohme und den übrigen sozialistischen Abgeordneten in der vorigen Reichstagssession eingebrachten Antrag. Damals wurde der Antrag von der gesammten Presse todtgeschwiegen, und die Herren Fortschrittler verweigerten sogar ihre Unterschriften. Warum? Weil der Antrag von sozialdemokratischer Seite kam, und den Sozialdemokraten darf nicht das Verdienst gelassen werden, etwas Gutes beantragt zu haben.
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Aber zum Bestohlenwerden sind Sozialdemokraten gut rade wie der Herr Bourgeois, der seinen" Arbeiter verachtet, es aber doch nicht unter seiner Würde hält, ihn auszubeuten und zu bestehlen. Den Sozialdemokraten wurde der Antrag einfach gestohlen; die Herren Fortschrittler annettirten ihn sans facon und machen nun, unterstützt von der gesammten Bourgeoispreffe, eifrig Propaganda für den gestohlenen Antrag, den sie, so lange er noch seinen richtigen Eigenthümern, den Sozialdemokraten, gehörte, todtgeschwiegen und zu unterdrücken gesucht hatten.
Es ist dies ein neuer Beweis dafür, wie wir von unseren Gegnern nicht einmal die einfachste Loyalität( Anständigkeit) zu erwarten haben. Nun nicht wir sind es, denen diese Jlloyalität zur Unehre gereicht. Sie charakterisirt unsere Feinde und drückt ihnen das Brandmal niedriger Gesinnung auf.
" Ein internationales Hungerturnier" wird, so lesen wir jetzt in den Zeitungen, von den Jüngern des Dr. Tanner humbugischen Angedenkens für die nächste Zeit projektirt. Alle Länder der Erde sollen ihre geübtesten und besten Hungerer stellen und die Nation, deren Hungerer das Größte im Fache des Hungerns erleiden, erhält die Palme des Sieges. Wir dächten, die Jünger des Dr. Tanner gäben sich da eine recht überflüssige Mühe, denn das internationale Hungerturnier, welches sie planen, ist längst inszenirt, geht seit Jahrhunderten, ja schon seit Jahrtausenden vor sich, seit es Menschen gibt, die von der Ausbeu
tung ihrer Mitmenschen leben und mit deren zu Waaren verdichteter Arbeit Schacher treiben. Auf großem Fuß ist dieses internationale Hungerturnier aber erst von unserer modernen Bourgeoisie eingerichtet worden, welche die nationale und die internationale Ausbeutung auf die Spize getrieben hat. Sie hezt innerhalb der Nation den einen Proletarier gegen den andern und auf dem Weltmarkt die Proletarier eines Landes gegen die des andern. Und dieser nationale und internationale Konkurrenzkampf des Proletariats ist nichts anderes als ein nationales und internationales Hungerturnier ein großes Welthungern, bei welchem es sich darum handelt, wer am besten das Hungern aushalten und seinen Konkurrenten zu Tode hungern kann, ohne selbst Hungers zu sterben. In diesem nationalen und internationalen Wetthungern hat bis jetzt der Chinese und Kuli das meiste Talent entwickelt er schlägt sogar den Schweden und Italiener , und wenn die Bourgeoisie Meisterin in Staat und Gesellschaft bleibt, wird der Chinese und Kuli-falls nicht ein talentvollerer Hungerleider entdeckt wird endgiltig als Sieger hervorgehen in dem internationalen Hungerturnier und auf den Leichen der todtgehungerten Proletarier anderer Nationalität mit seinem abgemagerten Leib das Fundament für das tausendjährige Reich der Bourgeoisie bilden.
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Aus Leipzig , 23. Juni, wird uns geschrieben: So wäre das große Wert denn glücklich gelungen: die sächsische Regierung hat ihren Antrag auf Verhängung des Belagerungszustandes über Leipzig und Umgegend richtig im Bundesrath eingebracht, richtig in zweiminutiger ,, Rede" des Herrn Gesandten( jedoch nicht, Geschickten" siehe die bekannte Saphir'sche Unterscheidung) v. Nostiz- Wallwitz( nicht zu verwechseln mit dem Minister gleichen Namens, dem er jedoch in puncto des Geistes und Charakters sehr ähnlich ist) ,, begründet" und binnen einer halben Minute, d. H. der Zeit, welche die anwesenden Bundesrathsmitglieder zum Jasagen gebrauchten, auch durchgesezt. Das Vaterland im Allgemeinen und die Stadt Leipzig nebst Umgegend im Besondern sind auf ein weiteres Jahr gerettet, der alte Döbler und der junge Richter können sich einige Monate der Ruhe gönnen und wir werden einige Zeit lang von Verschwörungen, Verschwörungsgerüchten, Verschwörungsentdeckungen und sonstigen Staatsrettereien verschont bleiben. Sela!
"
Die zweiminutige„ Begründung" des Herrn von Nostiz- Wallwig war natürlich nur eine Bezugnahme auf die Prozesse und Verhaftungen der letzten Wochen und die dadurch bewiesene Ungebeffertheit der Umsturzpartei". Herr Nostiz- Wallwitz hätte sich die Sache noch leichter machen fönnen. Die 2 Minuten waren die reinste Zeitverschwendung; und Herr Noftiz- Wallwitz weiß ja, daß Zeit Geld ist, welch' letzteres er sehr zu schätzen versteht. Den Beweis" unserer Gemeingefährlichkeit" schenken wir ihm mit Vergnügen. Die Sozialdemokratie ist nicht nur ,, ungebessert", fie ist auch un verbesserlich. Das„ Geständniß" macht jeder Sozialdemokrat gerne und rückhaltlos. Also, da man nun einmal die Sozialdemokratie als solche unterdrücken will, wozu das feig- tindische Suchen nach Gründen", die doch nur Vorwände sind, und obendrein ganz alberne, lächerliche und verächtliche Vorwände? Mögen unsere Feinde doch endlich einmal den Muth haben, die Wahrheit zu sagen! Nun die Heuchelei, hat ein Franzose gesagt, ist ein Kompliment, welches das Laster der Tugend macht. Die heuchlerische Verlogenheit, die unsere Feinde im Kampfe gegen uns entwickeln, ist ein Kompliment für uns, denn sie zeigt, daß unsere Feinde selber der heimlichen leberzeugung find, mit der Wahrheit und mit ehrlichen Waffen nichts gegen uns ausrichten zu können.
"
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Der arme Taute, der eine sehr zahlreiche Familie hat, wird fortwährend in Haft gehalten. Und was hat er gethan? Ich schrieb es schon: er gilt für den Verfasser der:„ Ein alter Kämpfer" gezeichneten Erklärung in Nr. 9 des„ Sozialdemokrat." Ich habe diese Zuschrift wieder und wieder gelesen und finde darin auch nicht den leisesten Anhaltspunkt für eine Anklage. Das einzig Verbrecherische ist augenscheinlich die Thatsache des Schreibens an den Sozialdemo krat." Indeß dieses Verbrechen ist nicht strafbar; und so wird man den braven Taute, nachdem man ein paar Wochen ihn im Gefängniß und seine Familie in der peinigenden Ungewißheit hat zappeln lassen" wie ein Herr Polizeier sich freundlich ausdrückte wieder in Freiheit( mit Gänsefüßchen!) setzen und ausweisen. Das ist aber für Taute und seine Familie der sichere Ruin, da ein Mann in seinen Jahren und mit so vielen Kindern nirgends mehr dauernde Beschäftigung findet. Doch was liegt den Herren daran, die den Belagerungszustand für die Aufrechterhaltung ihrer Schandwirthschaft nöthig haben! Die Staatsraison, gleich der Nationalökonomie jenes englischen Parlamentsmitgliedes, hat und kennt kein Herz.
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Bemerkt sei noch, daß Taute das Opfer der Schwaz haftigkeit ist, einer Krankheit, die unter unseren Genossen leider immer noch graffirt. ähnlich wie die Sucht, Briefe von Parteigenossen aufzu heben. Wann begreift endlich ein Jeder von uns, daß wir im Kriegszustand leben und vor einem Feinde stehen, der weder Rücksichten der Humanität noch des Anstandes kennt? Jeder Sozialdemokrat muß in jedem Nichtsozialdemokraten einen Feind sehen, von dem er sich jeden Augenblick des Schlimmsten zu versehen und gegen den er stets auf der Hut zu sein hat.
Nur nicht gemüthlich! Im politischen Kampf ist Gemüthlichkeit aller Laster Anfang.
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Auf nach Japan ! In Berlin befindet sich augenblicklich ein japanesischer Minister, um dort die preußische Verfassung zu studiren, damit dieselbe in acht Jahren in Japan eingeführt werden könne. Da ist ja begründete Aussicht vorhanden, daß die Japanesen noch eher zu einem Unterrichts- und Minifterverantwortlichkeitsgesetz gelangen als die Preußen, welche seit dem Besitz ihrer schönen Verfassung schier dreißig Jahre bist du alt, haft manchen Sturm erlebt! diese ihnen in derselben zugesagten Gesetze warten.
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auf
Aus Frankreich . Ein Aft infamster Klassenjustiz spielte sich vorige Woche in Roanne ab, dem Schauplatz des großen Weberausstandes vom Februar und März dieses Jahres. Durch den frechen Uebermuth von 11 Fabrikanten waren damals an 4000 fleißige Arbeiter mehr als 40 Tage auf's Pflaster geworfen worden, bis sie endlich, durch den Hunger gezwungen, sich in das Joch des Kapitals fügen mußten. Wie immer, so wurden auch hier diejenigen Arbeiter, welche besonders für die Sache ihrer Genossen eingetreten oder von ihnen durch Vertrauensämter ausgezeichnet worden waren, auf den Hungeretat gesetzt, man verweigerte ihnen rundweg die Wiederaufnahme der Arbeit. Unter diesen Geächteten befand sich ein 19jähriger Arbeiter, Alphons Fournier, die einzige Stütze seiner Mutter. Als er trotz aller Bemühungen keine Arbeit finden konnte, als er sah, daß man ihn kalten Blutes den Hungertode überliefern wollte, da packte ihn die Verzweiflung, und um sich zu rächen, versuchte er es, den Zerstörer seiner Eristenz, den Anstifter des Arbeitsausschlusses, den Führer der Fabrikantentoalition, einen gewissen Bréchard, zu erschießen. Er wurde, nachdem er einen Schuß abgefeuert, verhaftet und am 21. Juni vor die Geschworenen von Raonne sämmtliche Erzbourgeois geführt.
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Fournier's Verhör gestaltete sich zu einer bitteren Anklage gegen die heutige Ausbeutergesellschaft. Der Präsident selbst mußte das außerordentlich ehrenhafte Vorleben Fournier's, der von seiner frühesten Jugend an die Leidensgeschichte des modernen Proletariats durchgekostet hatte, hervorheben. Mit ergreifender Einfachheit schilderte der junge Arbeiter die schreckliche Lage, in welche er und seine Mutter durch die Grausamkeit der Ausbeuter gebracht waren. Er stellte seine That nicht in Abrede, aber er bestritt heftig, durch irgend Jemand, sei es eine Person oder ein Komite dazu angestiftet zu sein und erklärte, wohl mit