zialdemokrat" vollständig abzufangen, weil niederträchtiger Verrath ihr die Adressen in die Hände gespielt hatte. Die Polizei steckte fich hinter die Post; und sobald der Postbote die Pakete abgeliefert, traten auch Hohlfeld und Döbler in die Thüre und beschlagnahmten die Pakete. Die Empfänger wurden dann sofort verhaftet und auf der Polizei nach allen Seiten inquirirt, um Geständnisse aus ihnen zu erpreffen, denn die bloße Wegnahme der Batete vor ihrer Berthei­lung rechtfertigte weder die Verhaftung noch weni­ger die Prozessirung und schließliche Verurtheilung. So find zwei der Verhafteten, die Glaser E. Bachmann und H. Ar­nold, am letzten Montag hinter verschlossenen Thüren prozessirt worden, und erhielt der Erstere 3 Wochen, der letztere 2 Wochen Gefängniß, außerdem hatten Beide einige Wochen Untersuchungshaft; und nach ihrer Haftentlaffung folgt ihre Ausweisung so sicher wie in der Kirche das Amen.

Den dritten Verhafteten, Parteigenoffe Koppel, mußte man nach achttägiger Untersuchungshaft wieder freilassen, weil aus diesem absolut tein Geständniß herauszubringen war. Das rettete ihn freilich nicht vor der Ausweisung, denn wofür hat die Polizei die Almacht der Existenzen­vernichtung, als um dieselbe nach Herzenslust auszuüben!

Wie aber Diejenigen, welche als die Wächter des Gesetzes", der Ordnung" und der Sittlichkeit" gelten, selbst Gesez, Ordnung und Sittlichkeit mit Füßen treten, nur um ihrer brutalen Verfolgungswuth und ihrem Sozialisten. haß Genüge leisten zu können, dafür haben die Vorgänge der letzten Wochen recht drastische und lehrreiche Beweise geliefert.

Der erwähnte Parteigenosse Köp pel wurde, nachdem die Polizei ver­geblich sich die erdenklichste Mühe gegeben, Geständnisse von ihm zu er­preffen, an die Staatsanwaltschaft abgeliefert, wobei der Polizeiaffeffor Hohlfeld noch drohte, wenn er nicht gestehe, dann werde er ihn siten lassen, bis er schwarz werde. Damit hat sich Herr Hohlfeld des in§ 339 des Strafgesetzes bezeichneten Vergehens des Mißbrauchs der Amtsgewalt schuldig gemacht, ein Ver­gehen, das mit Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft wird. Vielleicht tommen Koppel, der als Ausgewiesener Leipzig   bereits verlassen hat, diese Zeilen zu Geficht und werden ihn diese veranlassen, bei der Staats­anwaltschaft den Antrag auf Verfolgung des Hohlfeld wegen Amts­mißbrauchs zu beantragen.*)

Noch schlimmer haben es der Polizei- Assessor Hohlfeld und der Polizeiwachtmeister Döbler mit einem Arbeiter Namens Krämer getrieben. Bei diesem wohnt ein Arbeiter Namens Huber, an welchen ebenfalls einige Pakete Sozialdemokrat" tamen, weshalb er verhaftet wurde. Huber soll nun auf Inquirirung durch die Polizei gestanden haben, daß er in seinem Koffer in der Wohnung Krämer's noch allerlei verbotene Schriften habe. Die Polizei schließt den Koffer auf, aber es findet sich nichts von Schriften darin. Jest sollte Krämer den Koffer erbrochen haben, und obgleich sich an dem Koffer nicht die geringste Spur einer gewaltsamen Eröffnung zeigte, auch im Logis trotz sorgfältigster Suchung sich kein Schlüffel fand, der zu dem Koffer paßte, wurde Krämer am vorigen Freitag gegen Abend, als er von einem Gange nach seiner Arbeitsstelle tam, verhaftet und in's Polizei­verhör genommen. All' sein Betheuern, daß er den Koffer nicht geöffnet habe und nicht habe öffnen können, half nichts. Krämer wurde über Nacht in Haft gehalten, nächsten Tages abermals durch Döbler und Hohlfeld stundenlang nach allen Seiten inquirirt und schließlich von Beiden die Drohung ausgestoßen, wenn er jegt nicht gestehe, werde man auch seine Frau mit den Kindern in Haft nehmen. Krämer war außer sich, besonders als er, in die Haft zurückgekehrt, aus einer der Zellen Kindergeschrei vernahm. Außerdem begab sich Döbler zu Frau Krämer und bedrohte diese in so brutaler Weise, wenn sie ihren Mann nicht denunzire, daß die Frau vor Schreck und Aufregung mehrere Tage bettlägerig war. Dreiundzwanzig Stunden war Krämer in Haft, innerhalb 24 Stunden war man verpflichtet, ihn an die Staatsanwaltschaft abzuführen. Das konnte man nicht wagen, da nicht der geringste Beweis der Schuld vorlag, und so entließ man ihn in letter Stunde, wobei Hohlfeld und Döbler, vor Zorn die Fäuste ballend, ihm noch nachriefen: Na, Sie werden wir der Staatsanwalt­schaft überliefern."

Bedrohung

Hohlfeld und Döbler haben sich durch diese Mißhandlung vou Krämer und seiner Frau einer schweren Verlegung der §§ 339 und 341 des Strafgesetzbuchs: Mißbrauch der Amtsgewalt, und widerrechtlicher Freiheitsentziehung, schuldig gemacht, Bergehen, die mit Gefängniß von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren und eventuell mit Aberkennung der Fähig­teit zur Bekleidung öffentlicher Aemter bis zu der Dauer von 5 Jahren bestraft werden.

Krämer wird, so hoffen wir, bei der Staatsanwaltschaft die strafrecht­liche Verfolgung der beiden Beamten beantragen und wollen wir sehen, ob die Staatsanwaltschaft in der Verfolgung dieser Sorte von Ver­brechern ebenso eifrig ist, wie sie es ist in der Verfolgung von Sozial­demokraten.

Diese Vorkommnisse dürften auch im nächsten Reichstage und sächsischen Landtag ihre gebührende Beleuchtung finden.

Aus dem Geschilderten folgt:

Wer von der Polizei verhaftet wird, verlange seine sofortige Ab. lieferung an das Untersuchungsgericht und verweigere auf jeden Fall der Polizei jede Auskunft. aga

Döbler hat die Gewohnheit, den Verhafteten stets zu sagen: Gestehen Sie nur, Leugnen hilft Ihnen nichts, Der und Der hat Das und Das schon gestanden, und was ähnliche Redensarten sind. Daraufhin haben Viele schon zu Geständnissen sich verleiten laffen, die sie dann später bitter bereuten.

Ferner: vor der Staatsanwaltschaft und vor dem Untersuchungsrichter mache man teine Geständnisse, sondern verlange Beweise für die An­schuldigung und richte danach seine Aussage ein.

Endlich verlange man, wenn keine Beweise für die Schuld beizubringen find, sofortige Freilassung, und wenn diese nicht gewährt wird, verlange man einen Rechtsanwalt. Auf alle Fälle trete man fest und männlich auf und weise ungehörige Zumuthungen zurück.

Wird wieder eine Haussuchung oder Beschlagnahme von Schriften vor­genommen, ohne daß der betreffende Polizeibeamte eine Vollmacht des Richters oder der Staatsanwaltschaft vorzeigt, dann protestire man sofort gegen diesen Gewaltstreich und denun­zire den betreffenden Polizeibeamten der Staats­anwaltschaft wegen Amts mißbrauchs.

Unsere Parteigenoffen müssen sich gehörig wehren, sonst werden sie durch die Polizeiwillkür ganz und gar unterdrückt.

Die Unterdrückung der letzten Blätter in Deutsch­ land  , welche unsere Parteigenossen zu lesen pflegten, hat die von uns vorausgefagte Wirkung gehabt: in allen denjenigen Orten, wo die be­treffenden Blätter gehalten wurden, hat sich das Abonnement auf das Parteiorgan vermehrt; daß dies die Folge der Unterdrückung jener Blätter sei, wurde uns bei verschiedenen der Neu­bestellungen ausdrücklich geschrieben. Man muß den deutschen   Polizei­

*) Auf alle Fälle tragen wir Sorge, daß die heutige Nummer der Leipziger   Staatsanwaltschaft und dem sächsischen Justizministerium zugeht. Es handelt sich um teine Antragsvergehen, infolgedeffen genügt bereits diese Form der Mittheilung, um die Eröffnung der Untersuchung zu be­gründen. Dadurch mögen sich aber die Genossen Köppel und Krämer nicht abhalten lassen, auch ihrerseits Beschwerde zu erheben. Man darf den Gegnern keinen Vorwand laffen.

und sonstigen Behörden das Zeugniß ausstellen, daß sie vortrefflich für uns zu agitiren verstehen. Wir danken ihnen.

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Auf allen Gebieten zurück! Dieser Tage wurde in Sachsen   wieder geköpft. Das zweite mal binnen kurzer Zeit. Der alte Johann wollte von der Todesstrafe nichts wissen, die er verab­scheute und für Mord erklärte. Der jetzige König sträubte sich lang, ließ sich aber endlich von den Aposteln des Knüppels und Richtbeils be­tehren. Die zwei bisher in diesem Lande Hingerichteten waren sogenannte Luftmörder, also gewiß Verbrecher schlimmster und widerlichster Sorte. Allein auf die Person kommt es nicht an, Mord ift Mord, ob der Staat ihn verübt, oder ein Individuum. Und daß in Sachsen   nach fast dreißigjähriger Pause diese Mord justiz und dieser Kultus des Mords wieder eingeführt werden konnte, ist ein Beweis für die herr­schende Verrohung, wie er schlagender nicht gedacht werden kann.

Ein Unglück tommt selten allein. Nicht nur, daß Herr Virchow neuerdings, wie man sagt und was wir nicht bezweifeln wollen, in Folge von Ueberanstrengung schwer erkrankt ist, muß ihm auch noch das Malheur paffiren, daß der, Reichsbote" einen Lobgesang auf ihn anstimmt, und zwar nicht nur einen ernstgemeinten, sondern auch einen wohlverdienten. Es ist der ††† Darwinist Häckel, gegen deffen Angriffe das christlich- konservative Blatt Herrn Virchow mit einer Wärme vertheidigt, wie es die Berliner Volkszeitung" nicht leiden­schaftlicher hätte thun können.

Man höre nur:

L

,, Kann man sich eine ruhigere ernstere Sprache denken als diejenige, welche der Präsident der sogenannten anthropologischen Gesellschaft" führte? Es war mindestens kein Zeichen von Klugheit, wenn Häckel in dieser leidenschaftlichen Weise gegen einen Mann von dem Rufe Virchow's loszog. Leidenschaftliche Darstellungen begegnen stets einem gerechtfertigten Mißtrauen, und zwar ganz besonders, wenn wissenschaftliche ,, Autoritäten", wie Herr Häckel, sich derselben bedienen. Daß dieses Mißtrauen auch hier vorhanden war daß man in den weitesten Kreisen diese Ausfälle gegen Virchow als unpassend und unnobel auffaßte, das hat Häckel nicht nur die Entrüftung sehr vieler seiner Zuhörer in Eisenach   sagen können, das bekundet vor allen Dingen die hohe Befriedigung, mit welcher das gebildete deutsche Publikum Virchow's Stellungnahme entgegennahm. Man fühlte sich von einem Alp befreit durch Virchow's Worte, von dem Alp rücksichtslofefter Ausbeutung der Darwin  'schen Theorie seitens deutscher  Gelehrter, und man empfand es als eine Genugthuung, daß eine Autorität wie Virchow diesem Charlatanismus mit dem vollen Gewicht ihrer Per­sönlichkeit entgegentrat."

"

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Dieses man" bedeutet die Rückwärtsmänner des Reichsboten", die an die leibhaftige Existenz des Teufels glauben siehe die Rede Stöcker's über den Conrad'schen Mord und die noch immer nicht von dem tröstlichen" Glauben lassen wollen, daß Gott   den Menschen schuf, Ihm zum Bilde."

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Es ist in der That unr natürlich, wenn die Säulen der Orthodoxie von Virchow's Poltern gegen den Darwinismus, diese schärffte aller Waffen gegen den biblischen Wunderkram, höchlichst erbaut sind. Ob aber der protestantenvereinliche Profeffor ob dieser Wirkung seiner Rede auch sehr erbaut sein mag?

Höherer Blödsinn. In einem Vortrage über das neue Reichstagsgebäude  ( zu Leipzig  ) sagte ein Herr Dr. Portig u. A.: Das neue Reichstagsgebäude soll die schöpferische Universalität des aus den Tiefen schöpfenden germanischen Geistes darstellen und ein Denkmal deffelben sein für alle Zeiten."( Leipziger Tageblatt  " vom 28. Oktober dieses Jahres.)

Au! Au! Au! Wie es im Schädel dieses Herrn Portig aussehen mag? Die Bausteine für das Reichstagsgebäude   sollen also vom deutschen Geift" aus den Tiefen" geschöpft" werden wohl aus den Tiefen des Meeres? Oder eines Brunnens? Ein sonderbarer Platz für einen Steinbruch das!

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Dem Verdienste seine Krone. Die Köln  . Zeitung" vom 18. Oktober enthält folgende Korrespondenz:

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,, Rio de Janeiro  , 25. September. Zu Ehren des deutschen  Konsuls Hermann Haupt fand in den reich geschmückten Räum­lichkeiten der Gesellschaft Germania" am 21. d8. ein Bankett statt, um dem vielverdienten Beamten, der sich seit langen Jahren durch die aus­gezeichnete Führung des deutschen Konsulats allgemeinen Dank erworben hat, Anerkennung auszusprechen. Unter Beisein des deutschen Ministers, des neuen Konsuls und einer zahlreichen Gesellschaft wurde Herrn Haupt, nachdem er gegen 26 Uhr erschienen war, eine geschmackvoll gebundene und mit vielen Unterschriften bedeckte Adresse überreicht, in welcher die hiesige deutsche Kolonie ihrer Erkenntlichkeit Ausdruck verleiht. Um 6 Uhr begann sodann das Festessen, das in gehobener Stimmung auf's Erfreulichste verlief. Das Fest endete nach 10 Uhr und wird dem Konsul Haupt den Beweis dafür geliefert haben, daß seine eifrige, zu­weilen gewiß recht undankbare Arbeit in weiten Kreisen die verdiente Anerkennung gefunden hat."

Wie aber kommt Herr Konsul Haupt aus der Köln  . 3tg." in den " Sozialdemokrat"? Sehr einfach.

Hermann Haupt aus Hamburg  , in London   im Jahre 1850 Handlungs­kommis, wurde Mitglied des Bundes der Kommunisten. Es war um die Zeit, wo der Bund( eine geheime Propagandagesellschaft) sich spaltete in die Partei Willich- Schapper" und die Partei Marr". Haupt blieb bei der letzteren, ging aber Ende 1850 oder Anfang 1851 nach Hamburg   zurück. Kurz darauf fielen der preußischen Polizei Akten­stücke des Bundes( Partei Mary) in die Hände, die zu Verhaftungen von Bundesmitgliedern führten und zuletzt zum berüchtigten Kölner  Kommunistenprozeß. Einer der ersten Verhafteten war Haupt. Kaum eingesperrt, gestand er, angeblich unter dem Druck seiner Familie, alles, was er wußte. Namentlich, daß die Zentralbehörde des Bundes in Köln   fizze, und daß fie aus Daniels, Bürgers 2c. bestehe. Dieser Verrath des 2c. Haupt führte sofortige Berhaftung der Kölner   herbei, die nach anderthalbjähriger Untersuchungshaft zu 5-7 Jahren Festung verurtheilt wurden.

Haupt aber wurde provisorisch freigelassen und von seinem Vater, einem angesehenen Hamburger Kaufmann, der in Rio de Janeiro   eben­falls ein Haus hatte, nach dieser Stadt spedirt. Die preußische Regie­rung beeilte sich, einem so erprobten Manne bei der ersten Vakanz ihr Konsulat zu übertragen, das sich später in ganz natürlicher Abfolge in norddeutsches Bundes- und deutsches Reichskonsulat verwandelte. So wird man deutscher Reichskonsul.

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Der 36. Bericht der kommissäre über Wahnsinns­fälle in Großbrittanien meldet eine Anzahl von 74,842 aller Wahn-, Jrr, Blödsinnigen und Geisteskranken an eine Zunahme von 1,729 gegen das Vorjahr. Darin sind nicht eingeschlossen 230 Fälle von Solchen, welche lediglich in ihren eigenen Familien behandelt werden. Die Anzahl Derer, welche der wohlhabenden Klasse angehörten, be­trug 4,090 Männer und 3,663 Frauen, zusammen 7,753. Die der ärmeren 29,657 Männer und 37,432 Frauen, zusammen 67,089 ein Zuwachs von 1,717 ärmeren, während der der wohlhabenderen 6108 12 betrage!

Das spricht mehr als ganze Bände von Beweisen, daß der Wahnsinn ( und das Verbrechen) durch Armuth mehr als durch alle anderen Ursachen erzeugt wird.

Neuestes vom Tempel der Unfehlbarfeit. Er­schrick nicht, lieber Leser, wir wollen dich nicht vom Vatikan   und der päpstlichen Unfehlbarkeit unterhalten, die Unfehlbarkeit, mit der wir uns an dieser Stelle zu beschäftigen haben, hat ihren Tempel in Deutschland  , und zwar in der aufgeklärtesten" Stadt des proteftantischen Deutschland  , im Musensitze Leipzig  , und ihre

Träger nennen sich Reichsgericht. Das ist eine sehr reale Unfehl­barkeit, der du dich zu unterwerfen haft, ob du an fie glaubst oder nicht, sofern du nur das Glück haft, Angehöriger des Reichs der Gottesfurcht und frommen Sitte zu sein. Wider die Unfehlbarkeit des Reichsgerichts tein Kraut gewachsen ist. Sie ist dabei noch so geartet, daß die Ent­scheidungen dieser Körperschaft unfehlbar das Wohlgefallen der je­weiligen Machthaber erregen, was, da alle Obrigkeit von Gott   ist, als ein ganz besonderes Zeichen ihrer Vortrefflichkeit angesehen werden muß seitens aller, Gutgesinnten" notabene.

Eine solche wohlgefällige Entscheidung hat das Reichsgericht wiederum am 3. November in der bekannten Streitsache Bismarck contra Mommsen gefällt. Da hat es unumstößlich zu Recht erkannt:

Es sei ein Rechtsirrthum, daß bei Beleidigung einer Mehrheit von Personen der Einzelne, welcher Strafantrag erhoben, besonders bezeichnet sein müsse. In subjektiver Hinsicht komme es nur darauf au, daß der Beleidiger sich bewußt gewesen, daß er alle Diejenigen habe treffen wollen, welche die neue Wirthschaftspolitik vertreten, gleichviel, ob er dabei an den Fürsten Bismarck gedacht habe oder nicht."

Damit ist die Verurtheilung Mommsens, an der Bismard ganz be­sonders lag, besiegelt. Ob und inwieweit gerade in diesem speziellen Falle die geniale Deduktion zutrifft, wollen wir nicht untersuchen, da Mommsen feig genug war, zu behaupten, er habe bei Kritik der neuen Wirthschafts­politik nicht an Bismarck   gedacht, als er von ihr sagte, sie sei eine Politik des Schwindels, gleich viel, ob sie von einem hohen oder geringen Mann in die Hand genommen werde. Was uns interessirt, ist vielmehr der ad usum delphini   ge­fällte Rechtsgrundsatz". Der Dauphin" ist hier bekanntlich derselbe, der seinerzeit die Sozialdemokratie eine Bande von Mördern 2c. nannte. Was dem Einen recht ist, ist dem Andern billig. Sollte er oder einer seiner Subjekte in Presse oder Versammlung eine ähnliche Unverschämtheit gegen unsere Partei sich erlauben, dann wird sich hoffentlich in Deutschland  ein Genosse finden, der, auf dieses Reichsgerichtserkenntniß gestützt, in allen Instanzen die Bestrafung desselben fordern wird, und sei es auch nur mit dem Resultat, daß das unfehlbare Kollegium in einem nenen Erkenntniß das obige umstößt, zur größeren Ehre- justitiæ, was auf deutsch   Gerechtigkeit heißt.

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Gegenwärtig brütet das Reichsgericht wieder über einem Hochverrathsprozeß üblicher Façon. Ein armer Teufel, der die Freiheit" verbreitet hat und seit einem halben Jahr in Untersuchungs­haft fißt- in Aachen  , von wo er kürzlich nach Leipzig   transportirt wurde soll wieder einmal ins Zuchthaus gesteckt werden in Form Rechtens! Ob diesen Herren Richtern denn gar nicht einmal das Be­wußtsein der schmachvollen Rolle, die sie spielen, aufdämmert? Und wie sie die Justiz" zum Kinderspott und zum Gegenstand der Verachtung für jeden anständigen Menschen machen?

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Ein gründlicher Reinfall. Die biedere Polizei der guten Seestadt Leipzig   ist ganz aus dem Häuschen; sie will um jeden Preis die Gesellschaft vor den bösen Sozialdemokraten und dem bösen ,, Sozialdemokrat" retten, und ,, es ginge wohl, aber es geht nicht". Entsetzliches Schicksal: nachdem man, wie Tantalus  , den fruchtbeladenen Ast schon am Munde gehabt, ihn, den tückisch zurückgeschnellten, wie Tantalus   nun trotz aller Gier nicht erreichen zu können! Mit dem blinden Eifer, der sich eines Jeden bemächtigt, der den Faden und die Spur verloren hat, und doch durchaus etwas haben und sinden will, arbeitet sie blind, planlos darauf los, schlägt bald hier bald dahin, und schlägt, gleich dem unglücklichen Opfer des Katzenkonzerts, nicht blos da neben, sondern auch sich selbst auf die Füße.

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So ist ihr zu Anfang der Woche eine fatale Geschichte passirt. Am vorigen Freitag oder Samstag telegraphirte die Frankfurter   Polizei( die Polizei des gebrandmarkten Rump f) an die Leipziger   Polizei, es sei von dem Abgeordneten Frohme ein großer Reisekorb mit sozialdemokratischen Schriften, hauptsächlich Exemplaren des Sozialdemokrat", aufgegeben worden. Man solle den Korb, welcher genau beschrieben wurde was das Telegramm wohl den deutschen Steuerzahlern gekostet haben mag?- liegen lassen, bis er abgeholt werde, und dann die abholende Person ver­haften, in ihrer Gegenwart den gefährlichen Korb öffnen u. s. w. Welcher Jubel, als das Telegramm dort eintraf! Freude war in Troja's Hallen! Die Grün- Augen leuchteten vor Vergnügen: kein Zweifel, das große Wert, das man schon verloren gegeben, es wird gelingen!

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Wäre ein Zweifel vorhanden gewesen, er schwand, als der signalisirte Reisekorb auch richtig antam. Er war schwer, hatte ganz das Gewicht von zusammengepreßtem Papier, und die Nasen der schnüffelnden Ge­heimen" und Nichtgeheimen rochen sogar mit Bestimmtheit Papier  " und Brochüren". Die Eisenbahnbeamten wurden angewiesen, sobald Jemand den ominösen Reisekorb reklamire, die wachehaltende Polizei zu verständigen. Und das geschah denn auch. Nachdem der Korb nebst sonstigem dazu gehörigen Gepäck etwa einen Tag lang die Neugier der Polizei unbefriedigt gelaffen, erschien in einer Droschte eine Dame, welche die Gepäckscheine präsentirte. Droschke, Dame das ist ja der reine Nihilismus.

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Die Polizei, von dem Ereigniß in Kenntniß gefeßt, stürzt herbei, die Dame wird verhaftet, das Corpus delicti nebft einem Polizisten auf dem Bock untergebracht, und flugs nach dem Naschmarkt- so heißt das Allerheiligste der Leipziger heiligen Hermandad". Dort erst toloffale Auf­regung, dann plötzlich, als die Dame aussteigt, erstaunte, und schließlich sehr, sehr, sehr lange Gesichter. Die Dame war Liebknecht's   Frau, welche das Gepäd ihrer von Stuttgart   und Frankfurt   nach Haus zurückgekehrten Tochter, die Kindergärtnerin ist, abholen wollte. Der Reisetorb, der in Frankfurt   allerdings von Frohme aufgegeben worden, enthielt Lehrbücher der Kindergärtnerei!

Fräulein Liebknecht war von ihrem Schwager Geiser auf der Rüd­reise bis Frankfurt   a. M. begleitet worden, dort empfing fie Frohme, der als höflicher Mann der Tochter seines Parteigenoffen bei der Gepäck­expedirung behilflich war. Frohme, Geiser, die junge Dame waren aber polizeilich überwacht, was alle drei auch wußten und sahen, dennoch glaubt der Esel von Geheimpolizist, Frohme benutze die Gelegenheit, um im Gepäck der Fräulein Liebknecht ver­botene Schriften nach Leipzig   zu paschen und auch seinem Chef, einem noch größeren Esel, dem berüchtigten Polizeirath Rumpf, war dies sehr wahrscheinlich vorgekommen.

Längere Gefichter hat das Leipziger   Polizeigebäude nie gesehen. Diese Enttäuschung! Diese Blamage! Und diese Entlarvung und Blos. stellung des schuftigen Spipelsystems, das jetzt, Dant dem infamen Sozialistengesetz und anderer herrschenden Jnfamien in Deutschland   grassirt! Der Schutzmann, der den Fang machte, ein Neuling, der Liebknecht's Frau nicht kannte, wird wegen der Verhaftung einen schönen Rüffel bekommen Natürlich, schreibt man uns, wind die Sache noch weitere

haben.

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Folgen haben.

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Echt hofpriesterlich gelogen. Noch nie ist eine Regie­rung dem kleinen Manne", dem Handwerker und Arbeiter ihrerseits so weit entgegengekommen, wie jetzt die unserige", so flunkerte am 27. Of tober in öffentlicher Versammlung Herr Stöcker. Der bied ere ,, Ar­beiterfreund" weiß also gar nichts davon, daß die deutschen Arbeiter allenorts gegen die Bismarc'schen Kassenverstaatlichungsprojekte Verwah­rung eingelegt haben und noch einlegen, er weiß gar nichts von dem be­rüchtigten Patrimonium der Enterbten", das nach der Reichstagswahl von 1881 wie eine Seifenblase verpuffte.

Nicht entgegengekommen ist die deutsche Regierung den Arbeitern, fie ist ihnen bisher bei jeder selbstständigen Regung entgegen getreten. So steht es Herr Hofpaftor!