Die Arbeiterklaffe verlangte keine Wunder von der Kommune. Sie hatte teine für und fertigen Utopien durch Boltsbeschluß einzu­führen. Sie weiß, daß, um ihre eigne Befreiung und mit ihr jene höhere Lebensform hervorzuarbeiten, der die gegenwärtige Gesell­schaft durch ihre eigene ökonomische Entwicklung unwiderstehlich ent­gegenstrebt, daß sie, die Arbeiterklaffe, lange Rämpfe, eine ganze Reihe geschichtlicher Prozesse durchzumachen hat, durch welche die Menschen wie die Umstände gänzlich umgewandelt werden. Sie hat teine Jbeale zu verwirklichen; fie hat nur die Elemente der neuen Gesellschaft in Freiheit zu setzen, die sich bereis im Schooße der zusammenbrechenden Bourgeoisgesellschaft entwickelt haben. Im vollen Bewußtsein ihrer geschichtlichen Tendenz, und mit dem Heldenent­schluß, sich ihrer würdig zu zeigen, kann die Arbeiterklasse sich be­gnügen, zu lächeln gegenüber den plumpen Schimpfereien der Lakaien von der Presse, und gegenüber der lehrhaften Protektion wohl­meinender Bourgeois Dottrinäre, die ihre unwissenden Gemeinpläge und Settirermarotten im Orakel­ton wissenschaftlicher Unfehlbarfeit abpre­digen."

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Doch wozu weiter zitiren, jede Seite in Marr' Schriften, vor allen Dingen sein ,, Kapital", zeigen uns den Utopisten, dem man, um sich nicht gar zu sehr zu blamiren, kritische Schärfe allenfalls zuerkennen mag, sonst aber einen mitleidigen Fußtritt versetzt nun, da er todt ist. So lange er lebte, verleumdete man seinen Charakter Mary pflegte persönliche Angriffe, wo er nicht antworten mußte, zu ignoriren nun er todt ist, seine Leistungen. Aber das Eine wie das Andere wird zer­schellen an der Wahrheit, auch wenn die Angreifer nicht blos in der Kunft der Verläumdung Leistungen aufzuweisen haben sollten. Hören wir indeß Herrn Brousse zu Ende:

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Ich hätte noch von Marr als Agitator zu reden. Aber auf diesem Gebiet müßte ich seine Rolle in der Internationale" und seinen Ein­fluß in den verschiedenen Arbeiterparteien" behandeln. Hier mache ich Halt. Ich bin nicht im Stande, eine Zeile zu schreiben, die den Schmerz seiner Freunde und Verwandten verhöhnen könnte, aber als Feind aller feigen Gewiffensbeschwichtigungen könnte ich mich nicht entschließen, die Wahrheit zu überschminken."

Dieser Schlußsatz hat natürlich auch nur den Zweck, unter dem Schein der zarten Rücksichtnahme dem todten Löwen einen Fußtritt zu versetzen. Wollte Herr Brousse wirklich Rücksicht üben, dann konnte er schweigen, diese zarte Andeutung aber ist perfider als der gröbste Angriff. Wie wir die Freunde Mary' kennen, kann sie diese Art nur beleidigen. Mary' Charakter und Handlungen liegen offen da und brauchen keine Kritik zu scheuen. Am allerwenigsten aber die eines Mannes, der die Lehre, in deren Namen er 1872 gegen Mary intriguirte, heute selbst verwirft oder wenigstens verleugnet.

Und damit genug von diesem Thema. Wer uns etwa wieder Ver­letzung der internationalen Höflichkeit vorwerfen sollte, dem antworten wir: Herr Brousse ist nicht die französische   Arbeiterpartei, und wir sind zu sehr Feinde feiger Gewissensbeschwichtigungen, um die Wahrheit zu überschminken. Wer aber meint, daß wir mit diesen Zeilen Herrn Brousse zu viel Ehre erwiesen haben, dem geftehen wir zu, daß er Recht haben mag.

Das erfolgreiche Attentat auf den Thüringischen   Minister Wangenheim   hat zwar unter den höheren Beamten einigen Schrecken verbreitet, allein es ist Niemandem eingefallen, der That politische Be­deutung beizumessen und sie zu politischen Zwecken ausbeuten zu wollen. Und doch ist die Aehnlichkeit mit dem Nobiling- Attentat geradezu frappant. Hanff gleich Nobiling war ein Mann mit stark entwickeltem Selbst- und Ehrgefühl; Hanff wie Nobiling war durch ein von seinen Vorgesetzten ihm zugefügtes( wirkliches oder vermeintliches) Unrecht erbittert worden; Hanff wie Nobiling beschloß, sich ums Leben zu bringen und Einen mitzunehmen" und zwar Denjenigen, welchen er in erster Linie für das ihm zugefügte Unrecht verantwortlich machen zu müssen glaubte. Kurz in den wesentlichsten Bunkten die auffallendste Aehnlichkeit.

Bei der Beurtheilung und Behandlung beider Attentate dagegen welche Verschiedenheit. Während bei Hanff die privaten Motive so ausreichend erachtet werden, daß kein Mensch daran dachte, nach politischen Motiven zu suchen, wurden bei Nobiling die offen zu Tage liegenden privaten Motive gefliffentlich ignorirt, und politische Motive erfunden. Zu dem bekannten Zweck!

Jeder, der kein Brett vor der Stirn hatte, wußte es freilich von vorn­herein, daß das reaktionäre Geheul über die Nobiling- Schüsse bloß einer erheuchelten oder fünstlich erzeugten Tollwuth entstammte, und das in­famfte Stück politischer Heuchelei war, welches je von Schurken inszenirt und unter Mitwirkung von Dummköpfen durch- und aufgeführt wurde, allein es ist immerhin recht nützlich, an einem schlagenden Beispiel, durch Vergleich und Analogie, die Niederträchtigkeit jenes Attentats Staats­fireichs ad oculos zu demonstriren!

Beiläufig hat sich hintennach herausgestellt, daß Hanff mit seiner Be­schwerde vollkommen Recht hatte. Und tomischer Weise soll der er­

schoffene Minister unmittelbar vor dem dem tödtlichen Angriff das Defret zur Rehabilitirung wiederanstellung Hanff's unterzeichnet haben,

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nachdem er denselben lang hatte und zappeln laffen. Das ist ebenso wunderbar, wie das Hiftörchen, daß Czaar Alexander II.  

gerobic, an Storgen bes Tage, wo er bingerichtet wurde, den Wünschen der Nihilisten entsprochen, und eine Verfassung unterzeichnet haben sollte die hernach aber wieder spurlos verschwunden ist. Ebenso wunderbar und ebenso

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wahr!

Mehr wider Willen. Wenn unsere Gegner über neutrale oder doch momentan vom politisch- sozialen Parteikampf unberührte Themata schreiben, paffirt es ihnen oft, daß fie unwillkürlich die Wahr­heit sagen und fich die merkwürdigsten Geständnisse entschlüpfen laffen. Es ist leicht, Beispiele, zum Theil der ergötzlichsten Art, beizubringen, und Jeder von uns ist in der Lage. So finden wir zum Exempel in der letzten wissenschaftlichen Beilage der hochkonservativen Leipziger Zeitung", des amtlichen Organs der sächsischen Regierung, folgende zwei Aussprüche: 1) In einem Artikel über die französische   Schreckenszeit it der 90er To 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts lesen wir: Die große Masse, der man wie heute so viel versprochen und so wenig ge­halten hatte das Nachsehen."

Der Verfasser des Artikels hatte natürlich nur die französische  Schreckenszeit und die heutige franzöfifche Regierung im Auge. An die deutsche Regierung dachte er nicht.

2) Einem Artikel über den amerikanischen   Schauspieler Booth, der gerade in Leipzig   Gastrollen gegeben, schließt der Erzkonservative Hans Marbach, Sohn des ehemaligen Zensors Oswald Marbach, wie folgt: ,, Es soll uns ein hoffnungsspendendes Zeichen sein, daß Amerika  , das Land der Zukunft, uns diesen Vertreter der edelsten Muse herüber gesandt hat.")

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Also Amerika  , das heißt die große transatlantische Republik   ist dem Sohn des sächsischen Erzensors das Land der Zukunft( ,, das Land der Zukunft" ist im Original gesperrt). Und im amtlichen Organ der konservativen sächsischen Regierung wird hiermit ausdrücklich die Republik   als die Staatsform der Zukunft anerkannt! Ift bas nicht töftlich? eb gumimmsare Venozooze

elailaixo

Einen argen Schred wird Sparig gehabt haben, als er im Leipziger Tageblatt  " vom 22. März nachstehenden Bericht las: ,, Landgericht Leipzig  . Straftammer II. Die auf Verleitung zum Meineid gesetzte geringste Strafe besteht in einem Jahr Zuchthaus. Auf solche mußte das Gericht in der gegen den

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Schloffer Johann August Gottfried Hellfritsch aus Schilbach erkennen. Der genannte Angeklagte hatte bei seiner Abmeldung auf dem hiesigen Polizeiamte er wollte eine Stelle in Altenburg   an­nehmen einige Umständlichkeiten gehabt und sich darüber in einer Restauration am Südplay in allerdings unziemenden Ausdrüden geäußert, deren Zeuge u. A. ein Polizeibeamter war, welcher ihm das Ungehörige verbot und nachmals Anzeige über den Vorfall er­ftattete. Zu der betreffenden Schöffengerichtsverhandlung waren mehrere Zeugen vorgeladen, unter Anderem ein gewiffer Schumann, welcher in Hellfritsch's Stelle eingetreten war. Dieser besuchte eines Tages Schumann und das Gespräch tam auf die bevorstehende Verhandlung, in welcher auch ein gewiffer Popp zeugen sollte. Letzterer erhielt einen Brief, in welchem er zu einer dem Angeklagten günftigen Aussage aufgefordert wurde; diesen Brief zeigte Popp anderen Personen und auch der betreffende Polizeibeamte nahm Kenntniß davon, so daß dieser Brief in die Hände der Behörde gelangte. Der Angeklagte versuchte zu bestreiten, daß er die Polizeibeamten beleidigen und eine Ber­leitung zu einer falschen Aussage habe veranlassen wollen; allein der Gerichtshof erachtete den Schuldbeweis für er­bracht, um gegen Hellfritsch auf die im Eingange erwähnte Strafe nebst zwei Jahren Verlust der Ehrenrechte zu erkennen." Bekanntlich wurden in der Gerichtsverhandlung zu Nürnberg   gegen Sparig Briefe des Letzteren vorgelesen, aus welchen erhellt, daß er seinen ehemaligen Freund, den Branddirektor Weigand in Chemnitz  , zur Nicht­abgabe seines Zeugnisses, beziehungsweise zu falschen Aussagen zu ver­leiten suchte. Wenn das Gericht sich der Sache bemächtigte, würde es Herrn Sparig schlecht ergehen, sintemalen ein Jahr Zuchthaus die auf Verleitung zum Meineid gesetzte geringste Strafe" ist. Freilich, das Gericht wird sich der Sache nicht bemächtigen, weil Herr Sparig- Sparig ist.

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Korrespondenzen.

Natibor, Anfangs März.( Die Herren von der Staats­anwaltschaft an der Arbeit.) Es war am 15. Febr. ds. Js., als es obengenannten Herren wieder einmal einfiel, am hiesigen Orte eine ordentliche Rundschau zu halten, und zwar nach dem verbotenen Gift, den Sozialdemokrat". Die Verurtheilung des Genossen Klaps hatte doch nichts genügt, es mußten doch noch mehr solcher Elemente in unserem Orte sein, denn der S." fand hier wie immer seine Verbrei­tung. Um aber denselben das Handwerk ordentlich zu legen, ehe Klaps wieder aus dem Gefängnisse entlassen wird,( seine Zeit ist am 20. März zu Ende) so begab sich nun der Herr Polizei Commiffarins mit noch zwei Herren von der Staatsanwaltschaft am 10. Februar zu dem Werk­führer Paul Fläschel, um dort während der Abwesenheit desselben ( denn Fl. war in der Fabrik) einmal ordentlich zu plündern. Fast tein Gegenstand in der Wohnung blieb unberührt, die Betten wurden über den Haufen geworfen und tüchtig durchstöbert, um das corpus delicti zu entdecken. Leider waren alle Anstrengungen umsonst, was die Herren suchten, wurde eben nicht gefunden. Beschlagnahmt und versiegelt wur den 15 Broschüren, darunter einige verbotene. Das genügte aber den Herren nicht, das Gift mußte doch gefunden werden, und so begab man fich gleich darauf in die Wohnung eines ebenfalls bekannten Genoffen, des Wertführers Kluge, wo man gleichfalls in Abwesenheit des solcher­maßen Beglückten zu schnüffeln begann. Suchet, so werdet ihr finden, heißts im Evangelium, deshalb fanden die Herren denn auch allerhand, aber wiederum nicht das Gesuchte. Und sie gaben sich doch solche Müthe! Wenn etwas vom Schrank heruntergelangt wurde, so ertönte immer das Wort verboten", und was verboten" war, wurde von den Herren schlankweg beschlagnahmt. Indeß ward ihnen doch klar, daß sie auf solche Weise nichts definitives feststellen konnten, und so half man sich ebenso genial wie einfach damit, daß man gegen Fläschel und Genossen Anklage wegen Verbreitung verbotener Druckschriften erhob.

Da aber nicht die geringsten Belastungsmomente vorhanden sind, und man vor dem Untersuchungsrichter aus unseren Genoffen auch nichts herausbekommen konnte, so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Klage verworfen werden wird.

So Ihr Herren, die Ihr mit Eurer Schlauheit nicht einmal Spitz­buben und gemeine Verbrecher abfangen könnt, bei uns Sozialisten tommt Ihr erst recht zu spät. Diese unsere vernünftige Idee hat selbst in dem kleinsten Orte Wurzel gefaßt, und Ihr seid am allerwenigften im Stande, fie auszurotten, denn Ihr kommt doch immer bei solchen Sachen zu spät, trotz Ausnahmegesetze, Ausweisung und Einterferung. Denn Verfolgungen schaffen nur Märtyrer und träftigen die Sache, die sie zu zerstören suchen. Wir halten an dem Banner, das wir erfaßt, fest, bis der Tag unserer Abrechnung kommt, und schließen deshalb mit den Wir kämpfen alle Mann für Mann

Heldengreisliches. In deutschen   Blättern lesen wir als ernsthafte Lektüre folgende Anekdote: Marschiren fön­nen sie nicht. Von dem neulichen Kostümfest, welches in Berlin  stattfand, wird ein Scherzwort des Kaisers Wilhelm berichtet. Als die Künstler vorbeigezogen waren, fragte Jemand den hohen Herrn, wie ihm bas gefallen habe. Lächelnd antwortete er: Ganz vortrefflich und voll­ständig über meine Erwartungen! Aber marschiren können sie nicht!" Aber marschiren können sie nicht!" Das heißt: nicht im Stechschritt. Homer  , Dante, Raphael, Schiller, Göthe   fie Alle konnten nicht mar­schiren" Worten: nach der Hohenzollern'schen Weltanschauung sind sie alle nur Menschen zweiter Klaffe. Das Roß aber, das den richtigen Regiments­Trab gelernt hat, ist ein Mensch erster Klaffe nach dem bekannten Hohenzollern  'schen Pferdeftall- Ideal, jedenfalls mehr werth als ein Homer, Dante, Göthe   und andere unmilitärische Genies.

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Apropos: Die Armee ist die beste Volksschule. In Sachsen   wartet jetzt ein dreifacher Mörder" auf die Hinrichtung, der ein musterhafter Soldat war, und in Magdeburg   haben sie jetzt einen Mörder schlimmster Sorte ergriffen, der ebenfalls ein Mustersoldat war. Daraus erhellt, daß die Armee, wenn sie wirklich eine Schule und eine so gute Schule, daß fie eine Schule für Mord, Todtschlag und sonstige königliche Lieb­habereien sein muß.

Stimmt auffallend. Im Hamburgischen Korrespondent" finden wir folgende Charakteristik eines genialen Staatsmannes: Der " große Patriot" opfert dem Wunsche, seine Söhne dahin zu bringen, ,, daß dieselben ihn der Welt ersetzen können"( der eine in der Politik, der andere bei den Damen  ") alle Rücksichten des politischen Anstandes, der hochgeborene Aristokrat läßt seinem Geize so maßlos die Zügel schießen, daß die Beamten seines Ressorts die telegraphische Depesche be­zahlen müssen, in welcher er sich für die bei seinem Dienstjubiläum be­reiteten Ovationen bedankt."

Und so weiter, und so weiter. Die beiden Söhne, die von dem Vater poussirt, bei den Damen  " und in der Politik allerhand sonderbarliche Abenteuer erleben, heißen nicht Herbert und Bill; und der große Patriot", der so geizig und habsüchtig ist, daß er seine Privatdepeschen vom Staat bezahlen läßt, dem Staat die schuldigen Steuern vorenthalten will und ähnliche Allotria zu Gunsten seiner Privattasche treibt, oder trieb, heißt Gortschatoff. Nur teine Berwechslung!

Polizistisches, oder wie es gemacht wird. Aus Karlsruhe  , Mitte März, schreibt man uns: Ein Parteigenosse theilt uns mit, daß in den Kreisen der Genossen folgende Anekdote zirkulirt. In Freiburg   interesfirt sich die Hochlöbliche für einen Partei­genoffen( der, nebenbei bemerkt, weit ungefährlicher ist, als an hoher" Stelle geglaubt wird) so sehr, daß er in einer Wome sowohl Privat­Besuch vom Herrn Polizeikommissär, einem alten Bekannten der Pforz heimer Genossen, als auch amtlichen Besuch eines uniformirten Polizei­soldaten erhielt.

Der Herr Polizeikommissär unterhielt sich in der freundschaftlichsten Weise mit unserem Freunde über die Freiburger Klauensenche. Er wollte ihn nicht auf das Bolizeibureau bemühen, wahrscheinlich um die Wohnungs­verhältnisse der Proletarier zu studiren. Der Polizeisoldat fing, wieder in freundschaftlichster Weise, ein Verhör an, ob er einen gewissen Dreesen als Arbeiter hätte, der in einem Verhöre zu Frankfurt   a. M. angab, daß er seine Militärpapiere bei ihm zurückgelassen habe. Der Partei­genoffe erklärte, daß er davon nichts wisse, mußte dies schreiben und mit seiner Unterschrift bezeugen; dieser lettere Streich gelang der Polizei noch bei einigen Leuten, die die Hochlöbliche in ihrer Weisheit für ttt Sozialdemokraten hielt. Wahrscheinlich beabsichtigt die Polizei sich ein Autographen Album( eine Handschriften- Sammlung) unserer Genoffen anzulegen. Also aufgepaßt.- Genossen seid auf der Hut!

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Aus Sachsen   schreibt man uns: Das Waldheimer   Lokalblatt enthält folgenden Dank" der gesammten Bauarbeiter von Kriebstein   und Ktriebethal:" Unserm all verehrten Arbeitgeber Herrn Albert Niethammer   für die uns freundlichst geschenkten, aus eigens dazu angefertigtem Papier hergestellten neuen Landesgesangbücher unsern aufrichtigsten Dant".

Was sich die gesammten Bauarbeiter von Kriebstein   und Kriebethal" für dieses splendide und moralische Geschenk wohl taufen" können? Und woraus das eigens dazu angefertigte Papier" wohl bestehen mag? Gewiß aus Lumpen der besten Sorte. Jedenfalls kann an dem Lumpen- Ursprung des Geschenkes kein Zweifel sein. Herr Albert Niet­ hammer  , bekanntlich mit Hilfe sächsischer Kreis- und Amtshauptleute wohlbestellter, jedoch vom bösen Reichstag beanstandeter" Reichstags­abgeordneter, hat in der Nähe Waldheim's   eine Papierfabrik und son­ftige Fabrikanlagen, ist ein außerordentlich frommer Mann, und treibt das praktische Christenthum" nebft obligater Selbstberäucherung( auch obiger Dank" rührt von ihm her) ganz geschäftsmäßig. Er ist ein so­genannter Muster- Arbeitgeber", trieft von Arbeiterfreundlichkeit, hat allerhand philantropische Einrichtungen getroffen, die sehr wohlfeil find, dafür aber, weil sorgsam an die große Glocke gehängt, eine höchst wirt­same und einträgliche Reklame bilden. Natürlich beutet er seine Arbeiter nach Noten und mit Methode aus, wie es nur ein praktischer Christ" kann, und ist ein wahrer Fabrikpascha, was ja auch zum praktischen Christenthum" gehört.

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Für freie Menschenrechte, Weit lieber All' zu Grunde geh'n Als dienen wie die Knechte.

Die Genossen zu Ratibor  .

-Crimmitschau   in Sachsen  . Vom hiesigen Stadtrath ist eine Verordnung erlassen worden, durch welche die Bettelei gründlich abgeschafft werden soll. Jede Verabreichung von Gaben an Bettler je bes Standes, Alters und Geschlechts, Seitens Privatpersonen" wird mit einer Geldbuße von 1 Mark, und im Rückfalle von 5 Mark bestraft. Das ist radikal. Wir gestehen, wir sind keine Freunde der Bettelei und der Bettler und wahrlich auch nicht des Almosengebens, allein wenn Jemand zu bestrafen ist, so sind es doch diejenigen, welche die Bettelei erzeugt, und fleißige Menschen zu Bettlern gemacht haben, und nicht die, welche den Bettlern Almosen verabreichen. Gewiß: mit Almosengeben ist nichts genügt, aber wer Almosen gibt ist immerhin doch unter sonst gleichen Bedingungen ein humanerer Mensch, als wer Almosen verweigert. Der wohllöbliche Crimmitschauer   Stadt rath hat im wahrsten Sinne des Worts eine Strafe auf die Humanität gesetzt die allerdings in unserem Zeitalter der Mords­fultur und des Wordskultus einem Normalbürger und gar Normal­beamten unseres modernen Klassen- Polizei- und Militärstaates als ein Uebel und Verbrechen erscheinen muß.

Originell ist, daß unser Crimmitschauer Stadtrath von Bettlern ,, jedes Standes" spricht! Sollte ein sozialdemokratischer Spaßvogel diesen Ausdruck in die Verordnung eingeschmuggelt, und dadurch die Wohl­löblichen in den Verdacht zu bringen gesucht haben, sie glaubten, es gebe auch in den oberen Ständen Bettler( und in diesen erst recht) 3. B. Fabrikanten, die Staatshülfe in Gestalt von Schutzöllen erstrebten, Beamte bis zu den höchsten und allerhöchsten, die Gehaltserhöhungen forderten u. f. w. u. s. w. Und daß bloß Privatpersonen das Almosengeben bei Strafe verboten ist das sieht ebenfalls einem sozial­demokratischen Kukutsei ähnlich wie ein Ei dem andern. Nicht privat­personen, also Fürsten  , Regierungen, Abgeordneten ist es hiernach erlaubt," Bettlern jedes Stands" Dotationen, Gehalts­erhöhungen, Schutzölle u. s. w. als Almosen zu verabreichen. Ist die ganze Bismarc'sche Zoll- und Steuerreform nicht im Grunde ein Almosen, gezahlt oder zu zahlen an die ,, Bettler jedes Standes", welche vom Reichstag und der Reichsregierung Unterstützung verlangt haben, und welche zufälliger Weise bloß den oberen und herrschen­den Ständen angehören? Purer Zufall! Denn eigentlich schlägt, wie man weiß, das Herz unseres Reichskanzlers als Anwaltes des armen Mannes" für die niederen Stände. Schade nur, daß sie von der Liebe nichts verspüren, oder richtiger nur wenig Liebfames, z. B. neue Steuern. Doch in der Bibel heißt's ja schon: Wen Gott   lieb hat, den züchtigt er. Und daß Bismarck  , der Anwalt des armen Mannes", ein Gott ist, wer wollte es läugnen?

Jtem, unser wohllöblicher Stadtrath hat einen recht schönen und lehr­reichen Beitrag zur Illustrirung der heute in Staat und Gesellschaft herrschenden Grundgedanken geliefert. Und dafür sagen wir ihm unseren Dant.

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Mainz  , Ende März. Viele Monate find ins Land gegangen seit der letzten Korrespondenz von hier. Wie der Frühling Alles belebt in der weiten Natur, so brachte auch diese Zeit wieder neues Leben in die Parteibewegung. Das Eis des Winters ist gebrochen, und wie der Land­mann mit seinen im Winter hergestellten Geräthen frisch an die Arbeit geht, so haben die hiesigen Genoffen wieder eine feste Organisation ge­schaffen, wozu die Wintermonate benützt wurden, um im Frühling organisirt und gerüstet zu sein zum Kampfe für der Menschheit Wohl und Recht, das in der Jetztzeit immer mehr mit Füßen getreten wird. Auf Sonntag, den 18. März, war eine große Volksversammlung ein­berufen, die aber von der zuständigen Behörde verboten wurde und zwar so spät, daß eine Bekanntmachung des Verbotes nicht mehr möglich war. Um die festgesetzte Stunde, Nachmittags 3 Uhr, hatten sich Tausende vor dem Versammlungslokal eingefunden und als Genosse Bollmar, der in der Versammlung über die Arbeitergesetze und Sozialreform sprechen sollte, mit einigen Bekannten erschien, wurde er auf's Wärmste mit Hochs auf ihn und die Sozialdemokratie begrüßt. Bu gleicher Zeit wurde ein Flugblatt in Tausenden von Exemplaren vertheilt, worin das Verbot mitgetheilt war und das eine scharfe Kritik gegen das Verfahren der Behörde und den Sozialreformschwindel enthielt. Ein Theil mag hiermit zum Abdruck kommen, indem derselbe von allgemeinem Jntereffe ift. Derselbe lautet: Nachdem die Versammlung bereits seit 10 Tagen angemeldet gewesen, ohne irgendwie beanstandet zu werden, wurde sie in letter Stunde durch den liberalen" Provinzialdirektor verboten. Damit ist denn ausgesprochen, daß das arbeitende Volt nicht einmal das Recht haben soll, sich über seine allereigensten Angelegenheiten zu äußern und daß ihm von seinen angeblichen Wohlthätern" nicht einmal das Recht, das man dem letzten Verbrecher vor Gericht nicht verweigert, zugestanden wird vor der Entscheidung über sein Loos ein Wort zur Vertheidigung seiner Interessen zu sprechen. Jeder Reaktionär und politischer Pfuscher, der sich aus des armen Volkes Haut Riemen schneiden will, wird mit seinen Vorschlägen zur Verbesserung der Lage des Volkes" gehört; das Volt selbst aber, über dessen haut man verhandelt, muß schweigen und soll sich ohne Wimperzucken Dem überliefern, was Beamte, Junker, Kapitalisten, turz was seine Herren über es zu verfügen belieben! Ein vernichtenderes Urtheil über die vorliegenden Geseze und über das ganze System der Sozial. reform" ist gar nicht denkbar! Was teine Kritik aushält, ist