Natur nach ein Mittel der Unterdrückung in den Händen der Kapitalisten sind;

die pretäre Stellung, in welche die bestehenden freien Kassen der Arbeiter gebracht werden;

die Beschränkung des Verfügungsrechtes der Kaffen­mitglieder über das Kaffenvermögen; endlich der polizeilich bureaukratische Gesammt. charakter des Gesetzes, dessen Verbesserung durch eine Reihe organischer Anträge wir vergeblich erstrebt haben, machen es unmöglich, in dem Gesetz betreffend die Kranken­versicherung der Arbeiter eine für die Arbeiterklasse heilsame Maß­regel oder gar die Anbahnung einer ernsthaften Sozialreform zu erblicken.

Nach reiflicher Abwägung des Für und Wider werden wir dayer gegen das Gesetz stimmen."

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Diese bündige Erklärung der Vertreter der Arbeiterklasse gegen das Bismard'sche Krankenkassengesetz war den, arbeiterfreundlichen" Herren von der Rechten sehr unangenehm, weil sie ihnen das Spiel ver­darb. In ihrem Grimm begingen fie die Dummheit, die Berechtigung zur Abgabe einer solchen Erklärung vor Eintritt in die Tagesordnung und vor der Abstimmung, in Zweifel zu ziehen, und kamen dadurch in Konflikt mit dem von ihnen selbst gewählten Präsidenten, der ausdrücklich die Genehmigung ertheilt hatte, und sich das Recht, in Zukunft ähnlich zu verfahren, energisch vorbehielt. Thatsache ist, daß der konservative Levezzow die Redefreiheit des Hauses weit besser respektirt, als seine liberalen Vorgänger traurigen Andenkens. Mit den vereinigten Reat­tionären( Konservative, Zentrum, Nationalliberale) stimmten für das reaktionäre Pfuschwert auch die Volksparteiler, Elsaß   Loth­ ringer   und Polen  , Die Volksparteiler thaten es offenbar nur, um nicht als Schwanz der Fortschrittspartei zu erscheinen, geriethen aber aus der Charybdis in die Scylla und machten sich zum Schwanz der Nationalliberalen. Mehrere, denen die Sache etwas zu bla­mabel war, drückten sich während der Abstimmung, z. B. Retter. Was die Elsaß   Lothringer   und Polen   anbelangt, so waren sie bei diefer wie bei anderen Gelegenheiten( namentlich bei Berathung der Gewerbeordnungsnovelle) die fügsamen Handlanger der Bis­marc'schen Reaktion. Wir ersuchen diejenigen unserer Freunde und Genoffen, welche Verbindungen mit der auswärtigen, beson­ders mit der französischen   Presse haben, dies erbärmliche Treiben an den Pranger zu stellen, damit das Ausland, wo die betreffenden Leute sich eines gewissen Nimbus der Volksthüm­lichkeit erfreuen, dieselben in ihrer wahren Gestalt erblicke.

Zur Naturgeschichte der Volkspartei. Obige Notiz war bereits geschrieben, als uns die Frankfurter Zeitung  " vom 1. ds. zu Gesicht kam, welche über die Krankenkassengesetz- Abstimmung folgende offenbar von der Verlegenheit diftirte Bemerkungen macht:

,, Es ist recht wenig, was dieses Gesetz bietet, und daß die land­wirthschaftlichen Arbeiter darin fehlen, verringert den Werth dieses erften sozialistischen  (!) Schrittes am allermeisten. Es ist aber doch etwas, und diese Erkenntniß hat auch die Vertreter der Volks­partei veranlaßt, im Gegensatz zu der Haltung ihrer liberalen Freunde für das Gesetz zu stimmen. Der Umstand, daß vieles, was sie in demselben gern erreicht hätten, nicht erreicht worden ist, tann fie nicht abhalten, das Wenige, was übrig geblieben ist, namentlich gegenüber den Halbheiten des Gesetzes von 1876( Hilfs­taffengesezes) auszunehmen( auszuschlagen?). Die Sozial. demokraten   nahmen genau den entgegengesetten Standpuntt ein. Sie ließen vor der Abstimmung eine Er­klärung abgeben, die im Wesentlichen daraus hinausläuft, daß sie das Gesetz ablehnen, weil dasselbe nicht Alles enthält, was sie darin sehen möchten."

Das Lettere ist nicht richtig, wie ein Blick auf die Erklärung der sozialdemokratischen Abgeordneten zeigt. Herr Sonnemann, von dem die Notiz herrührt, hat einfach gefluntert. Nicht weil das Gesetz nicht Alles enthält, was unsere Partei darin sehen möchte, ist das Gesetz von unseren Abgeordneten verworfen worden, sondern weil es, Alles in Allem, mehr des Schlimmen als des Guten enthält! Wäre das Umgekehrte der Fall gewesen, so würden unsere Abgeordneten für das Gesetz gestimmt haben. Wollten sie, wie Herr Sonnemann unterschiebt, bloß für solche Gesetze oder Gesetzesparagraphen, Anträge 2c. stimmen, die den Prinzipien der Sozialdemokratie voll­tommen und bis in die konsequenzen entsprechen, so würden fie überhaupt nie in der Lage sein können, ein bejahen des Votum im Reichstag   abzugeben. Herr Sonnemann weiß aber sehr wohl, daß speziell beim Krankenkassengesetz die sozialdemokratischen Abgeordneten für alle Anträge und Amendements gestimmt haben, welche eine Ver­besserung der Gesetzesvorlage bezweckten, und daß sie selber sogar eine

Feuilleton.*)

Handwerksbursenlied.

Bon Georg Weerth  ( 1846). Wohl um die Kirschenblüthe Da haben wir logirt,

Wohl um die Kirschenblüthe In Frankfurt   einst logirt. Es sprach der Herbergsvater: " Habt schlechte Röcke an!" Du laufiger Herbergsvater, Das geht Dich gar nichts an!

Gib uns von Deinem Weine,

Gib uns von Deinem Bier; Gib uns zu Bier und Weine Auch ein gebraten Thier."

Da träht der Hahn im Spunde

Das ist ein guter Fluß.

Es schmeckt in unsrem Munde

Als wie Urinius.

Da bracht' er einen Hasen

Ju Petersilienkraut,

Vor diesem todten Hasen

Hat es uns sehr gegraut.

Und als wir waren im Bette

Mit unsrem Nachtgebet,

dileng

Da stachen uns im Bette Die Wanzen frith und spät.

Das ist gescheh'n zu Frankfurt  , Wohl in der schönen Stadt, Das weiß, der dort gelebet Und dort gelitten hat.

schis

Dieses Gedicht unseres Freundes Weerth   habe ich unter dem Nachlaß von Marr wieder aufgefunden. Weerth  , der erste und bedeutendste Dichter des deutschen   Proletariats, war von rheinischen Eltern in Detmold   ge­boren, wo sein Vater geistlicher Superintendent war. Als ich mich 1843 in Manchester   aufhielt, kam Weerth   als Kommis feiner deutschen   Firma

*) Fortsetzung und Schluß des Feuilletons:" Vergangenheit und Ge­genwart des russischen Szialismus" folgt in nächster Nummer.

eine Reihe solcher Anträge eingebracht hatten, für die sie selbstverständlich ftimmten.

"

Daß Herr Sonnemann die von den vereinigten reaktionären Parteien ( benebst der Voltspartei als Schwanz) durchgesetzte Maßregel für eine sozialistische hält oder doch ausgibt, zeigt uns mit dankenswerther Klarheit, von welchem Stoff der staatsmännische Sozialismus"( mit obligater Sozialreform") ist, welchen Herr Sonnemann für seinen und seiner Gefolgschaft politischen Hausgebrauch sich zurechtgemacht hat, und vermittels dessen er hier und da an abgelegenen Orten Arbeiterfängerei zu treiben versucht.

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Anläßlich der dritten Lesung der Gewerbeordnungsrück­wärtsrevidirungenovelle nahm der Abgeordnete Stolle die Gelegenheit wahr, den Beweis der Wahrheit für seine bekannte Aeußerung über die Offizier smoral zu erbringen. Es ist nicht wahr," schreibt man uns darüber, daß er, wie einige Blätter mittheilten, vom Präsidenten am Ausreden gehindert worden sei. Die Thatsachen, um welche es sich handelte, find vielmehr so schmutziger Natur, daß ein Eingehen in die Einzelheiten aus Geschmacksrücksichten unmöglich war, und Genoffe Stolle, nachdem er die Richtigkeit seiner Behauptung festgestellt hatte, sich be­gnügen mußte, die Beweisstide auf den Tisch des Hauses niederzulegen. Die startlungigen Junker, die das erstemal so laut gebrüllt, waren ganz fleinlaut geworden. Kein Ruf der Entrüftung! Kein Wort des Pro­teftes! Gegen Thatsachen läßt sich eben nichts machen!" Soviel für heute. Wir kommen auf die Sache zurück.

Eine kleine Erinnerung. Es sind schon viele, viele Jahre her, da lebte in einer Stadt am Rhein   ein gar gottesfürchtiger Herr, der Sproffe eines uralten Adelgeschlechtes. Dieser fromme Mann war von seinem König eingesetzt worden als Statthalter über eine ganze Provinz, um die Bewohner derselben zur Tugend und frommen Sitte anzuhalten, und er waltete seines Amtes mit großem Eifer. In dem großen Schloffe aber, in welchem seine Amtswohnung sich befand, wohnte in der oberen Etage der Bruder des regierenden Königs, damals ein gar lebensluftiger Herr, der sich durch seine besondere Vorliebe für Kartätschen auszeichnete, weshalb man ihn auch den Kartätschenprinzen nannte. Obwohl auch sehr gottesfürchtig, war er doch gar nicht mit dem von seinem Bruder eingesetzten Statthalter zufrieden, und bald herrschte bittere Feindschaft zwischen diesen Säulen des Staates, die sich leider auch auf die Ehefrauen derselben Beides Mufter weiblicher Tugend trug. Wenn z. B. die Frau Statthalterin erfuhr, daß die Prinzessin, welche die Blumen sehr liebte, in das Treibhaus gehen wollte, um sich an den frisch aufgeblühten Knospen zu erfreuen, dann lief sie mit einer Scheere in der Tasche schleunigst voraus und schnitt sämmtliche Blüthen ab. O, im Adel allein ist noch echtes Christenthum und holde Weiblichkeit zu finden! Schließlich mußte mitten durch den Garten ein Zaun gezogen werden, damit die beiden Damen sich nicht eines schönen Tages vor Liebe in die Arme fallen möchten.

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über­

Aber auch die Männer spielten einander manchen Streich. Hatte da z. B. eines Tages der Statthalter eine Verfügung erlassen, daß nur noch an drei Tagen im Jahre dem Volte die sündhafte Luftbarkeit des Tanzes erlaubt sein solle. Was that darauf der Prinz? Am ersten Sonntag nach Erlaß dieser Verfügung gab er in der oberen Etage des Schlosses einen großen Ball, zu dem er aus der ganzen Umgegend die Widersacher des Statthalters einlud. Den ganzen Abend, bis tief in die Nacht hinein, hörte dieser zu seinem Verdrusse die Klänge gottloser Walzer und unchrift­licher Poltas ertönen.

Da sich seine Gäste sehr gut amüsirt hatten, so gab der Prinz noch manchesmal so luftige Gesellschaften.

Dieses liebenswürdige Verhältniß dauerte so lange, bis der König, der kinderlos war, vor lauter romantischer Liebe zu Gott und zum Branntwein so überschnappte, daß er nicht einmal mehr seinen Namen zu triteln vermochte und infolge des Verlustes dieser Fertigkeit, die einzige, die für einen König unerläßlich ist, für regierungsunfähig erklärt der wurde. Der Prinz übernahm die Regentschaft des Landes und Oberpräsident der Rheinlande, Herr von kleift Rezow, ward in Ungnaden entlassen.*)

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*) Damals sagte der Prinzregent   in seinem Programm vom 8. No­vember 1858:

...

Ju beiden Kirchen muß mit allem Ernst den Bestrebungen entgegen­getreten werden, die dahin abzielen, die Religion zum Deck­mantel politiischer Bestrebungen zu machen. Alle Heuchelei, Scheinheiligteit, kurzum alles Kirchenwesen zu egoistischen Zwecken ist zu entlarven, wo es nur möglich ist."

Heute wird offiziell die Religion zum Deckmantel politischer Be­strebungen gemacht, und wer die Scheinheiligkeit am besten auszuüben versteht, wird Exzellenz. Es sind eben nicht blos junge Huren", die alte Betschwestern werden.

nach Bradford  , und wir verbrachten viele heitere Sonntage zusammen. 1845, als Marr und ich in Brüssel   wohnten, übernahm Weerth   die kon­tinentale Agentur seines Handlunghauses und richtete es so ein, daß er sein Hauptquartier ebenfalls in Brüssel   nehmen konnte. Nach der 1848er Märzrevolution fanden wir uns alle in Köln   zur Gründung der Neuen Rheinischen Zeitung  " zusammen. Weerth   übernahm das Feuilleton, und ich bezweifle, ob je eine andere Zeitung ein so luftiges und schneidiges Feuilleton hatte. Eine seiner Hauptarbeiten war: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnsti", die Abenteuer des von Heine im Atta Troll   so benamsten Fürsten Lichnowski schildernd. Die That­sachen sind alle wahr; wie wir sie erfuhren, darüber vielleicht ein ander­mal. Diese Schnapphahusti- Feuilletons find 1849 bei Hoffmann u. Campe gesammelt als Buch erschienen und noch heute äußerst erheiternd. Da aber Schnapphahnsti- Lichnowski am 18. September 1848 mit dem preußi­schen General von Auerswald( ebenfalls Parlamentsmitglied) die den Frankfurter   Barrikadenkämpfern zuziehenden Bauernkolonnen spioniren ritt, bei welcher Gelegenheit er und Auerswald von den Bauern ver­dientermaßen als Spione todtgeschlagen wurden, richtete die deutsche Reichsverweserschaft eine Anklage gegen Weerth   wegen Beleidigung des todten Lichnowski, und Weerth  , der längst in England war, bekam drei Monate Gefängniß, lange nachdem die Reaktion der N. Rh. 3tg." ein Ende gemacht hatte. Diese drei Monate hat er denn auch richtig abge­sessen, weil seine Geschäfte ihn nöthigten, Deutschland   von Zeit zu Zeit zu besuchen.

1850/51 reifte er im Interesse einer anderen Bradforder Firma nach Spanien  , dann nach Westindien   und über fast ganz Südamerika  . Nach einem turzen Besuch in Europa   tehrte er nach seinem geliebten West­ indien   zurück. Dort wollte er sich das Bergnügen nicht versagen, das wirkliche Original des Louis Napoleon III., den Negerkönig Soulouque  auf Haiti  , einmal anzusehen. Aber er bekam, wie W. Wolff, 28. August 1856 an Marr schreibt, Schwierigkeiten mit den Quarantäne- Behörden, mußte fein Projekt aufgeben und sammelte auf der Tour die Reime zu dem( gelben) Fieber, das er mit nach Havana brachte. Er legte sich nieder, eine Gehirnentzündung trat hinzu und am 30. Juli starb unser Weerth   in Havana."

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Ich nannte ihn den ersten und bedeutendsten Dichter des deutschen Proletariats. In der That find seine sozialistischen und politischen Ge­dichte denen Freiligrath's an Originalität, Wiz und namentlich an finn­lichem Feuer weit überlegen. Er wandte oft Heine'sche Formen an, aber mur, um sie mit einem ganz originellen, selbstständigen Inhalt zu erfüllen. Dabei unterschied er sich von den meisten Poeten dadurch, daß ihm seine Gedichte, einmal hingeschrieben, total gleichgiltig waren. Hatte er eine Abschrift davon an Marr oder mich geschickt, ließ er die Verse liegen und war oft nur schwer dazu zu bringen, sie irgendwo drucken zu laffen. Nur während der Neuen Rheinischen Zeitung  " war das anders. Warum, zeigt folgender Auszug eines Briefes von Weerth   an Mary, Hamburg  , 28. April 1851:

,, Uebrigens hoffe ich Dich Anfang Juli in London   wiederzusehen, denn ich kann diese grashoppers( Heuschrecken) in Hamburg   nicht länger er­tragen. Es droht mir hier eine glänzende Existenz, aber ich erschrecke davor.

Herr von kleift- Rezow blieb, was er war, ein starrer Mucker und Reaktionär. Aber Gott   verläßt die Seinen nicht. Am 25. Jahrestage seiner Entlassung erhielt er, wie die Blätter gerührt berichten, von seinem König und Kaiser huldvollst die Ernennung zum wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel Exzellenz. Ob der Frage der polizeilichen Tanz verbote hatten sie sich verfeindet, und wegen seines mannhaften Eintretens für die Wiedereinführung derselben, sowie für sein Wirken für die Herr­schaft der himmlischen und irdischen Polizei überhaupt, wurde dem pom­merschen Junker diese außerordentliche ,, Gnadenbezeugung" zu Theil. Ein schönes Beispiel von der Rückkehr eines Königs zur besseren Einsicht, deren wir gleich erhebende nur in der heiligen Schrift finden. Wer kennt nicht die Geschichte von David   und Salomo  , von denen es im alten Liede heißt: ,, Der David   und der Salomo  ,

Das waren arge Sünder, Der David   und der Salomo,

Die machten viele Kinder.

Und als sie nicht mehr konnten ſo, Von wegen hohen Alters,

Da schrieb die Sprüche Salomo  ,

Und David   seine Psalters.

Dichten ist nicht Jedermanns Sache, dazu gehört immerhin Talent, aber selbst der bescheidenste Geist kann sich zu den Worten aufschwingen: " Die Religion muß dem Volke erhalten bleiben."

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Bourgeois moral. Als auf seinem Bureau die Depesche von dem schrecklichen Untergang des Dampfers Cimbria eintraf, da lief der Kommis der Hamburg   Amerikanischen Packetfahrtgesellschaft N. T. Engel schleunigst zu dem Bankier A. J. Gräpel, und machte ihn auf die schöne Gelegenheit, ein Geschäftchen" zu machen", auf­merksam; denn die übrige Welt wußte noch nichts. Gräpel ließ sich das nicht zweimal fagen und fixte sofort an der Börse verschiedene Aktien der Hamburg  - Amerikanischen Packetfahrtgesellschaft der Gewinn sollte später zwischen beiden Biedermännern getheilt werden. Der saubere Plan gelang, groß aber war hinterher die tugendhafte Entrüftung der von Gräpel geleimten Börseng- rößen. Der Staatsanwalt erhob auch Anklage, aber siehe da, das Landgericht erklärte, es fände keine Schuld an Engel, kein Engel sei so rein" als er, und lehnte die Verfolgung ab. Infolgedessen hatte sich vor siebenzehn Tagen das Oberlandes gericht Hamburg   mit der Sache zu beschäftigen, aber auch dieses er­fannte, daß weder Engel noch Gräpel sich einer strafbaren Hand­lung schuldig gemacht. Allerdings habe Gräpel durch die Unterdrück ung der wahren Thatsache bei den Käufern einen Frrthum unter halten, aber von einer Pflicht, seine Kenntniß des Cimbria"-Unfalles dem vermittelnden Makler mitzutheilen, könne teine Rede sein, denn, heißt es wörtlich weiter, wenn schon der Grundsatz, daß Treu und Glauben den kaufmännischen Verkehr beherrschen sollen, durchaus richtig ist, so kann doch nicht zugegeben werden, daß um deshalb es nun auch verboten sei, einem Dritten ein Ge schäft anzubieten und dabei ihm eine Thatsache vorzuent halten, deren Kenntniß ihn von der Eingehung des Geschäfts abhalten würde. Die Aufstellung einer solchen Ver pflichtung würde fast jeden( O, weiser und gerechter Richter!) Han delsgewinn der strafrechtlichen Ahndung unterzüglich machen, da derselbe größtentheils gerade von der Verwerthung überlegener Kenntnisse von Thatsachen beruht"

Dieses Erkenntniß sollte man in Gold fassen lassen mit der Umschrift: Heilig ist das Eigenthum! Klassischer als an diesem Beispiel tann die Moral der heutigen Bourgeoisgesellschaft gar nicht gekennzeichnet werden. Hamburg   gilt nämlich noch als ein besonders respektabler" Handelsplatz, die Hamburger Kaufleute halten noch sehr viel auf Ehr barkeit und in der oberen Gesellschaft Hamburgs  , zu der natürlich auch die Richter gehören, ist man noch außerordentlich religios, Hamburg   gehört zu den am wenigften berjudeten" Börsenplätzen Deutsch  lands. Was in Hamburg   Recht ist, das ist in Berlin  , Frankfurt  , Wien   2c. sicherlich) unantastbar. Nichts Ehrenhafteres als aus einem Unglücksfall, der die philisterhaften Gefühlsmenschen auf's Tieffte er schüttert, jeden möglichen Profit zu ziehen. Eine Depesche eine Stunde früher erhalten, sie dem Publitum verschweigen, heißt über legenere Kenntniß von Thatsachen haben. Warum eine solche ,, Ueber legenheit" nicht ausnügen?

Selbstverständlich ist diese Manipulation nicht neu. Hat doch bekanntlich Rothschild   feine überlegene" Kenntniß von der Schlacht bei Waterloo   in gleicher Weise kaufmännisch verwerthet. Und Rothschild's   Name glänzt durch alle Lande. In Rothschild's Palais in Paris   lungerte erst neulich wiederum ein ganzer Haufen von Herzögen, Grafen  , Priestern, Gelehrten, Künstlern, die Botschafter sämmtlicher europäischer Groß­ftaaten, kurz die Crême" der guten" Gesellschaft, und schrie so un­

Jeder Andere würde mit beiden Händen zugreifen. Aber ich bin zu alt, um ein Philister zu werden, und jenseit der See liegt ja der ferne Westen....

" Ich habe in der letzten Zeit allerlei geschrieben, aber nichts beendigt, denn ich sehe gar keinen 3wed, fein Ziel bei der Schriftstellerei. Wenn Du etwas über Nationalökonomie schreibst, so hat das Sinn und Ver stand. Aber ich? Dürftige Wize, schlechte Späße reißen, um den vater­ländischen Fratzen ein blödes Lächeln abzulocken wahrhaftig, ich tenne nichts Erbärmlicheres! Meine schriftstellerische Thätigkeit ging entschieden mit der Neuen Rheinischen Zeitung  " zu Grunde.

" Ich muß geftehen: so leid es mir thut, die letzten drei Jahre für nichts und wieder nichts verloren zu haben, so sehr freut es mich, wenn ich an unsere Kölner   Residenz denke. Wir haben uns nicht tompro­mittirt. Das ist die Hauptsache! Seit Friedrich dem Großen hat Nie mand das deutsche Volt so sehr en canaille behandelt wie die Neue Rheinische Zeitung  ."

" Ich will nicht sagen, daß dies mein Verdienst war; aber ich bin dabei gewesen...

O Portugal! O Spanien!( W. tam gerade dorther.) Hätten wir nur Deinen schönen Himmel, Deinen Wein, Deine Orangen und Myrthen! Aber auch das nicht! Nichts als Regen und lange Nafen und Rauch fleisch!

" Bei Regen mit langer Nase Dein

for G. Weerth."

Worin Weerth Meister war, worin er Heine übertraf( weil er gesunder und unverfälschter war) und in deutscher Sprache nur von Goethe über­troffen wird, das ist der Ausdrud natürlicher, robufter Sinnlichkeit und Fleischeslust. Manche der Leser des Sozialdemokrat" würden sich ent­setzen, wollte ich die einzelnen Feuilletons der Neuen Rhein. Zeitung" hier abdrucken lassen. Es fällt mir jedoch nicht ein, dies zu thun. Jndeß tann ich doch die Bemerkung nicht unterdrücken, daß auch für die deutschen Sozialisten einmal der Augenblick kommen muß, wo sie dies letzte deutsche Philiftervorurtheil, die verlogene spießbürgerliche Moralprüderie offen abwerfen, die ohnehin nur als Deckmantel für verstohlene Botenreißerei dient. Wenn man z. B. Freiligraths Gedichte liest, so sollte man wirklich meinen, die Menschen hätten gar teine Geschlechtstheile. Und doch hatte Niemand mehr Freude an einem stillen Zötlein, als gerade der in der Boefte so ultrazüchtige Freiligrath. Es wird nachgerade Zeit, daß wenigstens die deutschen Arbeiter sich gewöhnen, von Dingen, die sie täglich oder nächtlich selbst treiben, von natürlichen, unentbehrlichen und äußerst ver­guitglichen Dingen ebenso unbefangen zu sprechen wie die romanischen Völker, wie Homer   und Plato  , wie Horaz   und Juvenal  , wie das alte Teftament und die Neue Rheinische Zeitung.  "( Wir erlauben uns, diesen Baffus fräftigst zu unterstreichen. Die Ned.)

Uebrigens hat Weerth   auch minder anstößige Sachen geschrieben, und von diesen werde ich mir die Freiheit nehmen, von Zeit zu Zeit Einiges dem Feuilleton des Sozialdemokrat" zuzuschicken.

F. Engels.