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-Nette Arbeiterfreunde. Die Freie Zeitung" des fort­schrittlichen Gewerkvereinsapostels Hugo Polte wird ebenso wie die antisemitische ,, Neue Deutsche Volkszeitung" von sogenannten ,, Rauhbeinen" hergestellt, weil die betreffenden Druckereien für die Verbandsseter wegen der dort betriebenen Hyperausbeutung gesperrt sind. Der iüdise Herr Liebermann von Sonnenberg   und der christliche Herr Polte haben, wie man sieht, einander nichts vorzuwerfen.

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Der Mord belohnt. In Kottbus  ( Niederlaufit) erschoß vor Kurzem, wie die Berliner   Zeitungen melden, ein Militärposten am dortigen Zentralgefängniß einen Gefangenen, welcher sich an einer Leine aus dem Fenster seiner Zelle herabgelassen hatte und das Weite suchen Der Wachtposten wollte, ohne auf den Zuruf des Soldaten zu hören. wurde nach dem Vorfall alsbald abgelöst und ist in Folge der Anfregung trant geworden. Es wurde ihm sofort nach dem stattgehabten Verhör, wie der ,, Kottb. Anz." berichtet, eine Belohnung für sein instruktions­mäßiges Verfahren zu Theil.

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Eigentlich hätte dem Soldaten eine Strafe dafür gebührt, daß ihn das Bernichten eines Menschenlebens so aufregte. In Zukunft wird er das Niederfeuern hoffentlich mit mehr Gemüthruhe besorgen.

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ein Preis verabredet und der Miethvertrag abgeschloffen. Nun fiel aber dem zukünftigen Minister doch ein, daß es nicht nur zweckmäßig, sondern auch nützlich sei, der vorgesetzten Behörde dem Ministerium der Vermiethung des Kellers Nachricht zu geben und Genehmigung ein­zuholen. Das Ministerium genehmigte den Vertrag, aber unter der Bedingung, daß der Miethzins in die Staatstasse abzu­liefern sei. Das war taltes Wasser für Herrn Stöffer*), welcher der Meinung war, er dürfe den Miethzins einstecken. Sein Patriotismus betam jezt ein gewaltiges Loch, und unter allerlei Vorwänden suchte er Rückgängigmachung des Vertrags. Wenn das Geld nicht in meinen Sack fließt, dann soll der Keller auch nicht vermiethet werden, sagte der große Patriot Stöffer. Dem Weinhändler leuchteten die Gründe des Herrn Amtsvorstandes endlich ein, er verzichtete auf Vollzug des bereits abgeschlossenen Miethvertrags, der Keller blieb unvermiethet und hiedurch entging der Staatskaffe eine Einnahme von jährlich einigen Hundert Mart.

trieben wird, wohlweislich verschwiegen; auch hatten diese Herren allerlei lächerliche Mittel, welche Abhilfe schaffen sollten, bei der Hand. In dieser Versammlung war die ganze Gesellschaft, welche sich mit Vorliebe die ,, beffere" nennt, anwesend, aber auch wir Arbeiter waren zahlreich rr­schienen, und als nachher Genosse Hegemann zum Wort fam, rief derselbe den Herren zu: fie sollten zunächst vor ihrer eigenen Thür kehren und mit befferen Beispielen vorangehen, als sie bisher gethan hätten. Sie sollten nur in ihren eigenen Kreisen herumblicken 2c., ehe fie uns Arbeitern Moralpredigten halten wollten; auch verwarf er alle vom Verein in Vorschlag gebrachten Abhilfemittel, weil dieselben unwirksam, sogar schädlich seien, man müsse vielmehr die Ursachen zu ergründen suchen, aus welchen solche Uebel entständen und dann würde man finden, daß auf der einen Seite Armuth und Elend und auf der anderen Seite Wollust, Ueberfluß und Uebermuth die Ursachen seien, diese Quellen müffen verstopft werden; auch solle man für wahre Volks­bildung durch wahrhaft gute Schulen sorgen, sowie für materielle Hebung und politische Freiheit des Arbeiterstand es wirken und namentlich das Sozialistengesetz aufheben. So lange fie die Kriege und das Morden in denselben duldeten, ja sogar durch Sedan  - und andere derartige Feste, die Kriege und das Morden verherrlichten Perikles  . hätten sie kein Recht, über Verrohung der Sitten 2c. zu klagen. Nachdem Genoffe Hegemann geendet, wurde die Versammlung geschlossen, denn keiner der Herren konnte ihn widerlegen.

Die Moral von der Geschichte ist sehr einfach; der Leser mag sie sich selbst ziehen.

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Schweiz  . Zum Schweizerischen   Arbeitertag find

O herrliche Mordkultur des 19. Jahrhunderts! Und da gibt es noch schon über 120 Delegirte angemeldet und wird die Gesammtzahl der Leute, die über Verrohung der Sitten klagen!

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- 3ur Lohn- und Arbeiterbewegung. Der Streif der Stuttgarter Schreiner ist noch nicht beendet. Die entgegenstehende Notiz aus dem Stuttgarter Nenen Tageblatt", welche selbstverständlich auch in der Frankfurter Zeitung  " Aufnahme gefunden hat, ist eine Ente, bestimmt, die Arbeiter irre zu führen. Nur in einer Fabrit, Gerson& Weber, ist die Arbeit wieder aufgenommen wor­den und zwar auf Grund Bewilligung der meisten Forderungen der Ar­beiter. Im Uebrigen dauert der Kampf noch unverändert fort. Die Prinzipale machen trampfhafte Anstrengungen, Tischler von auswärts heranzuziehen, und ist es ihnen auch gelungen, Wiener   Tischler herbeizu­schaffen. Als diese aber vom Stand der Dinge hörten, machten die meisten sofort Kehrtum. Die Parole heißt also nach wie vor: Zuzug fernhalten, Unterstützung senden!

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Mus Leipzig  , 25. August, schreibt man uns: Ich muß damit beginnen, ein großes Unrecht einzugestehen; ich habe die hiesige Polizei tief getränkt, indem ich behauptete, sie habe in ihrem Kampfe gegen die Sozialdemokratie und den Sozialdemokrat" bisher nichts ausgerichtet, oder vielmehr nur das Gegentheil dessen bewirkt, was sie erstrebt. Ich irrte mich. Die Polizei hat die schönsten Erfolge aufzuweisen fte sagt es auch selber. Natürlich konnte sie nicht direkt auf den Sozial­demokrat" antworten, und so nahm fie denn zum willkommenen Anlaß einen Artikel des bekannten Mehring in der Weserzeitung", dahin­gehend, daß die Polizei in ihrem Kampf mit unserer Partei und speziell mit ihren Versuchen, die Verbreitung des Parteiorgans zu hindern, tein Glück gehabt, und nur ihre vollständige Unfähigkeit bewiesen habe. Darauf erwidert nun Herr Hohlfeld selbstverständlich ohne Namensunter­schrift im Leipziger Tageblatt  ", es verhalte sich umgekehrt, die Polizei habe wahre Wunder verrichtet, jeden Augenblick fange sie das Partei­organ ab, welches in Folge dessen den Lesern nur sehr unregelmäßig, oft gar nicht zugehe; innerhalb des letzten halben Jahres allein seien drei Sendungen des Sozialdemokrat" für ganz Deutschland   der Polizei bis auf die letzte Nummer in die Hände gefallen, der Sozialdemokrat" hüte fich aber wohl, die großartigen Polizeierfolge seinem Publikum mit­zutheilen.

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Kurz, nach Herrn Hohlfeld pfeift die Sozialdemokratie mit sammt dem ,, Sozialdemokrat" im allgemeinen in Deutschland   und im besonderen in Leip­ zig   auf dem letzten Loch, und zwar Dank der Wunderthätigkeit der deutschen  Polizei im Allgemeinen und der Leipziger   Polizei im Besonderen. Herr Hohlfeld sagt's, also muß es wahr sein. Und sehen Sie nur einmal Jhre Bücher genau nach, und Sie werden finden, daß der Sozialdemokrat", statt an Abonnentenzahl zuzunehmen, sortwährend abnimmt, und daß wir in Leipzig   so gut wie teine Exemplare mehr bekommen weil Herr Hohlfeld so entsetzlich pfiffig ist.*) Apropos, der Chef des Herrn Hohlfeld, Polizeidirektor Bret­schneider wird am 1. September, dem Vorabend des heiligen Sedan­tages, wo die übliche Kriegs- und Bismarckfeier der hiesigen National­liberalen statthat, die Festrede halten. Der Polizeidirektor und Er ftaatsanwalt die Feftrede auf einem sogenannten Volksfeste"! Das ist ja töftlich. Jedenfalls konnte das Sedanfest nicht beffer charakterisirt werden, als durch die Wahl dieses Festredners.

Dem Leipziger Tageblatt   ist dieser Tage wieder ein Malheur passirt. Die Redaktionsscheere schnitt nemlich aus der Weserzeitung" eine auf die sächsischen Landtagswahlen bezügliche Mittheilung des Sozial­demokrat" aus. Wenn Herr Uhse aufwacht, und die Anklage des Staats­anwalt wegen strafbaren Abdrucks aus einer verbotenen Zeitschrift er­hält, wird er wohl zur Einsicht kommen, daß die Redaktionsscheere auf die eine oder andere Weise unter Kontrole gestellt und zum Mindesten mit einer mechanischen Vorrichtung versehen werden muß, welche be­wirkt, daß das gefährliche Instrument, sobald der Redakteur einschläft, an die Kette gelegt wird.

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Die bevorstehenden Landtagswahlen verursachen unsern Fort­schrittlern" und Demokraten  " viel Kopfschmerzen. Da hat z. B. einer von ihnen etliche Leitartikel für die Frankfurter Zeitung  " geschrieben, in welchen den sächsischen Sozialdemokraten gesagt wird, sie würden sich ..schwer versündigen", wenn sie durch Aufstellung von Kandidaten in aussichtslosen Bezirken die entschiedenen Liberalen schwächen wollten, und dadurch der Reaktion" indirekt zum Sieg verhülfen. Nun δας werden wir halten, wie es uns gut dünkt. Den Rath der Frankfurter Zeitung  " brauchen wir nicht. Wo sind die entschiedenen Liberalen", von denen die Frankfurter Zeitung  " phantafirt? Sie meint doch nicht die Herren Fortschrittler, deren Führer und Vertreter im Landtag Mann für Mann mit der Reaktion" gegen unsere Vertreter zu stimmen pflegen? Oder gar etwa die Fortschrittler, die vor zwei Jahren jene famose Erklärung an die sächsischen Wähler erließen, daß die erste Pflicht derselben sei, gegen jeden Sozialdemokraten zu stimmen, und wenn der Gegner ein Erzkonservativer wäre? Und wo find denn andere Fortschrittler und Demokraten"? Die paar Mann, welche sich hier in Leipzig   als" Partei" aufspielen, find doch wahrhaftig nicht zu zählen. Und ist es ihnen ernst mit der Demo­tratie", dann mögen sie mit uns gehen. Daß wir, die stärkste Partei in Sachsen  , uns dieser Handvoll Leute unterordnen sollen, das ist doch wahrhaftig eine zu naive Zumuthung. Wir gehen unsere eigenen Wege, und unsere Wege find nicht die der Reaktion". Deß darf die Frankfurter Zeitung  " versichert sein.

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Wie weit der Patriotismus eines badischen Oberamtmanns und Zukunftsministers reicht. Das Amthaus in Konstanz   birgt einen großen, sehr guten Keller. Diesen wollte ein Weinhändler miethen, er wendete sich deshalb an den damaligen Amtsvorstand Ludwig Stößer, welcher allein Wohnung im Amt­haus und den Keller zu benügen hatte. Stößer sagte zu. Es wurde

*) Herr Mehring hat Herrn Hohlfeld bereits geantwortet und dessen schöne Deduktionen, was beiläufig nicht gerade schwer war, in der Weser Zeitung" widerlegt. Da er unser Blatt so genau lieft, so wollen wir ihm noch verrathen, daß wir aus der Abonnentenzahl, die Herr Hohlfeld für Leipzig   und Umgegend angibt, zu unserer Beluftigung er­sehen, daß die Erfahrungen des Herrn recht ältlicher Natur find. Uns

8 läßt übrigens der Streit herzlich fühl. Wenn die deutsche   Polizei mit ihren bisherigen Erfolgen gegen die Verbreitung unseres Blattes zu­frieden ist, wir sind es auch, und so ist ja beiden Theilen geholfen.

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Delegirten mindestens 140 betragen. Das ist eine stattliche Zahl, und können wir nur dem Wunsch Ausdruck geben, daß es den Bemühungen dieser Männer der Arbeit gelingen möge, die so schwierige Frage der Schaffung eines die Gesammtarbeiterschaft der Schweiz   umschlingenden Bandes ihrer Lösung ein gut Stück näher zu führen. Ohne die gegen­wärtigen ihm entgegenwirkenden Verhältnisse zu ignoriren, muß doch dieses große Ziel unverrückt im Auge gehalten werden.

Der Arbeitertag wird am 9. September, Morgens 9 Uhr, eröffnet werden.

Die weiteren Agitationsversammlungen unseres Genossen Grillen­berger in Chaurdefonds, St. Jmier, Lausanne   und Genf   waren gleich­falls vom besten Erfolge begleitet, desgleichen zwei von Genosse Jonas, Redakteur der Newyorker Volkszeitung, in Bern   und Biel   abgehaltenen Versammlungen.

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Holland  . Man schreibt uns aus Amsterdam  : Unsere Sache macht in Holland   gute Fortschritte. In Amsterdam  , Haag und Rotter­ dam   wird in letzter Zeit unser Bundesorgan, Recht voor Allen" durch Parteigenoffen auf den Straßen verkauft, und ist in der Auflage des Blattes ein riesiger Aufschwung zu verzeichnen, so daß zu erwarten ist, daß unsere holländischen Genossen in nächster Zeit ein die Woche zweimal erscheinendes Parteiorgan befizen werden.

Die mündliche Agitation wird daneben nicht vernachläffigt. Unser waderer Genoffe F. Domela Nieuwenhuis   reift unermüdlich im Land herum und hält Versammlungen mit dem besten Erfolge ab.

In den Ortschaften an der Zaan, wo vor zwei Jahren beinahe noch nichts von Sozialismus gehört wurde, ist man jetzt schon so weit, daß die Genossen in Koog an der Zaan ein eigenes Versammlungslokal be­sigen. Sie waren gezwungen, sich ein solches zu beschaffen, da die dor­tigen Wirthe ihre Lokale nicht mehr zu Versammlungen hergaben. Die letzten 14 Tage waren für unsere Partei hier in Amsterdam   ans­gezeichnet. Es waren nämlich ca. 80 französische Parteigenoffen hier anwesend, welche als Delegirte der verschiedenen Gewerkschaften von Paris  , Marseille   und Niort   hierher geschickt waren, um die Ausstellung zu besuchen. Das Geld hierzu hatte die französische   Regierung bewilligt. Unsere französischen Brüder verfehlten es aber nicht, auch für den Sozia­lismus etwas zu thun. Sie beriefen in Gemeinschaft mit den hollän­dischen Genoffen eine Boltsversammlung ein, welche ausgezeichnet ver­lief, und über welche die gegnerischen Presse sich noch immer nicht be­ruhigen kann. Dieselben Zeitungen, welche sonst nicht genug von der holländischen Freiheit" zu faseln wissen, rufen, entsetzt über die Fort­schritte der Sozialdemokratie, nach Polizei. In erster Linie ,, muß der Verkauf von Recht voor Allen" an den Straßen verboten werden. So­dann sollen die Wirthe ihre Lokale nicht mehr den Sozialisten einräumen u. s. w. Nur vorwärts so, die Indiffereuten werden auf diese Weise am besten aufgerüttelt! Auch die deutschen   Genossen sind auf dem Posten und ersuchen alle Parteigenoffen, welche die Ausstellung besuchen, das Cafe Kosmopolite, Dijfftraat 33( sprich Deifftraat) aufzusuchen, woselbst fie Auskunft über Logis u. s. w. erhalten.

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- Sozialistische Presse und Literatur. Es geht uns ein Zirkulär zu, welches das Programm des demnächst herauskommenden ,, Westnik Narodnoi Woli"( Bote des Voltswille) enthält. Diese Zeitschrift wird von P. Lawroff und L. Tichomiroff- Letzterer war seiner Zeit Redakteur der Narodnaja Wolja  "- redigirt werden, und zwar im Wesentlichen im Sinne dieser Zeitung, d. h. sie wird von dem Gedanken ausgehen, daß um ein ersprießliches Wirken für den Sozialismus in Rußland   möglich zu machen, zunächst der russische Czarendespotismus gebrochen werden muß. Die bedeutendsten Kräfte der russischen Emigration haben ihre Mitwirkung an dieser Zeitschrift, der wir besten Erfolg wünschen, zugesagt. In der Schweiz   ist sie durch Charles Perron, 5 Rondpoint de Plainpalais, Genf   zu beziehen. Ferner liefen folgende Brochüren bei uns ein:

" La vérité sur la manifestation du 30 Juillet 1883". Eine sach­gemäße Darstellung der vielbesprochenen Genfer   Arbeitslosen Demon ftration, herausgegeben von dem Verein la jeune Suisse.)

2. Bertrand:" La Réforme electorale".( Eine höchst interessante Kritik des Wahlsystems in Belgien  , sowie eine Skizzirung des von Hrn. V. Arnould c. formulirten Wahlreformprojektes. Wir kommen ge­legentlich darauf zurück.)

*) Stöffer war damals noch nicht geadelt, erst nachher wurde ihm nebst seinen beiden Brüdern auf Grund eine alten wieder aufgefundenen Scharteke, inhaltlich welcher sein Urahn Hans Kaspar Stöffer von Kaiser Joseph I. in den Adelsstand erhoben worden war( das Abelsdiplom soll längere Zeit verloren gewesen sein) vom Großherzog Friedrich von Baden   erlaubt, sich von Stöffel schreiben zu dürfen.

Korrespondenzen.

Bielefeld  , 15. Juli. In letzter Zeit haben hier mehrere Bolts­versammlungen stattgefunden; die erste seit langer Zeit fand am 10. Jan. ftatt, Referent war Genosse Hasenclever, die Tagesordnung: Obligatorische Arbeitsbücher", und wurde eine Resolution, welche gegen die Einführung der Arbeitsbücher protestirte, einstimmig angenommen. Diese Resolution, welche als Petition zirkulirte, fand 3059 Unter­schriften.

Am 4. Juni fand die zweite von uns einberufene Versammlung statt, in welcher Genoffe Blos über die Sozialreform der Regierung referirte. Auch diese Versammlung fiel vollständig zu unsern Gunsten aus, und wurde namentlich den Konservativen, welche sich auch eingefunden hatten, gründlich heimgeleuchtet. Nun sahen sich auch unsere Gegner veranlaßt, Versammlungen abzuhalten. So wurde denn vom hiesigen Wahlverein der Fortschrittspartei eine Versammlung einberufen, in welcher Herr Waldom aus Berlin   referirte, und eine Versammlung fand auf Ver­anlassung des hiesigen christlich- patriotischen Männervereins statt; aber auch in diesen Versammlungen waren wir auf dem Posten, um mit unsern Gegnern zu kämpfen und unsern Standpunkt zu vertreten. Auch der ,, Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke" hielt in der Erho­lung" eine Versammlung ab, in welcher Lammers aus Bremen   und Pastor W. Bodelschwingh, der Gründer der berüchtigten Arbeiter­Kolonie Wilhelmsdorf, über das Uebel der Trunksucht, welches in den Arbeiterkreisen vorhanden sei, lamentirten, dagegen den Mißbrauch, welcher in ihren eigenen Gesellschaftskreisen mit geistigen Getränken ge­

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Alle diese Versammlungen haben zur Förderung unserer Sache bei­getragen und wieder mehr Leben in unsere Bewegung gebracht; außerdem haben sich hier in Bielefeld   Dinge ereignet, welche noch mehr Aufregung hervorgerufen haben, als 20 Boltsversammlungen thun könnten.

Der Vollziehungsbeamte für die hiesigen städtischen Kaffen, Beider­beck, wurde vor einiger Zeit in unserer Nachbarstadt Herford  , in einem Bache liegend, todt aufgefunden. Beiderbeck wurde von den hiesigen Beamten als pflichtgetreuer Beamter geschildert. Derselbe habe sich jedenfalls an dem betreffenden Bache die Stirn mit Wasser fühlen wollen und sei dann vielleicht(!), vom Gehirnschlag betroffen, hinein­gefallen. Doch bald nach seinem Tode stellte es sich heraus, daß Beider­beck die ihm zur Ablieferung mitgegebenen Steuerbeträge nicht abgeliefert hatte. So erhielten mehrere hiesige Wirthe, welche ihre ziemlich hohen Steuerbeträge Beiderbeck mitgegeben hatten, nochmalige Zahlungsauf­forderung, ja sogar für Steuerbeträge, welche schon vor zwei Jahren fällig und an Beiderbeck bezahlt waren. Es soll und wird doch jedes Jahr Kaffen Jahresschluß gemacht, wie nun die hiesige Kaffen­verwaltung solche Jahresschlüsse machen konnte, ohne daß die Kaffen. verhältnisse in Ordnung waren, und wie der Magistrat, sowie das Stadtverordnetenkollegium solche Jahresabschlüsse santtioniren fonnte, ist uns unbegreiflich. Wir verlangen daher Rechenschaft darüber, und fordern die Regierung auf, die Sache gründlich zu untersuchen! Es ist unbedingt nöthig, daß die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein zweites, noch mehr Aufsehen erregendes Ereignißist das Durchbrennen des hier in Bielefeld   angestellten Polizeisergeant Niederée, der am 1. d. M., seine im Sterben darniederliegende Frau, seine fünf unmün­digen Kinder und eine ungeheure Schuldenlast zurücklassend, Bielefeld  zimmer mitgenommen. Schon im Juni 1881 nahm Niederée einen den Rücken kehrte. Wie es heißt, habe er sogar ein anderes Frauen­mehrtägigen Urlaub, angeblich, um seine in Wiesbaden   wohnende Mutter und Geschwister zu besuchen. Doch die Zeit seines Urlaubs verstrich und Niederé: tam nicht wieder. Es fanden sich auch bald Gläubiger von ihm ein, deren sehr viele waren, fällige Wechsel wurden vorgezeigt, und es stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, wie viel Schulden dieser saubere Patron ungefähr hatte bekanntlich sollen Beamte keine Schulden haben!

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heraus, daß er gar nicht in Wiesbaden   gewesen sei, sondern in London  , Doch eines Tages tam Niederée wieder zum Vorschein und sagte frei gehabt, daß er eine reiche Erbschaft gemacht hätte und solle er nur ein Freund von ihm, welcher in London   wohnte, hätte ihm geschrieben tommen. Doch habe ihn dieser dann im Stich gelassen, und so sei er wieder zurückgekommen, Niederée war also wieder da, und was wohl taum ein Mensch für möglich gehalten hätte, geschah, der ärgfte Schurte und Betrüger wurde wieder in sein Amt als Polizeisergeant eingesetzt und spielte wieder den Wächter der Sicherheit, des Eigenthums und der Sittlichkeit!

Ungefähr um dieselbe Zeit wurde ein armer Briefträger, welcher den Betrag, den er bei seiner Anstellung als Kaution hinterlegen mußte, sich von einem Anderen geborgt hatte, als dies zu Ohren des Postdirektors tam, sofort feines Dienstes entlassen, mit der Motivirung, ob er nicht wisse, daß Beamte teine Schulden haben dür fen! Der arme Briefträger, der sogar gerade im Begriff war, das Darlehen zurückzuzahlen, wurde sofort aus seinem Dienst entlassen, es war eben ein Proletarier, während Niederée, dessen Schuldbetrag wohl über hundert Mal größer war, als der des armen Briefträgers, wieder in sein Amt eingesetzt wurde, denn er hatte gezeigt, daß er das Schwin­deln und Betrügen im Großen verstand und daher zu einer solchen Stel­lung würdig war.

Auch dem schönen Geschlechte war der Edle sehr zugethan: ob ver­heirathet oder unverheirathet, war ihm gleich, er liebte sie Alle, wenn sie nur ihm gegenüber gefällig waren. Einen solchen Mann konnte diese Gesellschaft gebrauchen, den mußten sie auf alle Fälle zu halten suchen. So wurden auch die Gläubiger des Niederée beordert, an einem Sonn­tag Vormittag auf's Polizeibureau zu kommen, wo dann der hiesige Polizei Jnspektor König mit ihnen unterhandelte, daß sie die Hälfte ihrer Forderungen abließen; jedoch auch diese Hälfte bezahlte Niederée nicht, sondern borgte und schwindelte wieder von Neuem darauf los. War er doch wieder in Amt und Würden, und keiner seiner Gläubiger wagte, ernsthaft gegen diesen Buben vorzugehen; sie mußten vielmehr ehrerbietig grüßend den Hut vor ihm abziehen, wenn sie nicht jeden Tag Polizeiftrafen bezahlen wollten. Wir verlangen auch hierüber Rechenschaft, wie man einen so großartigen Schwindler und Be­tritger, deffen Schwindeleien und Betrügereien, sowie auch sein sonstiger Lebenswandel seinen Vorgesetzten sowohl, wie der Deffentlichkeit bekannt waren, wieder als Wächter der Ordnung, des Eigenthums und der Sittlichkeit anstellen konnte!!!- Die Stimmung, die darüber in den Volkskreisen herrscht, ist eine für die jetzigen Säulen der Ordnung gerade nicht günstige, und der Glaube an die öffentliche Sicherheit hat dadurch einen gewaltigen Stoß bekommen!

Niederée stolzirte also wieder wie ein Ehrenmann(?) umher, und noch erst kürzlich waren für denselben in einer geheimen Sizung( jeden­falls für seine verdienstvollen Leistungen) 300 Mart bewilligt worden! So geht man mit unsern Geldern um.

Jezt ist der Kerl am 1. d. M. auf's Neue durchgebrannt, während seine Frau im Sterben lag( dieselbe ist inzwischen gestorben); seiner todtkranken Frau, seinen fünf unmündigen Kindern, sowie seiner alten Schwiegermutter, welche zur Pflege seiner Frau bei ihm war, hat diese Bestie nicht einen Pfennig zurückgelassen! Sein Schuldenbestand hat sich nur insoweit verändert, als der Schuldenbetrag jezt wohl doppelt so groß ist, wie bei seinem ersten Durchbrennen.

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Die hiesigen Zeitungen erwähnen diesen empörenden Vorfall mit keiner Silbe, sondern hüllen sich vielmehr in tiefes Schweigen! Dadurch, daß sie diesen Vorfall vertuscht, macht sich die Preffe eines großen Vergehens schuldig wenn ein Arbeiter sich einmal irgend etwas zu Schulden kommen läßt, dann sind die Herren gleich bei der Hand, um das aus­zuposaunen, und dann ist der Betreffende gewöhnlich ein Sozialdemokrat ob es wahr ist oder nicht. Niederée aber war ein tönigstrener Beamter und ein Hauptmitglied der Mordverherrlichungsvereine, welche sich Krieger, Landwehr- und Reservevereine nennen. Ihn konnten fie daher nicht als Sozialdemokrat hinstellen, und deshalb das große Schweigen. Obwohl Niederé: strafbare Handlungen genug begangen hat, wird weder polizeilich noch gerichtlich etwas gethan, um seiner hab haft zu werden; jetzt ist hier das Gerücht verbreitet, daß Niederée fich in München- Gladbach gestellt habe, was behördlich hierher berichtet sei, die hiesige Behörde habe aber zurückgeantwortet, man wolle ihn hierher gar nicht haben, sondern man solle ihn nur laufen lassen. Dies wird von mehreren jetzt noch hier im Dienst stehenden Polizeibeamten bestätigt, welche noch hinzufügen, daß kein Grund zur Verhaftung Niederée's vor­läge!

Niederée hat außer seinen vorbemerkten Schurtereien auch noch Polizei­Strafgelder einkassirt und nicht abgeliefert, ferner hat er zivilberechtigten Personen ihre Zivilversorgungsscheine abgeschwindelt unter der Vorgabe, für sie das Geld mitbringen zu wollen; das Geld hat er denn auch empfangen, aber nicht abgeliefert, auch hatte er wieder Wechsel im Umlauf, welche jetzt fällig wurden, aber in Folge seines Verschwindens