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Fragen durch Blut und Eisen." Warum soll Gott  " nun nicht auch dafür sein, daß die Arbeiterfrage auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege gelöst werde? Wir vermessen uns nicht, diese Möglichkeit zu bestreiten.

Jedenfalls haben unsere gottesgläubigen Gegner kein Recht, die gewaltsame Revolution als etwas Unerhörtes hinzustellen. Und wenn sie es im nächsten Jahr, wo die Verlängerung des Sozialistengesetzes zur Debatte stehen wird, doch wagen sollten, bann wird man ihnen entgegenrufen:

Nur gemach, Ihr Herren! Denkt zunächst über Eure eigenen Lehren und Thaten nach! Eure ganze Herrlichkeit verdankt Ihr der gewaltsamen blutigen Revolution. 1866 war nichts anderes als eine Revolution Preußens gegen den Bundestag, Ströme von Blut flossen, Throne wurden umgestürzt, Verfassun gen zerrissen. Ohne 1866 aber fein 1870, in welchem Jahre das Wert der Revolution vollendet wurde, d. h. Eurer Revo­lution. Wie Ihr da über uns zu Gericht fißt, Bundesrath und Reichstag  , Reichskanzler und Reichskommissäre Ihr habt keine anderen Rechstitel vorzuweisen, als die nackte Gewalt, als die brutale Theorie von Blut und Eisen!

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Mit welcher Stirn wagt Ihr es, dem Volke das Recht auf Revolution streitig zu machen?!

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich  , 5. September 1883.

- Drei Tage Reichstag   gespielt. Das alte: Schwer ist's, feine Satire zu schreiben," ist zu schwach, um den Eindruck wiederzugeben, ben die Berichte über die Reichstagsverhandlungen vom 30. Auguft bis 1. September nebst ihrem Vorspiel, der Thronrede vom 29. August, auf jeden unbefangenen Leser hervorgebracht haben. Unmöglich ist's, teine Satire darüber zu schreiben, oder vielmehr, der Bericht selbst ist die schärffte Satire auf das Jammergeschöpf, welches man deutschen   Par­lamentarismus nennt.

In der That, Bismarck   hat nichts Gescheidteres thun können, als dem Reichstag   die Genugthuung zu verschaffen, ihm den deutsch  - spanischen Handelsvertrag nachträglich zur Genehmigung vorzulegen. Natürlich wurde er genehmigt, und gerade das Wie ist der Humor davon. Die chriftlichen Schnapsbrenner beider Konfeffionen stimmten natürlich dafür und erklärten, eine ausdrückliche Indemnitätserklärung sei gar nicht nöthig, Bismarck   habe von der Klinke der Gesetzgebung" einen Gebrauch gemacht, wie er besser nicht gedacht werden kann. Die Nationalliberalen und ihre abtrünnigen Brüder, die Sezefsionisten, waren so entzückt, der Regierung Indemnität  ( Straflosigkeit) ertheilen zu dürfen, daß sie für Alles gestimmt hätten, was man von ihnen verlangte, und die Fortschrittler, als echte Verfassungshelden, stimmten gegen die Indemnität, wofür Bis­mard sich bekanntlich nischt tooft", und für den Vertrag, gaben also Bismard de facto Recht. Desgleichen natürlich ihr rechter Flügel, die Boltsparteiler.

Nur die Sozialdemokraten blieben konsequent und versagten sowohl dem unrechtmäßig zu Stande gekommenen und die Intereffen der Herren Schnapsbrenner ganz einseitig und unter Verletzung verfassungsmäßig eingegangener Verpflichtungen bevorzugenden Handelsvertrag, als auch selbstverständlich der nachträglichen Billigung einer derartigen Manipula­tion mit der ,, Klinke der Gesetzgebung" ihre Stimme. Die schneidigen, rückhaltlosen Voten von Bebel und Vollmar bilden einen wohl­thuenden Gegensatz zu dem hohlen Pathos der Fortschrittshelden Hänel und Richter. Es gab gar keinen anderen Weg, die Rechte der Volksver­tretung zu wahren, als einem unter Mißachtung derselben zu Stande ge­tommenen Gesetz die Zustimmung zu versagen, und es ist eine sehr schwächliche Politit, um eines momentanen Vortheils willen die wichtigere Sache preiszugeben. Die deutschen   Arbeiter haben es von jeher verschmäht, für einen hingeworfenen Brocken ihr gutes Recht zu verschachern. Das hat ihnen die Achtung selbst ihrer bittersten Gegner zugezogen der hohe Reichstag zog es natürlich vor, den Brocken dank­bar anzunehmen, d. h. fich unsterblich zu blamiren.

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Aber mit dieser einen Blamage war es in den historischen drei Tagen noch nicht gethan. So billig thun es die deutschen   Reichsboten nun ein­mal nicht. Sie mußten sich noch eine zweite holen.

Eine der schönsten Pflanzen auf dem Sumpf des deutschen   Parlamen­tarismus betitelt sich Interpellation. Interpelliren heißt zur Rede stellen. Eine Interpellation an sich wäre somit eine recht hübsche Sache: warum soll die Voltsvertretung nicht einen Minister gelegentlich zur Rede ftellen?

In der Theorie ganz recht, in der Praxis macht sich die Sache aber anders.

Wenn Hans dem Peter einen Fußtritt verabfolgt, so wird Peter in der Regel den Hans beim Kragen nehmen und Genugthuung verlangen, bezw. wenn er sie nicht erhält, dem Hans mit doppelter Münze heim­zahlen. Fühlt er sich zu schwach dazu und steckt er deshalb den Fußtritt ruhig ein, so ist das zwar nicht gerade ehrenvoll für ihn, aber auch just teine allzugroße Schande. Mehr als er vermag, soll man von Niemand verlangen. Unendlich lächerlich wird sich jedoch Beter machen, wenn er als Antwort auf den Fußtritt nun mit Hans einen Disput über Fuß­tritte im Allgemeinen, den ihm verabfolgten im Besonderen, über die Stärke dieses Fußtrittes u. s. w. anstellen wollte.

Dieses lettere Verfahren aber entspricht bis auf's Haar einer Inter­pellation im deutschen   Reichstage.

Und so bietet denn die Verhandlung über die Interpellation Rickert, betreffend die bekannte Verzögerung der Nachwahl im Lieben­werda- Tropauer Wahlkreise, das erhebende Bild einer Disputation der Liberalen mit dem Minister, ob er ihnen einen Fußtritt versetzt habe, wie start der Fußtritt gewesen sei, ob der Fußtritt überhaupt nöthig gewesen sei u. s. w. Dem Minister die einzig gebührende Antwort auf seinen Fußtritt zu geben, das verbietet die Praxis des deutschen  Reichstages. Nicht einmal zu einer Resolution schwingen die Herren fich auf.

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Drei machen ein Kollegium. Und als dritte That" des Reichstages während der drei Tage ist die Kenntnißnahme der Dent­schrift der sächsischen Regierung über die Verlängerung des fleinen Be­Lagerungszustandes über Leipzig   und Umgebung zu verzeichnen. Diese ,, Dentschrift" ist ein wahres Unikum, was bei den bisherigen Leistungen auf diesem Gebiet sicher etwas heißen will. Die gute sächsische Regie­rung erklärt nämlich, daß die Leipziger   Amtshauptmannschaft den Kleinen habe verlängern müssen, weil

1) im Laufe des letzten Jahres 13 Personen aus Leipzig   und Umge­bung ausgewiesen worden sind!

2) 65 Gesuche um zeitweilige Rüdkehr eingereicht wurden, was er­tennen läßt, daß die Ausgewiesenen alle Beziehungen zu dem Banubezirk nicht einmal aufzugeben versucht haben. Es ist auch unerhört, daß die Ausgewiesenen nicht sofort jede Verbindung mit ihren Verwandten, Freunden zc. abgebrochen haben!

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3) weil die Leipziger   Polizei drei Sendungen des Sozialdemokrat" abgefaßt habe, welche schon durch die große Anzahl der Exemplare den Beweis lieferten", daß sie nicht für Leipzig   und Umgebung berechnet sein fonnten, und zeigten, daß die Partei in Leipzig   über eine größere Anzahl von Anhängern verfügt, die sich trotz der vor der Auswei. sung bestehenden Furcht mit dem Vertriebe von ber

botenen Parteischriften befaßt." Weil also trotz dem Be­lagerungszustand in Leipzig   der Weizen unserer Partei blüht, so wird deshalb der Belagerungszustand verlängert. Eine Logit, der Nichts zu widerstehen vermag;

4) weil der ,, Sozialdemokrat" über alle in Leipzig   paffirenden Polizei- 2c. Schurtereien prompt unterrichtet ist, was nur durch weitverzweigte, in die verschiedensten Bevölkerungstreise sich erstreckende Verbindungen, vermittelt sein kann";

5) weil Bebel und Liebknecht und neuerdings zwei der thätigsten Mit­glieder der Partei sich in einem kleinen Dorfe unmittelbar an der Grenze des Bannbezirks niedergelassen haben." Es ist auch unverzeihlich, daß die Genannten nicht sofort nach dem Nord- oder Südpol   verzogen, sondern möglichst in der Nähe von ihren Familien blieben!

6) weil Vollmar im Reichstag erklärt habe, daß durch die Verfolgungen unsere Partei auch in der Wahl ihrer Mittel immer immer revolutionärer werde.( Siehe den Leitartikel.)

Auf dieses halbe Dugend Gründe gaben unsere Genossen durch Voll­mar folgende vortreffliche Erklärung ab:

Die Unterzeichneten erklären, daß sie teine Beranlaffung finden, auf eine nähere Erörterung der angeblichen Gründe einzugehen, welche die töniglich sächsische Regierung wegen der Erneuerung des Kleinen Belage rungszustandes über Leipzig   und Umgegend in der gegenwärtigen außer­ordentlichen Session hat zugehen lassen und zwar 1) weil diese so­genannten Gründe eine theilweise wörtliche Wiederholung früherer ähn licher Kundgebungen über denselben Gegenstand find, welche die Unter­zeichneten niemals als eine Rechtfertigung für die verhängten rigorosen, dem Rechtsgefühl widersprechenden Maßregeln anerkennen werden; 2) weil die sogen. Gründe, insofern sie neue Momente enthalten, fich in viel befferer, gründlicherer und wirksamerer Weise beleuchten lassen, wenn in der nächsten ordentlichen Session die Verlängerung des Ausnahme­gesetzes vom 21. Oftober 1878 zur Berathung kommt; 3) weil dies nach Ansicht der Unterzeichneten auch die beste Gelegenheit ist, die auf Grund des§ 28 des Sozialistengefeges wider eine Anzahl ihrer Partei­genoffen seitens der fächsischen Regierung angewandten Maßregeln in das rechte Licht zu setzen und gebührend zurückzuweisen. Im Uebrigen ton­ftatiren die Unterzeichneten mit großer Genugthuung, daß der Inhalt dieser angeblichen Rechtfertigungsschrift unwiderleglich darthut, wie der über Leipzig   und Umgegend verhängte Ausnahmezustand trotz seiner nun schon mehr als zweijährigen Dauer die von der königlich sächsischen Regierung beabsichtigte Wirkung verfehlt hat, in wie hohem Maße die sozialistische Bewegung in und um Leipzig   ans der wider fie in Szene gesetzten Verfolgung neue Nahrung gesogen hat, wie sie heute intensiver ist, als je vorher. Die fächsische Regierung muß wider ihren Willen dieselbe Wirkung ihrer Ausnahmemaßregeln zu geben, welche der im März d. J. in Kopenhagen   stattgefundene Kongreß der sozialdemokratischen Partei Deutsch­ lands   anerkannt hat, indem er den Parteigenossen in Leip­ zig   und Umgegend, gleichwie denen in den Belage­rungszustandsgebieten von Berlin   und Hamburg  seine volle Anerkennung für die vortreffliche Hal. tung ausgesprochen hat, durch die sie die Unter­drückungsmaßregeln der Regierungen wirtungslos gemacht haben."

Die Vertreter des Parlamentarismus aber nahmen die Denkschrift schweigend zur Kenntniß". Alsdann erhoben sie sich und ließen den Kaiser, der sie durch seine Minister nach allen Regeln der Kunst zum Besten halten läßt, dreimal hochleben!

Hierauf gingen sie befriedigt auseinander, denn dem deutschen   Parla­mentarismus war eine eklatante Genugthuung widerfahren. Unverschämt sind die Herren, wie man sieht, gerade nicht.

- Die prinzipienfeste Saltung der Sozialdemo fraten gegenüber den sächsischen Landtagswahlen, schreibt man uns aus Sachsen  , ist den Herren Volksparteilern, und namentlich der Frankfurter Zeitung  ", sehr unangenehm. Von dem Be­schluß der sächsischen Landesversammlung, welcher die direkte oder indirekte Unterstützung von Kandidaten, die anderen Parteien angehören, grund­sätzlich verwirft, sagt das Organ des Herrn Sonnemann:

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,, Gründe sind nicht beigefügt; es dürfte aber auch schwer gewesen sein, einen solchen höchst unpraktischen Beschluß nur dürftig zu motiviren. Durch denselben stellt sich die Sozialdemokratie das entschiedenste Armuths­zeugniß aus: fie dankt als Partei, welche die Beweggründe ihres poli­tischen Handelns aus politischen Gesichtspunkten schöpft, einfach ab, und. deklarirt sich als eine lediglich durch den Fanatismus beherrschte Sette." Wenn die Sozialdemokraten in diesem Fall aus reiner Prinzipien­reiterei", oder aus Fanatismus, oder persönlichem Haß gegen einzelne Individuen diesen Beschluß gefaßt hätten, und wenn dieser Beschluß dem Jntereffe der Sozialdemokratie zuwiderliefe- dann das geben wir unbedenklich zu wäre das Urtheil der Frankfurter Zeitung  " ein be­rechtigtes. Aber treffen diese Bedingungen denn zu? Unsere Partei hat bei taufend Gelegenheiten bewiesen, daß sie, trotz unbeugsamen Fest­haltens am Parteiprinzip und am Parteiprogramm, gegen die Erwägungen der praktischen Politik keineswegs taub ist; und die Fortschritte, welche die Partei seit ihrem Entstehen und eigentlich auch unter der, durch das Soziali stengesetz geschaffenen überaus schwierigen Lage fortwährend ge­macht hat, liefern an sich schon einen schlagenden Beweis dafür, daß die deutsche Sozialdemokratie die Verhältnisse richtig auffaßt und auszu nutzen versteht. Sollte sie hier auf einmal den Sinn für ihr eigenes Interesse verloren, und es in schnöder Verblendung unter die Füße getreten haben?

Die Frankfurter Zeitung  " bejaht dies, weil sie annimmt, die Haltung der sächsischen Sozialdemokraten würde zur Folge haben, daß bei den bevor steh enden Landtagswahlen in mehreren Wahlkreisen statt der fort­schrittlichen oder demokratischen Kandidaten, die konservativen ge­wählt würden. Diese Annahmet nun zweifellos richtig. Aber was haben wir denn dabei zu verlieren?

Die, fortschrittlichen" Kandidaten würden für Beseitigung der Härten des Sozial iftengefeßes, für gerechtere Vertheilung der Steuerlaft gestimmt haben, und das wäre doch entschieden von Vortheil für die sächsischen Sozialdemokraten gewesen, meint die Frankfurter Zeitung  "; und sie meint weiter, die, Dank der traurigen Perversität"( Verkehrtheit) der sozialdemokratischen Taktik gewählten Reaktionäre würden das Wahlrecht beschränken, die Polizeizügel noch straffer anziehen, kurz den thörichten Sozialde mokraten eine recht schlimme Situation schaffen. Nun

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die Frankfurter Zeitung  " mag fich über unser bevorstehendes Unglüd tröften es ist nicht so schlimm; fie befindet sich mit ihrer Auffassung der Dinge und Perforen vollständig auf dem Holzweg. Wie wir ihr bereits früher gesagt haben, ist die Zahl derjenigen ,, Fortschrittler" oder Demokraten  " in Sachsen  ( und in andern Ländern ift's ebenso), welchen es mit den freiheitlichen Forderungen" ernst ist, außer ordentlich gering. Wenn wir sagen, daß ihrer in ganz Sachsen  drei Dutzend find, so haben wir schon hoch gerechnet. In dem wirth­schaftlich so hoch entwickelten Sachsen   ist der Zusammenhang der wirthschaftlichen und politischen Fragen dem Volte, den Massen tiar geworben, und wer Demokratif, int auch Sozialdemokrat. Außerhalb der Sozialdemo tratie is in Sachsen   tein Raum für eine Partei mit wahrhaft, freiheitlichen Forderungen". Dies wird uns von Jedem, der mit den sächsischen Verhältnissen nur einigermaßen ver­traut ist und nicht in einer Athmosphäre von Vorurtheilen und Selbst­täusch ungen lebt, rückhaltlos bestätigt werden. Es ist wahr es gibt auch außerhalb der Sozialdemokratie einige Leute, die sich für ehrliche Demokraten halten und es vielleicht auch find allein das sind doch blos solche Leute, denen die Fähigkeit logischen Dentens

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abgeht, die von dem organischen Zusammenhang der politischen und ökonomischen Formen und Bildungen teinen Begriff haben. Und diese guten Menschen und schlechten Musikanten", die zum Glück sehr dünn gesät find, bilden nicht eine Partei, sondern nur die Frankfurter Zeitung  " mag uns die ,, Retourtutsche" nicht übel nehmen! eine winzige, für den politischen Parteikampf und die gegenseitigen Stärkeverhältnisse gar nicht in Be tracht kommende Sette" falls nicht auch dieser Tadel noch etwas zu schmeichelhaft sein sollte.

Sehen wir aber von der Handvoll Leute ab, die sich in der aus­wärtigen Preffe in selbstgeschriebenen Artikeln als Partei" aufzuspielen lieben und in Wirklichkeit Nichts sind so bleiben uns als Bekenner freiheitlicher Jdeen" nur diejenigen Reichsbürger übrig, die unter dem Banner des Nationalliberalismus, der Sezesfion und des offiziellen Fortschritts" marsciren. Daß die Herren National­liberaleu teine Ansprüche( praktischer oder theoretischer Art) auf fozialdemokratische Stimmen haben, das wird die Frankfurter Zeitung  " uns wohl ohne Weiteres zugeben. Was die Sezessionisten betrifft, fo haben wir noch teine Gelegenheit gehabt, fie im sächsischen Landtag zu beobachten, wir wollen aber den günstigsten Fall annehmen: daß sie mit der Fortschrittspartei Hand in Hand gehen. Wohlan, weiß die " Frankfurter Zeitung  " nicht, daß sich in der vorigen Landtagssession nicht ein einziger Fortschrittler auch nur für die Diskussion der sozialdemokratischen Interpellationen, betreffend den Leipziger   Belagerungs­zustand und die Polizeiwillkür  ( Ausweisungen 2c.) im Allgemeinen erhob? Weiß die Frankfurter Zeitung  " nicht, daß die Fortschrittler im säch fischen Landtag  , seit Sozialdemokraten in demselben sind, sich einmüthig jeder von sozialdemokratischer Seite vorgeschla genen Maßregel zur Herbeiführung freiheitlicher Zustände( von sozial­demokratischen gar nicht zu reden) widersetzt haben, und außer wo ihr eigenes bürgerliches Tascheninteresse in Frage tam mit der fonservativen und reaktionären" sächsischen Regierung durch Dick und Dünn gegangen sind?

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Wußte die Frankfurter Zeitung  " dies nicht, je nun, so weiß fie es jetzt. Wußte fie es, so begreifen wir nicht, wie sie überhaupt uns nur zumuthen konnte, für solche Leute zu stimmen.

Nein die sächsischen Sozialdemokraten haben nicht bloß prinzipien­richtig, sondern auch praktisch- torrekt gehandelt, indem sie alle Gemeinschaft mit den liberalen" Parteien( Fortschrittler und Demo­fraten" mit eingeschlossen) von sich wiesen. Die nachtheiligen" Folgen ihres Handelns, welche die Frankfurter Zeitung  " vorausfieht, existiren nur im Hirn der Frankfurter Zeitung  ; dagegen würden die nachtheiligen Folgen einer prinzipwidrigen Haltung unserer Partei sehr realer Natur" gewesen sein, und wäre durch Ver schiebung der Parteigrenzlinien und fompromiß­lichen Verwässerung des Prinzips und Programm die intensive Festigkeit und Disziplin unserer Partei schwer geschädigt worden.

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Unsere Herren Gegner freundliche" und unfreundliche- dürfen überzeugt sein, die deutsche Sozialdemokratie weiß, was sie will, und weiß, was ihr frommt. Die Rathschläge und guten Wünsche poli tischer Gegner find aber immer verdächtig.

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Hunted down

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niedergehegt, solange gejagt, bis das Wild athem- und hilflos am Boden liegt ist der Titel einer bekannten Sensationsnovelle des englischen Novellisten Dickens  ( Boz). Ein Verbrecher, der mit raffinirter Schlauheit alle Schutzmaßregeln ge troffen und sich vor Entdeckung vollkommen sicher glaubt, merkt bald, daß er sich in seinen Berechnungen getäuscht hat und ihm die Geheim polizei auf der Spur ift. Nun beginnt eine lange Hezjagd, die schließlich da alle Liften und Kniffe, die Bluthunde des Gesetzes von der Spur ab zubringen, umsonst sind, mit der Niederheßung des Wildes endet, das sich den Verfolgern ergeben muß und der Strafe verfällt. Der Held" dieser Novelle ist ein Verbrecher trotzdem fühlen wir Sympathie für ihn und empört uns diese grausame Jagd von Menschen auf Menschen in innerster Seele. Wie nun aber erst, wenn das gehegte Wild unschuldig ist, kein Verbrecher, sondern im Gegentheil ein Mensch, der nur deshalb verfolgt und gehetzt wird, weil er seinen unglücklichen, unterdrückten und ausgebeuteten Menschen hat helfen wollen und dadurch den Zorn der Unterdrücker und Ausbeuter auf sich geladen hat? Namentlich seit Jukrafttreten des infamen Sozialistengesetzes haben wir zahlreiche Fälle dieser Art erlebt, von denen auch manche im Parteiorgan veröffentlicht worden sind. Es ist aber nothwendig, daß jeder neue Fall solch' schmach­voller Menschenjagd auf Unschuldige an's Licht gezogen werde, um glühen­den Zorn und Durst nach Vergeltung in der Brust eines Jeden, dessen Rechtsinn und Menschlichkeit noch nicht in Selbstsucht untergegangen ist, zu erwecken und zu nähren. Einen besonders empörenden Fall wollen wir heute den Lesern vorführen.

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Ein sozialdemokratischer Arbeiter, fleißig und tüchtig in seinem Ge­schäft, wird eines Abends in Gesellschaft mehrerer anderer Arbeiter, mit denen er sich im Wirthshaus unterhält, von der Polizei überfallen, die eine geheime Versammlung" entdeckt zu haben behauptet. Nach obligater Untersuchungshaft kommen die Leute vor Gericht. Den Behauptungen der Polizei wird geglaubt( natürlich!), das Gericht verurtheilt mehrere der Angeklagten, darunter auch unseren Arbeiter, zu einer Gefängniß­ftrafe. Nach ,, Verbüßung" derselben will er seine Arbeit wieder auf­nehmen der Polizei paßt es aber nicht( es gibt ihr zu wenig ,, Baga­bunden") sie weist ihn als Ausländer" aus. Nicht genug damit, schreibt sie ihm auf seinen Heimathschein( dieser Akt der Polizeitragödie spielt in Bayern  ), daß er wegen Zuwiderhandlung gegen das Sozialisten­gesetz ausgewiesen sei. Und jetzt beginnt die Jagd. Unser Arbeiter ift geächtet, den sämmtlichen deutschen   Polizeimenten zur Hatz denunzirt. Wohin er kommt, muß er den Heimathschein vorzeigen, der ihm ein Uriasbrief wird. Ist die Polizei gnädig, so geht sie blos zu seinem Meister, warnt diesen vor dem bösen ausgewiesenen Sozialdemokrat, und das hat unfehlbar zur Wirkung, daß der Gehetzte nach einem oder wenigen Tagen aus Arbeit und Brod ist. Ist die Polizei aber nicht gnädig, so weist sie sofort, nach Einsichtnahme des Uriasbriefes, den Geächteten aus. Manchmal macht sie freilich auch zur Abwechslung eine Ausnahme: fie wartet, bis er Arbeit gefunden und sich sicher zu fühlen anfängt dann schickt sie ihm eine Vorladung zu und jagt ihn Knall und Fall zur Stadt hinaus. Da hilft keine Remonftration, kein Appell an das famose " praktische Christenthum" der Mann wird weitergehetzt, muß wandern und darf nur dann und wann einmal auf furze Zeit im Polizei­gefängniß ausruhen, wenn er sich beim Betteln und Landstreichen" hat erwischen lassen. Denn betteln", d. h. sich auf seinen Märschen hier und da ein Stück Brod fordern muß er, weil er von der Luft nicht leben und, Dank der Polizei, auch nichts verdienen kann; und durch das ,, Land streichen" muß er, weil die Polizei ihn nirgends wohnen läßt, ihn gewaltsam zur Landstreicherei" und zum Vagabundenthum" zwingt. So geht es bereits über 6 Monate. Der Unglückliche ist schier verzweifelt. Wie das enden wird? Je nun, aller Berechnung nach gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder rafft das gehetzte Wild seine letzte Kraft zusam men, stellt sich seinen Verfolgern und begeht, was man ein ,, Verbrechen" oder er bricht zusammen hunted down und stirbt als Landstreicher an der Landstraße oder in irgend einem Polizeigefängniß oder im Armenspittel. Wer ist aber Schuld daran, wenn der Mann zum Verbrecher wird oder dem Hunger und den Entbehrungen erliegt? If nicht die Polizei die Verbrecherin, die Mörderin? Hand auf's Herz, Ihr Gegner, wer von Euch will dies verneinen? Wir haben heute den Namen des Gehetzten noch nicht genannt es ist ja immerhin möglich, daß er den Bluthunden des Gesetzes" noch entschlüpft, und da wollen wir seine Chancen nicht durch vorzeitige Ver öffentlichung mindern.

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