Wenn man dieses widerspruchsvolle Gefasel lieft, setzt der Chicagoer Vorbote" hinzu, so sollte man meinen, daß Bunsen   ein beschränkter Schafskopf sei, und doch ist er einer der bedeutendsten Diplomaten Deutsch­ lands  .

Man stelle die folgenden Auszüge Wir haben das freie und allge­meine Wahlrecht, welches Jedem gestattet, seinen Anschauungen freien Ausdruck zu verleihen.

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neben einander und vergleiche fie:

,, Sobald ein Redner in einer Versammlung über sozialistische Lehren spricht, faßt ihn die Polizei beim Kragen und hebt die Ver­sammlung auf..."

Woher weiß denn der Herr, daß der Sozialismus teine prominente Frage ist?( Für ihn, den wohlgenährten Bourgeois, ist er es freilich nicht.) Gibt es wohl überhaupt eine prominentere Frage als die Lebensfrage?... Sie erscheint uns sogar noch prominenter" als das Drei Jdioten oder Kaiser- Bündniß, oder die orientalische und ähnliche Fragen".

Dann sagt der Ausbund von Weisheit, der Sozialismus sei eine Krankheit, die sich durch die oben bereits angeführten Mittel kuriren laffe. Wir verzeihen ihm diese Begriffsverwechslung. Die Krankheit, von der er spricht, heißt Armuth! Der Sozialismus ist das Heil­mittel gegen diese allgemeine und furchtbare Seuche.

Wenn der Herr dann zum Schluffe sagt, daß in Amerika   kein Boden für den Sozialismus ist, so ist das von einem Menschen, der kaum eine Woche im Lande ist und sich während dieses Zeitraumes unter unsern Didbäuchen herumgenaffauert hat, eine unverschämte und anmaßende Be­hauptung. Nachdem er oben das Vorhandensein einer gesellschaftlichen Krankheit, die wir Armuth nennen, zugestanden, fragen wir ihn, ob diese Krankheit auch in Amerika   existirt. Wenn hier Armuth herrscht, dann ist auch das Heilmittel dagegen, der Sozialismus, berechtigt. Diese Berechtigung kann überhaupt nicht mehr, am wenigsten aber von einem " Greenhorn", in Frage gezogen werden, denn der Sozialismus hat in dem amerikanischen   Volke bereits tiefere Wurzeln geschlagen, als vielleicht in irgend einem anderen, trotz aller gegentheiligen Behauptungen!- Jenen Frei- Lunch- Gardisten möchten wir anrathen, über die Billard'sche Speise- und Weinkarte, statt über Dinge zu sprechen, von denen sie ein­fach nichts verstehen."

Sehr derb gegeben, aber sehr berechtigt. Wenn Herr von Bunsen das Glück haben sollte, seinen Busenfreund Fritz noch einmal auf dem Thron zu sehen und alsdann eine maßgebende politische Rolle zu spielen, dann werden wir gespannt sein, zu erfahren, wie er es anfängt, in der Aera der kapitalistischen   Riesenproduktion alles zu beseitigen, was das Fort­tommen der Menschen hindert". Wenn das Fortkommen" nur nicht im Sinne des wegkommen zu verstehen ist!

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- Das Fiasto der Hirsch Dunter'schen Gewerkvereine ist vollständig. Nicht genug, daß für die famose Verbands- Invaliden­taffe" die Karrenzzeit von 2 auf 15 Jahr erhöht worden ist, haben die Mannen des Herrn Hirsch jetzt noch beschlossen, den nach diesem Beschluß ( dem bekanntlich rückwirkende Kraft verliehen ward) pensionsberech tigten Invaliden" ihre Pension bis auf Weiteres auf die Hälfte zu reduziren. Abgesehen von dem Nachweis erbärmlicher Verwaltung, die durch ein solch willkürliches Experimentiren er­bracht wird, liegt in diesem Verfahren auch ein Vertrauensbruch schlimmster Art, ein Vertrauensbruch, der an das Strafgesetzbuch an­ftreift. Daß es mit der Hirsch- Dunker'schen Gewerkvereinsbewegung nun zu Ende geht, und daß der Harmonieapostel" auch in den ihm bisher wohlgefinnten Arbeiterkreisen jeglichen Kredit verloren hat das bedarf keiner besonderen Erwähnung. Die Hirsch Dunker'schen Gründungen waren Schwindel, und die Zeit des Krachs, die für jeden Schwindel tommt, ist jetzt für sie gekommen.

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Nicht ganz so rasch vollzieht sich der Bankrott eines anderen Schwin­dels ähnlicher Art und ähnlichen Ursprungs: wir meinen die Schulze­schen Genossenschaften. Wie die Hirsch- Dunder'schen Gewerk vereine die Arbeiter, so sollten die Schulze'schen Genossenschaften die Handwerker und kleinen Geschäftsleute in das Garn der fortschrittlichen Bourgeoisie locken. Ueber die Einrichtungen und das Wesen dieser Genossenschaften brauchen wir uns nicht auszulassen, da unsere Leser zur Genüge unterrichtet sind. Bisher hieß es nun immer, trotz einzelner Krachs stände es im Ganzen mit den Schulze'schen Ge­nossenschaften vortrefflich, und dehnten dieselben sich immer mehr aus. Jetzt erfahren wir aber von Seiten der nächst Betheiligten selbst, daß dieß nicht der Fall ist, und daß zwar die Zahl der Genossen­schaften zunimmt, jedoch nicht die Zahl der Mitglieder"- mit Einem Wort, daß es mit den Schulze'schen Genossenschaften nicht mehr vorwärts geht. Die liberale Presse zerbricht sich den Kopf über diese auffällige Erscheinung". Nicht im Geringften auffällig. Das ein­zige Auffällige ist, daß die kleinen Geschäftsleute und Handwerker nicht eher hinter den Schwindel gekommen sind.

-Was in Deutschland   noch möglich ist. Die Kreuz­ zeitung  ", von der man allerdings viel gewohnt ist, bringt in ihrer Num­mer vom 24. September im redaktionellen Theil folgende intereffante Nachricht:

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von

,, Meerholz  , 21. September. Heute verschied hier die erlauchte Gräfin Brunhilde zu senburg und Büdingen   nach 1iäh­- was meinen unsere Leser?- rigem schweren Leiden im Alter von 10 Jahren und 9 Monaten. Die junge Gräfin war die dritte Tochter aus zweiter Ehe Sr. Erlaucht des Grafen zu Ysenburg und Büdingen   mit deffen durchlauchtiger Gemahlin Agnes, geb. Prin­zeffin zu senburg und Büdingen  ."

Und da gibt es noch Leute, die sich über die Chinesen luftig machen! In der That, wenn Deutschland   nicht das Land ist, wo der Zopf, immer hinten" hängt, so sind es nur die deutschen   Arbeiter, welche das ,, Reich der Mitte" Europa's   vor diesem Fluch bewahren. Sie allein find frei von jener elenden Spießbürgerei, die uns überall entgegentritt, und die fich namentlich in der Preffe aller bürgerlichen Parteien breit macht. Freut sich doch sogar die ,, republikanische" Frankfurter Zeitung  " anläßlich der Kaisermanöver über das gute Aussehen unseres" Kron­prinzen.

Die Arbeiter Frankfurts   aber haben durch Aushiffen der rothen Fahne zu Ehren der 48er Freiheitskämpfer gezeigt, daß sie ihrer Aufgabe sich bewußt sind.

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11.

Wen geht's an?.... Sie bekennen sich zu dem Grund­say: Wo mir's wohl geht, ist mein Vaterland, find fremd jedem natio­nalen Gedanken: international. Sie. hängen vielfach nicht mehr am Glauben ihrer Väter." Also zu lesen in Nr. 37 des Chriftlich­sozialen Korrespondenzblattes" in einem Artikel über Sozialdemokratie und Juden".

Es ist nöthig, das hinzuzufügen, sonst sollte man meinen, es wären die Vertreter des Gottesgnadenthume gemeint, etwa die Roburg- Gothaer, die in allen möglichen Ländern gegen gute Bezahlung Landesvater spielen, oder die Hohenzollern  , die in Rumänien   gute griechisch katholische, irgendwoanders, wie etwa in Spanien  , römisch- katholische  , Gläubige werden, wenn's nur einen Thron, und sei er noch so klein, einbringt.

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Ein charakteristischer Nothschrei. Folgende Notiz burchläuft gegenwärtig die deutsche Presse:

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v. Selchow, komme zur amtlichen Anzeige und mit Vorliebe werde der Sonn- und Feiertag zum Feld-, Garten- und Forstdiebstahl benutzt. Er erklärt diese soziale Kalamität aus der mangelhaften Jugenderziehung, welcher die Grundlage der Wahrheitsliebe und des gesun den Menschenverstandes fehle. Die Allermeisten halten den unerlaubten kleinen Diebesvortheil gar nicht für Diebstahl. Kinder be­stehlen ihre Eltern; Eltern, die ihre Söhne zu Lehrern erziehen, bestehlen ihre Herrschaft; Bauern fahren mit Wagen zum Getreide- oder Holzdieb­stahl aus, Heuer, Maurer, Zimmerleute sehen es für ihr Recht an, etwas Verwerthbares von der Arbeitsstelle mitzunehmen, selbst das Gemeindeamt hielt schon hier und da nicht vom Stehlen ab." Gegenüber Zweifeln au der Richtigkeit dieser Schilderung, die man für übertrieben zu halten ge­neigt ist, tritt der Verfasser mit seinem Namen für die Wahrheit seiner Darstellung ein."

Ueber diesen Schmerzensschrei sind sich zunächst die Liberalen und Ultra­montanen in die Hände gerathen, indem die Ersteren sofort ausriefen: Da seht Ihr die Früchte der Herrschaft des Ultramontanismus! und die Letzteren die Richtigkeit der Behauptungen des Herrn von Selchow be­ftritten. Unseres Wissens nach hat der Herr von Selchow nicht geflun­tert; die Oberschlesier haben in der That keinen großen Respekt vor der Heiligkeit des Eigenthum. Wie sollten sie auch dazu kommen, wenn sie darüber nachdenken, wie das Eigenthum der Magnaten, deren Schlesien  sich erfreut, entstanden ist und noch entsteht? Sie sehen, wie im Großen gestohlen wird, und machen es nun im Kleinen nach.

Was speziell den Holz 2c.- Diebstahl anbetrifft, so ist beim Volke eben, und mit Recht, die Ansicht gäng und gäbe, daß der Wald der Allgemein­heit gehöre und Niemand Anderem.

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Auch ein Beitrag zur Frauenfrage. Jn Dresden erscheint seit einiger Zeit eine Wochenschrift" Für's Haus", heraus­gegeben von Clara von Studniz. vermuthlich die Gattin des be- rühmten Sozialpolitikers Arthur von Studniß. In einem Reklame­prospekt dieser Zeitschrift finden wir unter der Rubrik Für den Erwerb" folgenden niedlichen Beitrag zur Frauenfrage:

,, Comptoiriftinnen.( An A. H. in N.) Sie wünschen eine Anstellung in einem größeren kaufmännischen Geschäfte und fragen, ob Ihre Kenntnisse Sie hierzu befähigen würden. Ich glaube, das Lettere nach Ihren Mittheilungen bejahen zu dürfen, mache Sie jedoch darauf merksam, daß in keinem Berufe das Angebot von Stellensuchenden ein so großes ist, wie im kaufmännischen. Immerhin werden in gewissen Geschäften im Comptoir Frauen den Herren vorgezogen, weil Comp­toiristinnen in der Regel Männern an Pünktlichkeit und Ordnung nicht nachstehen und geringeren Gehalt beanspruchen. Sollte Ihnen eine Stelle mit auch nur 600 Mart jährlichen Ge­halt angeboten werden, so nehmen Sie diese getrost Es ist der erste Schritt für fünftige beffere Stellungen." Schamloser kann man wohl für das System der Unterbietung der männlichen Arbeit durch Frauenarbeit nicht eintreten, und das in einer Zeit, wo Tausende und Abertausende stellenloser Romptoiristen beschäftig­ungslos umherlungern. Der liebenswürdige Rathgeber betitelt sich dabei noch selbst als ein Buchhalter". Ob er wohl seine Weisheit aus der schönen Sozialforrefpendenz" geschöpft hat?

a n.

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Natürlich findet" Für's Haus" den Beifall der gesammten deutschen  Presse. Es ist ja ein Organ, welches die Weiblichkeit" seiner Leserinnen bewahren will und dort eine Stätte sucht, wo an dem Rocken emfig spinnt die Maid". Schade nur, daß die spinnende Maid schwerlich die Mittel hat, das vortreffliche Blatt zu abonniren. Frau von Studnitz frage nur ihren Mann nach dem Einkommen der Arbeiterinnen in den Spinnereien.

- Schamlose Förderung der Agrarinteressen. Nach­dem Bismard kürzlich erst durch die berüchtigte Spritklausel im spanischen Handelsvertrag sich und seinen schnapsbrennenden Kollegen in den Ostprovinzen namhafte persönliche Vortheile gesichert hat, benutzt er seine Stellung weiter, um dem Agrarierthum noch größere Vortheile zu verschaffen. Laut einer Verordnung des Eisenbahnministers Mai­bach sind für den Sprittransport auf den Bahnen aus den Ostprovinzen nach Hamburg   sehr billige Ausnahmetarife in Kraft ge­treten, eine Maßregel, welche die Spiritusfabrikation aus Kartoffeln und Getreide in noch höherem Grade als bisher fördern muß und die deutsche Industriebevölkerung für den Bezug von Lebensmitteln immer mehr vom Auslande abhängig macht. Andrerseits muß dann die nothwendig gewordene Mehreinfuhr von Lebensmitteln herhalten, das Gelüst der Agrarier nach höheren Zöllen auf Korn, Weizen, Fleisch 2c. zu recht­fertigen.

Das ist die Zwickmühle, in die das deutsche   Volk unter dem Feld­geschrei: Schutz der nationalen Arbeit" genommen wird. Die Lebens­mittel werden im Interesse einer Klasse reicher Grundbesitzer stetig ver­theuert und die angekündigten Lohnerhöhungen bleiben aus oder der Lohn geht gar rückwärts. Es geht nichts über eine schöne Phrase, auf die stets eine große Zahl Dummer hereinfällt.

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Die Provinzial- Korrespondenz", das hochoffiziöse Organ des Herrn von Buttkamer kündigt den Antrag auf Verlängerung des Sozialisten­gesetzes an, fie thut endlich, was wir längst erwartet haben. Da das nächste Mal das Zentrum zu dreiviertel seines Bestandes für die Ver­längerung stimmen wird, so ist eine Majorität für den Antrag im Reichs­tag gesichert.

Das Zentrum will sich dem Fürsten Bismarck dankbar erzeigen, es tommt schließlich unter Führung des Herrn Windthorft dort an, wo deffen Landsmenn Bennigsen die Nationalliberalen hinführte.

Die Sozialdemokratie ist der Fels, an dem schließlich alle Parteien zerschellen.

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Heilig ist das Eigenthum. Die Stadt Wien   schenkte im Jahre 1683 dem Polenkönig Sobieski einen prachtvollen Sieges­wagen, der 3000 Dukaten gekostet haben soll. Etwa sechzig Jahre später befand sich dieses Werthstück auf einem der weiblichen Nachkommen des Königs gehörigem Gute in Oberschlesien  . Dort nahm es der preu­ßische Generallieutenant Henning Alexander von Kleist während des ersten schlesischen Krieges 1742 als Beute in Beschlag"( das heißt, es wurde gestohlen), und schickte es mit Erlaubniß des Königs Friedrich II.   nach Pommern  , wo es zu einer Kanzel für die Dorfkirche zu Raddatz bei Neustettin verarbeitet wurde, da man sich wahrscheinlich mit dem Herrgott wegen des Massenmordes aussöhnen zu müssen glaubte. Die Diener Gottes nahmen natürlich das Gestohlene als Geschenk an und predigen noch heute von dem siebenten der zehn Gebote und von einem glücklichen Jenseits von dieser historischen" Kanzel.

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Lahme Justiz. Jn Glogau( Schlesien  ) spielt jetzt ein großer ,, Gründerprozeß" gegen vier Gründer, Namens Förster ( 2 Brüder), Lepel und Triepel  . Diese guten Leutchen hatten das Beispiel anderer Ehreuwerther, darunter hohe und höchste Herrschaften, befolgend in der Gründerzeit ihr Schäfchen ins Trockne zu bringen gesucht, und es glücklich fertig gebracht, die Taschen des Publikums um das bescheidene Sümmchen von etlichen 20 Millionen Mark zu erleichtern. Wenn es arme Teufel gewesen wären, die ein paar Mark gestohlen hätten, so würde die Justiz sie schnell am Kragen gehabt haben so hat es 10 wir schreiben zehn ganze Jahre gedauert, ehe die Dame Justiz hat begreifen können, daß, wer etliche 20 Millionen stiehlt, auch ein Spizbube ift. Besagter Millionen Diebstahl wurde nämlich im Jahre 1873 verübt. In der That, die Justiz scheint am Hirn und an den Beinen recht lahm zu sein.

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In dem Oberschlesischen Anzeiger" hat ein genauer Kenner der ober­schlesischen Verhältnisse, Geh. Nath v. Selchow auf Rubnit, einen Artikel veröffentlicht, in dem er ausführt, daß in Oberschlesien   mit wenigen Aus­nahmen Alles stiehlt, ja ganze Gemeinden fast ausschließlich vom Dieb­Aus Sachsen. Die Nothwendigkeit, Material für die Begrün­ftahl leben und Hehler zu Tausenden bereit sind, das Gestohlene anzu­taufen. Nicht der tausendste Theil der verübten Diebstähle, behauptet dung des dem Reichstag   in seiner nächsten Session vorzulegenden Gesetz­

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entwurfes über die Verlängerung des Sozialistengesetzes zu beschaffen, legt unserer sächsischen Polizei ähnliche Verpflichtungen auf, wie die periodische Nothwendigkeit, die Verlängerung des Kleinen" über Leipzig   und Umgegend zu begründen. Ja, noch größere, sintemalen es fich jetzt um Sein oder Nichtsein für das Polizeiwillkür  - und Spitel regiment handelt. Nicht als ob ich sagen wollte, daß mit dem Fall des Sozialistengesetzes das Polizeiregiment in Deutschland   zu Ende gehen würde. Bewahre. Ich weiß sehr wohl, daß die Polizei auch außerhalb des Gebiets, welches ihr durch das Sozialistengesetz eingeräumt wird, im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte noch sehr viel Spielraum hat. Was hat z. B. nicht die neueste Gewerbeordnungs­novelle zur Ausbildung des Polizeistaats gethan! Indeß, wie dem sei, das Sozialistengesetz hat der Polizei einen Tummelplatz gegeben, wie sie ihn vorher niemals gehabt, selbst in den Zeiten der schwärzesten Reat­tion und diesen Tummelplatz will sie nicht verlieren. Es gilt also ihre Unentbehrlichkeit und die Nothwendigkeit des Sozialistengesetzes nach­zuweisen; und da muß denn Material herbei. Und die edlen Brüder von der Hermandad( das heißt ja auf deutsch  : Bruderschaft) geben sich seit einiger Zeit weidlich Mühe. Namentlich im lieben Leipzig  , wo auch der Belagerungszustand zu konserviren ist, sucht sie im Schweiße ihres Angesichts nach ,, Material" sucht, sucht, sucht und findet- Je nun, wenn sie es nur selber wüßte, die liebe Polizei. An anderen Orten wird die Polizei das gleiche wohlberechtigte Bedürfuiß verspüren und es ist gut, wenn die Genossen demselben überall in möglichst geeig-, neter Weise entgegenkommen.

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Die Landtagswahlen betreffend habe ich noch zu bemerken, daß für das Parteienverhältniß im Landtag die Vermehrung der tonservativen Mandate ganz gleichgültig ist die Konservativen hatten bereits früher die Majorität, und da die Liberalen in allen wichtigen Fragen, d. h. in allen Fragen, welche die Regierung als wichtig betrachtet, mit den Konservativen für die Regierung zu stimmen pflegen, so wird die Regierung in der bevorstehenden Landtagssession über genau so viel Stimmen verfügen, wie in der vorigen und vorletzten nämlich über sämmtliche, mit Ausnahme der vier sozialdemokratischen.

Was unsere Partei anbelangt, so thun die Gegner, als seien fie sehr vergnügt, daß wir auf dem alten Stand geblieben sind und folglich keine Fortschritte gemacht" hätten. Das ist aber eitel Flunkerei. Vergnügt find die Gegner allerdings, daß wir ihnen nicht verschiedene Mandate entrissen diese vergnügte Stimmung verräth uns, welche Angst sie ausgestanden allein, daß wir keine Fortschritte gemacht hätten, das

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zu glauben, sind die Herren doch nicht ganz dumm genug. Ein ver­gleichender Blick auf die Stimmenzahlen der früheren Landtagswahlen und der letzten zeigt, daß wir diesmal im Ganzen bedeutend mehr Stimmen bekommen haben, als bei den Wahlen von 1881 und 1879

den einzigen, an welchen sich die Gesamtpartei betheiligt hat. Das Borgehen der Stollberg- Lugauer Genossen im Jahre 1877, welches erst zur Wahl Liebknecht's, und hernach, da diese für ungültig erklärt ward, zu der Wahl Freytag's führte, war ein vereinzeltes und aus der Jniziative der Stollberg  - Lugauer( und benachbarten) Ge­nossen entsprungen, die durch ihren Sieg der Partei die vorher ziemlich allgemein bezweifelte Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der Betheiligung an den sächsischen Landtagswahlen ad hominem   demonstrirten. Ich bin augenblicklich nicht in der Lage, die vollständigen Ziffern der bei den drei letzten Landtagswahlen sozialdemokratischerseits abgegebenen Stimmen mitzutheilen, so viel steht aber fest, daß die Vermehrung eine sehr be­deutende ist. Die Gegner haben das Wachsen des sozialdemokratischen Einflusses auf das Wahlresultat auch thatsächlich anerkannt, indem sie in denjenigen Kreisen, wo sie die Sozialdemokraten start wissen, sich alle gegen uns zu verbinden suchten, und in den meisten auch wirklich ver­bunden haben.

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das

Daß in Chemnitz   das Wahlresulat für uns so viel günstiger war, als in anderen Orten des Erzgebirges, wo unsere Partei eben so zahl reich vertreten ist: z. B. in Crimmitschau  , Werdau  , Meerane   2c. hat seinen Grund in dem Zensus. Nur wer mindestens 3 Mark ( ohne Zuschlag) an direkten Steuern bezahlt, kann vorausgesetzt, daß er den sonstigen Bedingungen entspricht für den Landtag wählen. Nun find aber die Lohnverhältnisse in den Weberbezirken des Erzgebirges so erbärmliche, daß die größere Hälfte unserer Genossen die 3 Mart nicht bezahlt, während in Chemnitz   momentan bessere Arbeitsverhältnisse herrschen.

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Zum Schluß sei noch bemerkt, daß, wenn wir nicht des hohen Wählbarkeits- 3ensus halber( 30 Mark direkte Steuern)- eine große Kandidatennoth gehabt und nicht noch im letzten Moment in dieser Beziehung unerwartete Schwierigkeiten gehabt hätten, mindestens drei Mandate uns sicher gewesen, und was schon vorige Woche ge­Stollberg nicht verloren gegangen wäre. Es ist aber Thatsache, bei den sächsischen Landtagswahlen macht uns der Zensus der Wähler weniger Kopfschmerz als der Zensus der zu Wähleuden.

sagt ward

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Serbien. Das Resultat der Wahlen für die Stupschtina ist ein überaus günstiges für die Sache der Demokratie. Trotz der brutal­ften Verfolgungen, trotz Verhaftungen 2c. hat die radikale Opposition die überwiegende Mehrheit unter den gewählten Abgeordneten, so daß, trotz des Rechtes der Ernennung eines Viertels der Mitglieder der Stupschtina die Regierung Milans keine Majorität zusammenbringen wird.

,, Diese Reſultate", schreibt ein Serbe in der Pariser Justice"," find in mehrfacher Hinsicht beachtenswerth:

1) Sie zeigen vor Allem, wie mißbeliebig die Regierung Milan's I. geworden ist. 94 Stimmen;

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2) fie laffen uns die wahren Gesinnungen des serbischen Volkes er­tennen 79 Stimmen;

3) sie sind gegen die deutsch  - österreichische Politik gerichtet- 36 Stim­men, d. h. nur 36 Stimmen dafür;

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nur 15 Stimmen

4) ste sind für die russische Politik ungünstig dafür." Man muß sich daher auf die allergrößten Verwicklungen gefaßt ma­chen; das Ministerium wird mit Sicherheit schon nach der ersten Sizung gestürzt werden. Die Monarchie selbst ist kompromittirt und man hat teine Veranlaffung anzunehmen, daß Milan I. es verstehen wird, einer Situation Herr zu werden, die er seit 5 Jahren immer mehr verschlim­mert hat, gerade als ob er es darauf abgesehen hätte."

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Amerika  . Jn Pittsburg( Pensylvanien) findet am 14. Okt. ein Kongreß der Sozialisten Nordamerikas  " statt. Derselbe ist ein­berufen von mehreren aus der sozialistischen   Arbeiterpartei Nordamerita's" theils ausgetretenen theils ausgeschlossenen Mitgliedschaften, denen sich mehrere anarchistische und sozialrevolutionäre Vereine angeschlossen haben. Es soll eine Organisation dieser verschiedenen Gruppen auf fördera. listischer Basis und unter Anerkennung der vollen Autonomie jeder Gruppe herstellen. Da alle sozialistische Organisationen Zutritt haben, so wird es an lebhaften Auseinandersetzungen wohl nicht fehlen. Da wir uns grundsätzlich in die Zwiftigkeiten der Sozialisten Amerika's  nicht einmischen, so senden wir denjenigen Theilnehmern des Kongresses, welche zu der deutschen   Sozialdemokratie im befreundeten Verhältniß stehen, unsern brüderlichen Gruß!

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In New York   tagte Mitte August eine Kommission des Bundes Senats der Vereinigten Staaten  , bezw. eine Abtheilung dieser Kommission, zur Untersuchung der Arbeiterfrage. Jeder mann, der sich als Sachverständiger anmeldet, Delegirte von Arbeiter­vereinen, Schriftsteller, Gelehrte 2c. werden zur Auskunftsertheilung zu­gelaffen bezw. zum Verhör, denn die Kommissionsmitglieder stellen nicht blos bestimmte Fragen, sondern lassen sich auch auf detaillirte Erörte rungen ein. Die Sitzungen find natürlich öffentlich.