"

führen." Also ein treuloser Schurke, der seine Feinde zum Gafimahl ein­ladet, fie trunken macht und dann ermorden läßt, ist ein ,, vortreff­licher Mann. Kann man sich eine größere fittliche Verirrung" denken? Freilich, wer von den Männern der ,, Blut- und Eisenpolitik" auf dem Bauche rutscht, muß an solchen Thaten wohl Geschmack haben!

-

Dem Arbeiter ist der Begriff von Recht und Ge­fet vollständig abhanden gefommen", sagte Herr Regie­rungspräsident von Tiedemann zu Bromberg   vor einigen Jahren in der zweiten Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik. Die Aeußerung ist jetzt an den Tag gekommen. Wir begreifen die fittliche Entrüftung nicht, welche sich über diese Aeußerung kundgibt. Wenn damit gemeint ist, daß die Arbeiter an Recht und Gesetz nicht mehr glauben, daß ihnen der Begriff, welcher heute herrscht, abhanden gekommen ist, danu hat der Herr Tiedemann vollständig recht. Wenn er freilich meint, der Begriff von Recht und Gesetz überhaupt sei den Arbeitern ab­handen gekommen, so spricht er eine alberne Verläumdung aus. Bei den Unterdrückten ist derselbe stets in höherem Grade vorhanden, als bei den Unterdrüdern.

-

-

Beiläufig hat dieser Streit zu einer sonderbaren Verwirrung Anlaß gegeben. Der Gegner des Herrn Tiedemann, Senator Schwarz, ein Liberaler, wirft nämlich seinem Widerpart vor, dieser habe die ,, Zucht des Mittelalters" als soziales Heilmittel empfohlen. Herr Tiedemann lehnt jede Beziehung zu diesen( die Zucht des Mittelalters betreffenden) Säßen ab", möchte aber glauben, daß fie als Beitrag zur Geschichte der politischen Bauernfängerei bleibenden Werth haben. Der unglüdliche Regierungspräfident hat keine Ahnung davon, daß die be­treffenden Sätze fast wörtlich einem Aufsatze von Rodbertus  , auf den er Tiedemann sich als sozialpolitische Autorität fügt, entnommen find.( Siehe Briefe und sozialpolitische Aufsäge von Rod­ bertus  , herausgegeben von Rudolf Mayer, S. 75). Es heißt da: Das was die Gesellschaft zusammenhält, ist fittlicher Natur, und wird durch fittliche Juftitutionen erhalten und vermehrt. Von jeher und für alle Zeiten gibt es indeffen nur zwei Systeme, welche hier sich darbieten. Das eine nennen wir das der Zucht, das andere das der Bildung. Das Mittelalter befolgte durchweg das erstere, wenn auch nicht in seiner äußersten Konsequenz. In seinen strengen und häuslichen Kreisen, in dem straffen Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, Herrschaft und Gefinde, Meistern und Gesellen und Lehrlingen, in dem städtischen der Bünfte und Korporationen Kreise und Verhältnisse, die den Menschen sein Leben hindurch umfaßten ward nothwendig jene Zucht der Ge­finnung geschaffen, die die Bildung( lediglich von dem Standpunkt des Bestehens der Staaten aus) entbehrlich macht, die dennoch Zufriedenheit mit dem bescheidensten und schlechtesten Loose gibt, weil sie nicht aus der Gewohnheit tommt, dies Loos als eine gesellschaftliche Nothwendigkeit oder göttliche Schickung zu betrachten."

-

Dieser ganze Paffus von das Mittelalter" an bis zum Schluß wurde von dem liberalen Senator Schwarz dem Herrn Regierungspräsident als von diesem gesagt untergeschoben; und der sozialreforma­torische Regierungspräsident von Tiedemann erklärt eine Aeußerung seines Lehrers in der Sozialpolitik", Rodbertus  , für einen Beitrag zur Geschichte der politischen Bauernfängerei"! Er hat von den Schriften seines Lehrers" offenbar ebenso wenig gelesen wie der Senator Schwarz.

"

"

Was Rodbertus über ,, die Zucht" sagt, hat nur eine historisch­kritische Bedeutung, und verliert durch das, was zu Anfang unseres Zitats und in dem folgenden Theil des Aufsatzes über die Bildung gesagt wird, jeden reaktionären Charakter. Der fragliche, in vieler Hin ficht sehr bemerkenswerthe Aufsatz datirt aus dem Ende der dreißiger Jahre, und war für die Augsburger Allgemeine Zeitung  " bestimmt, welche ihn jedoch nicht aufnahm.

-

Wie man reich wird in dieser besten der Welten. Unter dem Titel: Die Geschichte eines Millionärs", geht jetzt eine kleine Selbstbiographie des berüchtigten amerikanischen   Großbourgeois und Großschwindlers Gould durch die Presse. Die Hauptsache hat er nicht gesagt wir meinen die Hauptspitzbübereien, z. B. mit der Erie­bahn. Immerhin ist die Selbstlebensbeschreibung ganz intereffant und lehrreich, insbesondere deshalb, weil sie beweist, daß die ehrliche Arbeit es heutzutage zu nichts bringen kann, und daß, wer reich werden will, in der einen oder andern Form seine Mitmenschen betrügen oder ausbeuten muß. Und beides hat Gould denn bekanntlich mit Virtuofität und ohne Gewiffensskrupel gethan. Erst versuchte er es aber mit ehr­licher Arbeit. Er war Buchhalter, Verkäufer in einem Geschäft, Feld­meffer, Kartenzeichner allein trotz allen Fleißes tam er auf keinen grünen Zweig. Da brach die Panik und der Krach von 1857 herein. Und nun merkte Gould, wie viel Uhr es geschlagen hatte. Pfiffig wie er ist, war er hinter das Geheimniß und die Moral der bürgerlichen Gesellschaft gekommen mit dem Instinkte des Aasgeiers warf er sich auf niedrig stehende Werthpapiere, namentlich Attien von Eisenbahnen, die an sich solide Unternehmungen waren und nur unter der momen­tanen Depression litten vereinigte sich mit einigen verwandten Geistern, trieb die entwertheten Papiere noch mehr herunter, und kaufte sie dann für einen Pappenstiel. Sobald er sie hatte, fing man in umgekehrter Richtung zu operiren an: durch Scheinkauf, Zeitungsartikel, Reklamen aller Art wurden die Papiere wieder in die Höhe getrieben, und dann, wenn die höchstmögliche Höhe erreicht schien, losgeschlagen. Durch diesen Fischzug verdiente der ehrenwerthe Herr Gould binnen wenigen Wochen ein halbes Milliönchen; und seitdem hat er, in immer größerem Maß­stabe, eine Reihe ähnlicher Coups gemacht, und soll heute der glückliche Besitzer von hundert Millionen Dollars sein. Durch ehrliche Arbeit ver­dient ist hieran kein Cent; bis auf den letzten Tent ist Alles Eigenthum Anderer, welches der biedere Musterbourgeois durch wirthschaftliche Taschen spieler- und Taschen diebs- Kunststücke aus fremden in seine eigene Tasche estamotirt hat. Herr Gould ist ein Typus. Sind auch nicht alle Bourgeois so glücklich, hundert Millionen ,, sich erwerben" zu tönnen, so ist doch das erworbene Eigenthum eines jeden Bourgeois ebensogut wie das des biederen Musterbourgeois Gould in Wirklichkeit fremdes Eigenthum Fremdthum.

-

-

Begnadigung. Im Laufe des verflossenen Frühjahrs wurde die Frau eines Dresdner   Kunstkritikers und Mitmachers der durch klas­fische Gesinnungslosigkeit ausgezeichneten Dresdner Nachrichten", eine Frau Hartmann, Tochter des bekannten ,, Philosophen" und Zwei­tinder- Theoretikers von Kirchmann, vom Dresdner   Landgericht zu einer Gefängnißstrafe von sechs Monaten verurtheilt, weil sie einen jungen Künstler", der sich über die Bestechlichkeit ihres sauberen Herrn Gemahls mißliebig geäußert, in ihre Wohnung gelockt und dort mit der Beitsche trattirt hatte.

Bei der Prozeßverhandlung kamen die skandalöseften Details an den Tag: ein System der Bestechung, Feilheit und Niedertracht, welches die Nichteingeweihten geradezu verblüffte, während den in die Geheimnisse des modernen Journalismus Eingeweihten allerdings nichts Neues ent­hüllt ward. Nicht blos in Dresden   und von den ,, Dresdner Nachr.", auch in Berlin  , Wien   und Leipzig  ( wir erinnern an die famosen ,, Cadeaux  "( Geschenke) des verstorbenen Tageblatt- Redakteurs Hüttner) und anderen kunftsinnigen" Städten werden die Künstler und Künstler­innen auf das Schamloseste geplündert, wobei freilich die Eitelkeit, Reklamesucht und gegenseitige Mißgunst der Künstler und Künstlerinnen fast ebenso widerwärtig zu Tage tritt, wie die Bestechlichkeit der Jour­nalisten.

-

Genug, Frau Hartmann wurde mit einem großen Aufwand fittlicher Entrüftung zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt, und der Umstand,

-

-

daß außer ihr noch viele Andere ebenso schuldig, vielleicht noch schuldiger find, kann an der Gerechtigkeit der Strafe nichts ändern. Wohlan, dieser Tage ward von den Dresdner   Zeitungen ohne Kommentar gemeldet, daß der Frau Hartmann, geborene von Kirch­mann, von ihren sechs Monaten über 5, in Gnaden" durch den König erlassen sind und sie bloß vier Wochen abzusitzen" braucht. Auch wir machen zu dieser Notiz keinen Kommentar. Es genügt, daß das Volk sieht, wer sich heutzutage königlicher Gnade zu er­freuen hat.

-

So stirbt das Volk im 19. Jahrhundert! Der Schloffer C. Plaug hatte 13 Jahre hintereinander in der Borsig'schen Fabrit in Berlin   gearbeitet, als er am 15. September wegen mangeln­der Arbeit seine Stelle dort aufgeben mußte. Er wandte fich nach Essen, um im dortigen Jndustriebezirk Arbeit zu finden, aber all' sein Suchen war vergeblich. Als seine Mittel erschöpft waren, bat er, vom mehrtägigen Hunger übermannt, in Altenessen   in einer Apotheke um Hilfe, aber nicht diese ward ihm, sondern ein polizeilich angestellter Nichtsthuer packte ihn und schleppte ihn vor den Bürgermeister. Dieser rohe Patron befahl, den Vagabund", trotzdem Plaug wiederholt ver­sicherte, daß er krank sei, über Nacht in Arrest zu halten und dann über die Grenze zu spediren. 3wei Polizeibüttel, der Polizeidiener Ufer und der Feldhüter Brand führten diesen menschenfreundlichen Auftrag", schreibt man uns, denn auch ganz im Sinn des edlen Bürgermeisters, Péan ist der Name dieses Hallunken, aus. Sie schlugen, stießen und schleiften den unglücklichen Arbeiter, der nicht zu laufen vermochte, bis sie ihn an der Grenze hatten. Dort warfen sie ihn wie einen Hund in den Chausseegraben und stärkten sich dann in dem Siegmann'schen Wirths­hause von ihrer staatserhaltenden Thätigkeit, während Plaug, zu schwach, fich aufzuraffen, in dem Graben elend dahinftarb. Als des Weges kom­mende Leute, die sein Wimmern vernahmen, ihm zu Hilfe kommen woll­ten, war es zu spät. Den einzigen Liebesdienst, den sie ihm erweisen konnten, war, daß sie ihm den Kopf etwas höher legten. Wenige Mi­nuten darauf war Plaug eine Leiche ermordet von den rohen Polizeibütteln, ermordet von dem Schurken von Bürgermeister, er­mordet von der miserabeln heutigen Gesellschaft, die sich brüstet, die höchfte Stufe der Zivilisation darzustellen!

Angesichts der allgemeinen Entrüstung, welcher die Arbeiterbevölkerung in drastischen Worten Ausdruck gab, ist gegen die beiden Polizisten Unter­suchung eingeleitet worden, man verhaftete sie; den Einen hat man aber bereits wieder laufen lassen, da er behauptete, nicht mitgeholfen zu haben. Die Obduktion der Leiche Plaugs ergab, daß sich in dem Magen dee­selben weder Speiserefte noch Spuren von Alkohol vor­fanden, was man von gewiffer Seite sehr gerne gesehen hätte, um den Verstorbenen als einen Sonnenbruder verschreien zu können.

Die Frage ist nun, wer trägt die größere Schuld an dem Mord,-denn jede andere Bezeichnung wäre elende Bemäntelung: der saubere Bürger­meister Péan oder die beiden Polizeiknechte, welche deffen Befehl aus­führten? Zweifelsohne der Auftraggeber; aber wie gewöhnlich wird dieser straflos ausgehen, während seine Werkzeuge für ihn büßen müffen. Arbeiter, wann wird endlich die Zeit kommen, daß Ihr aufhört, Euch, die Ernährer der ganzen Nation, von diesen Bluthunden hetzen und mißhandeln zu lassen?!

- Der Zopf, der 3opf, der 3opf, der hängt ihm hinten, und zwar ein deutscher   Gelehrten z opf. Profeffor Dr. Kirchhoff in Halle a. S. hat unter dem Titel ,, Das Darwin  'sche Prinzip in der wirthschaftlichen, staatlichen und sittlichen Entwickelung der Völker" ein Buch herausgegeben, in dem er zu einem begeisterten Berfechter der Chinesen wird. Herr Professor Kirchhoff geht von

-

der Ansicht aus, die Aristoteles   schon vor mehr als zweitausend Jahren als Staatsweisheit predigte, die große Mehrzahl der Menschen müsse sich abrackern, damit eine kleine Minorität gut leben und wissenschaftlich arbeiten könne, was bekanntlich von dieser Minorität nur wieder eine sehr kleine Minorität wirklich thut. Dem Herrn Professor macht aber Sorge, daß die von Natur prädisponirten Denterhirne ihre Kultur­aufgabe nicht mehr erfüllen könnten, wenn die Bestrebungen der Sozial­demokratie nach allgemeiner Gleichheit verwirklicht werden sollten. Er gab sich also Mühe, ein Mittel zu entdecken, das diese Gefahr beseitigen könne, und stehe, er kann mit Archimedes bei Entdeckung des hydrosta­tischen Gesetzes rufen: Heureka!( Ich hab's gefunden!) Und worin besteht dieses Mittel? Man höre und staune. Der Herr Profeffor sagt: Und wenn einst die Arbeiter aller Nationen Europas   sammt denen Nordamerikas   zu einem Massenstreit sich verschwören sollten es gäbe Rettung. Wir holten uns auf den Seedampfern und auf der dann wohl fertigen südsibirischen Eisenbahn die schligängigen Männer mit dem 3opf."( Chinesen, Kulis).

So kann nur ein naiver deutscher Professor sprechen. Sind die Ar­beiter aller Länder soweit vorgeschritten, daß sie einen Weltstreik in Szene setzen können, dann sind sie auch start genug, die bürgerliche Welt zu depoffediren. Die massenhafte Einführung schlißängiger Männer mit dem Zopf" könnte diese Katastrophe in einer uns sehr wünschenswerthen Weise nur beschleunigen und um so gründlicher ge­stalten.

Von der Wirkung, welche die maffenhafte Einführung von Chinesen in Europa   in der europäischen   Arbeiterwelt erzeugen würde, hat das Gehirn eines deutschen   Professors natürlich keine Ahnung, sonst könnte solch ein Blödsinn unmöglich als wissenschaftliche Weisheit" gedruckt werden. Wir stellen eine andere Frage: Würde es sich nicht empfehlen chinesische Mandarinen an die Stelle deutscher   Professoren vom Schlage des Herrn Kirchhoff zu setzen? Wir glauben, die Welt würde nichts dabei verlieren.

-

Zur Berliner   Arbeiterbewegung. Bezüglich der Stadtverordnetenwahl, die auf den 18. Oktober festgesetzt ist, ist nachzutragen, daß Dr. Meilig und Schäfer abgelehnt haben, für die Arbeiterpartei zu kandidiren, dafür sind die Arbeiter Kreuz ( Gürtler), Mitan, Nöske und Schulze( Tischler) eingetreten, so daß die Kandidatenliste jezt folgendermaßen lautet:

1. Maurer Conrad im Wahlbezirk 36, 41, 2. Vergolder Ewald im Wahlbezirk 37, 42,

3. Maschinenbauer Goerti im Wahlbezirk 17, 23, 27

4. Tischler Herold im Wahlbezirk 25, 26,

5. Uhrmacher Kartosty im Wahlbezirk 32, 33,

6. Gürtler Kreuz im Wahlbezirk 16,

7. Tischler Mit an im Wahlbezirk 5,

8. Tischler No este im Wahlbezirk 8,

9. Kaufunann Rosenthal im Wahlbezirk 11,

10. Tischler Schulz im Wahlbezirk 38,

11. Kaufmann Singer im Wahlbezirk 12, 24, 12. Modelltischler Tutauer im Wahlbezirk 13, 14, 15. Die Agitation nimmt ihren räftigen Fortgang, die Versammlungen der Arbeiterpartei erfreuen sich besten Besuchs, und es haben bereits mehrere Kandidaten mit großem Erfolg in ihren Wahlbezirken ihr Pro gramm entwickelt. Ganz aus dem Häuschen sind die Konservativen, deren Chancen durch das selbständige Auftreten der Arbeiter auf Null gesunken sind. Die Fortschrittler suchen sich mit süßsaurer Miene in das Unabwendbare zu schicken, einige Site an die Arbeiterpartei ab­treten zu müffen. Bezeichnend ist dabei, daß ein Agitator der Fort­schrittler, der Schriftsteller Ledebour  , in einer Versammlung die Erklärung abgab, gegen die aufgestellten Arbeiter habe er nichts, wohl aber gegen die Kandidatur des Herrn Singer, denn bei der handle es sich um Grundsätze. Da merkt man die Absicht und wird nicht verstimmt.

-

Uebrigens wollen wir, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, er­klären, daß wir die Berliner   Wahlbewegung, so sympathisch wir sie als eine freie Regung der Arbeiterbevölkerung der Hauptstadt auch begrüßen, als eine Aeußerung unserer Partei im engeren Sinne nicht betrachten können, weshalb wir uns auch jeder Bemerkung über die aufgestellten Kandidaten enthalten. Unsere Genossen in Berlin   wissen, was sie zu thun haben.

Einer der Aufgestellten, der Uhrmacher Kartosty, ist beiläufig be­reits mit einem der berüchtigten Ausweisungsdekrete beehrt worden. Es sollen bei ihm wiederholt größere Mengen unseres Blattes bei Haus­suchungen vorgefunden worden sein, wie es in der betreffenden offiziösen Polizeinotiz heißt. Ob die Arbeiterpartei trotzdem an der Kandidatur festhalten wird, ist noch nicht bekannt, ein kräftiger Protest wäre die Wahl des Ausgewiesenen zweifelsohne.

Auch der Zimmerer Schulze, der zweite Vorsitzende des Zimmerer­verbandes, ist auf Grund des famosen Aechtungsgesetzes aus Berlin   aus­gewiesen worden. Der Sippschaft scheint es nicht wohl zu sein, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit eine Existenz vernichtet. Es wird ihr hoffent­lich nichts geschenkt werden.

-

Christenthum und Monarchie. Einer, der den Rummel verstand, der große" König Ludwig XIV.  , der Mann des L'Etat c'est moi"( Der Staat bin ich), schrieb am 10. Januar 1681 aus St. Ger main an den König von Tonkin:

,, Was wir aber für Sie und Ihre Staaten am meisten wünschten, das wäre, daß Ihren Unterthanen, welche die Satzungen des Gottes des Himmels und der Erde angenommen haben, die Freiheit gewährt würde, fich öffentlich dazu zu bekennen, denn dieses Gesetz ist das Höchste, Edelste, Heiligste und vor Allem das Geeignetste, um den Königen die unumschränkte Herrschaft über die Völ­ter zu geben."

-

Das vor Allem" ist reizend. Der französische   König plaudert hier ,, unter Brüdern" ganz unbefangen aus, warum die Religion dem Volt erhalten werden muß."

Denn daß ihm das Gesetz Gottes", soweit es nicht das vor Allem" anbetrifft, sehr schnuppe gewesen ist, und daß seine lieben Vettern" bis heutigen Tages ganz ebenso denten wie er,- wer, der die Geschichte der europäischen   Höfe nur einigermaßen kennt, wollte dies leugnen?

-

Als die Revolution der gekrönten Sippschaft noch nicht auf dem Nacken saß, da gestatteten sich Einige sogar, im engeren Kreise die Freigeister zu spielen und auf die Priester zu schimpfen, aber immer blieben sie darauf bedacht, daß das Volk hübsch ,, am Glauben der Väter festhalte." Joseph II.   von Desterreich und Friedrich II.   von Preußen, diese von dem Liberalismus in den Himmel erhobenen Despoten, find typische Beispiele dafür.

Heute, wo die Massen zu denken angefangen, darf man sich den Lurus der Freidenkerei nicht mehr erlauben, deshalb gibt man von oben herab das erhabene Beispiel des Augenverdrehens und Knieverrenkens. Aber, der alte Schwindel zieht nicht mehr!

-

"

Lernet von den Bienen! Unternehmende Züchter impor­tirten vor einiger Zeit Bienen aus Europa   nach Florida  , was sich auch im ersten Jahre zu rentiren schien. Als aber die Bienen dahinter kamen, daß es in Florida   teinen Winter gibt, schreibt die Newyorker Bolkszeitung" dazu, so faßten sie den vernünftigen Entschluß, teinen Honigborrath mehr für den Winter zu sammeln, sondern nur soviel, als sie von Tag zu Tag brauchen; die Bienenzucht trägt also nichts mehr ein. Wenn Bienen so geschent werden können, daß sie der Ausbeutung durch Menschen ein Ende bereiten warum sollten die Bienenmenschen, die Arbeiter, dümmer bleiben?"

-

-

-

- Herr Dieze bleibt. Unsere Nachricht in vorletzter Nummer, Herr Dietze auf Pommsen, Bertreter für Leipzig Land im Reichstag, werde sein Mandat niederlegen, war verfrüht. Der Ausbruch des Banke­rotts ist durch die Intervention seines Bruders, Herrn Diege auf Barby  , des Freundes Bismard's, und anderer guter Freunde verhindert worden. Herr Dietze soll mit seinen Gläubigern ein Arrangement getroffen haben, wonach er 51 Prozent ihrer Forderungen zahlt. Die Absicht, das Mandat niederzulegen, hat er auf Betreiben des ,, ordnungsparteilichen" Wahlkomites aufgegeben, er wird aber bei den nächsten Neuwahlen nicht mehr kandidiren. Armer Dieze, armer Sparig, arme Ordnungsparteien"!

Zur Beachtung. Ueber den Streit der Weißgerber in Mühlburg   bei Karlsruhe  , den wir in voriger Nummer annon­cirten, ist uns ein eingehender Bericht zugegangen, den wir aber leider erst in nächster Nummer bringen können. Für heute wollen wir daher wenigstens konstatiren, daß die Forderungen der Arbeiter so mäßige, die Ansprüche der Direktion aber so schamlose sind, daß es wirklich under­antwortlich wäre, wenn die Streikenden zur Nachgiebigkeit gezwungen würden. Wir ersuchen daher dringend, Zuzug fernzuhalten und nach Kräften Unterstützung zu senden.

Adresse: Wilhelm Cossed, Weißgerber in Mühlburg   in Baden  .

-

Sozialistische Presse und Literatur. Le droit à la paresse, réfutation du droit au travail de 1848" ( das Recht auf Faulheit, Widerlegung des Rechtes auf Arbeit von 1848) betitelt sich eine uns soeben in zweiter Auflage zugehende Brochüre un­seres Genossen Paul Lafargue  . Mit dem ihm eigenen Sarkasmus und einem Freimuth, der das Entsetzen sämmtlicher deutschen   Spießbür­ger hervorzurufen geeignet ist, weist Lafargue   in diesem Schriftchen nach, daß es die größte Thorheit ist, wenn die Arbeiter das Recht auf Arbeit proklamiren. Was sie zu verlangen haben, sei das Recht auf Faut­heit. Unter der erdrückenden Laft der ihnen heute auferlegten Arbeit ver­tommen sie geistig wie physisch. Wie schön ist nicht der Menschenschlag in jenen Ländern, wohin unsere Zivilisation noch nicht gedrungen ist, gegen­über der Bevölkerung unserer Industriedistrikte! Und doch könnte bei einer vernünftigen Organisation der Gesellschaft mit einer bedeutend redu­zirten Arbeitszeit 3 Stunden per Tag allen Bedürfnissen der Be­völkerung reichlich genügt werden, und die übrige Zeit dem Vergnügen, dem Spiel, der Freude gewidmet werden. Im schwarzen Mittelalter" 3. B. verstanden es die Menschen, zu leben und leben zu lassen, in unserer heutigen herrlichen Zeit des Fortschritts dagegen heißt es für die Arbeiter: Arbeite, arbeite, arbeite und darbe!

-

Lafargue   schließt mit den Worten:

,, Wie Christus, die duldende Verkörperung der Sklaverei, erklimmt seit einem Jahrhundert das Proletariat, Männer, Frauen und Kinder, den rauhen Kalvarienberg der Leiden, seit einem Jahrhundert bricht Zwangsarbeit ihre Knochen, martert ihr Fleisch, zerreißt ihre Nerven und verkrüppelt ihr Gehirn. O Faulheit, erbarme du dich unseres Elends! Faulheit, Mutter der Künste und aller edlen Tugenden, sei du der Balsam, der die Schmerzen der Menschheit lindert!" Philister werden über diese Schrift eifern, wer denken gelernt hat, wird den Verfasser verstehen und ihm zustimmen.

,, Eduard Hoffmann  , Ein Beitrag zur Lösung der Ar­beiterfrage. Cincinnati  , Karl Schumann." Dieses Schriftchen, deffen Reinertrag zur Unterstützung der in Deutschland   gemaßregelten Partei­genossen bestimmt ist, darf als eine sehr achtbare Bereicherung unserer Parteiliteratur begrüßt werden. Schlicht und einfach entwickelt der Ver­faffer seine Ansicht über die Aufgaben der Sozialisten in Amerika  . Das Wort Beitrag" im Titel ist also nicht in dem Sinne zu verstehen, wie es von den allerorts graffirenden Projektenmachern angewendet wird. Der beste Theil der Schrift besteht nach unserer Ansicht in der Präzi­firung der Aufgaben und der zu befolgenden Politik der Gewert­