kunden.( Hört! Hört!) Diese ehrenwerthe Gesinnung sollte in der Union befördert und daraufhin geleitet werden, daß die Alterspension nicht eher in Anspruch genommen würde, als bis es die dringendste Nothwendigkeit erheischt.( Hört!) Die Frage der Altersversorgung er fordere, daß man nach gesunden Gesichtspunkten forsche und den Geist der Selbsthilfe und guten Brüderlichkeit einpräge. Eine große Anzahl von Vereinen habe gar keinen Pensionsfonds, aber es sei eine Frage, über welche die Leiter mit einander berathen sollten."

So Harrison. Was er über den hochherzigen Verzicht pensionsberech­tigter Raffenmitglieder zu Gunsten ihrer Kassen sagt, ist an sich ganz schön, aber just das Gegentheil von der Lösung dieser Frage. Wenn die bestorganisirten und best situirten Gewerkvereinskassen auf solche Auswege angewiesen sind, um zahlungsfähig zu bleiben, was sollen da erst die weniger gut fituirten, die ärmeren Gewerkschaften anfangen; was die große Zahl der nicht organisirten, nicht organisationsfähigen Arbeiter? Was soll selbst aus den besten Kassen in Zeiten einer großen Krisis werden? Von dem Sinn der Selbsthilfe und der guten Kamerad­schaft die Lösung zu verlangen, ist der reine Aberwig.

In der That, wenn die Frage der Altersversorgung und der Inva­lidenunterstützung sich heute nicht brennender fühlbar macht als es von Rechtswegen der Fall sein sollte, dann ist dies, wie der Referent auf dem Arbeitertage bemerkte, nur dem Umstande zuzuschreiben, daß die Arbeiter ohne Rücksicht auf ihren förperlichen Zustand fortarbeiten, bis bis sie absolut nicht mehr schaffen können, dann aber gewöhnlich so rücksichtsvoll sind, sich schleunigst aus der Welt zu trollen. Das ist für die herrschenden Klassen sicher eine angenehme, wir tönnen fagen, die angenehmste Lösung der Frage. Sie Arbeitern zu empfehlen, dazu ges hört ein Muth, um den wir Herrn Harrison nicht beneiden.

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3wei umfangreichere sozialistische Abhandlun= gen, d. h. Werke, die an den Verstand und die Ueberlegung appelliren, Bebels Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft" und Frohme's" Die Entwidelung der Eigenthumsverhae" sind auf Grund des Sozialisten­gesetzes" in Deutschland  worden. Das ist die treffendste

Kritik zur Beurtheilung der augenblicklichen milden Praxis" in der Handhabung dieses infamen Gesetzes. Diese milde Praris" hat einen doppelten Zwed. Erstens soll sie gewissen Politikern es leichter machen, mit schwerem Herzen" für die Verlängerung des Sozialistengesetzes, ohne welches der größte Staatsmann des Jahrhunderts nun einmal nicht regieren kann, zu stimmen, und zweitens soll sie die deutschen   Ar­beiter daran gewöhnen, die Polizeischlinge, die ihnen durch das Sozia­listengesetz um den Hals gelegt ist, als eine Thatsache, mit der man sich abzufinden hat, hinzunehmen. Die Arbeiter sollen Opportunisten, Rech­nungsträger werden.

Bei dem Verbot des Bebel'schen Buches ist noch zu bemerken, daß dasselbe erst erfolgte, nachdem die Norddeutsche Allergemeinſte" in be tannter Denunziationsmanier über dasselbe hergefallen war. Auf diese Art ist es unmöglich gemacht, das Düngerorgan in der deutschen   Presse gebührend zu widerlegen.

Zur Grund und Bodenfrage. Zwischen den liberalen und konservativen Reaktionären ist gegenwärtig großer Streit, ob die Konzentrirung des Grundbesizes in Deutschland   eine gefahrdrohende Aus­dehnung annehme oder nicht. Bei dieser Gelegenheit werden folgende Zahlen veröffentlicht, die für unsere Leser sicher nicht ohne Interesse sind: Auf Grund des 1865 fertiggestellten Grundsteuerkatasters umfassen in den 7 östlichen preußischen Provinzen: Prozent der Gesammtfläche 5,63

770 städtische Gemeindebezirke 25,612 ländliche

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( kleiner und

Morgen 4,832,788 41,333,245

48,29

46,08

mittlerer Grundbesitz) 15,632 selbständige Gutsbezirke( Großgrund­

Besitz)

39,444,406 Bei dieser kolossalen Ausdehnung des Großgrundbesizes ist es aber feineswegs geblieben. Die Aufsaugung des mittleren und kleinen Grund­besitzes schreitet langsam aber stetig vorwärts. So ist in den Jahren von 1837-67, wie der Dekonomierath Nobbe in der Sigung des Lan­besökonomie- Kollegiums vom 15. Februar d. Js. ausführte, innerhalb der östlichen Provinzen und Westfalens der bäuerliche, zwischen 30 und 300 Morgen schwankende Besitz um zusammen 2,831,226 Mor­gen oder 8 pCt. seines Gesammtstandes vermindert worden; dem­zufolge müßte, wenn dieser Prozeß im gleichen Maße fortschreitet( das Tempo ist aber naturgemäß ein viel schnelleres), in 400 Jahren der ganze mittlere Besitz absorbirt sein.

Besonders schlimm, heißt es weiter, seien die Zustände in der Pro­vinz Pommern. Nach Meißen   war dort der Besitzstand laut Grund­steuerkataster vom Jahre 1864 folgender: a) in 72 städt. Gemeindebezirken

b) 2310 ländl.

c)

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" 1

733,536 Mg. 3,868,790

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=

"

6,42 pбt. = 33,88 59,70

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2362 selbstständigen Gutsbezirken 6,818,742

=

=

Es befanden sich demnach fast sechzig Prozent in den Händen der Großgrundbesitzer. Noch schlimmer sieht es speziell in Neuvor pommern und Rügen und im angrenzenden Mecklenburg   aus. Letzteres, welches im vorigen Jahrhundert 12,000 Bauernhöfe besaß, hat zur Zeit deren noch 1200. Die Besitzverhältnisse im Regierungs­bezirk in Stralsund   waren nach Meißen   im Jahre 1864: 70,289 Mg. a) städt. Gemeindebezirke 14: 4,56 pCt. b) ländl. 185= 222,063 14,51 = 1,238,338 = 80,93 e) selbstständ. Gutsbezirke 694 Noch drastischer stellt sich das Mißverhältniß in einzelnen Distrikten heraus, wie z. B. im Kirchspiel Gleiwitz   im Kreise Grimmen   der Bauern­stand schon völlig ausgerottet ist. Das gesammte dortige Areal von 18,253,000 Mg. gehört sechs Besitzern, während die 1882 vorhandenen 885 Einwohner lediglich in den Häuseru der Guts­herrschaft wohnen.no

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Noch weitere Zahlen laufen durch die Presse, aus denen hervorgeht, daß verschiedene große Herren in Deutschland   Länderkomplexe besitzen, die noch größer sind, als die größten Besitzungen englischer Landlords. Mit jener wunderbaren Logik, die ihnen zueigen ist, suchen die Li­beralen das Heilmittel gegen diesen höchst bedenklichen Zustand der Dinge in der vollständig freien Veräußerlichkeit des Grund und Bodens. Als ob die Zerstückelung des mittleren und die Aufsaugung des kleinen Grundbesizes dadurch aufgehalten werden könnte! Für die Grund- und Bodenfrage gibt es heute nur eine Lösung, und die heißt: Natio= nalisirung.

Der Staatssozialismus   rentirt, aber wem? Die preu­ßischen Staatseisenbahnen haben in den ersten drei Duartalen dieses Jahres einen Betriebsüberschuß über den Voranschlag von nicht weniger als 26 Millionen gemacht. Darob natürlich große Freude in Jfrael, d. h. unter den Regierungsfreunden, die sofort Reklame für Verwendung dieser Ueberschüffe zu Militärzweden machen, maßen der Militäretat, je mehr er anschwillt, immer mehr nothleidet. Die Frankfurter Zeitung  " und ihr gleichgesinnte Blätter schlagen da­gegen vor, daß einer der wichtigsten Vorzüge der Verstaatlichung nun­mehr zur Geltung fomme, nämlich der, daß die Eisenhahnen nicht als Finanzquelle für andere Zwecke, sondern als Hebel des Verkehrs be trachtet werden. Die durch den Eisenbahnverkehr erzielten finanziellen Resultate müssen möglichst dem Berkehre auch wieder zu Gute kommen, ,, Wir können," heißt es ,,, uns deshalb nur jenen Vorschlägen anschließen, welche mit Rücksicht auf die Ueberschüsse eine Herabsetzung der Personen- und Gütertarife befürworten."

Sehr schön, noch schöner aber wäre es, wenn sich diese demokratisch­

Staatssozialistelnden Blätter einmal ernsthaft mit der Frage beschäftigen| gehängt werden muß. Das Blatt erhielt nämlich ein Schreiben, in welchem

wollten, auf wessen Kosten denn diese Ueberschüsse gemacht werden, und ob nicht das dringendste Erforderniß das ist, den unteren Eisen­bahnbeamten, denen diese Millionen an ihrem kärglichen Einkommen ab­gezwackt sind, zunächst eine einigermaßen erträglichere Existenz zu ver­schaffen! Es scheint aber, als ob man fürchtet, diese Leute möchten sich bei mehr als 2 Mark pro Tag zu wohl fühlen!

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Hochverraths Prozesse. Der sicherste Maßstab für die Stabilität*) oder Instabilität eines Staats und einer Regierung ist in der größeren oder geringeren Häufigkeit von politischen Prozessen zu finden. Die Häufigkeit derselben steht im umgekehrten Verhältnisse zu der Stabilität. Eine Regierung, die stark ist, braucht keine politischen Prozesse. Die Regierung der Vereinigten Staaten   von Nord­ amerika   hielt es, nach Niederwerfung der Sklavenhalter- Rebellion, nicht einmal für nöthig, den Erz- Hoch- und Landesverräther Jefferson­Davis als Hochverräther zu bestrafen. Dagegen hören in Ruß  : I and und dem deutschen Reich die politischen Prozesse nicht auf. Wir wollen jetzt nur von Hochverrathsprozessen" sprechen, und zwar solchen in Deutschland  . Seit Erlaß des infamen Sozialisten­gesetzes, welches das ganze politische Leben Deutschlands   vergiftet und die herrschenden Klassen, Parteien und Personen in beispielloser Weise demoralisirt hat, sind von unzähligen Majestätsbeleidigungs- und sechs sonstigen kleineren politischen Prozessen gar nicht zu reden Hochverrathsprozesse gemacht worden. Wir sagen: gemacht! denn all diese Hochverrathsprozesse tragen die deutlichen Spuren der Polizeimache. Vier von den sechsen richteten sich gegen Leute, deren einziges Verbrechen darin bestand, ein paar verrückte Flug- und Zei­tungsblätter verbreitet, und sich notorischen Spizeln und Agents pro­vokateurs anvertraut zu haben. Da es sich in diesen Fällen um arme Arbeiter handelte, die arglos in die plump gestellte Polizeifalle gegangen waren, so hatte das Reichsgericht leichtes Spiel und konnte die unglück­lichen Opfer in Form Rechtens zu Zuchthausstrafe verurtheilen. Nicht so glatt geht es in den zwei neuesten Hochverrathsprozessen, die noch nicht zum Abschluß gelangt sind: gegen den Polen   Kraszewski   und und dem Elsay- Lothringer Antoine. Nachdem Kraszewski   mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen, mußte er entlassen werden, und obgleich der Prozeß noch fortdauert, so läßt sich doch aus der Kleinlaut­heit des offiziösen Skribententhums schließen, daß kein thatsächliches Ma­terial vorliegt und die Polizei und Staatsanwaltschaft sich wieder un­sterblich blamirt haben. Aehnlich ist es mit dem Prozeß gegen Antoine, obgleich hier Bismarck   selbst als deus ex machina auf die Bühne getreten war, und, unter flagranter Gesetzesverlegung, durch sein be­kanntes Guano- Organ die denkbar größte Pression auf die Richter aus­geübt hatte. Es hat sich herausgestellt, daß nicht einmal genügende Verdachtsmomente" vorliegen, und das Reichsgericht hat die Freilassung Antoine's angeordnet, der nun in der nächsten Reichstagssession seine ,, Revanche" haben kann und obendrein ganz gefahrlos.

Wären die HH. Kraszewski und Antoine Arbeiter, so würden sie sich jetzt nicht auf freiem Fuße befinden. Bourgeois und Arbeiter Th das ist zweierlei in den Augen der Dame Justitia  , deren sagenhafte Binde vor den Augen sehr durchsichtig ist wohl aus Glas gewoben.

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Moralischer Diebstahl. Mit dieser Ueberschrift bringt die Berliner Volkszeitung" in ihrer Nummer vom 30. Oft. I. Js. einen Leitartikel, der es, mit Rücksicht auf den geplanten Konsumverein der deutschen   Offiziere( Offiziers- Verein") für einen ,, moralischen Diebstahl" erklärt, wenn die Konservativen sich Konsumvereine einrichten, ohne da­bei ausdrücklich die Verdienste Schulze Delitzsch's   als des ,, Grün­ders und Schöpfers eines wirthschaftlichen Systems" anzuerkennen, welches die Konsumvereine und sonstige Assoziationen geschaffen hat. Das Es fällt uns nicht ein, hier an Hrn. ist in der That starker Tabak". Schulze( von Delitzsch  ), der schon 18 Jahre vor seinem Ableben todt war, eine überflüssige Kritik üben zu wollen, wir müssen es aber für bas non plus ultra der Unwissenheit oder Unverfrorenheit erklären, daß man besagten Schulze zum ,, Gründer und Schöpfer" des Genossen­schaftswesens machen will. Die Genossenschaften, welche Hr. Schulze in Deutschland   kultivirt hat, und deren unseren Genossen bekannter- Werth unerörtert bleiben soll, sind englischen Ursprungs, und zwar sowohl in der Form von Konsum als von Produktiv und Kreditver­einen. Wenn Jemandem der Name ,, Gründer und Schöpfer" dieses ,, wirthschaftlichen Systems" zukommt, so ist es der englische So= zialist und Kommunist Robert Owen  , der schon im ersten Viertel unseres Jahrhunderts, das heißt zwei bis drei Jahrzehnte bevor Schulze  ( Delitzsch  ) ins öffentliche Leben eintrat, solche Vereine ge­schaffen hatte. Hat eine Person und eine Partei sich in Sachen des Genossenschaftswesens eines moralischen Diebstahls" schuldig gemacht, so ist diese Person Hr. Schulze( Delißsch), der sich, Robert Owen  ignorirend, den ,, Vater" des Genossenschaftswesens nannte und nennen ließ; und so ist diese Partei die deutsche   Fortschrittspartei, welche, Robert Owen   ignorirend, Hrn. Schulze( Delitzsch) als Gründer und Schöpfer des Genossenschaftswesens" feiert und feiern läßt.

Die Luther feste, die zur förmlichen Epidemie ge­worden sind, haben den Vortheil, daß pfäffischer Zelotismus und Bour­geoisliberalismus sich dabei die Hand geben können; denn Luther   war gleichzeitig der Typus eines Pfaffen und eines Liberalen. Pfaffen und Liberale nüßen die Gelegenheit nach Kräften aus, namentlich die Libe­ralen, welche nicht müde werden, den Begründer der Geistesfreiheit und freien Forschung" zu feiern. Was es mit der durch Luther   begrün­deten und jetzt herrschenden Geistesfreiheit" in praxi auf sich hat, das ist unseren Lesern zur Genüge bekannt. Eine hübsche Illustration hat die grafsirende Geistesfreiheitsphrasen Epidemie durch die Thatsache er­halten, daß ein Vortrag Liebknecht's über Luther   am 30. Oktober in Braunschweig   polizeilich verboten war d. Hübscher konnte der Lutherfestschwindel nicht verhöhnt werden. Die Polizei hat wirklich einmal einen guten Witz gemacht.

Schlechte Späße. Als neulich Herr Hofprediger Stöcker nach Schlesien   fuhr, um für seinen pfäffischen Polizeisozialismus Ge­schäfte zu machen( was selbstverständlich mißlang), hatten drei als ,, Sozia­listen bekannte" Arbeiter in Peterswaldau   die sehr sonderbare Jdee, einmal den Bismard'schen Kanzeldemagogen zu besuchen und sich mit ihm zu unterhalten." Das ist ihnen schlecht bekommen. Herr Stöcker empfing sie außerordentlich freundlich und schlachtete sie sofort für seine demagogischen Zwecke aus, indem er der Welt verkündete, daß es ihm gelungen sei, die schlesischen Sozialdemokraten zu bekehren. Natürlich haben unsere Genossen in Schlesien   diese lächerliche Renommisterei sofort Lügen gestraft; und auch die Hereingefallenen" haben keine Zeit verloren, zu erklären, daß sie aus purer Neugierde und nur um sich einen Spaß mit ihm zu machen, zu dem Herrn Pastor gegangen seien. Allein solche Späße müssen für die Zukunft unterlassen werden; sie streifen an Verrath, und die übelberathenen Spaßmacher dürfen sich nicht wundern, wenn ihre schlechten Späße von den Parteigenossen als Ernst aufgefaßt und dem­gemäß behandelt werden. Wer mit Stöcker und Konsorten Schabernack treiben will, muß es anders anfangen.

An den Pranger! Das Mosse'sche Berliner   Tage= blatt", welches sich in der ganzen Welt als Muster von Unabhängigkeit und Freifinn ausgeposaunt, hat, wie die Süddeutsche Post" mittheilt, jüngst ein Probestückchen seines Liberalismus abgelegt, das zur Charak teriſtik dieses gesinnungstüchtigen Oppositionsblattes unbedingt tiefer

*) Sicherheit des Bestandes.

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ihr mitgetheilt ward, daß vier namhaft gemachte Personen, die als Bauarbeiter in der Kaserne des 2. Garde- Artillerie- Regiments beschäftigt waren, gesehen haben, wie drei genau bezeichnete Subaltern- Offiziere einen Trupp Artilleristen( sogenannte junge Fahrer) durch Ohrfeigen, Puffen, Reißen an den Ohren u. s. w. an zwei Tagen hintereinander mißhandelten. Und das verehrliche, fortschrittliche, von freiheitlichen Phrasen triefende ,, Berliner Tageblatt", bringt es vielleicht einen Artikel gegen diese neue Blüthe des Militarismus? nein, es schickt das Schriftstück an die Regimentskommandantur, und erhält als Antwort den besten Dank des Regiments für die setret(!!) gehaltene Vorlage der Denunziation ,,, die gänzliche Hinfälligkeit derselben habe sich durch eine angestellte Unter­suchung ergeben, da keiner der questionirten Fahrer sich beschwert habe". Die so gewiegte" Redaktion des Berliner Tageblatts", die sich mit Unkenntniß des in solchen Dingen in Preußen beliebten Verfahrens nicht entschuldigen kann, hat ganz gemeine Polizeispigelei getrieben und allem, nicht blos dem redaktionellen Anstand in's Gesicht geschlagen. Seit wann ist es Sitte, eine vertrauliche Mittheilung an die Redaktion der Stelle zu übermitteln, die direkt oder indirekt dadurch betroffen ist?! Als erschwerend fällt in's Gewicht, daß es abhängige Arbeiter sind, deren Existenz in diesem Falle preisgegeben wurde. Die Denunziation hatte natürlich zur Folge, daß sämmtliche vier Arbeiter so= fort als Sozialdemokraten" entlassen wurden und brodlos sind. Pfui Teufel!

Das nennt man seiner Majestät allergetreueste Opposition"!

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Nur nicht einseitig, Ihr Herren! Die ultramontane ,, Germania  " und mit ihr eine ganze Anzahl liberaler Zeitungen kon= statiren mit mehr oder minder Entrüstung, daß in der Provinz Posen  gegen die polnische Presse wegen Preß und sonstiger politischer Ver gehen wesentlich höhere Strafen verhängt würden, als in den anderen Provinzen 2c.

Wir begreifen das Mitgefühl der Herren für ihre ultramontanen und liberalen polnischen Kollegen, erinnern uns aber nicht, ein Wort des Tadels ihrerseits gelesen zu haben, als gegen unsere polnischen Genossen wegen Handlungen, auf die kaum das Kriterium der Ueber­tretung paßt, Strafen verhängt wurden, welche die gegen die polnische Ordnungspresse verhängten um das Doppelte und Dreifache über­schritten. Da wäre Euer Tadel weit mehr am Playe gewesen, Ihr Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht!

Etner der im legten Leipziger   Sozialistenpro zeß Verurtheilten, Schriftseyer Posselt, ist, nachdem er seine Strafe( von 3 Wochen) verbüßt hat, aus Leipzig   und dem Banngebiet ausgewiesen worden. Posselt hat sich vor dem Prozesse und wäh rend desselben so benommen, daß Verdacht gegen ihn erweckt worden ist. Solange er gewisse Punkte nicht aufgeklärt hat, müssen wir die Genossen zur Vorsicht ermahnen und sind bereit vorläufig privatim Näheres mitzutheilen.

Unter den bei dem Londoner   Eisenbahnattentat be= schädigten Arbeitern befinden sich auch zwei unserer Genossen, und zwar gehört der eine, Genosse G. Lemde, Schreiner und Berliner   Ausgewiesener leider zu den Schwerverleßten. Lemcke, dessen unermüdliche Thätigkeit im Dienste unserer Sache be= kannt ist, befindet sich zwar bereits außer Lebensgefahr, ,, der Körper

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ist nicht gerade in Feßen", schreibt man uns doch ist es leider nicht unmöglich, daß er ein Auge verliert, da ihm ein Glassplitter dicht unter dasselbe eingedrungen ist. Der andere Verletzte, Genosse Hermann, befindet sich bereits auf dem Wege entschiedener Besserung. Beiden ist die herzlichste Theilnahme unserer Parteigenossen allerorts gewiß!

Polizistisch ,, Anarchistische s  ". Als nach der Demon stration der Anarchisten vor der Polizeidirektion in Wien   die auch im ,, Sozialdemokrat" erwähnte Flugschrift erschien, in welcher die Arrangeure jener Demonstration und die Leiter der anarchistischen Bewegung in Desterreich der bewußten oder unbewußten Dienstleistung im Interesse der Reaktion beschuldigt wurden, erhob sich nicht nur in den dabei enga­girten sozialrevolutionären und anarchistischen Blättern ein Sturm der Entrüstung gegen diese Infamie", selbst die ,, New- Yorker Volks­zeitung" 2c. tabelten das Vorgehen der österreichischen Genossen gegen die Anarchisten.

Ein Vorgang, der sich im Zusammenhange mit dem in der zweiten Hälfte Oktober in Olmüz durchgeführten Hochverrathspro= zesse gegen 16 sozialistische Arbeiter abspielte, wirst nun ein so grelles Streiflicht auf die in der erwähnten Flugschrift behauptete Verbin= dung einzelner ,, Anarchisten" mit der Polizei, daß jetzt wohl auch denjenigen, welche bisher sich durch den scheinbaren Radikalis­mus jener Leute bestechen ließen, ein Licht aufgehen dürfte. Der Prozeß in Olmüz wurde dadurch veranlaßt, daß ein gewisser Clemens Schütz, Wiener   Anarchist und Freund des Herausgebers der Zukunft" Anton Word a t, mit anarchistischen Flugschriften und Exemplaren der " Freiheit" nach Mähren   geschickt wurde, wo er dieselben an, einen Theil der Angeklagten zur Verbreitung und Ausstreuung übergab. Als die Ausstreuung der Flugschriften stattfand, und die Polizei in den Be­fitz einzelner Exemplare gelangte, wurden, wie vorauszusehen war, massenhaft Haussuchungen bei bekannten Sozialisten in den betreffenden Drten abgehalten und dabei in den Wohnungen der Angeklagten theils Flugschriften theils Briefe vorgefunden, die als Belastungsmaterial ver­wendet wurden. Außer denjenigen, die anarchistische Flugschriften be= saßen, wurden auch mehrere sozialdemokratische Arbeiter verhaftet, die gar nichts mit den Anarchisten zu thun haben.

Clemens Schüß, der auch verhaftet wurde, da die Uebersendung der Flugschriften durch ihn nach Mähren   konstatirt war, erklärte nun dem Untersuchungsrichter ganz unverblümt, daß er die Flugschriften den An­geklagten zur Verbreitung übergeben habe, daß er zur ,, radikalen" Partei gehöre und daß dieselbe mit Mord und Chloroform arbeite! Vor seiner Verhaftung aber hatte derselbe Schütz einen Brief an die Wiener   Polizeidirektion geschrieben, worin er sich als Spigel anbot und sich die Antwort postlagernd unter dem Motto" Durch" Zieglergasse, Wien  , erbat. Da er, bevor er eine Antwort erhielt, verhaftet wurde, schrieb er vom Gefängniß in Mährisch­Schönberg aus geheim einen Brief an seinen Freund Wordack nach Wien  , er möge die Antwort der Polizei von der Post abholen. Dieser Brief wurde jedoch aufgefangen und sammt den Protokollen dieses mit Mord und Chloroform" arbeitenden Anar­chisten bei der Verhandlung verlesen. Man kann sich beiläufig denken, welchen Eindruck auf die bedauernswerthen Opfer dieses Schurken die Verlesungen machten.

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Wahrscheinlich in Berücksichtigung dieses Schurkenstreiches sprachen die Geschwornen sämmtliche Angeklagten frei. Der traurige Held dieses Schauspiels aber, Clemens Schüb, war vor der Verhandlung aus dem Gefängniß entsprungen" und befindet sich jezt in der Schweiz  , von wo aus er einen Brief an den Unter­suchungsrichter geschrieben haben soll. Auch soll er bei den Anarchisten als Märtyrer" begeisterte Aufnahme gefunden haben.

Unsere Genossen aber seien allerorts vor diesem Individuum gewarnt. Wir wollen auch nicht unerwähnt lassen, daß Schütz in der Untersuchung wiederholt zu Protokoll gab, daß es ihm mit der Dienst= leistung, die er der Wiener   Polizei offerirte, voll= tommen Ernst war!

Sein gelinde gesagt- Werkzeug ist Herausgeber der