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wenn Bismarck   sein bischen Mutterwig, das er früher besaß, nicht ganz verloren hätte er hätte der Sache der Demokratie keinen schlimmern Streich spielen können als indem er den Antrag Stern annahm. Durch seinen plumpen Angriff hat er Herrn Stern eine große Bla mage erspart, und der Demokratie, der echten, wirklichen, wider Willen einen vortrefflichen Dienst geleistet.

Wenn auch von ganz anderen Gesichtspunkten aus, find wir diesmal doch mit Herrn Gneist ganz einverstanden, daß es bei dem preußischen Wahlsystem ,, nicht blos auf den Wahlmodus der Stimmabgabe ankommt, sondern ebenso auf Zensus, ebenso auf die Klasseneintheilung der Wähler, ebenso auf direkte oder indirekte Wahlen, ebenso auf Diäten oder nicht Diäten", 2c. 2c., und bevor Puttkamer der Abstimmung einen ganz an­deren Charakter aufdrückte, hätten wir deshalb mit Gneist gegen den Antrag Stern gestimmt. Aus Opportunitätsgründen. Wir halten es nämlich nicht für opportun, das Roß am Schwanz aufzuzäumen.

Was ist denn nun jezt thatsächlich erreicht? Daß die Regierung Farbe bekannt hat? Ei, das thut sie nun schon ziemlich lange, dazu brauchte es diesen Kraftaufwand nicht! Daß für die nächste Reichs­tagswahl jetzt ,, bie Parole" ausgegeben" ist? Das ist nicht nur kein Erfolg, sondern ein toloffaler Mißerfolg. Denn die Parole lautet jezt: Schutz des geheimen Wahlrechtes, eine so nichtssagende, zu nichts verpflichtende Parole, daß ein Stöcker, ein Cremer, ein Schor lemer, ein Gneist, ein Hänel, kurz Jeder, der nicht gerade preußischer Landrath ist, dafür eintreten kann. Jeder dieser Helden kann sich jetzt das freifinnige Mäntelchen, Abwehr des gegen das Reichswahlrecht ge­planten Attentats" umhängen, um unter dieser Flagge in den Reichstag hineinzuschlüpfen.

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Auf diese Weise kommt dann ein Reichstag zusammen, der das geheime Wahlrecht rettet", sonst aber doch thut, was Bismarck   will. Eine schöne Taktik!

Nichts von Erweiterung der Volksrechte, nichts von Beseitigung ver­rotteter Institutionen, nichts von wirklich durchgreifenden Reformen, nichts von einem ernsthaften Kampf gegen das infamste aller Regie­rungssysteme, sondern ein nach allen Regeln der Kunst betriebenes Ge plänfel, bei dem derjenige Sieger bleiben muß, der sich aus den Spielregeln nichts macht. Und das sind nicht Herr Stern und seine fortschrittlich- sezessionistischen Freunde, das sind Bismarck   und Buttkamer. So bodenlos plump und ungeschickt sie vorgegangen sind, so sind in Wirklichkeit doch sie die Sieger- Dank der fortschrittlich- volksparteilichen

Staatskunst.

- Vom sozialen Kriegsschauplatz. Die Assoziation der Baumwollspinner von Lancashire   hat, wie man der Franks. 3tg." schreibt, ein Rundschreiben an die Arbeiter gerichtet, in welchem der Zustand der Textil Industrie als sehr schlimm dar­gestellt wird. Der Absatz sei erschrecklich gesunken; die Haupt­abnehmer für die englischen Produkte seien bisher die Völker im südlichen und südöstlichen Asien   gewesen, deren Konsum jedoch in Folge der unter ihnen herrschenden politischen Unruhen, dann durch Mißernten und ähn liche Ursachen außerordentlich abgenommen habe. Der Markt werde aber außerdem durch die fremde Konkurrenz verschlechtert, welche von Jahr zu Jahr England gefährlicher werde und die englische   Textil- Industrie gänzlich zu untergraben droht. Die wichtigsten Verbesse rungen an den Maschinen seien während der letzten Jahre im Auslande gemacht; die Arbeiter würden dort gleichfalls immer geschickter und seien dabei billiger als die Arbeitskräfte in England. Die Aufschließung von Kohlenwerken und der Bau von Eisenbahnen spiele der ausländischen Industrie weitere Vortheile in die Hände und die Vereinigten Staaten  , sowie viele europäische Staaten begännen Märkte an sich zu reißen, die bisher ausschließlich von Eng­land versorgt wurden. In Süd- Afrika   und China   werde wieder Indien   zu einem gefährlichen Konkurrenten. Trotz der sinken: den Nachfrage nehme aber die Produktion beständig zu, und dies habe eine Ueberfüllung des Marktes zur Folge, welche die Fabrikanten zwingt, ihre Waaren oft weit unter bem Erzeugungspreise zu verschleudern ein System, das nur mit dem Ruin aller jener Fabrikanten enden kann, welche nicht kapital­ftark genug sind, die gegenwärtige Krise zu überdauern."

Die Herren Fahrikanten mögen hier, wie gewöhnlich, wo es sich um so eble Zwecke wie Lohnherabsetzungen handelt, ein wenig flunkern, im im Grunde aber ist ihre Darstellung der Verhältnisse des Weltmarktes eine richtige. Gleichzeitig aber ist sie eine Bestätigung alles dessen, was wir Sozialisten gegen das heutige kapitalistische Wirthschaftssystem vor­bringen. Unterbietung auf dem Weltmarkt, Verschleuderung der Waaren und Herabdrücken der Löhne, immer weiteres Herabdrücken, bis die Ar­beiter das Konsumiren ganz verlernen. Besser als es hier von den Fabri

sich zum Beruf des Ackerbauers entschließen." In der That ist der Ackerbau die erste Erscheinungsform knechtischer Arbeit in der Menschheit. Will man in unserem zivilisirtem Europa   noch eine Spur der ur­sprünglichen Schönheit des Menschen finden, so muß man zu den Natio: nen gehen, bei denen das ökonomische Vorurtheil den Haß wider die Arbeit noch nicht ausgerottet hat. Spanien  , das jetzt allerdings auch aus der Art schlägt, darf sich noch rühmen, weniger Fabriken zu besigen, als wir Gefängnisse und Kasernen; aber des Künstlers Auge weilt be­wundernd auf dem fühnen, kastanienbraunen, gleich Stahl elastischem Andalusier; und unser Herz schlägt höher, wenn wir den in seiner durchlöcherten ,, Capa" majestätisch drapirten Bettler einen Herzog von Offuna mit amigo"( Freund) traktiren hören. Für den Spanier, in dem das ursprüngliche Thier noch nicht ertödtet ist, ist die Arbeit die schlimmste Sklaverei. Auch die Griechen hatten in der Zeit ihrer höchsten Blüthe nur Verachtung für die Arbeit; den Sklaven allein war es gestattet, zu arbeiten, der freie Mann fannte nur förper­liche Uebungen und Spiele des Geistes. Das war die Zeit eines Aristo­teles, eines Phidias  , eines Aristophanes  , die Zeit, da eine Handvoll Zapferer die Horden Asiens   bei Marathon vernichtete, welches Alexander bald darauf eroberte. Die Philosophen des Alterthums lehrten die Ver­achtung der Arbeit, dieser Herabwürdigung des freien Mannes: die Dichter besangen die Faulheit, dieses Geschenk der Götter:

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D Melibäus, ein Gott schenkte uns diesen Müssiggang! fingt Virgil. Chriftus lehrt in der Bergpredigt die Faulheit: Sehet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht, auch spin­nen sie nicht, und doch sage ich Euch, daß Salomo   in all seiner Pracht nicht herrlicher gekleidet war."( Mathäi 6, 28 und 29.) Jehovah, der bärtige und sauertöpfische Gott, gibt seinen Verehrern das erhabenste Beispiel idealer Faulheit: nach sechs Tagen Arbeit ruht er auf alle Ewigkeit aus.

Welches sind dagegen die Rassen, denen die Arbeit ein organisches Bedürfniß ist? Die Auvergnaten in Frankreich  ; die Schotten, diese Auvergnaten der brittischen Inseln; die Gallegos"( Galizier) diese Auvergnaten Spaniens  ; die Oberschlefier, diese Auvergnaten Deutschlands  , die Chinesen, diese Auvergnaten Asiens  . Welches sind in unserer Gesell­schaft die Klassen, welche die Arbeit um der Arbeit willen lieben? Die Kleinbauern und Kleinbürger, welche, die einen auf ihren Acker gebückt; die andern in ihren Läden vergraben, dem Maulwurf gleichen, der in seiner Höhle herumwühlt, und sich nie aufrichten, um mit Muße die Natur zu betrachten.

Und auch das Proletariat, die große Klasse der Produzenten aller zivilifirten Nationen, die Klasse, die durch ihre Emanzipation die Mensch­heit von der knechtischen Arbeit erlösen und aus dem menschlichen Thier ein freies Wesen machen wird, auch das Proletariat hat sich, seinen historischen Beruf verkennend, von dem Dogma der Arbeit verdrehen laffen. Hart und schrecklich war seine Züchtigung. Alles individuelle und foziale Elend entstammt seiner Leidenschaft für die Arbeit.

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kanten geschieht, können die Arbeiterführer" Burnett und Broad­Hurst mit ihrem Widerstand gegen den internationalen Normalarbeits­tag gar nicht widerlegt werden. Die Webereifabrikanten in Nord= und Nordost Lancashire haben jetzt beschlossen, daß da, wo die Arbeiter nicht gutwillig streiten, Arbeitssperre eintreten soll. Die Herren sollen sich nämlich eine wesentliche Besse= rung der Geschäftslage durch eine allgemeine mehr­wöchentliche Arbeitssperre versprechen."

Das heißt, den Arbeitern wird eine mehrwöchentliche Hungerkur auf­erlegt, während welcher Zeit sie die in ihren Kaffen aufgespeicherten " Fonds" aufzehren dürfen. Hernach dürfen sie dann bei 10 oder 15% niedrigeren Löhnen wieder arbeiten. Und das so weiter, bis sie schließlich sächsische und schlesische Löhne erhalten. Dann werden sie allerdings auch einen internationalen Arbeitstag und internationale Arbeitslöhne haben, auf dem Weg der Selbsthilfe wenn ihnen nicht früher über ihre Führer und deren Weisheit die Augen aufgehen. Hoffen wir Letteres.

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Kleptomanie, oder aus dem Griechischen in einfaches Deutsch übersetzt, Diebswuth, Stehlsucht, ist ein vor etwa 2 Jahrzehnten in Mode gekommener Ausdruck zur Bezeichnung einer sehr häufigen Krant heit, welche sich darin äußert, daß der von ihr Ergriffene Alles, dessen er habhaft werden kann, in seine Taschen wandern läßt. Von dieser Krankheit und das ist ihre merkwürdigste Eigenthümlichkeit- kann nur Jemand ergriffen werden, der reich ist. Ein armer Teufel, der ein Stüid Broe wegemmet, um seinen gunger zu ſtillen, iſt ein gemeiner

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Spitzbube; der reiche Mann aber, der einen Schmuck stiehlt, welcher ihm in die Augen sticht, ist ein Kleptomane, denn er hat ja das Stehlen

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nicht nöthig. Kleptomanie heißt also Stehlen aus Neigung, aus un widerstehlichem ,, Aneignungsdrang"; der Umstand, daß der Stehlende sich in günstigen Vermögensverhältnissen befindet und das Stehlen nicht nöthig hat, ist ein wesentliches Bestandtheil der Kleptomanie. Und noch ein zweites Requisit gehört dazu, nämlich, daß der Stehlende die Sache etwas dumm anfängt und sich außerhalb der gewöhnlichen, Ge= schäftsusancen" das Wort im weitesten Sinne genommen

stellt. Ein Strousberg  , ein Herzog von Ujest  , ein Baron Ofenheim und wie die Großen, die sprichwörtlich nicht gehängt werden, alle heißen mögen, ist kein Kleptomane, sondern ein Gründer" und nach dem bür­gerlichen Moralkoder ein Ehrenmann, vor dem die Göttin Justitia   ihre

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Reverenz machen muß, und der höchstens einmal aus Mißverständniß mit ihr in Konflikt gerathen kann. Genug der Diebstahl des Kleptomanen muß ein gemeiner Diebstahl im Sinne des Strafgesezes sein: Alles, was mit dem großen wirthschaftlichen Ausbeutungsprozesse der modernen Bourgeoisgesellschaft zu thun hat, gilt nicht für Kleptomanie aus dem einfachen Grund, weil dieser Diebstahl im Großen und mit Methode für recht gilt und nicht für eine Verrücktheit( Manie), im Gegentheil für ein vernünftiges Handeln, auf welchem im Grunde die gesammte Bour­geoisgesellschaft beruht.

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einem

Genug dieser Betrachtungen. Vor einigen Tagen hat sich das Schöffen­gericht in Berlin   mit einem Kleptomanen comme il faut zu beschäf­tigen gehabt( siehe Berliner Volkszeitung" vom 6. Dezember)- , marchand tailleur" R.( in solchen Fällen verschweigt die diskrete Presse den Namen), der in bester Form einen Taschendiebstahl verübt hatte und mit dem corpus delicti in seinem Besize abgefaßt worden Der Mann machte geltend, daß er sehr reich sei und das Stehlen nicht nöthig habe; zwei Aerzte bezeugten ihm, daß er von Zeit zu Zeit ,, an einem unwiderstehlichen Aneignungsdrange laborire", und die biede­ren Schöffen sprachen den Spizbuben frei, weil er reich sei und das Stehlen nicht nöthig habe. Wäre er nicht reich und hätte er zur Stillung seines Hungers das Stehlen nöthig gehabt, so wäre er unbarmherzig

war.

verdonnert worden.

Die Moral ist: nur den Armen ist das Stehlen verboten, den Reichen ist es erlaubt auch in der Form des allergemeinsten Diebstahls. Die Berliner   Schöffen, die den in flagranti ergriffenen Taschendieb, den reichen marchand tailleur R. von der Anklage des Diebstahls freisprachen, hatten den richtigen Bourgeois- Klasseninstinkt und haben gezeigt, daß sie von dem Geiste unserer kleptomanischen Bourgeois- Gesellschaft voll­ständig durchdrungen sind.

- Zur Rohheitsstatistit. Es ist bekannt, daß Fürst Bis­ marck  , als er noch simpler Deichhauptmann war, einst in einem Wirths­hause Jemandem, der eine dem Krautjunker mißfallende Aeußerung ge than hatte, das gefüllte Bierfeidel auf dem Schädel in Stücke schlug, so eine That, die in dem daß der Getroffene blutend zusammenſant famosen Buch des Hesekiel mit dem offiziellen Stempel versehen und gebührend verherrlicht worden ist. Die Geschichte passirte irgendwo in Hinterpommern wäre sie in einem zivilisirten Landstrich passirt, so würden dem Deichhauptmann Bismarck   damals von den mitanwesenden Gästen die Knochen so gründlich zerschlagen worden sein, daß uns der Fürst Bismarck   wohl erspart geblieben wäre.

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Wie es scheint, war diese Bierseidel- Affaire kein Moments- Ausbruch junkerlicher Bestialität, sondern eine ganz methodische Handlung. Es ist uns dieser Tage ein Buch in die Hände gefallen, welches schon im Jahre 1851( Breslau  , Verlag von Joh. Urban u. Kern) gedruckt ist und eine aristo­kratische, für das preußische Junkerthum schwärmende Dame zur Ver­fafferin hat die jetzt verschollene, damals aber vielgenannte da von Düringsfeld. Das Buch ist betitelt: Eine Pension am Genfersee. Zwei Romane in einem Hause", und enthält eine Masse Klatsch aus der sog. vornehmen Welt und darunter schwer herauszu­finden aus dem Wust fader Geistreichigkeiten und müffiger Skandalchronik auch einige interessante, und für gewisse Personen und Zustände charakteristische Anekdoten. Da wird( Bd. II, Seite 4) u. A. von ,, Baron Bismard" erzählt: er habe neulich" einer bürgerlichen Kanaille ,, auf eine Ergeiferung über den Adel ganz freundlich gesagt: Ich pflege Leuten, mit denen man sich nichtschießen kann, bei solchen Aeußerungen Stühle an den Kopf zu werfen fliegt also mal ein Stuhl, so wissen Sie seine Adresse."

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Wie gesagt, diese Mittheilung stammt aus den aristokratischen Kreisen, aus den Kreisen des Herrn Bismarck selbst und diese Gewohnheit des Stühlewerfens zur Ausgleichung politischer Meinungsdifferenzen er­erscheint der aristokratischen Erzählerin als etwas ganz Natürliches, und obendrein sehr Ehrenvolles. Daß es wirklich zum Stühlewerfen gekommen sei, wird zwar nicht gemeldet, aber die Drohung ist in einem solchen Falle ebenso roh wie die Ausführung; und daß Baron Bismard" wohlgemerkt, wo er einen Schwächern vor sich hatte und es ge­fahrlos thun konnte vor der Ausführung nicht zurückschreckte, hat ja sein Hof- und Leibbiograph Hesekiel der Mit- und Nachwelt überliefert. Db's ein Stuhl ist, der einem politischen Gegner an den Kopf geworfen wird, oder ein gefülltes Bierseidel, das thut zur Sache nichts. Genug, Baron Bismarck", pflegte", seiner eigenen Aeußerung nach in dieser handgreiflichen, seinen und seiner Sippe Bildungsstand tennzeichnenden Weise zu argumentiren.

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Wir sagten, daß er sich dabei freilich seine Leute ansah, und sorgfältig bedacht war, persönlich nicht zu Schaden zu kommen. Wir schließen dies aus seinem famosen Zusammenstoß mit dem ehemaligen hannöver schen Kriegsminister von Münchhausen, der, 1867 im Reichstag von Bismarck   schwer beleidigt, diesen forderte, aber keine Genugthuung er­langte, weil der Reichskanzler sich beeilte, die gefährliche Aeußerung aus dem stenographischen Berichte zu entfernen. Der näm­liche Bismarck   hatte kurz vorher den Fortschrittler Virchow   wegen einer im preußischen Abgeordnetenhaus gemachten Aeußerung gefordert und mit großem Lärm für die Nothwendigkeit eines Duells plaidirt. Hier blutdürftiger Bramarbas, dort lammfrommer Friedensmann kläre mir, Graf Derindur, diesen Zwiespalt der Natur? Nun, er ist leicht er­

er

klärt: Herr von Münchhausen ist ein ausgezeichneter Pistolenschüße, und Virchow hat nie eine Pistole in der Hand gehabt.

Ein paar Dugend Seiten weiter( Band II, Seite 38) schreibt der aristokratische Blaustrumpf:

,, Denken Sie, Bismarck   hat, als er Blum's Tod erfahren, Geld in die Armentasse gegeben".

Eine Handlung, von der die aristokratische Verfasserin sagt: Ein ge­funder Haß" jedoch etwas barbarisch."

Ein anderes Epitheton wäre passender; der Leser, der keines Kom­mentars bedarf, wird es finden.

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Apropos, da wir gerade bei der Rohheitsstatistik sind, sei noch Fol gendes erzählt. Der Philosoph" des nackten Egoismus, Sch open= hauer, der beiläufig manchen sonst ganz vernünftigen Menschen durch die Unverschämtheit seiner Phraseologie den Kopf verdreht hat, war ein fanatischer Reaktionär und an Gemüths- Rohheit dem rohesten Kraut­junter ebenbürtig. Gleich Baron Bismarck" hatte er eine maßlose Wuth auf die wahrhaftig doch höchst harmlosen ,, Revolutionäre  " von 1848 und namentlich auf Robert Blum  . Ein Freund Schopenhauers dieser selbst war freilich für Freundschaft unempfänglich und behandelte seine Freunde wie Hunde, ein gewisser Hornstein, hat soeben ,, Er­innerungen an Schopenhauer  " veröffentlicht, die ein recht widerliches Bild enthüllen. Nur ein Pröbchen: ,, Wenn er sich in den bösen Buben ( das bubenhafte Schimpfen anf die Revolutionäre") hineingearbeitet hatte" schreibt Hornstein ,, konnte er Unglaubliches leisten, dann konnte er das Glas erheben und auch auf den ,, edlen Fürsten Windisch­ gräß  " trinken, und dessen zu große Empfindsamkeit" bedauern. Den Blum hätte er nicht erschießen, sondern henten sollen u. s. w."

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Man sieht, Herr Schopenhauer   verdient in unserer Statistik einen Plaz neben Baron Bismarck". In die Armenkasse hat er allerdings nichts bezahlt, als er die Freudenbotschaft von Robert Blums Stand­rechtlung durch den edeln Windischgrät" erfuhr allein das unter: ließ er nur, weil er zu geizig war, noch geiziger als ER! Auf der Höhe." In einem vortrefflichen Leitartikel, der diesen Titel führt, und der sich mit der Art und Weise beschäftigt, wie Anstand und gute Sitte, deren Mangel man beim Volke so sehr beklagt, in den höheren Regionen", in den Parlamenten 2c. beobachtet werden, schreibt die demokratische Züricher Post":

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,, Und jetzt zum Schlusse noch eine Geschichte, die eben gestern die ,, Kölnische Zeitung  " veröffentlicht hat. König Alfons empfing drei deutsche Journalisten, unterhielt sie über den Zustand seines Reiches, von seinen töniglichen Thaten und erzählte dabei frisch, fromm und fröhlich, wie er selbst während des Karlistenkrieges ,, Bataillone aus Sträf lingen bildete, denen Mannszucht unbekannt war, die sich aber doch vorzüglich schlugen." Sicherlich wird dieses allerhöchste Geständniß nirgends Anstoß erregen, man wird diese Enthüllungen sogar mit Befriedigung aufnehmen, als einen Beweis von der glänzenden Thatkraft des spanischen   Herrschers, und am meisten ent­zückt werden Diejenigen sein, welche den Revolutionen nichts Gemeineres und Niederträchtigeres nachzureden wußten, als daß allerlei dunkle Existenzen und ge= meine Verbrecher in ihren Reihen gefochten hätten. Freilich, Alfons wollte ja nur seine Spanier glücklich machen, wie auch Ferdinand von Neapel   seinerzeit sein Land mit Hilfe von notorischen Banditen beruhigte. Dem Reinen ist Alles rein, den Königen alles königlich. Darum Blumen auf ihr Haupt und dem Volke Koth in's Antlig."

Wo sind die Zeiten hin, da deutsche demokratische Blätter eine solche Sprache führten! Heute haben sie für Alles, was nach Revolution riecht, nur Spott und Verdächtigungen und sind entzückt, wenn irgend ,, liberale" Ansichten ein gekrönter Mordbube wie Serbiens   Milan heuchelt.

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Zur Bourgeoismoral. Vor einigen Wochen stellte das Reichsgericht bei Entscheidung eines Prozesses den Grundsatz auf, daß es Betrug sei, unter dem Namen" Baierisches Bier" Bier zu verkaufen das nicht in Baiern   gebraut sei. Diese Entscheidung hat die deutsche Geschäftswelt in große Aufregung gebracht, und wer die Konsequenzen bedenkt, wird diese Aufregung auch sehr natürlich finden. Hören wir nur, was das Berliner   Hauptorgan der Fortschrittspartei, die ,, Volks­zeitung", über das bedenkliche Thema sagt; und wie sie sich und ihre bürgerlichen Leser zu beruhigen sucht. Sie schreibt in einer ihrer letzten Nummern:

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,, Die Reichsgerichtsentscheidung betreffend echte Biere" hat begreif­licherweise in den weitesten Kreisen großes Aufsehen erregt, und nur der Gedanke gibt eine gewisse Beruhigung, das es mit den Konsequenzen eines solchen Urtheils im praktischen Leben nicht so genau genommen wird. Denn ohne eine gewisse Wurschtigkeit" in diesen Dingen würde es im Erwerbsleben nach diesem Gerichtsbeschluß ziemlich bedenklich aus­sehen, wenn man erwägt, wie viel gewohnheitsmäßige Bezeichnungen für Waaren vorhanden sind, von denen Käufer wie Verkäufer ganz genau weiß, daß sie nur gewählt werden, weil dies gewissermaßen Mode ist. So z. B. dürfte es wohl kaum einen vernünftigen Menschen geben, der nicht weiß, daß der ,, Magdeburger Sauerkohl", welcher unter dieser Firma in Deutschland   verzehrt wird, nur zum hundertsten Theile die Provinz Sachsen   überhaupt gesehen hat. So verhält es sich mit der ,, Braun­schweiger Leberwurst", der Gothaer Cervelatwurst", dem Westphälischen Schinken" und der Perleberger Glanzwichse", tausend anderer ähnlicher Bezeichnungen nicht zu gedenken. Alljährlich um diese Zeit erscheint an den Schaufenstern unserer Materialwaarenhändler ,, Schönstes türkisches Pflaumenmus", eine Ankündigung, von der jede Hausfrau weiß, daß Klappern zum Handwerk gehört und sonst weiter keinen Zweck hat. Wer schon einmal außerhalb seines Wohnorts gewesen ist, hat auch schon ein­mal Gelegenheit gehabt, zu beobachten, in welchen Massen bei uns im lieben Deutschland   gleich unmittelbar neben der Zwetschgenplantage auf freiem Felde schönstes türkisches Pflaumenmus" gekocht wird, um sofort, in Fässer geschlagen, nach allen Himmelsrichtungen verschickt zu werden. Welche ungeheuren Massen von Spiritus gehen nicht alljährlich aus allen Theilen der preußischen Monarchie nach Nordhausen  , um von dort als ,, echter Nordhäuser Korn" das Licht der Welt zu erblicken. Jeder Geschäftsmann weiß das; er ist nicht sicher, daß er nicht seines eigenen Nachbars Waare von weit her zugeschickt erhält, aber es genügt ihm und auch seinen Gästen, daß er wie Shylock   aus seinem Schein bestehen, das heißt den Frachtbrief über wirklich echte Waare vorzeigen kann. So geht es mit den smyrnaer Korinthen und den echten ungarischen Kur­trauben, die eben so echt sind als der westphälische Pumpernickel oder die gnadauer Bregeln und holländischen Waffeln. Daß die Jauerschen Würste und Limburger oder Harzer Käse eben so echt sind als die Stettiner Fettheringe oder Spandauer Zimmetbrezeln weiß Jedermann, und es fällt auch Niemanden ein, darin einen Betrug zu sehen. Jeden­falls würden alle Gerichtshöfe der Welt nicht im Stande sein, alle die Urtheile zu fällen, welche in richtiger Konsequenz des Reichsgerichts­spruches über alles Unechte gesprochen werden müßten. Schweinfurter Grün und Berliner   Blau, Lyoner Seide und italienischer Salat würden täglich Gelegenheit bieten, die Thätigkeit des Strafrichters heraus­zufordern, wenn man nicht eben wüßte, daß hierbei der ,, Mumpig" eine nicht zu unterschäßende Rolle spielt."

So das fortschrittliche Organ, welches sich sogar demokratischen An­strich gibt.

Es fällt uns nicht ein, dem Kaufmann, welcher der allgemeinen ,, Ge­schäftsusance" folgend, eine Waare unter einem falschen Namen ver­kauft, für einen Betrüger schlimmster Sorte zu erklären zweifelhaft mit gutem Recht für ,, mildernde Umstände" plaidiren, allein das

er fann un­