Sie nochmals zu hintergehen beabsichtigt; ich nehme an, daß Sie vonMeinem Anerbieten nur deshalb keinen Gebrauch machen; ich kannIhnen hiemit die Versicherung geben, daß es mir vollständig ernst ist,Meine Dienste und Ersahrungen Ihnen vollständig zu unterstellen. Siewerden von mir nicht durch lügenhafte Berichte ic. hintergangen werden,wie schon im vorige.» Briefe angegeben, wo ich Ihnenmittheile, weshalb ich mich Ihnen zur Verfügungstelle, sobald Sie mir mittheilen, daß sie mich benöthigen. Ich glaubekaum, daß Sie überzeugt sind, die„Freiheit" werde in New- Jorkebensowenig gedruckt, als dieselbe vor zwei Monaten in Exeter gedrucktwurde. Ich habe Ihnen noch etwas mitzutheilen, was Sie gewiß inter-essiren dürfte, jedoch ersuche ich Sie, falls Sie diesen Punkt benützen,nicht zu sagen, wer Ihnen dieß mittheilte:c."---Aus dem von uns hervorgehobenen Satz im zweiten Brief geht her-vor, daß zwischen diesem und dem ersten ein dritter Brief geschriebensein muß, in welchem Stellmacher die im ersten Brief versprochene Ent-hüllung über die Gründe zu seiner Offerte dargelegt hat. Warum hatKaltendach diesen Bries nicht vorgelegt?Das Anerbieten, jede Sendung des„Sozialdemokrat" der Regierungin die Hände zu liefern, steht durchaus nicht im Widerspruch mit dem,was wir an anderer Stelle über die Stellmacher'sche Offerte überhauptgesagt. Es gehört eben zur anarchistischen Taktik, und ist von HerrnMost oft genug gepredigt worden: daß vor allen Dingen unsere,die sozialdemokratische Partei geschädigt werden muß. Schon im famosendakunistischen Katechismus, den Herr Most ja nachbetet, heißt es, daßder konsequente, eingeweihte Revolutionär das Recht hat, jeden nicht ganzso konsequenten der Polizei zu verrathen. Rur gehören zu solchem Ver-rath zwei, nicht nur der Verräther, sondern auch derjenige, der sich ver-rathen läßt; und Kaltenbach hat mit dem Abfangen des„Sozial-demokrat" so trübe Erfahrungen gemacht, daß es begreiflich ist, weshalb» auf diesen Köder nicht anbiß.Wer der„S ch r i f t s e tz e r in Deutschland" i st, auf den Stell«Macher sich beruft, brauchen wir wohl nicht erst zu sagen. Wer derSache mit nur einiger Aufmerksamkeit gefolgt ist, kann sich darüber mkeinein Zweifel befinden.. � �.Und nun wiederholen wir: welche Verwirrung der Begriffe von Rechtund Unrecht, von ehrlichem Kampf und niederträchtigem Verrath. Wiesoll es bei solcher Taktik noch möglich sein, den aufrichtlgen Genosfenvon dem schuftigen Spitzel zu unterscheiden, und wer ist sicher, daß ernicht morgen„im Interesse der Revolution" oder aus Rachsucht vonseinen eigenen Kameraden ans Messer geliefert wird?!.,,,Wir kannten unsere Pappenheimer längst von dieser Seite, und nichtIntoleranz war es, die uns veranlaßte, dafür einzutreten, daß Jeder, derMit diesen Leuten zusammengeht, aus unserer Organisation heraus muß—sondern der berechtigte Selbsterhaltungstrieb, die Rothwendlgkeit, uns»orDenunziantenzuschützen.— ,=-, Nachschrift. Soweit hatten wir diese Notiz geschrieben, als unsd>e in der„Zürcher Post" veröffentlichte Erklärung der anarchiltlschen»Gruppe Zürich" zu Augen kommt, dahingehend: Stellmacherhabe die Briefe„mit Billigung der Gruppe geschrieben,„welche dieselbe vorher einsah.".Obwohl wir über die Glaubwürdigkeit dieser„Gruppe langst nnKlaren sind, halten wir es für sehr wahrscheinlich, daß dem m der Thatso ist. Denn die„Gruppe Zürich"(d.h. die Person, welche spater die„Gruppe Zürich" gründete, denn die„Gruppe Zürich existirte damalo»och gar nicht) war zu jener Zeit sehr solidarisch mit Stell-Macher.Ja, wir gehen sogar noch weiter und drücken frei die Ueberzeugungaus, daß der erste Brief mit so detaillirter Angabe— es fehlt nur nochber Preistarif— gar nicht von Stellmacher ver-saßt i st, Stellmacher vielinehr nur die vorgeschobene Person war.Man vergleiche nur den Stil beider Briefe. Während der zweite inSatzbau und Wendungen den mit der Feder Ungeübten unschwer er-kennen läßt, verräth der erste einen sehr geübten Briefschrelber: sehrverbindlich, sehr glatt— man sollte meinen, den Bries müsse eiiiKaufmann geschrieben haben.,Wenn sich die„Gruppe" nun damit ausreden will, sie habe„m,tKaltenbach so operiren wollen, wie es seinerzeit die„gemäßigten Sozia-listen gethan", so müssen sich die„gemäßigten Sozialisten" diesen Ver-gleich ganz entschieden verbitten. Die„gemäßigten Sozialisten" habenKaltenbach, der einen ihrer Vertrauensleute korrumpiren wollte, denverdienten Reinsall bereitet und werden auch in Zukunft sohandeln, aber sich Kaltenbach zu Denunziationen anbieten— das ist den„gemäßigten Sozialisten" zu— radikal..— Das eitle Staatswaschweib, Karl Blind, konntedie ihm von dem eisernen Reichs- und Angstkanzler durch Erwähnungdes Cohen-Attentates gebotene Gelegenheit, Reilame für sich zu machen,Nicht unbe.mtzt vorübergehen lassen. Entgegen den— allerdings fe gverlogenen— Behauptungen der Fortschrittler, daß dem A.tentäter ke.neSympathien aus fortschrittlichen Kreisen bezeigt worden se'en, erzählt erder Welt, daß die„That seines unglücklichen Stiefsohnes allerdingsseinerzeit vielfach gefeiert worden sei u. s. w. u. s. w. Alles natü.lich«ur, um den Herrn Karl Blind zu feiern und als wichtige Persdn-lichkeit erscheinen zu lassen, um welche sich ein tüchtiges Stück äB'l*-geschichte dreht, wo nicht die ganze Weltgeschichte. Ob dieser Erkläru..gdes Karl Blind herrscht nun große fortschrittliche Entrüstung, die sichdarin äußert, daß der Karl Blind als— Revolutionär denunzirtwird.Ein für allemal sei hier bemerkt, daß das Staatswaschweib KarlBlind mit dem Bismarck-Attentäte. gar nichts gemein hat, als daß e.-defsen Mutter in zweiter Ehe hei.athete; und daß der Bismarck-Atte..-täter nicht Blind, sondern Cohen heißt, und keinen Tropfen KarlBlind'schen Blutes in den Adern hatte.Der„Revolutionär" Karl Blind wird beiläufig einer Anzahl unse-ver Leser aus dem„Herr Vogt" von Karl Marx bekannt fem. Emschofler Bursche wird uns da vorgeführt. Und gar schofel hat er sichauch später benommen. Wir wollen blos daran erinnern, daß er 1870/71für die Annexion von Elsaß-Lothringen teutsch-patriotisch polterte undvollständig in das Bismarck'sche Horn blies.Man sieht, es ist eine wahre Verunglimpfung des heldenmüthlgenCohen, ihn Blind zu nennen.>— Ein Prachtexemplar des Aornis Fortschrittsphilister istjüngst in Görlitz verstorben. Derselbe heißt Anders und war Landes-ältester(was das bedeuten mag?) in Görlitz. Er hat sein ganzes, sehrbeträchtliches Vermögen für„junge Schlesier im Älter von 11 bis 22Jahren"(in Stipendien von je 100 Mark) ausgesetzt, j-doch nur fürsolche,„die weder Theologie studiren, noch sich dem Miiitärstaade widmenwollen, auch keine Hinneigung zu orthodoxen oder s o z i a l d e m o-i r at i s ch en Grundsätzen bekunden." Sollte das Testament in dieserForm angefochten werden, so soll das Vermögen(650,000 Mark) an dieAbgeordneten Richter und H ä n e l fallen, unter der Bedingung, daßes von diesen zur Förderung fortschrittlicher Parteiinteressen verwendetwird.Man sehe sich die Bestimmungen etwas genauer an, und man wirdfinden, daß sie dem Hirn eines wahren Rormalfortschrittlers entsprungen.Der Norma'fortschrittler von der ehrlichen Sorte, der zugleichMusterphilister ist, hat einen grimmigen Zorn auf die Pfaffen(Ortho-doxen) und den Miltarismus. Er ist freisinnig und sreigeistig, bis zum„Radikalismus" und renommirt sogar mit diesem seinem„Radika-lismus."So weit so gut. Aber wenn es zur B e t h ä t i g u n g der Freisin-nigkeit und Freigeistigkeit kommen soll, dann hapert es— da ist derNormalsortschrittler und Musterphilister nicht zu sprechen. Ja, jeder Ver-such der Bethätigung ist ihm verhaßt, und wehe Dem, der den Versuchunternimmt und ernstlich an's Werk geht. Er wird in Acht und Banngethan und mit ärgerer Entrüstung heimgesucht, als selbst die Pfaffenund der Militarist aus. So erklärt sich der Haß des Normalfortschrittlers,Knd Musterphilisters gegen die Sozialdemokraten, die des unsühvbaren(Verbrechens schuldig sind, die fortschrittliche Freisinnigkeit und Frei-geistigkeit konsequent verwirklichen zu wollen.»)Hand in Hand mit dieser charakteristischen Angst vor konsequentemDenken und Handeln geht bei dem Normal- Fortschrittsphilister einekomische Beschränktheit des räumlichen Gesichtskreises. Nicht*) Man mißverstehe uns nicht. Wir reden hier nicht von dem ö k o-n o m i s ch e n Programm der Fortschrittspartei, welches für den Normal-fortschrittsphilister eine terra incognita(unbekanntes Land) ist.einmal bis zum Begriffe des Vaterlandes kann der Normal-Fort-schrittler sich erheben, geschweige denn dem des Kosmopolitismus, desWeltbürgerthums. Die preußische Fortschrittspartei hat niemals anein Gesammtdeutschland gedacht, sondern stets nur an ein ver-größertes Preußen— eine Auffassung, die sie mit dem pom-merschen Krautjunker Bismarck gemein hat; der sächsische Fort-schrittler ist grün-weiß in der Wolle gefärbt und der fanatischste Parti-kularist, den man sich vorstellen kann; und das Gleiche gilt von denFortschrittlern der übrigen„engeren" Vaterländer. Unser s ch l e s i-scher Normalsortschrittler und Musterphilister kann sich— vermuthlichweil Preußen, Dank dem„guten Magen" der Hohenzollern, ihm„zugroß" geworden ist— nicht einmal zum Begriff des„engeren"Vaterlandes aufschwingen, er ist„ S ch l e s i e r" und seine fortschritt-liche Menschenliebe erstreckt sich nur auf Schlesien.Doch genug. Wir wollten blos an einen« typischen Exempel zeigen,von was für Stoff diese Fortschrittler sind. Wohlgemerkt, die von derbesten Sorte!— Der liebe Bundesrath hat auch in der Frage der Erhöh-ung der Stempelsteuer die Lobsprüche.bewährt, die ihm Bismarck soreichlich zu Theil werden läßt. Er kuscht, daß es eine wahre Freude ist— und ganz besonders in allen Fragen, wo es gilt, mehr Geld fürReichszwecke zusammenzubringen. In diesem Punkt übertrifft er an Will-fährigkeit Bismarck gegenüber sogar— und das will gewiß viel sagen— die Nationalliberalen.Jammernd klagt eine Korrespondenz in den Blättern dieser, noch vorwenigen Tagen so hoffnungsvollen Partei:„Die Beschlüsse der Bundesrathsausschüsse zu dem Börsensteuer-gesetzentwurfe haben wieder einmal die Hoffnungen Derjenigen enttäuscht,die den Bundesrath nicht sowohl als eine Vertretung der Regierungen,sondern als eine Art Oberhaus ansehen. Die Solidarität derR e g i e r u n g s i n t e r e s s e n hat trotz aller steuertechnischen odersteuerpolitischen Bedenken die Oberhand behalten, und so wird der preu-ßische Regierungsantrag ohne wesentliche Modifikatton an den Reichstaggelangen."„Ja, ihr Herren, die„Solidarität der Regierungsintereffen", das istin der That ein recht fatales Ding. Die Regierungen wissen eben, daßsie zusammenhalten müssen, um ihre Interessen zu wahren, und kriechengerne vor dein mit Eurer Hilfe allmächtig gewordenen Reichskanzler,wenn sie dadurch in den Stand gesetzt werden, zu Hause recht ungenirtzu wirthschaften. Daß aber die Regierten ihre Interessen gänzlich ver-kennen und mit sich ein skandalöses Spiel treiben lassen, daran ist Nie-mand mehr Schuld als Ihr— die Apostel von der hundedeinüthigenReichstreue.—„Biegen anarchistischer Agitationen" ist, nach demKabeltelegramm, wie wir den amerikanischen Blättern entnehmen, die„Süddeutsche Post" verboten worden. Das ist nicht übel, und erinnertan Herrn von Minnigerode, der in der letzten Sozialistengesetzdebatteunsern Genoffen Auer einen Anarchisten nannte. Auch in Frankreichliebt es die Bourgeoispresse, die auf dem Boden des Klassenkampfesstehenden Sozialisten schlechtweg Anarchisten zu nennen. Kurzum, wiein Rußland der Name Nihilist Jedem angehängt wird, der ein über-zeugter Gegner des zarischen Despotismus ist, so wird es im Westennachgerade Mode, Jeden, der ein überzeugter Gegner der heutigenwirthschaftlichen und politischen Gesellschaftsordnung ist, Anarchist zunennen. Anarchist wäre demnach etwa dasselbe wie„Reichsfeind", nurin potenzirtem Grade.Dieses Kampfmittel erscheint auf dem ersten Augenblick sehr geschickt.Unter dem Deckmantel des Anarchismus sind in neuer Zeit Dinge ver-übt worden, die in weiten Volksschichten allgemeine Entrüstung erregthaben, und diese Entrüstung glaubt man auf diese Art auf die ganzesozialdemokratische Bewegung ablenken zu können. Aber jedes Dinghat seine zwei Seiten.Eine tiesgehende Volksbewegung— und eine solche ist heute diesozialdemokratische— ist noch nie durch solche ihr zu Schimpfzweckenangehängte Titel zu Grunde gegangen. Im Gegentheil, der Titel hörtebald auf, einen gehässigen Charakter zu haben— wegen seiner All-gemeinheit. Man braucht nur an die Gueusen(Bettler) in den Nieder-landen, an die Sansculottes(Ohnehosen) in Frankreich zu. denken. Wennalso unsere Gegner ihr Vergnügen daran finden, uns Anarchisten zunennen, nur zu. Das Gegentheil von dem, was sie damit bezwecken,dürft das Resultat sein.—„Die Eroberung Preußens durch die Deutschen"betitelt sich ein jetzt erscheinendes Geschichtswerk von Albert LudwigEwald. Wir dächten, eine Geschichte der Eroberung Deutschlands durchdie Preußen wäre zeitgemäßer gewesen.— Abgesehen von dem h i st o-r i s ch e n(wir sagen nicht k u l t u r h i st o r i s ch e n) Interesse würdeeine solche Geschichte auch ein hohes physiologisches Interessehaben, insoferne sie wesentlich mit einer Naturgeschichte des„gutenMagens der Hohenzollern" zusammenfallen würde, dessenerstaunlicher Verdauungskraft neulich vom Heldengreise selbst im Laufeeines Gespräches mit berechtigtem Stolze berechtigte Anerkennung gezolltward. O dieser Hohenzollernmagen! Gleich dem urkräftigen Magen derKirche, auf die er drum auch eifersüchtig ist,„hat er ganze Länder aufgefressen,Und doch nie sich übergessen."Wenigstens satt ist er noch nicht. Ob Alles verdaut wird, was erinne hat, und namentlich ob die Kurpsuschmixturen des approbirtenHausarztes Otto verdaut werden, das wollen wir freilich noch abwarten.Qui vivia verral Wer's erlebt, wird's ja sehen!— Wie der Normalarbeitstag in der Schweiz durch-geführt wird, darüber heißt es in dem neuesten Berichte derschweizerischen Fabrikinspektoren, welcher die Jahre 1882 und 188S umfaßt, u. A.:„Die Durchführung des Normalarbeitstages läßt noch immer vielfachzu wünschen übrig, doch nicht in dem Maße, wie man sich oft vor-stellt.(?) Allerdings spricht man immer-öfter von Uebertretungen, dieBlätter berichten darüber, aber in manchen Gegenden betrachte ich diesnicht sowohl als einen Beweis, daß das Gesetz schlechter gehalten werde,sondern daß die Uebetretungen anfangen, aufzufallen, von immer weite.ren Kreisen als etwas Unrechtes beanstandet zu werden, daß das Publi-kum nun seine bisherige Gleichgilttgkeit abgelegt hat und sich immermehr uni das Fabrikgesetz kümmert. Hie und da ist es auch ein Beweis,daß die Behörden anfangen, ihre Pflicht besser zu erfüllen, und immeröfter Zuwiderhandlungen aufdecken. Diese Auffassung theilen auch manchesehr kompetente Beobachter des Volkslebens. Zudem hat sich schon sehroft herausgestellt, daß Zeitungsnottzen über Verletzung des Fabrik-gesetzes aus Unwahrheit beruhen. Jedenfalls ist eine solche Publikationohne nähere Mittheilung an die Behörden oder das Jnspektorat nichtder richtige Weg(aber oft der einzig mögliche), dem Gesetze besserenVollzug zu schassen, aber ebensowenig anonyme Briefe an uns, mit denenwir"solche Erfahrungen gemacht haben, daß sie nunmehr unbeachtet inden Papierkorb wandern.„Die meisten Ueberschreitungen der gesetzlichen Arbeitszeit wie desFabrikgesetzes überhaupt kommen noch immer in den Stickereien vor.Zwar geben die meisten Stickfabrikanten zu, daß ihre Arbeiter nach elfStunden emsiger Arbeit eine Leistung vollbracht haben, die billigerweiseund ohne Schaden für die Gesundheit kaum größer verlangt werdenkann. Aber sie fügen sehr oft hinzu, daß sowohl die inländische Kon-kurrenz übermäßig lange arbeitender Besitzer von 1 und 2 Ataschinen,als diejenige der Vorarlberger und Sachsen mit ihrer langen Arbeits-zeit und geringen Löhnen eine noch höhere Leistung erforderlich machen,wenn der Fabrikant soll bestehen können. Dagegen wenden freilich mancheihrer Kollegen ein, daß auf diese Weise ein Konkurrenzkampf entbrennenwürde, der nicht zur Bereicherung des hiesigen Fabrikanten, um so siche-rer aber zum physischen und moralischen Verderben des Arbeiters führendürfte. Diese Ueberzeugung scheint, auch bei den einsichtigeren Arbeiternimmer öfter durchzudringen.„Wie ungünstig für die Beobachtung des Gesetzes das Ueberhand-nehmen der Einzelstickerei wirken muß, ist leicht ersichtlich. Der Arbeiter,der lieber länger arbeiten oder der die Arbeitskraft von Kindern unter11 Jahren verwerthen möchte, verschafft sich seine eigene Maschine. DerArbeitgeber schwebt in steter Gefahr, seine thätigsten Arbeiter zu ver-lieren, wenn er ihre Gelüste nach Uebertretung des Fabrikgesetzes nichtgewähren läßt. Und diese dem Gesetz nicht unterstellten Maschinen sindfast gleich an Zahl mit den andern. Schul- und Gesundheitsbehördenjammern über die traurigen Folgen ihres uneingeschränkten Betriebs,namentlich für die Kinder. Es ist unbegreiflich, daß garkeine Versuche gemacht werden, durch kantonaleGesetze wenigstens dem ärgsten Unfug zu steuern.Verordnet doch schon ein St. Gallisches Gesetz von 1853:„Kein Kinddarf, bevor es die Entlassung aus der Primarschule erhalten hat, inFabriken und fabrikähnlichen Etablissements verwendet werden.......Kinder unter 15 Jahren dürfen unter keinen Umständen zu nächtlicherArbeit verwendet werden." Heute, nach 30 Jahren, wird amtlich kon-statirt, daß Fädlerkindler von 8 und 10 Jahren in der Schule schlaf-trunken zusammensinken, weil sie die halbe und hie und da selbst dieganze Nacht fädeln mußten.„Die Ueberschreitung der 11 Stunden-Arbeit wird sehr oft dadurchzu bemänteln versucht, daß eine Menge, natürlich nur angeblicher Pausenaufgezählt werden. Noch sicherer hofft man der Entdeckung zu entgehen,wenn man behauptet, die einen Arbeiter beginnen z. B. schon um 6 Uhr,die anderen um 7 Uhr, die dritten noch später und enden dann auchzu entsprechend verschiedener Zeit. Eine Anzeige der Arbeitsstunden beider Ortsbehörde findet trotz aller Reklamationen selten statt. Unendlichviel werthvoller wäre, wenn der Stundenplan, wie im Auslands überall,wo gesetzliche Bestimmungen über Arbeitszeit bestehen, im Arbeitslokalangeschlagen sein müßte. Ich möchte eine solche Vorschrift mit allemNachdruck empfehlen.„Ueber die Häufigkeit der Uebertretungen bestimmte Zahlen beizubringen, ist schwer; sie selbst zu konstatiren, ist für die Inspektoren in denmeisten Fällen geradezu unmöglich. Auf die hiezu verpflichteten Beamtenist oft kein Verlaß. Ich kam wiederholt in den Fall, auf die Lässigkeiteinzelner Ortsbehörden aufmerksam machen. Trotz dieser Schwierigkeitensah ich mich in St. Gallen z. B. neunundreißigmal veranlaßt,Etablissements wegen Ueberschreitungen der Arbeitszeit spezieller polizei-licher Aufsicht zu empfehlen; ebenso war ich mehrmals zu eigentlichenKlagen genöthigt. In anderen Kantonen kam dies weit seltener vor.Nacht- und Sonntagsarbeit ist bei den meisten Arbeitern so verhaßt, daßselbst dann Beschwerden eingingen, wenn den Prinzipalen dieselbe ge-stattet worden war; öfteres Vorkommen derselben ist mir deshalb un-wahrscheinlich."Die meisten der hier berichteten Thatsachen sprechen für oder viel«mehr gegen sich selbst, keine einzige aber gegen den Normal-, bezw.M a x i m a l arbeitstag. Daß sich viele Arbeiter dazu verleiten lassen,Stickmaschinen auf Abzahlung anzuschaffen und im eigenen Hause an sichselbst und ihren Kindern Raubwirthschaft schlimmster Art zu betreiben—Lafargue spricht in seinem„Recht auf Faulheit" in dieser Beziehungganz zutreffend von einer„wahnsinnigen Arbeitslust"— beweist nur,daß:1) der Verdienst in der Fabrik für Familienväter ein zu geringer ist,welchem Uebelstand zunächst durch eine weitere Herabsetzungdes Arbeitstages— Erweiterung des„Rechtes auf Faulheit"— abzuhelfen wäre, und2) die Ausdehnung des Fabrikgesetzes auf die sogenannteHausind u st rie eine absolute Nothwendigkeit ist. Wenn das Rechtauf Faulheit nichts nutzt, so wird eben der Zwang zur Faulheit prak-tizirt werden müssen. Spießbürgern, welche mit den Vorurtheilen derbürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft noch nicht gebrochen haben, magdieser Gedanke ungeheuerlich erscheinen; daß er es keineswegs ist, son-dern von den klassenbewußten Arbeitern längst praktisch zu verwirklichengesucht wird, lehren die vielen Streiks für.verabsetzung der Arbeitszeit,wo derjenige Arbeiter mit Recht als Verräther an der gemeinsamenSache erklärt wird, der, wenn es sich um den zehnstündigen Arbeitstaghandelt, es für sein„Recht" erklärt, elf, zwölf und noch mehr Stundenzu schaffen. Vom Klassenstandpunkt des Proletariers ist das„Recht aufFaulheil" keineswegs nur ein schlechter Witz, sondern eine in sarkastischerForm ausgedrückte bittere Wahrheit.—„Die Ehre des deutschen Namens im Auslande"— das ist das Idol, dem zu Liebe das deutsche Volk fortgesetzt Opferan Freiheit und Wohlfahrt im Jnlande zu bringen gezwungen wird.Nun, die Begriffe von Ehre sind verschieden, und es fragt sich sehr, obein Bürger der kleinen schweizerischen Republik, die doch nur über einwinziges, zum Aggressivkrieg unfähiges Volksheer gebietet, im Auslandnicht höher geachtet wird als ein Bürger des großen mächtigen Militär-staates Deutschland. Aber in einem Punkte sind die Ehrbegriffe heutein der zivilisirten Welt so ziemlich gleich: in der Verachtung des Diebs-und Räubergesindels. Ein Volk, das in dieser Beziehung seine Ehrenicht wahrt, wird verachtet werden— auch wenn es das mächtigsteder Welt ist.Deshalb richten wir an alle Diejenigen, welche die„Ehre des deut-schen Namens stets im Munde führen", heute eine kleine Anfrage.Die. französische Presse durchläuft folgende Notiz:„Die letzte Nummer des deutschen Buchhändlerbörsen«b l a t t e s enthält auf der siebenten Seite folgendes Inserat:(32562.)— Paul Meubner in Köln bietet zum Verkauf:Magler, Dictionnaire artiatiquo: 32 Bände. Prachtausgabe, infeinein Pariser Demi-Chagrin gebunden. Vollständig erhalten. Preis:350 Mark(137 Franken 50 Cts.)NU. Stammt aus der Bibliothek des SchlossesS aint- Cloud."Soweit die Annnoce, anläßlich deren die französischen Blätter von„Schamlosigkeit der Deutschen" reden. Und in der That,wenn das Werk aus St. Cloud g e st o h l e n ist, dann haben sie nichtUnrecht.Man wende uns nicht ein, daß die Franzosen es in Deutschland ebensogemacht haben würden— das mag sein, es gibt auch in FrankreichSpitzbuben, es beschönigt aber die Sache nicht. Das gestohlene Werk ge-hört nach St. Cloud; und wem an der Ehre des deutschen Namens imAuslande liegt, der hat vor Allem dafür zu sorgen, daß ein so skanda-löses Ausbieten ge st ohlener Sachen in Deutschland unmöglichwird.Oder ist dasselbe mit Euren Begriffen von nationaler Ehre ver-einbar?Um Antwort wird gebeten!— Der neueste Schwindel heißt„deutsch-sozialistische Partei",die soeben in Berlin„gegründet" worden ist von den Herren Stöcker,Wagner und Liebermann von Sonnenberg. Der alte Quark neu zu-sammengerührt,— das soll für die bevorstehenden Reichstagswahlender Köder zum Arbeiter- und Bauernfang sein. Wer wird darauf anbeißen?— Aus Leipzig, 6. Juni, schreibt man uns: Zunächst eine kleineAuseinandersetzung mit einem gewissen Dr. Friedrich Friedrich,Literat seines Handwerks, Virtuos der Gesinnungslosigkeit und folglichwie geschaffen zum Mitglied der„deutsch- freisinnigen Partei", derenLokalvorstand an hiesigem Orte er ist. In dieser letzteren Eigenschafthat der Herr sich bemüssigt gefunden, gegen meine Mittheilung, daßbezüglich der letzten„deutsch-freisinnigen" Versammlung in Leipzig(dasWort: letzten in jedem Sinne gebraucht!) eine Vereinbarung mitden Sozialdemokraten stattgefunden habe, im Namen der Deutsch-Frei-sinnigen von Pleiße-Athen ein Dementi zu veröffentlichen. HerrFriedrich Friedrich, der zwar sonst das Pulver nicht erfunden, aber dochbei seinen„schriftstellerischen" Irrfahrten sich eine gewisse Pfiffigkeit ange-eignet hat, sucht sich freilich dadurch ein Hinterpförtchen zu öffnen, daßer formell nur im Namen des deutsch-freisinnigen Vereins spricht.Allein auch diese Ausflucht kann ich dem deutsch- freisinnigen HerrnDementirer nicht gestatten.Also: der Herr Friedrich Friedrich sagt die Unwahrheit; und wenner— was doch von einem„Vorstand" angenommen werden muß—von dem Handeln seiner Partei und seiner Parteigenossen unterrichtetist, sagt er absichtlich und mit Bewußtsein die Unwahrheit, lügt also.Und was ich Ihnen in jener Korrespondenz schrieb, ist Wort für Wortwahr— auch nicht ein Jota wird abgestrichen.Soviel von und für Dr. Friedrich Friedrich, der, will er nicht alsLügner dastehen, sich nach den Vorgängen in seiner Partei und obendreinVorgängen in seiner unmittelbarsten Nähe erkundigen möge.Für die Anarchie, welche innerhalb der„deutsch-freisinnigen" Parte,herrscht, bin ich ebenso verantwortlich, wie für die Vorgänge auf demMond. Das aber weiß ich, daß ich die„deutsch-freisinnige Partei tauseno-mal besser kenne, als Dr. Friedrich Friedrich, dessen politischeKenntnisse mit seinen Stil- und sonstigen Sprachkenntnissen auf einerStufe zu stehen scheinen.Und nun genug von dem Dr. Friedrich Friedrich und seinem albern-verlogenen Dementi.