SS Hören wir, was Beide uns zu sagen haben: Der Deutsche   ist der vollkommenste Mensch von der Welt, hocherhaben über denländergierigen"krämerhasten" Engländer, über denver- kommenen" Welschen, über denstumpfsinnigen" Slaven  . Seine schönste, erhabenste Eigenthümlichkeit ist sein Idealismus. Leider sind trotz des- selben die Zustände in Deutschland   nicht so ideal, als nian wünschen sollte, und Hunderttausende von Deutschen   verlassen jährlich ihre Heimath, um nach Amerika   auszuwandern, und dort schrecklich aber wahr! ihres ganzen Idealismus verlustig zu gehen! Ein entsetzliches Volk, diese Amerikaner! Ein Freund des Verfassers", erzählt uns der Artikelschreiber, ein sehr tüchtiger Gelehrter, erzählt ihm: sein Oheim habe ihn nach seiner Rückkehr aus Deutschland   gefragt,was er jetzt thun wolle, um recht bald viel Geld zu verdienen".Da", sagt der Verfasser", brachen meine alten Wunden von neuem auf." Schaudert Zhr nicht, ob solcher Verworfenheit, ihr idealen Deutschen  ? Gibt es in Deutschland   einen Oheim, der seinen Neffen fragte, wie er Geld verdienen wolle? Nein, die deutschen   Oheime seufzen nur nach der blauen Blume der Romantik, nach Mondschein und Rosenduft! Un- glückliches Amerika  , wo das anders ist! Aber noch unglücklicheres Deutschland  ! Ja, unsere Idealisten beklagen Deutschland   noch mehr wie Amerika  . Warum nun? Die Deutschen   in Amerika   sind Deutschland   verloren gegangen.Ihre geschäftlichen Beziehungen zu Deutschland  (diejenigen etwa ausgenommen, die als Kommissionäre deutscher   Häuser hinübergingen, und diese kaum) sind keine anderen, als die aller übrigen Bürger der großen Union; sie haben nicht verhindern können(und wohl nicht einmal den Versuch dazu gemacht), daß die Union   durch harte Schutzzölle sich gegen die fremde, also auch gegen die deutsche Einfuhr abschloß." Aber das ist noch nicht Alles: Eine nicht unwesentliche Verletzung, zugleich unserer ideellen(?) und n> a t e r i e l l e n Interessen, der rücksichtslose Nachdruck deut- scher Schriftwerke in Nordamerika   geht ruhig vor sich, ohne daß unsere Landsleute dort etwas dagegen thun, oder auch nur zu thun geneigt sind.-- »Die deutsche Zeitungspresse in Amerika  , die wohl in der Lage war, einheimische deutsche   Talente heranzubilden und zu ermuthigen, brüstet sich lieber mit Auszügen aus deutschen   Zeitungen, deutschen  Romanen, deutschen   Gedichtsammlungen, treibt ein schamloses Piraten- thum zum materiellen Nachtheil Deutschlands   und zum ideellen(?) des Deutschamerikanerthums." Schnöder amerikanischer Materialismus! Du verletzest die heiligsten Gefühle der deutschen   Idealisten durch Abschließung gegen die deut- schen W a a r e n, durch Nichtzahlung von Honoraren für abgedruckte deutsche Artikel. Darauf läuft die Klage unseres Idealisten hinaus! Und die Moral von der Geschichte ist natürlich die Beförderung der Kolonialpolitik! Ohne die geht es heute nicht mehr. So fragt denn auch der Artikelschreiber zum Schlüsse:Wenn es deutschem Unternehmungsgeiste, unter dem mächtigen Schutze des deutschen  Reiches, gelänge, d a oder dort selbständige deutsche Ansiedelungen zu gründen, würden diese nicht sowohl in materieller, wirthschaftlicher als auch in geistiger Beziehung eine gewisse Wechselwirkung und Solidarität mit dem deutschen   Mutterlande unterhalten weit eher mindestens als die sechs Millionen Deutschen  , die in der Gesammtbevölkerung Nord- amerikas   versprengt, von dieser überwuchert und allmählich aufgesogen werden? Und hätte Jenes nicht auch für Deutschland   materiell und ideell mancherlei Vortheile?" Das also ist des Pudels Kern, das das Resultat der langen idea- listischen Salbaderei. Zuerst bricht den Herren Idealisten das Herz, wenn sie nur von Geld reden hören, dann ärgern sie sich, daß sie ihre Waaren und Leitartikel nicht anbringen und schließlich schreien sie nach Kolonien, d. h. nach Landdiebstahl unter demmächtigen Schutze des deutschen Reiches"da oder dort" d. h. unter den Negern von Angra Pequenna, den Papuas von Neu-Guinea   und den Südseeinsu- lanern von Samoa  , um durch deren Ausbeutung Vortheile für Deutschland  , d. h. für sich zu erlangen. An eine Solidarität der Neger und Papuas mit deutschemIdealismus" und eine Stärkung des letzteren ourch dieselbe glaubt wohl im Ernst Niemand. Der deutsche Bourgeois ist ebenso habsüchtig und krämerhaft als irgend einer. Der Nationalitätendünkel ist bei ihm ebenso stark ent- wickelt als bei seinen Nachbarn, und an schamloser Ausbeutung, wo die Gelegenheit, nimmt es der deutsche Bourgeois mit Jedem auf: der Bourgeoisie aller anderen Länder aber ist er weit überlegen durch seine Heuchelei. Alles, was er thut, alles was er verlangt, hat einen idealen Grund: Schutzzölle und Dampsersubventionen, Länderraub in der Südsee und in Afrika  , Verstaatlichung bankrotter Eisenbahnen, staatliche Förderung russischer Anleihen Alles, Alles geschieht aus, Idealismus, Alles im Interesse der großen.herrlichen Nation! Und mit dieser Heuchelei prahlt die deutsche   Bourgeoisie und jammert darüber, daß ihre Landsleute im Auslande, wenn auch nicht anständiger, so doch offenherziger werden! Aus Leipzig  , 12. Juli, schreibt man uns: Auf die Gefahr in, unserem geistreichen Minister des Innern, Herrn von N o st i z- a l l w i tz für nächstes Jahr Sie sehen, ich bin sehr voraussichtlich und treibe Zukunftspolitik dieMotivirung" der abermaligen Ver- längerung desKleinen" zu erleichtern, den der gute Mann bei seinen bekannten Fähigkeiten nun einmal nicht entbehren kann ich erinnere nur an Cavour's bekannten Ausspruch, muß ich Ihnen wieder ein- mal einelängere" Korrespondenz aus unserer lieben Seestadt Leipzig  schreiben, die durch Goethe, indem er ihr den Namen Klein paris Feuilleton. Deutsche   Arbeiter in Araltlic«. Ein Genosse, welcher in Brasilien   bessere Zustände erwartete, als sie in Deutschland   herrschen gestützt aus die leichtsinnigen Lobhudeleien Brasiliens  , wie sie in manchen deutschen   Blättern Mode, der aber von seiner Brasilienschwärmerei gründlich kurirt, kürzlich wieder in seine sächsische Heimath zurückkehrte, sendet uns aus derselben eine längere Schilderung seiner südamerikanischen Erlebniffe, aus welcher wir Folgen- des, als von allgemeinem Interesse, unseren Lesern mittheilen: Am 20. Juli 1881 verließ ich Hamburg  , schreibt der Einsender, um am 21. August in Brasilien  , in der Kolonie Dona Francisca (Provinz S. Catharina), zu landen. Von da fuhren wir flußaufwärts mit dem Segelschiff, nach I o i n v i l l e. Ich wurde im Empfangsschuppen untergebracht und machte mich am nächsten Morgen auf, um Arbeit zu suchen, konnte aber keine dauernde finden. Später fand ich einen Landsmann dort, der bei der Polizei dient; derselbe nahm sich meiner an, führte mich zu verschiedenen Unternehmern und verwendete sich bei denselben für mich, jedoch ohne Erfolg. Schließlich sprach ich auch bei einem Doktor vor. Derselbe rief seine Frau, und die sagte: Ja, Sie können bei uns arbeiten, aber um denselben Lohn, den die Mädchen erhalten. Sie müssen ja erst lernen, wie man hier arbeitet." Ich fragte, wie hoch der Lohn sei; sie erwiderte: ein halbes Milreis(ein Niilreis in Papier  : ungefähr 2 Mark). Kost und Logis müsse sich der Arbeiter seihst besorgen. Das Pfund Brod kostet S6 Pfennig, ein unmöblirtes Zimmerchen in einem schlechten Bretterhäuschen ü 8 Mk. Miethe, das Waschen eines Arbeitshemdes kostet 24 Pfg., das eines Oberhemdes 40 Pfg. Die Ar- beitszeit in dem glühenden Klima dauert von Morgens 6 Uhr bis 7 Uhr Abends, mit einer Mittagspause von nur einer Stunde! Eine Vesperstunde kommt nicht vor. Das waren die glänzenden Zustände, um deretwillen ich die Heimath verlassen hatte! Ich kam zu der Erkenntniß, daß ich unter solchen Umständen nur aus Kosten meiner Gesundheit arbeiten könne. Ich entschloß mich daher, auszuhören und meinen Landsmann aufzu- suchen, von dem ich und der Schuhmacher August Schl. und der Tischler- meister Gr. imVoiglländischen Tageblatt" gelesen und dessen Schilde- rungen uns bewogen hatten, nach Joinville   auszuwandern. Der betref- sende Landsmann, Namens Schwind, schrieb seinem Bruder in Plauen  , er solle seinen Posten daselbst verlassen und zu ihm kommen. Er(der brasilianischeLandsmann") befinde sich in sehr angenehmen Verhältnissen, besitze 48 Morgen Land, ein Haus, einen tüchtigen Vieh- stand u. s. w. Diesen Glücklichen suchte ich jetzt auf, und wurde an gab, offenbar für denKleinen" prädestinirt worden ist.(Ich mache Herrn v. Nostiz-Wallwitz hiermit ausdrücklich aus dieses neue Ar- gument' aufmerksam, das sich Sommer über's Jahr in seinem unver- meidlichenRechenschaftsbericht" jedenfalls sehr gut ausnehmen und dem- selben eine gewisse pikante Würze verleihen wird. Herr v. Nostiz-Wallwitz liebt ja den Schein der Klassizität.) Also zunächst eine Nachricht: Herr Schill hat, wie schon srüher gemeldet, in der hiesigen Reichstagskandidatur ein Haar gefunden; im Lauf der Verhandlungen ist seine Abneigung nur noch gestiegen, und so hat er denn Mitte der vorigen Woche endgiltig abgelehnt. Die nationalliberalen Macher haben sich daraufhin, da sie den Glauben an die Hochburg des Nationalliberalismus" verloren haben, mit den Par- tikularisten(Konservativen) und der sogenanntenHandwerkerpartei" (Ackermann'sche Gestalten) in Verbindung gesetzt und im Bunde mit diesen ehemaligen Todfeinden denn auch in der Person des zweiten Bürgermeister T r ö n d l i n einen Kompromißkandidaten gefunden. Die famose Moral des Tschechliedes: Traust keinem Bürgermeister nicht!" geht diesen Leuten über den Horizont: und ihre Devise lautet ganz im Gegentheil: Ein Bürgermeisterlein Muß es sein!" Und zwar diesmal kein pensionirter, wie der(politisch)selige" Stephani, sondern einaktiver". Daß der aktive T r ö n d l i n seine Bürgermeister- geschäfte, für die er 12,000 Mark jährlich bezieht, während der Wahl- agitation und während der Session(falls er gewählt wird) nicht ver- sehen kann, und sein fetter Gehalt für diese Zeit zum Fenster hinaus- geworfen ist, das kümmertso reiche Leute wie uns Leipziger  " nicht. Wir haben's ja aus dem Steuersäckel der misorn contribuens plebs (der verächtlichen Maffe, die zu zahlen hat), und so gut wir unserm Ex- Abgeordneten und Ex- V i z e bürgermeister Stephani seit 8 Jahren 6000 Mk. jährlich f,ü r nichts zahlen, so gut können wir einem Voll- Bürgermeister auch eine Zeit lang das D o p p e l t e für nichts zahlen. Nur immer nobel! Genug: Ein Bürgenneisterlein Muß es sein," wie im Land kreis, wo der Tauchaffche Bürgermeister A h n e r t als Ordnungsbrei-Kandidat in petto ist, so nun auch in unserem Stadt- kreis. Der Bruder unseres vorigen Polizeidirektors, der ein so schlechtes Ende genommen, Professor Richter von Tharandt  , bis vor Kurzem Mitglied des Reichstags und sächsischen Landtags, ist gleich unserem vori- gen Polizeidirektor irrsinnig geworden und muhte dieser Tage in eine Anstalt gebracht werden. Wenn beide Brüder, statt erbitterte Feinde der Sozialdemokratie zu sein,Agitatoren" unserer Partei gewesen wären, so würden die Feinde nicht versäumt haben, das Thema vomFinger Gottes" in allen Ton- arten zu variiren. Da ich geradebei Thema" bin, so sei noch erwähnt, daß unter den deutschen  , besonders den sächsischen Parlamentariern ein großes Sterben und Verderben grassirt, von dem blos zu bedauern, daß es, statt der Parlamentarier, nicht den Parlamentarismus ergriffen hat. So ist z. B. dieser Tage der sächsische Fortschrittler und Partikularist(auch Konser- vative das schillert in allen Farben des Regenbogens) O e h m i ch e n gestorben, der gegen Geyer in Großenhain   kandidiren sollte und wegen seiner Popularität auch entschieden der gefährlichste Gegenkandidat war. O e h m i ch e n, ein reicher Gutsbesitzer, vertrat im sächsischen Land- tage früher mit Geschick und Energie den Versassungsstandpunkt; 1867 in den konstituirenden Reichstag gewählt, protestirte er mit Nachdruck gegen die großpreußische Politik des Junkers Bismarck, von der er die schlimmsten Folgen für Deutschland   voraussagte, und stimmte gegen die Reichsverfassung. Mit der Zeit konnte er sich jedoch den giftigen Ein- flüssen der Parlamentsluft nicht entziehen, und blieb zwar als Privat- mann ein liebenswürdiger und braver Mensch, wurde aber als Politiker das in allen Regenbogenfarben schillernde Weichthier, welches ich oben in kurzen Zügen geschildert. Die Augen unserer Polizei sind auf B o r s d o r f gerichtet. Von den vier Ausgewiesenen, die dort wohnten, ist einer, P r e i ß e r aus Lindenau  , vorige Woche anderswohin übergesiedelt; ein zweiter gedenkt dasselbe zu thun; Bebel hat zu erkennen gegeben, daß er ebenfalls wegziehen will. Wenn nun auch noch Liebknecht wegginge, dann wäre der arme Nostiz-Wallwitz in der verzweifelten Lage, sein Hirn nach einem neuen Grund für die Verlängerung desKleinen" zu durchwühlen; und unsere Polizei hätte einen ihrer Hauptwirkungskreise verloren also eine doppelte Kalamität. Wieso die Polizei einen ihrer Hauptwirkungskreise verloren? srägt vielleicht der eine oder andere Leser. Ach! Borsdorf   war so schön! Und so nahe bei Leipzig  ! Wer gute Augen hat, der kann von Leipzig   bis Borsdorf   sehen, in die Töpfe und Anderes hineinsehen; und wer lange Ohren hat, der kann in Leipzig   hören, was in Borsdorf   gesprochen wird; und wer eine lange Schnüffelnase hat, der kann bis Borsdorf  riechen. Und an langen Ohren fehlt es ja gewissen Leuten nicht, und auch nicht an Katzenaugen, die selbst bei Stacht sehen, und nicht an langen Nasen. Und verschiedene lange Nasen und verschiedene lange Ohren und ver- schieden« Katzenaugen entwickelten eine solch' fruchtbare Thätigkeit, daß der glückliche Besitzer der längsten Ohren, der längsten Nasen und der katzenhaftesten Katzenaugen im Moment höchster Selbstzufriedenheit und einen Mann gewiesen, bei dem er wohnte, fand aber nur dessen Frau zu Hause. Sie sagte, ihr Mann sei augenblicklich nicht zu sprechen; er arbeite täglich mehrere Stunden am Straßenbau, weil sein Gut ihm nicht genug abwerfe, trotzdeni er keine Kinder habe. Ich sah mir das Gut an. Das Haus besteht aus Baumstämmen, mit Palmzweigen gedeckt. Zwischen den einzelnen Baumstämmen sind zollweite Fugen, so daß der Wind durchbläst. Ebenso primitiv war die Einrichtung. Ich fragte nun nach nieinem Landsmann. Ja, sagte die Frau, der sei vor Kurzem fort- gezogen und es sei die höchste Zeit gewesen, da er vor Schulden nicht mehr aus und ein wußte. Er arbeite jetzt am Eisenbahnbau in Paranagua  . Dort kampire er mit seiner Familie im Freien. Man kann sich mein Erstaunen über diese Thatsachen vorstellen. Ich erzählte der Frau von den verlockenden Schilderungen, die in dem Briefe Schwind's enthalten waren.Ja," meinte sie, d a s g l a u b' ich gern. Wer hier einenguten" Brief nach Deutschland  schreibt, bekommt eine Summe Geldes dafü r." Ich hatte genug und ging. Mit den günstigen Briefen aus Brasilien   ist es ein eigen Ding. Jahr- aus jahrein transportirt die brasilianische Regierung Schaaren von Ein- Wanderern nach Joinville  , und doch bleibt der Ort klein, weil die Mehr- zahl durch Elend und Roth   bald wieder fortgetrieben wird. Das hindert jedoch nicht, daß aus Joinville   die verführerischsten Schilderungen nach Deutschland   kommen. Nicht immer sind die schönklingenden Briefe bezahlt. Dem Schuhmacher August Schl., der mit mir hinüber ist, ist es in Joinville   ganz jämmerlich gegangen. Als ich aber wieder in meine Heimath zurückkehrte, erfuhr ich, daß er sich in seinen Briefen sehr lobend und zufrieden äußerte. Er schämte sich, es einzugestehen, daß er in Kummer und Elend sei. Nicht besser wie ihm erging es meinem dritten Reisegenossen, dem Tischlermeister Gr. Auch der hatte in kurzer Zeit sein ganzes Geld zu- gesetzt und versank in Noth. Meine weiteren Erlebnisse zu schildern, erlaubt mir nicht der Raum des Parteiorgans.*) Zwei Jahre lang versuchte ich es, mich durchzu- schlagen, durchwanderte die Südprovinzen S. Catharina und Rio Grande do Sul   und war in den verschiedensten Branchen thätig, als Bürsten- binder, Tuchmacher, Anstreicher, Eisenbahnarbeiter sc., aber überall fand ich elenden Lohn, lange Arbeitszeit und dabei eine Theuerung aller Lebensbedürfnisse. Ich hätte auch Ansiedler im Urwalde werden können. Ich sah mir die Geschichte an, verzichtete jedoch aus diese Art des Fort- kommens. Lieber ganz gestorben, als lebendig begraben. Nur ein Bauer, der alle geistigen Bedürfnisse sich abgewöhnt hat, kann es in einer solchen Wildniß, in die sich kaum je ein Brief oder eine Zeitung verirrt, aus- halten. Für Jeden, dem geistige Thätigkeit zum Bedürfniß geworden, *) Wer Näheres von dem Verfasser erfahren will, wende sich an die Expedition desSozialdemokrat". moralischen Triumphes vor Kurzem das stolze Wort gelaffen aussprach: Wir wissen Alles, was in Borsdorf   vorgeh t." Alles, Alles! So nun haben wir genug gesagt und klappen den Deckel wieder auf den Tops. Nur noch ein paar freundnachbarliche Andeutungen: es gibt Leute, die der guten Leipziger   Polizei für Geld und gute Worte Alles mittheilen, was in Bolsdorf geschehen und nicht geschehen ist. Namentlich das Letztere. Unsere Polizei war aber froh, daß sie Staat und Gesellschaft, mitsammt der guten Seestadt Leipzig  , so mühelos, ich möchte fast sagen gemüthlich, vor den schrecklichen Gefahren, die aus dem schönen nahen Borsdorf   drohten, zu retten vermochte. Und das soll jetzt zu Ende sein? Es wäre entsetzlich. Was soll denn aus der Welt noch werden, wenn das Spitzelgeschäst nicht mehr blüht, singt melancholisch der mißvergnügte Leipziger   Polizei- chorus. Die hiesige Polizei hat sich so hübsch aus Borsdorf eingerichtet und Borsdorf   so hübsch auf die hiesige Polizei; es wäre wahrhaftig Jammer und Schade, wenn das schöne Verhältniß nun auf einmal aus- hörte! Wird übrigens nicht aufhören, wie hiermit unter dem Siegel der Verschwiegenheit verrathen sei. Da das Parteiorgan von unserer Polizei sehr fleißig gelesen wird, kann ich ihr diese angenehme Mittheilung nicht zweckmäßiger machen als durch die Spalten des Parteiorgans. Lapionti sat!*) Und für den nicht sapiooti erst recht sat I Ende gut, Alles gut: vor einigen Tagen sollte in Crimmitschau  Volksversammlung sein, mit der Tagesordnung: Rechenschaftsbericht des Reichstagsabgeordneten Stolle; die Behörden hatten nichts einge- wendet, ein Lokal war beschafft in Gestalt einer Schützenhalle. Da nahte das Verhängniß, die Herren Schützenbrüder reklamirtenihr Lokal" und die Versammlung mußte unterbleiben. Vor einigen Monaten machten es die Schützenbrüder in A u e ebenso, indem sie einen Vortrag Liebknecht's durch Entziehung des dortigen, ihnen gehörigen Schießhauses hinter- trieben. Zum Lohn für solche Gesinnungstüchtigkeit soll diesen und anderen Schützenbrüdern beim bevorstehenden Schützenseste dahier zwar nicht Freibier", aber doch für ihr Geld Bier ack libitum ohne Polizei- st u n d e gespendet werden. So ausdrücklich vom Stadtrath beschlossen. Wie sagten doch die Römer??auom et circonsos**), was für unser Bier trinkendes Zeitalter übersetzt werden muß mit: Bier und Spiele! Zeug« für den Kommunismus. Unter den reichste» Klaffen, bei denen man die stärkste Entwicklung des Eigenthumssinns voraussetzen sollte, befindet sich eine große Zahl von Leuten, die ihre Abneigung gegen das Institut des Privateigenthums durch die T h a t bekunden, und dasselbe in der demonstrativsten Weise verurtheilen. Wir denken hier an die immer häufiger werdenden Vermächtnisse reicher Leute zu Gunsten von Städten oder öffentlichen Anstalten, seltener des Staates, der auch in diesen Kreisen sich keiner sonderlichen Pop»- larität zu erfreuen scheint. In Leipzig   zum Beispiel, einer Bourgeoisstadt oommo il kaut, ist es innerhalb der letzten zwei Jahre dreimal vorgekommen, daß Millio- nöte ihr ganzes Vermögen der Stadt testamentarisch hinterlassen haben. Die drei Erblasser hatten zwar keine Kinder, aber doch nahe Verwandte, die von ihnen enterbt werden mußten. In keinem der drei Fälle ist das Testament auf eine persönliche Feindschaft des Erblassers gegen die von ihm Enterbten zurückzuführen. Der Entschluß kann also nur aus der Ueberzeugung oder Erkenntniß hergeleitet werden, durch die Vererbung an die S t a d t, das heißt an die G e m e i n s ch a f t von 150,000 nach der bald zu erwartenden Einverleibung derVorstadtdörfer" von 250,00« Menschen werde mehr Nutzen geschafft, als durch die Verer- bung an eme einzelne Person. Und unzweifelhaft ist dies auch richtig, selbst unter den heutigen Verhältnissen, wo die Klassenherrschaft nichi nur im Staat, sondern auch in der Genieinde und in dieser vielleicht in noch höherem Grade obwaltet und eine gerechte Verwendung der Mittel in, Interesse der Gesammtheit unmöglich macht. Trotzdem liegt etwas Kommunistisches in der Gemeinde wie in dem Staat, und, falls nicht positive Betrügereien und Unterschleife stattfinden, so können, trotz aller Kliquen- und Vetternwirthlchaft(die ja speziell in Leipzig   zur klassischen Blüthe entwickelt ist) doch die arbeitenden Klassen von de» Besitzenden nicht un, den ganzen Betrag des ihnen Zukommende» geprellt werden, und haben iimnerhin von derartigen Vermächtnisse» wir haben hier wieder speziell Leipzig   im Auge einige Vortheile. Wie dem nun immer sei, so viel steht fest, die Männer, welche ihr Vermögen der Stadt Leipzig   zu gemeinnützigen Zwecken vermacht haben, und die ihrer sozialen Stellung nach eminent in der Lage wären, das Wesen und die Wirkungen des Privateigenthums kennen zu lernen, find mit Ueberwindung ihrer Klassenvorurtheile zu dem Schlüsse gelangt, daß das Gemeineigenthunr für das Gemeinwesen ersprießlicher ist, als das Privateigenthum. Und das ist, weil von unverdächtigster Seite konu mend, entschieden ein schwerwiegendes Zeugniß gegen das Privateigen- thum und für den Kommunismus. Und noch Eins. Die Männer, welche diese kommunistischen   Testa- mente gemacht und durch dieselben einen praktischen Protest gegen das heilige" Privateigenthum erlassen haben, werden von den Vertreter» der heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung nicht als Förderer vo» Umsturzbestrebungen geschmäht und ihr Andenken wird nicht mit Ver- leumdungen besudelt, wie das sonst den Anhängern und Fürsprecher» des konimunistischen Gedankens zu passiren pflegt im Gegentheil, sie *) Lateinisch: Für den Klugen genug! **) Brod und Spiele! für jeden intelligenten Arbeiter kommt die Ansiedlung im brasilianische» Urwald einem Selbstmorde gleich, und das Anrathen derselben einen» Verbrechen. Im November des vergangenen Jahres verließ ich Brasilien  , um wieder in die Heimath zurückzukehren. Zu allen Entbehrungen und Un- annehmlichkeiten, welche der Aufenthalt in Brasilien   mir auferlegte, ge< sellte sich schließlich auch noch die Krankheit; ich fing an, an kalte»' Fieber zu leiden. Ich habe die brasilianischen Südprovinzen zu Fuß kreuz und quer durchzogen und sie so genügend kennen gelernt. Das Resultat meiner Beobachtungen geht dahin, jedem von der Auswanderung nach diesem Lande abzurathen. Wohl gibt es Leute, darunter nicht wenige Deutsche  , die ihr Glück in Brasilien   gemacht haben, aber ein großer Theil derselben nur durch Schwindel, Betrug, namentlich durch Ausbeutung ihrer weniger raffinirten und skrupulöseren Landsleute. Zum Schlüsse noch Eines: Die Deutschen   in Brasilien   werden in deutschen   Reisewerken gewöhnlich auf Kosten der Eingeborenen über die Maßen gelobt, die letzteren in jeder Weise herabgesetzt. Nun, thätiger ist der Deutsche   jedenfalls, als der Brasilianer Neger, Indianer oder Kreole. Seme Arbeitswuth verläßt ihn auch nicht unter dem Aequator. Aber trotzdem muh ich sagen, daß mir die weißen, gelben, braunen oder schwarzen Eingebornen Brasiliens  viel sympathischer sind als die dortigen Deutschen  . Wenn ich als armer Arbeitsuchender von Ort zu Ort, von Ansiedlung zu Ansiedlung durch den Urwald walzte, da konnte ich stets auf die entgegenkommendste Gastfreundschaft rechnen, wenn ich bei einem Brasi- lianer einkehrte, ohne daß dieser eine Entschädigung verlangte. Beim Deutschen   dagegen mußte ich oft mein Essen bezahlen, und nicht selten schnitt der Wirth noch ein schiefes Gesicht, wenn ihm die Bezah- lung nicht genügend erschien." Soweit unser Genosse., Sein Brief ist nach den verschiedensten Richtungen hin lehrreich. Vor Allem natürlich in Bezug auf die Auswanderung nach Brasilien  . Die Lage der brasilianischen Kolonisten war seit jeher eine elende. Die brasi- lianische Regierung hat es jedoch in letzter Zeit verstanden, lügenhaste Berichte in Europa   zu verbreiten, denen zu Folge die Verhältnisse sich geändert hätten und der Einwanderer die günstigsten Bedingungen zu erwarten habe. Aus diesen Schwindel sind eine große Anzahl von Zei- tungen, sogar solche, die dem Arbeiter wohlwollen, hereingefallen, sie er- klärten die Südprovinzen Brasiliens   als besonders geeignet für Arbeiter und verlachten die entgegenstehendeen Ausführungen. Nun, wir sehen, was von den schönklingenden Berichten zu halten ist. In den Städten findet der Arbeiter keine lohnende Arbeit, die Landarbeit aber heißt für ihn Verzicht auf alle Errungenschaften der Kultur, heißt freiwillige Herabdrückung seiner Lebenshaltung. Es ist überhaupt ein Unsinn, dm intelligenten, industriellm Arbeiter