Zeitungsschreiber ihre Verwunderung darüber aus, daß so viele alten-aglöhner auswandern!Eine fast willkürliche Disziplinargewalt besitzt der Gutsbesitzer nochheute> Man urlheile selber:*)Ein jugendlicher Arbeiter steht wegen„Dienstvergehens" vor Gericht.Er ist angeklagt: 1) nicht, wie ihm befohlen, die Göpelpferde angetriebenzu haben, 2) den„Herrn" nicht gegrüßt zu haben. Zeugen: der Guts-besitzer v. Basfewitz und sein Statthalter �Vorarbeiter). Der Angeklagtegibt an: 1) daß er nicht zum Pferdeantreiben, sondern zum Kuhfütternengagirt sei, 2) daß er das Grüßen erst unterlassen, nachdem ihm derGutsherr konsequent nicht gedankt. Beides gaben die Zeugen zu, aberder Angeklagte wurde zu 3 Tagen Hast verurtheilt.Der Knecht B. ist ebenfalls wegen„Dienstvergehens" angeklagt, weiler dem Befehle des Inspektors Böttger(der als einziger Zeuge fungirt),Abends 8'/, ll h r noch weiterzuarbeiten, nicht nachgekommen ist undnoch frech behauptet hat:„Es wäre wohl Zeit zum Feierabendmachen."Da der Angeklagte Abends 8', Uhr erst eine 1 7 V,- st ü n d i g eArbeitszeit hinter sich hatte(die Knechte müssen Morgens 3 Uhrausstehen zum Füttern u. s. w.), so ist die Haftstrafe von 7 Tageneigentlich noch recht niedrig. Nicht wahr?Gehen Viele sehr gebückt und welkenIn Elend und Müh',Und andere zerren daran und melkenWie an dem lieben Vieh.Und ist doch nicht zu defendirenUnd gar ein böser Brauch,Die Bauern geh'n ja nicht auf Vieren,Es sind doch Menschen auch!So singt der alte Claudius in„Görgel's Neujahrswunsch." Aberdie Zeit der„übertriebenen Humanität" ist heute glücklich überwunden.Neuerdings hat nun die Auswanderung aus Mecklenburg etwas nach-gelassen, und unsere konservativen Zeitungen verfehlen nicht, dies jubelndder Welt zu verkündigen. Aber die Ursachen geben sie nicht an: dieSchicht, aus der sich hauptsächlich die Auswanderer rekrutiren, ist er-schöpft! Und das gibt auch die„überhaupt liberale"„Rostocker Zeitung"zu, wobei sie vernünftigerweise bemerkt:„Die Auswanderung hat ihreUrsache hauptsächlich in der ungünstigen Vertheilung des Grund undBodens. Diese ist so ungünstig, daß eine Abänderung unbeoingt erfolgenmuß; das aber dürfte verhängnißvoll werden."Leider hat sich die„Rostocker Zeitung" hierüber nicht näher ausge-sprachen, jedenfalls wirv unter den heutigen Verhältnisien eine„Ab-änderung" nicht stattfinden.„Preußische Dienstboten liefern wir billig und gut"(sie!), annoncirenjetzt die Sklavenhändler— pardon, ich wollte schreiben: Stellenvermittler,in allen mecklenburgischen Zeitungen. Ganz sicher ein Beweis, daß dieAuswanderung so stark gewesen, daß Arbeitermangel eintrat. Der Guts-besitzer nimmt die„Hochdeutschen" nicht gern, denn sie haben„verfluchtkoddrige Schnauzen", wie ein Gutsinspektor klagte. Diese„Hochdeutschen"scheinen nun allmälig eine etwas andere Gesinnung in das Gros dermecklenburgischen Tagelöhner hineinzubringen. Passirte es doch neulich,daß sie einen besonders„strengen" Inspektor, den sie bei einem Roth-zuchtsversuch ertappten, ganz gehörig durchwalkten! An eine allgemeineEmanzipation darf man deswegen noch lange nicht denken, aber derAnsang dazu ist da. Und das muß jeden Menschen, der noch einenFunken von Gerechtigkeitsgefühl im Leibe hat, mit Freude erfüllen.Nur Thoren können eine Verbesserung der Lage des Arbeiters vonder„zunehmenden Humanität der herrschenden Klaffen"(das meint einorthodoxes Kirchenblatt) erwarten.**) Ich erwähnte schon des ProfessorKarsten menschenfeindliche Auslastung. Die ganze Stelle lautet so:„Dersogenannte gemeine Mann, der ohne Bildung, nicht viel bester wie dieThiere, mit denen er umgeht, aufgewachsen ist, gehorcht nur der Sklaven-peitsche seines Gebieters, und solange er im Druck der Armuth ist,schmiegt er sich und kriecht er zu den Füßen seines Zuchtmeistsrs, so wieder Hund nach empfangenen Prügeln die Hand leckt, die ihn mißhan-delte. Boshafter und tückischer wie dieser, wird er dann mit hämischerFreude jede Gelegenheit ergreisen, seinem Herrn zu schaden, wo er esungestraft thun kann. Gebt aber diesem Menschen besseres Auskommenund Wohlstand, so wird er widerspänstig, trotzig, verwegen, faul; willman ihn durch Zwangsmittel bändigen, so widerstrebt er(sie!), denndas Gefühl von Pflicht ist in ihm erstickt, und die Sprache des Gewissenskennt er nicht, er wird öffentlicher Ruhestörer, Empörer!"Fürwahr, man möchte mit Keulen dazwischen schlagen, wenn man der-gleichen liest! Doch bei ruhigem Nachdenken muß man sich sagen: nichtden Menschen, sondern in erster Linie das S y st e m, das die Macht-Haber geradezu zur Entfaltung ihrer Brutalität auffordert, müssen wirbekämpfen. Jede unkontrolirte menschliche Macht muß der Gesammtheitzum Verderben gereichen.Zum Schluß mag noch eine charakteristische Stelle aus W i g g e r' s„Der Vernichtungskampf wider die Bauern" hier Platz finden:„Feudalismus und Kommunismus strecken beide die Hand nach frem-dem Eigenthum. Aber der Kommunismus steht doch auf einer vielhöheren moralischen Stufe als das Junkerthum. Denn er kämpft nichtfür sein Privatinteresse, sondern für die große Masse der Arbeiter, welchenach ihm das Volk ausmacht, während das Junkerthum, von seinenSonderintereffen geleitet, die große Mehrheit zu Gunsten einer winzigenMinderheit ausbeutet."Kommentar überflüssig. Emil.-aaA/TSA/VN/—Sozialpolitische Rundschau.Nach sieben Jahre«.Am 21. Oktober waren es sieben Jahre, daß das„Gesetz gegendie gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial-demokratie" erlaffen wurde. Es sollte unserer Partei den Garausmachen, sollte die Arbeiter von dem„Druck" der sozialdemokratischenAgitation„befreien", sollte der Regierung und den„staatserhaltenden"Parteien die Bahn ebnen zur Betretung einer wirksamen arbeiterfreund-lichen Gesetzgebung.Sieben Jahre hat das Gesetz funktionirt. Man hat es in der ver-schiedensten Art und Weise erprobt. Zuerst versuchte man es mit derrigorosen Handhabung: Alle Arbeitervereine wurdena u f g e l ö st, alle Arbeiter organe uuterdrückt, die Führerr u i n i r t, die„Agitatoren" g- m a ß r e g e l t, die notorischen Partei-angehörigen geächtet. Der eiserne Druck erzeugte jedoch nur G e g e n-druck. Ein paar Feiglinge, die man mürbe gemacht, wurden von der Massemit Hohn zurückgewiesen, die Körner und Finn verschwanden im Hand-umdrehen im Nichts. Auf dem W y d e n e r Kongreß, im Wahlkampf1881, legte die geächtete Partei Zeugniß ab von ihrer ungeschwächtenLebenskraft.Führer und Geführte unterdrücken geht nicht, das stärkt die Soli-darität, sagten sich die Urheber des Gesetzes, versuchen wir es, sie durchverschiedene Handhabung zu trennen: Strenge gegen die Führer,Milde gegen die Verführten. Und man gestattete Arbeitervereine,Arbeiterversammlungen.Aber die Arbeiter benutzten die Möglichkeit, sich zu äußern, nur, umihr unbeugsames Festhalten an der alten Fahne und den alten Trägernderselben zu bekunden. Wo einer der verfehmlen Führer sich blicken ließ,tönte ihm tausendstimmiges Hoch aus Arbeiterkehlen entgegen.Wozu den Führern ein billiges Märtyrerthum verschaffen? Lassenwir auch sie gewähren, aber— unter dem Bewußtsein, daß das Beildes Sozialistengesetzes über ihnen schwebt, um so eher werden sie sichabwirthschaften. Und man ging zum System der schlaffen Zügelüber.Die Antwort lautet: 24 sozialistische Abgeordnete im deutschen Reichs-tage, fünf im sächsischen, zwei im hessischen Landtag u. s. w. u. s. w.Jeder Tag meldet von neuen Erfolgen der Partei.Und die Sozialreform? Das Krankenkaffengesetz erweist sich, kaumeingeführt, als dringend hülfsbedürftig, dem Unfallsversicherungsgesetzist das gleiche Schicksal gewiß, und die Alters- und Jnvalidenveisorgungist„auf unbestimmte Zeit" vertagt, nicht weil die Arbeiter und ihreFührer, sondern weil die„Staatserhaltenden" ein Haar in derselbengefunden haben.Der Wechselbalg Sozialreform liegt entkräftet am Boden, der RieseSozialdemokratie, den er tödten sollte, hat durch ihn nur an Kraft ge-wonnen.Sieben Jahre sind seit Inkrafttreten des Schandgesetzes verstrichen.Und, ein charakteristisches Zusammentreffen, gerade am Jahrestage derVerkündigung desselben muß der Mann, der die gehäffigsten Bestimmungendes Gesetzes in brutalster Weise zur Ausführung brachte, den Blättern mit-theilen, daß er wegen seiner geschwächten Gesundheit„in Gnaden" aus dem Staatsdienst entlassen sei. Der Reichsspitzelmini-st e r M a d a i ist ein todter Mann, die Sozialdemokratie aber lebt.Sie lebt, und sie wird leben— allen gegen sie geführten Streichenzum Trotz. Nicht ein Titelchen ihres Programmes hat sie abgeschwächt,nicht ein Atom ihrer Forderungen gestrichen. Stärker als je steht sieda, fester als je haben ihre Grundsätze im Volke Boden gefaßt. Größerals je ist ihr Einfluß auf die öffentliche Meinung.Im nächsten Jahre läuft das Sozialistengesetz ab. Ob unsere Feindees verlängern, ob sie eine neue Art seiner Anwendung aushecken wer-den, um uns den Garaus zu machen, wir wiffen es nicht. Aber sovielwiffen wir, daß wir ihre Anschläge nicht fürchten. Die deutschen Arbeiterhaben in den sieben Jahren des Sozialistengesetzes die Feuerprobe be<standen: sie haben sich weder durch Drohungen und Gewaltmaßregelnschrecken, noch durch Versprechungen bethören lassen. An solcher Festigkeitund Ausdauer müssen alle feindlichen Anschläge zu nichts werden.*) Ich greife zwei Schöffengerichtssitzungen heraus, und zwar nachden Berichten der„Güstrower Zeitung".(Anfang September 188S.)♦♦) Die ländlichen Schulverhäliniffe habe ich schon kurz erwähnt. ZurErläuterung brauche ich nur zwei Land-Pädagogen vorzustellen. Lehrerund Küster Bergmann in Badendiek fragte neulich seine Kinderin der Unterrichtsstunde:„Wißt Ihr, was eine„Zuhl" ist?"(Zuhl istder plattdeutsche Auedruck für leichtfertiges Frauenzimmer, Hure i KeineAntwort.„Ich will's Euch sagen: Die Wullfsch(Frau des BauernWullf) ist eine Zuhl I"— Lehrer Leberecht in Kuhs(übrigens einhalber Idiot) belchäftigt sich in seiner freien Zeit— der Sommer istfast ganz schulfrei— mit Sympathiekuren, predigt also Aber-glauben.— Könnte leicht fortgesetzt werden.Zürich, 23. Oktober 1885.— Die offizielle deutsche Wissenschaft und dieFrauenfrage. Ein Münchener Profeffor, der Schönredner W. H.Riehl, hielt vor zirka 14 Tagen in Köln im Verein für wissen-s ch a f t l i ch e Vorträge einen Vortrag über„die Frau, dieFa-milie und die Gesellschaf t". Nach dem Bericht der„KölnischenZeitung" äußerte sich der„berühnrte Kulturhistoriker" über die Frauen.frage, diese brennende Frag- unserer Zeit, folgendermaßen:„Die sogenannte(!) Frauenfrage geht heutzutage wesentlich den Mittel-stand an. Beim Bauern, auf der Alm sowie auf dem tückischen Berg-see des Hochgebirges theilt sich das Weib redlich mit dem Mann in dieArbeit, ja, sie nimmt ihm meist den schwersten Theil derselben ab. Undandererseits erscheinen auf den Zinnen der Gesellschaft selbständige Herr-scherinnen und Gutsherrinnen. In den Mittelklaffen der G>sellschaft istdie Frage eine brennende: In wi? weit können und sollen Frauen ander Mannesarbeit theilnehmen? Es ist r i ch t i g und taktvoll, daßdie Frauen ausgeschlossen bleiben von allen Aemtern, welche lediglich dieHoheitsrechte des Staates ausüben. Wir wollen keine weiblichenRichter und keine weiblichen Offiziere. Wir wollen die Frauen auchferngehalten wiffen vom Schmutzigen, Gemeinen. Richler und Arzt abermüssen hinabsteigen in die tiefsten Nachtseiten der Gesellschaft und dermenschlichen Natur; die Frauen sollen da nicht mitgehen. Als Kran-kenpflegerinnen laffen sie alle Männer weit hinter sich, sie stehen aberals solche einfach vor der Thatsache des Leidens, sie haben es nicht zuergründen. Deshalb Dank den deutschen Universitäten,welche die Frau ausschließen von den Hörsälen derMedizin. Warum sollen die Frauen nicht Geistliche werden? Siesind frömmer denn wir, sie wiffen gar gut zu predigen und wie viel«haben sie schon bekehrt. Ja, aber wir sollen um Gottes und nicht umdes Geistlichen willen in die Kirche gehen und man<!!) wird, steht eineFrau auf der Kanzel, ihre Person nicht vergessen können. Ein reichesFeld für die Frauen ist der Unterricht; aber trotz der vorzüglichstenLeistungen erklimmt das Weib auch hierin nicht die Stellungen, wo dieHoheitsrechte des Staates beginnen; wir wollen keine weiblichenSchulinspektoren und Schulräthe. Mit gutem Erfolge sitzen Frauenhinter den Schaltern der Posten und Bahnen; sie sind pünktlicher, ge-wiffenhafter als die Männer in ihrem Amte. Aber höhere Stellenkönnen sie nicht einnehmen: man denke sich einen weiblichenBahnhofsinspektor am Pfing st montag einer lebhaftenVergnügungsstation! Autorität öffentlich auszuüben ist die Frau nichtbefähigt. Wir mögen die Frau in allen kaufmännischen Geschäften,deren Artikel Geschmack und eine seine Hand voraussetzen; als Verkäu-ferinnen von Baumaterialien, als ausübende Schlächterinnen, als Schorn-steinfegerinnen mögen wir sie so wenig wie als weibliche Polizisten undDroschkenkutscher."....Und so fort und so fort. Das Gesagte genügt vollauf, den Geist zukennzeichnen, der den ganzen Vortrag des He.rn Riehl durchweht. Esist der Geist der infamsten Heuchelei und Niedertracht— hinter derästhetischen Bekreuzung verbirgt sich der gemeine Egoismus und diebrutale Gemeinheit.Zunächst ist für den berühmten Kulturhistoriker die Frauenfrage nureine sogenannte— aber nicht in dem Sinne wie für uns, d. h. als einintegrirender Theil der sozialen Frage überhaupt, denn— sie geht„heut-zutage" wesentlich den Mittelstand an. Daß beim Bauern je. die Fraumeist dem Mann den schwersten Theil der Arbeit abnimmt, scheint ihmganz in der Ordnung zu sein, seine späteren Bemerkungen über die be-sonders zarte Natur der Frauen beziehen sich nur auf die Frauen derBourgeoisie. Daher auch wohl finden wir mit keinem Wort erwähntdie verhängnißvolle Rolle der Frauenarbeit in der I n d u st r i e. Nurin den„Mittelklaffen" ist ihm die sogenannte Frauenfrage einebrennende.Und nun sehen wir, wie der Herr Professor diese brennende Fragebeantwortet. Sein Schema ist einfach. Es desteht aus Behauptung undBeweis.1. Behauptung: Es ist richtig und taktvoll, daß die Frauen vonallen höheren Staatsämtern ausgeschloffen bleiben.Beweis: Wir— d. h. Herr Riehl und seine Gesinnungsver-wandten— wollen keine weiblichen Richter und keine weiblichenOffiziere.Konmienlar überflüffig.2. Behauptung: Die Frau darf nicht Richter oder Arzt sein.Beweis: Wir wollen die Frauen ferngehalten wiffen vomSchmutzigen, Gemeinen.Aber Krankenpflegerin darf sie sein, da hat sie nämlich mit dem„Schmutzigen und Gemeinen" gar nichts zu thun. Auch darf sie sichvon einem syphilitischen Manne aus purer Unkenntnih des„Gemeinen"für ihr ganzes Leben vergiften laff-n. So lange die Frau dasGemeine übt— und das Gemeinste, den Verdauung? prozeß, übt sie vonJugend aus— so schadet es ihrer reinen Seele nicht. Nur das wiffen-schastliche Studium des menschlichen Körpers, die E r k e n n t n i ß istvom Uebel: die W i s s e n s ch a s t ist das Gemeine, das Schmutzige!Deshalb„Dank den deutschen Universitäten rc. ic." In diesem Ausrufoffenbart sich die B o r n i r t h e i t der deutschen Wiffenschafller,; denn die deutschen Universitäten haben den Dank des Herrn Riehl in der. That verdient. Sogar im„prüden England" hat man sich enl-schloffen, die Frauen zum Studium zuzulassen, nur im„aufgeklärten"Deutschland, wo die Wissenschaft das zweite Wort ist, verbietetman der Frau das Studium— im Interesse der guten Sitte. Wel>ches Armuthszeugniß für die Deutschen!Aber es kommt noch besser.3. Behauptung: Die Frauen sollen nicht Geistliche werden.Beweis: Man wird, steht eine Frau auf der Kanzel, ihrePerson nicht vergessen können, und wir sollen doch„um Gottesund nicht um des Geistlichen willen in die Kirche gehen".Heute werden die Kirchen bekanntermaßen vorzugsweise von Fraue»besucht und auf den Kanzeln predigen Männer. Herr Riehl muthet alsoden Frauen zu, über dem Geistlichen den Mann zu vergessen— die entsprechende Zumuthung an die Männer dünkt ihm etwas Unerhörtes.Hier hat sich die V-rlozenheit einmal in ihrem eigenen Netz gefangen.Zur Abwechselung präsentiren sich die Männer als das schwächere,weil sinnlichere, Geschlecht. Nicht die Schwäche der Frauen, die Schwäch«der Männer verbietet den Frauen den geistlichen Beruf— wie er-finderisch doch der Konkurrenzneid macht. Denn nichts als Kon-kurrenzneid ist es, was hinter den süßlichen Flausen des Herrn Riehlsteckt. Die Frauen sollen den Männern der Bourgeoisie in ihren bis-herigen Domänen keine Konkurrenz machen dürfen. UntergeordneteSlellungen bekleiden, sich abrackern in aufreibendster Thätigkeit des sub-alternen Schuldienstes, als Bureauschreiberin ic.— das mag die Frauallenfalls, dazu ist sie nicht zu sein organisirt, aber den höheren Postenist,„trotz der vorzüglichsten Leistungen," ihr zarter Organismusnicht gewachsen, und als Schreckgespenst dient— der Bahnhofsinspektor a m Pfing st montag! Fürwahr, eine herrliche Eni-deckung. Zur Belohnung möchten wir eine Untersuchung darüber an-st.llen, wie viele der Kollegen des Herrn Riehl sich wohl zu einem so!-chen Posten eignen möchten.In der That, wir Deutschen können auf unsere Männer der Wissen-schast stolz sein. In England haben nicht nur die Gewerkoereinler, son-dern auch ein großer Theil der herrschenden Politiker die Forderung desStimmrechts wenigstens der selbständigen Frauen auf ihre Fahne ge-schrieben, in Frankreich hat der jüngste große Lehrertag in Havre dievolle Gleichstellung der weiblichen Lehrer mit ihren männlichen Kollegenverlangt, in Deutschland aber sucht man noch immer das soziale undpolitische Niveau der Frau herabzudrücken, und die offizielle Wissen»schaft spielt den Handlanger dabei.Zum Glück sind die Verhältnisse stärker als der Wille der Menschen,und sie werden durch den berühmten deutschen„Idealismus" auch ausdiesem Gebiet einen Strich machen, wie sie es auf so vielen anderenschon gethan.— Die ,, Braun schweigische Frage" ist auf's Glücklichstegelöst: die biederen Braunschweiger haben einen Hohenzollern-Sprößling,den Prinzen Albrecht von Preußen, zum Regenten, und dererste Schritt zur„Angliederung"— bei Leibe nicht Annexion— anPreußen wäre somit geschehen. Wir würden sagen, die Braunschweigerhaben ihr Schicksal verdient, wenn dieser Ausdruck nicht noch zu mildewäre. Sie sind eigentlich noch viel zu gut davongekommen, denn sojammervoll, so hundsmiserabel charakterlos wie sich der BraunschweigischeLandtag— der freilich von einer Volksvertretung nur den Name»hat— in der ganzen Erbsolgefrage benommen, so hat kaum je in derG-schichte eine zur Wahrung der Landesintereffen berufene Körperschaftsich gezeigt. Von allen Seiten ernten die Herrschaften dafür auch deng.bührenden Hohn. Außer den Ultramontanen und einigen Dutzendlegitimistischen Schwärmern würde sich kein Mensch in Deutschland fürdie Thronansprüche des Herzogs von Cumberland begeistern, wenn alsodie Herren in der Braunschweigischen Kammer erklärt hätten, wir w o l«len den Cumberland nicht, so hätte man darin wenigstens noch eine»Funken von moralischem Muth erblicken können; aber selbst dazu schwangensie sich nicht auf. Willenlos fügten sie sich in Alles, sagten sie Ja undAmen zu Allem, was ihnen von Berlin aus anbefohlen wurde, wie esloyalen deutschen Bedienten geziemt.Wir gratuliren ihnen zur neuen Livree!— Der h a t s begriffen! Nämlich ein Pfiffikus, der im„Leip?ziger Tageblatt" seinen Spuck treibt und Rezensionen besorgt. Der hatsbegriffen, daß Alles, was bisher über die deutsche Arbeiterbewegung ge«schrieben worden ist, keinen Pfifferling taugt, weil die Schreiber daswahre Wes-n derselben nicht begriffen haben. Er aber hats begriffenund ist menschenfreundlich genug, sein Licht nicht unter den Scheffel zustellen. In einer Rezension irgend einer der zahlreichen Schundschristen,mit denen die Sozialdemokratie todtgeschlagen werden soll und nur dergesunde Menschenverstand todtgeschlagen wird, sagt unser Pfiffikus:„Unserer Meinung nach besaßt die Schrift sich zu sehr mit nebensäch»lichen Dingen und stellt den Kern der sozialdemokratischen Bewegunganders dar, als er ist. Sie nimmt viel Bezug auf landläufige Phrasen,wie sie in Arbeiterkreisen leider nicht selten sind, geht aber selbst auf dievon der Sozialdemokratie als Endziel hingestellte Regelung der Kon«sumtion und Produktion zu wenig ein. Es scheint fast, als ob der Ver-faffer des Buches nur die Sozialdemokratie nach ihren heutigen Aeuße-rungen kennen gelernt hat, uno als ob ihm die Schriften, deren Gedan-ken sich in den Schlagwörtern der Führer dritten Ranges verballhornt-sirt wiederfinden, ganz unbekannt seien. Der Verfasser vergißt einenstrikten Unterschied zwischen der jetzigen Arbeiterbewegung und der Sozial-demokratie zu machen. Denn wenn wir auch gern zugeben wollen, daßdie Theilnehmer an der Arbeiterbewegung Sozialdemokraten sind, so istdie jetzige Arbeiterbewegung alles andere, nur keine auf denSozialismus hindrängende, sondern sie bewegt sich im schönsten G e-leis e der so verhaßten Bourgeoisie, insofern die Solida-rität der Branchegruppen in die Brüche gegangen ist. Die gesammt ejetzige Arbeiterbewegung geht nur daraus aus, bei wenigerArbeitszeit mehr Lohn zu erhalten; ob dies durch Strecks erreicht wird,bei welchen andere Arbeitergruppen verlieren und zusetzen, das genirtdie Streikenden nicht, sie kämpfen nur für sich und daS ist der sehrbourgeoisistische Zug, der die jetzige Bewegung kenn-z e» ch n e t. Allein an diesem Zug geht die Bewegung auch langsam zuGrunde. Diejenigen, welche schon ost die Freuden der Streiks gekostethaben und älter geworden sind, machen nur sehr unwillig mit und sindfast immer der Grund, daß ein wirthschaftlich nicht berechtigter Streikim Sande vertäust. Wir haben das erst jüngst wieder gesehen, unddeshalb hätte der Verfasser sehr wohl gethan, wenn er einestheils sichüber die wirthschastliche Bedeutung der Streiks in bestimmter Form ver-breitet und damit eine gerechte Charakteristik unserer wirthjchaftlichenVerhältnisse verbunden hätte und anderntheils, wenn er die theoretischenPrinzipien de: Sozialdemokratie zergliedert und damit nachgewiesen hätte,wie unverdaut die Theorie in den Köpfen der eitlen, sich vordrängendenFührer uno zugleich wie unhaltbar sie in Wirklichkeit ist. Wenn wirnun auch nicht ganz in das an anderen Orten verschwenderisch ausge-streute Lob über das Schrifichen einstimmen können, so können wir das-selbe doch immerhin als eine interessante Lektüre empfehlen. Ar."Also A r. heißt der Mann! Da kann man rathen. Hoffentlich gibter uns auch noch seinen vollen Namen, damit wir ihm die Hand drückenkönnen. Apropos Ar.— sollte das nicht„Heinrich" bedeuten, undheißt nicht das getaufte Fortschritts- und Handelskammer-PsiffiiuschenF r ä n k e l mit seinem Tauf namen Heinrich? Sollte e r der Co-lumbus sein?Genug— wir wissen jetzt, woran wir sind. Die Arbeiterbewegungträgt einen„bourgeorsistisch-n" Charakter, ist au konä eineBourgeoisbewegung— Arveiter und Bourgeois, das ist Jackewie Hose— vom selben Stoff— Klaffenunterschied, Klaffengegensatz istnicht— die ganze Arbeiterbewegung ist nur ein Zeitvertreib, den sicheinige übermuthige oder liederliche Bourgeois machen— wer wird danoch Angjst haben? DaS„rothe Gespenst" ist gebannt, und das hat derAr. vom„Leipziger Tageblatt" gethan. Hut ab, Ihr Herren Bourgeois!— Die Religion muß dem Volke erhalten werden.Folgende Notiz machte kürzlich die Runde durch die deutschen Zeitungen:„Ein vielseitiger Großvater. Vor einiger Zeit ist berichtet worden,daß der Herzog von Chartres für den päpstlichen Dispens zur Vermäh-lung seiner Tochter mit dem Prinzen Waldemar von Dänemark 120,(1(10Franken bezahlt habe. Nun schreibt der vatikanische Mitarbeiter derW-ener„Pol. Korr.":„Dem gegenüber sei bemerkt, daß der heiligeStuhl, nachdem den bezüglich gemischter Ehen bestehenden kanonischenVorschriften in diesem Falle Genüge geschehen war, den Dispens bereit-