mmmbetten, dann wäre ja der Nationalitätenstreit für alle Ewigkeit in Per-manenz erklärt.Auch der Verfasser der kritistrten Notiz weist darauf hin, daß derNationalitätenhetze auf das Entschiedenste entgegenzuwirken sei. Diesgeschieht aber nicht dadurch, daß man dem einen Volk Recht, dem ande-reu Unrecht gibt, wie es wohl nur andeutungsweise und nicht ausdrück-lich in der erwähnten Notiz geschehen ist, sondern indem man denMachthabern, deren Wahlspruch das„Theilen und Herrschen" ist, derban den Leib rückt und sie als die eigentlichen Ursachen des Völkerhadersbezeichnet.T a a f f e.*.*Der Einsender und seine Freunde haben unsere Notiz mißverstanden;sie sollte keineswegs der Schadenfreude über die Verurtheilung derDeutschen im Königinhofer Prozeß Ausdruck geben— wie hätte da dasWort Brutalität wohl einen Sinn?— sondern sie sollte nur zeigen,welche Früchte jede gewaltthätige Unterdrückung in ihrer Folge zeitigt.Daß die korrupte österreichische Regierung der tschechischen RachsuchtVorschub leistet, kennzeichnet zwar dieses charakterlose Gesindel, erklärtaber an sich noch nicht den Haß der Tschechen. Dieser würde trotz allerHetzerei schwerlich zu einem solchen Siedegrad gediehen sein, wenn ernicht aus der Rückerinnerung an die jahrhundertelange Unterdrückungstets neue Nahrung zöge— und insofern sind und bleiben die Aeuße-rungen dieses Hasses ein Stück„Revanche"._ Billigen oder beschönigenwir sie dadurch, daß wir das konstatiren? O nein, dann müßten wirja auch das Toben des Herrn Deroulöde billigen. Es ist Revanche,aber brutale Revanche, unter der obendrein, wie wir gleich hinzu-gesetzt haben, gerade Diejenigen am meisten leiden, die bei der Sacheam unschuldigsten sind: die A r b e i t e r hüben und drüben.Und wir hätten unserer Verurtheilung der national-tschechischerseitsverübten Brutalitäten sicher noch besonderen Ausdruck gegeben, wennwir sie nicht für selbstverständlich gehalten hätten. Darüberherrscht wohl keine Meinungsverschiedenheit. Nur können wir uns derAnsicht nicht entschlagen, daß die tschechischen Hetzer nicht die alleinigenSchuldigen sind, sondern baß die deutsch-nationalen Hetzer, und nament-lich die Wiener deutsch-nationale Journalistik, ihr gut Theil M i t schuldan den Exzesien tragen, insofern sie den Ersteren reichlich Schür-material liefern. Insbesondere ist die hochmüthige Art, in der dieseHerren nach dem Muster der französischen Chauvinisten von der geistigenUeberlegenheit des Deutschthums sprechen, nicht gerade geeignet, einbesseres Verhältnih zwischen Tschechen und Deutschen anzubahnen. Daraufmuß aber doch das Bestreben aller Derjenigen gerichtet sein, die nichtauf eine absolutistische Lösung der Nationalitätenfrage spekuliren,d. h. Aller, die nicht in der Kornblume ihr Ideal sehen. Und denLetzteren und ihren Nachplapperern in Deutschland galt der Hinweisaus die Revanche der Weltgeschichte.Soviel für diesmal.Auf die geschichtlichen Ausführungen des Einsenders kommen wirgelegentlich zurück.Die Redaktion des„Sozialdemokrat".Sozialpolitische Rundschau.Zürich, g. Dezember l88ö.—„Wir haben in Deutschland genau um so viel Föderalis-mus zu viel, als wir Einzelregierungen haben"— so schrieben wir vor einem Jahr gelegentlich der Reichstagswahlen, und wirfügten hinzu:„Darüber darf uns der Umstand nicht hinwegtäuschen,daß hier und da der Partikularismus uns gegen die preußische Polizei-wirthschaft zu gute kommt."Diese Sätze haben durch Bismarcks„saniose allerhöchste Botschaft"vom 30. November eine überaus drastische Illustration erhalten. Diefeierliche Proklamirung des Partikularismus durch den Vertreter derZentralgewalt— Reichsregierung? so ein Ding gibt es gar nicht,sagte der Reichs kanzler— hat blos noch gefehlt, um denselbenvollends in Mißkredit zu bringen. Nie war ein Lob gerechtfertigter wiedas, welches Bismarck den„verbündeten Regierungen" zu ertheilen fürgut sand. Die deutschen Fürsten haben sich überzeugt, daß sie bei demdeutschen Reich in seiner jetzigen Gestalt eigentlich ein ganz famoses Ge-schäst machen, sobald sie es nur verstehen, sich mit Berlin gut zu stellen.Das Reich nimmt ihnen ein gut Theil ihrer Verantwortung ab, sichertihnen dafür aber ihre gutbezahlten Posten— eine höchst lukrative Rück-Versicherung, deren Kosten in jedem Fall das Volk zu tragen hat. DasWort Basallenthum ist eigentlich noch zu anständig für das Verhältnißdieser Herrschaften zur„Zentralgewalt", die Vasallen des Mittelaltershatten in der Regel doch etwas steifere Nacken als die Unterknäse despreußischen Kaisers von Deutschland. Kein in Berlin gegen die Rechtedes Volks und der Volksvertretung geplanter Schlag, der nicht sofortihre freudige Zustimmung fände. Herr von Crailsheim in München hatdas Verhältniß treffend gekennzeichnet, als er neuerdings— bei Be-rathung des lendenlahmen Antrages Kopp, den Auslieferungsvertragmit Rußland rückgängig zu machen und einen neuen Vertrag auszufer-tigen, der die„anarchistischen Verbrechen" einschließt— sich zu demAusspruch verstieg: Durch Abschließen des Vertrages mit Rußland habedie bayrische Regierung ihre Unabhängigkeit dokumentirt: wenn sie jetztder Kammer nachgäbe, so würde sie damit beweisen, daß sie nicht un-abhängig sei. Man sieht, dem Volk, der Volksvertretung gegenüberschwillt den Einzelregierungen der Kamm gewaltig, da sind sie sehr sorg-fältig darauf bedacht, daß ihnen kein Titelchen ihres Rechts gekrümmtwird, für jeden Fußtritt von Berlin her aber haben sie nur ein unter-thänigst dankbares Lächeln.So sieht die mit Blut und Eisen auf den Schlachtfeldern von Sadowaund Wörth erkaufte deutsche Einheit aus. So wenig entspricht sie dem,was damals dem Volk vorgespiegelt wurde, daß sich heute derjenige Be-amte, in deffen Person der Reichsgedanke— allerdings auch ein Cha-rakteristikum dieses„Reichs" I— konzentrirt, hinstellen und dem ver-sammelten Reichstag die freche Drohung, die Reichsbude zuschließen, ins Gesicht schleudern darf. Und als es seiner durch-lauchtigsten Unfehlbarkeit geruhte, die lächerliche Komödie mit dem Hin-auslaufen aus dem Reichstag aufzuführen, wie hatten es da die würdigenBundesrathsmitglieder eilig, ihm zu folgen! Einer purzelte beim Hin-auslaufen über den Andern, so daß der im ersten Augenblick verblüffteReichstag in ein schallendes Gelächter ausbrach. Aber grade diese Si-tuation war typisch für den politischen Zustand Deutschlands, die Ver-treter des nationalen Einheitsgedankens hätten Ursache gehabt, blutigeThräncn zu vergießen, und sie lachten!Nun, uns kanns recht sein. Je unverhüllter sich.die Lüge der neu-deutschen Reichsherrlichkeit offenbart, um so besser für uns. Um so mehrwird sich im Volke die Erkenntniß Bahn brechen, wie Recht Herweghhatte, als er von Deutschlands Einheitsdrang sagte:Einig wird es nur, wenn frei—Und frei nur ohne Fürsten.rK. Obgleich der Reichstag nun schon volle 14 Tage versammelt ist, war er doch, mit Ausnahme des zweiten Tags, wo der nament-liche Ausruf erfolgte, nicht einen einzigen Tag beschluß-fähig. Wir erblicken hierin die natürliche Folge einestheils derDiätenlosigkeit, anderntheils der Machtlosigkeit. Hättedie Mehrheit der Abgeordneten nicht das Bewußtsein, daß der Reichstagnur das fünfte Rad am Wagen sei, so würde das anders sein. Daßder Reichstag jetzt nichts zu sagen hat, ist allerdings richtig,allein nur weil er noch niemals den ernsten Versuchgemacht hat, etwas zu sagen. Heine kennzeichnete weilandden Unterschied zwischen Deutschen und Franzosen an den relativen Au s-Wanderungsziffern. Die Deutschen wandern massenhaftaus, um der heimischen Misere zu entgehen; die Franzosen, mit sehrseltenen Ausnahmen, bleiben zu Haus und— machen gelegentlicheine Revolution, um dem heimischen Elend ein Ende zu bereiten. DerDeutsche weicht gerne dem Kampf aus. Französische Deputirte ineiner ähnlichen Lage wie die deutschen Reichstagsabgeordneten hätten eslängst zum Konflikt gebracht. Die deutschen Herren Volksvertreter scheuenden Konflikt wie das höllische Feuer, und— bleiben lieber zu Haus.Das Auswandern im einen, und das zu Hause bleibenim anderen Fall entspringt dem nämlichen Motiv: der Abneigunggegen das Kämpfen.Zum Glück kann die Feigheit unvermeidliche Konflikte blos hinaus-schieben; schließlich kommt doch der Moment, wo um die Entscheidunggerungen werden muß. Und eine Partei, die nicht während der Zeitdes Zauderns ihre Kräfte vermehrt, schädigt sich unter allen Um-ständen durch Zauderpolitik. Von den Oppositionsparteien deS Reichstages gilt dies unbedingt. Die Regierungen nützen rücksichtslos jedeMinute aus, um die eigene Macht zu steigern, die der Widersacher zuuntergraben— und die Opposition verliert durch ihr Zaudern in derAchtung des Volks, aus der allein sie ihre Machtzieht.Bismarck handelt deshalb durchaus klug, wenn er es mit aller Gewaltzum Konflikt mit dem Reichstage treiben will. Sein Hausmeierthumhängt an dem schwachen Lebenssaden des fast neunzigjährigen Kaisers—so lange der Kaiser lebt, kann Bismarck thun, was ihm beliebt, ist erHerr der Situation— soweit dies ein Individuum überhaupt sein kann.Des morgenden Tags ist er nicht gewiß. Im jetzigen Reichstag hat erkeine Majorität, obgleich der Reichstag auch keine Majorität hat, die demHausmeier Bismarck in entscheidenden Fragen ein Nein! zurufen undaufzwingen kann. Aber würde bei einer Neuwahl nicht eine p o-s i t i v e Minorität zu gewinnen sein? D'e Ergebnisse der letzten preußi-schen Landtagswahl sind nach dieser Richtung hin ziemlich ermuthigend.Die„kaiserliche Botschaft", welche Bismarck am l. Dezbr.wie einen Pflasterstein dem Reichstag in Sachen der Poleninterpellationan den Kopf warf, kann gar keinen andern Zweck haben, als einen Kon-flikt mit dem Reichstag herbeizuführen.Hochkomisch ists freilich, daß Bismarck und„sein" Kaiser den p a r-tikularistischen Standpunkt vertreten, und Windthorst, der Welseund Urpartikularist, den z e n t r a l i st i f ch e n„Reichsstandpunkt"—allein verwunderlich kann das blos Solchen sein, die nicht wissen, daß„zentralistisch" und„partikularistisch" blos Schlagwörter für die Dummensind, und daß das einzige, worum es sich für den Junker Bismarck imErnst handelt, dieSonderinteressendespreußisch-deutschenJunkerthums sind, das sich mit Vergnügen unter den Szepterdes russischen Knutenczars stellen würde, vorausgesetzt, daß dieser ihmgrößere Schnapsprofite sicherte.Wie immer, ging auch diesmal der Reichstag dem Konflikt aus demWeg. Zunächst wurde die Interpellation von der Tagesordnung abge-setzt, damit die verschiedenen Parteien Zeit haben, die Kompetenz-frage zu prüfen. Kein Zweifel, die Mehrheit wäre sehr geneigt, dieInterpellation unter den Tisch fallen zu lassen, indeß glücklicherweise liegtes in der Hand der sozialdemokratischen Fraktion, einesolche Niederträchtigkeit zu verhüten, und Bebel hat dem Reichstag be-reits ein energisches Vorgehen der Sozialdemokraten angekündigt. Wirsind sehr begierig, wie die Herren Fortschrittler sich verhaltenwerden. Herr Eugen Richter war nach Verlesung der kaiserlichen Bot-schaft zwar recht tapser; der Tapferkeit dieses Herrn und seiner Genoffenergeht es aber wie gewissen schlechten Bier- und Weinsorten: sie hältsich nicht.R. K. Die sozialdemokratische Fraktion hat zwei neueAnträge eingebracht: einen Diätenantrag und einen Antrag inSachen der Ausweisungen. Der Diätenantrag unterscheidet sichim Wesentlichen nicht von den früheren Diätenanträgen der Fortschritts-partei; und unter anderen Verhältnissen würde die sozialdemokratischeFraktion sicherlich nicht daran gedacht haben, ihn einzubringen, zumalbei früheren Gelegenheiten von unseren Vertretern im Reichstag aus-drücklich erklärt worden ist, sie hielten es für unwürdig, jahraus jahreinden nämlichen Beschluß für den Papierkorb des Bundesraths zu fassen.Inzwischen hat sich nun mit Bezug auf diesen Gegenstand die Situationinsofern wesentlich geändert, als die Diätenfrage durch die unverschämtenDiätenprozesse des Junkers Bismarck dem Olymp akademisch-theoretischerErörterungen entrückt, auf die reale Erde, mitten auf den Kampfplatzder Parteien versetzt und zu einem augenblicklichen und wirklichen Kampf-ziel gemacht worden ist. Der von Junker Bismarck krech und frivolhingeworfene Fehdehandschuh mußte'ausgenommen werden.Zunächst war die Reihe an der Fortschrittspartei, welchebisher die Diätensrage in Pacht gehabt und schon nahezu ein Dutzend-mal zur Zeit und zur Unzeit den Diätenantrag gestellt. Allein geradejetzt, wo die Ehre des Reichstags und die handgreiflichste Taktik dieEinbringung des Antrages geboten, ließdieFortschrittsparteidenselben fallen. Und zwar weil die Wiedereinbringung imjetzigen Moment eine Antwort auf die Bismarckssche Herausforderungbedeutete.Die Fortschrittspartei will keinen ernsthaften Kampf mit der Re-gierung. Einmal weil sie Angst vor dem Appell ans Volk hat; dannweil sie in der Hauptsache� mit Bismarck auf gleichem Boden steht, unddie herrschende Gesellschaftsordnung aufrecht erhalten, der herrschendenKlasse die Fortdauer der Ausbeutungswirthschaft sichern will; und end-lich weil sie von dem, in naher Zeit zu erwartenden Thronwechsel sichdie, mit der stereotypen Legende vom„liberalen Kronprinzen" verbundenen„goldenen Berge" verspricht. Zu feig, um zu kämpfen, erwartetsie in schlaraffenartiger Hoffnungsduselei, daß die gebratenen Taubendes liberalen Regiments ihr von selbst in den Mund fliegen werden.Wie dem nun sei— nachdem die Fortschrittspartei den Diätenantragfallen gelassen hatte, trat an die sozialde n« akratische Frak-t i o n die Pflicht heran, ihn wieder aufzunehmen. Ist es doch nicht daserste Mal, daß dieSozialdemokratie zurVorkämpferinder vom bürgerlichen Liberalismus schnöde ver-rathenen bürgerlichen Freiheit werden mußte!Der Diätenantrag wird unserem Sprecher— Hasenclever—Gelegenheit geben, die Diätenprozesse in Verbindung mit dem famosenO t t o p f e n n i g und dadurch in die richtige Beleuchtung zu setzen.Ueber den zweiten Antrag, die Ausweisungen betreffend,ist wenig zu sagen. Er erklärt sich durch sich selbst und durch die allbe-kannten Thatsachen. Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, daßWindthorst die polnische Interpellation zueskamotiren wünscht.Er hat Bismarck auf's Eis gelockt und ihm eine empfindliche Schlappebeigebracht— damit ist sein Zweck erreicht: die Polen, seit Jahrhun-derten der Spielball aller möglichen politischen Jntriguanten, mögenzum Teufel gehen, sie haben ihre Dienste als Statisten gethan.Ein solch' schmähliches Spiel müssen wir selbstverständlich durchkreuzen,und das geschieht erfolgreich durch unseren Antrag, der folgenden Wort-laut hat:„Der Reichstag wolle beschließen:„In Erwägung, daß die Massenausweisungen von russischen undösterreichischen Staatsangehörigen p lnischer und russischer Nationalitätgeeignet sind, völkerrechtliche Verwicklungen mit dem Auslande herbei-zuführen; in Erwägung, daß die völkerrechtliche Vertretung Deutsch-lands laut Art. II der Reichsversassung Reichsangelegenheit ist; infernerer Erwägung, daß die Fremdenpolizei, in deren Bereich die Aus-Weisungen fallen, nach Art. 4 der Reichsverfassung der Beaufsichtigungdes Reichs und der Gesetzgebung desselben, mithin der Kompetenz desReichstages unterliegt; in Erwägung endlich, daß die Interessen derDeutschen im Ausland, welche nach Art. 3 der Reichsverfassung„An-spruch aus Schutz des Reiches" haben, durch die fraglichen Maßregelnder preußischen Regierung auf's Schwerste geschädigt werden und weiterbedroht sind, indem dem Ausland, namentlich den Regierungen vonOesterreich und Rußland ein Grund zu Repressalien geliefert und derBedrängung des Deutschthums in jenen Ländern ein Schein von Be-rechtigung gegeben wird:„Den Reichskanzler aufzufordern, die nöthigen Schritte zu thun,damit jene, die Interessen des deutschen Volkes schwer schädigendeMaßregel alsbald rückgängig gemacht werde."Das ist die einzig richtige Antwort auf die„kaiserliche Bot-s ch a f t". Sehen wir zu, wie der Reichstag sich verhalten wird!Die Generaldebatte über das Arbeiterschutzgesetzund die gleichzeitig auf die Tagesordnung gestellten sozialreformatorischenAnträge des Zentrums(Liebert und Hietze) und der K o n s e r v a-t i v e n(Lohren) haben drei Sitzungen ausgefüllt, ohne daß seitens derGegner unseres Entwurfes neue Gesichtspunkte oder Argumente vor-gebracht worden wären. Das Zentrum und die Konservativen spielenja nur mit der. sozialen Frage und ein Thor nur kann ernsthafteReformen, ernsthaftes Streben von ihnen erwarten. DieHerren Fortschrittler aber, die nichts gelernt und nichts vergessenhaben, bemühten sich durch ihren Redner B a u m b a ch, den„liberale»Landrath", dies der Welt möglichst klar zu machen."Die Regierung, vertreten durch Böttcher, war nicht ganz so man-chesterlich wie in der vorigen Session. Sie scheint gemerkt zu habe»,daß sie ihre wahre Natur etwas zu ungenirt gezeigt hat.Der sozialdemokratische Antrag wurde durch die Genossen Pfann-k u ch und Auer begründet.Der sozialdemokratische Antrag gegen die Ausweisungen lautete ur-sprünglich, von den„Erwägungen" abgesehen, wie folgt:„Den Reichskanzler aufzufordern, die nöthigen Schritte zu thun,damit jene, die Interessen und d i e E h r e des deutschen Volkesgleich schwer schädigende Maßregel alsbald rückgängig gemachtwerde."Die gesperrten Worte wurden, als„eine Beleidigung der preußischenRegierung" enthaltend, von dem Präsidenten des Reichstages b e a n>standet, und um dem Antrag keine Hindernisse zu bereiten und eineschleunige Behandlung zu ermöglichen, mußten die Antragsteller voneinem Protest gegen diese Verstümmelung des Antrages abstehen. Siekonnten aus der„Ehre Deutschlands" umsoweniger eine Prinzipien- undKardinalfrage machen, als Bismarck zur Genüge dafür gesorgt hat, daßdie„Ehre Deutschlands" ein überwundener Standpunkt ist.Noch sei eines heiteren Zwischenfalls erwähnt.Der sozialdemokratische Antrag gerieth vor dem Druck einem Reporterin die Klauen, der eine etwas undeutliche Handschrift schreibt und dasWort„sozialdemokratische Fraktion" so kleckste, daß eine Zei-tung, die Tante V o ß, aus der sozialdemokratischen die national-liberale Fraktion machte— ein um so amüsanteres Quidproquo,als die Herren Nationalliberalen vom Kriegsminister, bei dem die„Blüthe" der Fraktion gerade zum Diner war, im ersten Moment allenErnstes der Autorschaft für sähig gehalten wurden! Die Verblüfftheitder armen nationalliberalen Tischgäste soll von geradezu unwiderstehlicherKomik gewesen sein.— B i s m a r ck' s Karolinen-Blamage wurde von dem„Ulk", einem der sogenannten„Witz blätter" Berlins, nach dem klassi-schen Reptilienrezept wie folgt illustrirt:Die Karolinen-Jnseln sind als eine prächtige Kuh dargestellt; Bis-marck als Stallknecht(ob das Reptil hierfür belobigt werden wird?)und sagt zur Kuhmagd Spanien:„Zum Beweise meiner Nachgiebigkeit will ich Dir den Besitz derKuh nicht länger streitig machen. Du sollst das Recht haben, sie zu b e-sitzen, ich will mich damit begnügen, sie zu melken."Also Spanien über den Löffel barbiert.In Wahrheit ist an der Kuh nichts zu melken, und ist die Kuh über-Haupt keine Kuh, sondern ein Bock, welchen der Junker Bismarck ge«schössen hat.— Die Interpellation des Zentrums betreffend die M i s s i o n s-a n st a l t e n in Afrika veranlaßte ein Redeturnier zwischen Bismarckund Windthorst, die beide wieder einmal mit stumpfen Fleurets kämps-ten. Beide brauchen einander viel zu nothwendig, um sich gegenseitigernsthast wehe zu thun, oder gar tödtliche Wunden zu versetzen. De»katholischen Wählern fehlt aber das Verständniß für derartige Finesse»— sie nehmen den Kamps e r n st, und verlangen jetzt mit steigendemNachdruck, daß die Zentrumspartei mit der Kolonialpolitikganz brechen soll. Die Zeit naht, wo die katholische Wählerschaftbegreift, daß ihre„Führer" nur ein schnödes Spiel mit ihnen getrieben;und diese Erkenntniß, deren Ausdämmern auf die Dauer unmöglich ver-hindert werden kann, wird der Sozialdemokratie zu Gutekommen.— An der Debatte über die Anträge auf Wiedereinführungder Berufsinstanz und auf Entschädigung unschuldigVerurtheilter betheiligten sich unserseits die Genossen K a y s e rund F r o h m e. Letzterer zog sich einen Ordnungsruf zu, weil er gesagt,daß im Reich und in den Einzelstaaten das Recht gebeugt werde. Jeflagranter gewisse Thatsachen sind, desto mehr ärgern sich die Gewalt-Haber, wenn davon geredet wird.— Zur Aufklärung. In den Nummern 78, 79 und 80 des inMünchen erscheinenden„Recht auf Arbeit" befinden sich drei längereArtikel auS einer demnächst bei L. Viereck erscheinenden Abhandlung.„Rodbertus, Marx, Lassalle. Sozialwissenschaftliche Studie von C. A.Schräm m."Auf verschiedene bei uns eingelaufene Anfragen über diese Schriftsind wir in der Lage, nach unserer Kenntniß des Manuskriptes und derVorgänge, die sich mit demselben abgespielt, bis es in die Hände desjetzigen Verlegers gelangte, Folgendes zu antworten:Die obenerwähnten Artikel lassen den Glauben aufkommen, daß essich in der Schramm'schen Broschüre um eine objektive Beurtheilungder drei genannten Persönlichkeiten handle, thatsächlich aber ist sie ledig-lich eine Fortsetzung der Polemik, welche C. A. Schramm vorJahresfrist in der zu Stuttgart ini Verlag von I. H. W. D i e tz erscheinenden„Neuen Zeit" über die Bedeutung von Marx und Rodbertusmit K. Kautsky sührte, und die schließlich einen so aggressiv persön-lichen und beleidigenden Charakter annahm, daß der Herausgeber sichgezwungen sah, sie zu schließen.Daraus verfaßte C. A. Schramm obige Broschüre und bot den Ver-lag derselben I. H. W. Dietz an. Dieser aber fand ihren Inhalt sowenig geeignet zur objektiven Aufklärung des Streits, und die Schriftso voll persönlicher Angriffe, daß er den Verlag ablehnte.Nunmehr wandte sich C. A. Schramm an Viereck, wo er Gehör fand-Ob nun die so entstandene Schrift geeignet sein wird, ein wirklichobjektives Bild über die Bedeutung der im Titel genannten Männer zugeben und dadurch die Sache des Sozialismus zu fördern, überlassenwir dem Leser zu beurtheilen. Sobald sie uns vorliegt, werden wirGelegenheit nehmen, auf ihren Inhalt zurückzukommen. Denn wenn wirauch keine Neigung haben, uns auf persönlichen Streit einzulassen, solegt uns selbstverständlich unsre Stellung die Verpflichtung auf, Irr-thümer zu berichtigen, und solche enthält die Schrift, wie wir bereitsverrathen können, in hübscher Zahl.— Ein U k a s.„Nachdem der unterzeichneten Behörde bekannt ge-worden ist, daß bei dem-heute Nachmittag stattfindenden Begräbniß Ihresverstorbenen Ehemannes, des Eisendrehers Herr» Louis Stüntzner,von den hiesigen...... die Demonstration einer der staatlichen Ord-nung feinvlichen Gesinnung bezweckt werden soll, machen wir Sie hier-durch aufmerksam, daß das Anbringen besonderer Abzeichen der politi-schen Richtung an der zur Schmückung des Sarges bez. Grabes vorhan-denen Kränzen und Schmucksachen, serner das Tragen von Fahnen undAbzeichen seitens der am Begräbnisse sich betheiligenden Personen unter-sagt ist, und daß wir denjenigen, welche dem Verbote zuwider handeln,den Zutritt zum Friedhofe verweigern, dieselben aber außerdem bestrasenwerden. Desgleichen sehen wir uns genöthigt, Sie darauf hinzuweisen,daß das Halten von Reden am Grabe nur mit Zustimmung des Orts-geistlichen statthaft ist und wir ebenfalls Zuwiderhandlung aufs strengsteahnden werden. Endlich werden wir, falls irgend welche Kränze mitAbzeichen auf dem Grabe niedergelegt werden sollten, dieselben ohneWeiteres entfernen lassen. Wir setzen Sie hiervon in Kenntniß mit derVeranlassung, dafür Sorge zu tragen, daß jedwede Demonstration unter-bleibt."Gegeben zu S ch i l d a im Jahre des Heils 138 5. Magistrat undStadtrath— so etwa würde sich jemand die Fortsetzung denken, der deSneuen deutschen Reiches Herrlichkeit nur von Weitem kennt. In Wirk-lichkeit heißt sie: Glauchau, am 1. Dezember 1885. Meißner, Stadtrath. Und nun brauchten wir gar nicht erst hinzuzufügen, daß die soschwarze Pläne hegenden Uebelthäter niemand anders als die bösenGlauchauer fts-s Sozialdemokraten waren.Die Beerdigung des Genoffen Stüntzner fand unter zahlreicher Be-theiliguyg statt. Am Grabe hielt Genosse Stolle dem Dahinzeschie-denen einen tiefempfundenen Nachruf. Der Glauchauer Ortsgeistlichescheint sich also noch nicht ganz zur stadträthlichen Staatsweisheit empor-geschwungen zu haben.— Von den deutschen Kolonien haben wir zwar sonst nochnicht viel Tröstliches gehört, doch thut es unserm patriottschen Herzenschon wohl, zu wissen, daß wir die geliebtesten Namen der Heimat nunauch in andern Welttheilen wiederfinden werden. So hat der deutscheKaiser neuerdings wieder einige geographische Taufakte vollzogen, die