■ WWW»8ahr ein Millionen für die Vervollkommnung der Mordwaffen aus, und«s find auch Erfindungen gemacht worden von so furchtbar mörderischer,tnstörerischer Kraft, daß die stahlnervigen Soldaten der guten alten Zeit,j- 8- des dreißigjährigen Kriegs, starr vor Erstaunen und Entsetzen da-stehen würden. Unseren modernen Kriegs- und Mordvirtuosen gilt das»ls etwas Selbstverständliches. Indeß„Humanität" muß sein. Wirmarschiren nicht umsonst„an der Spitze der Zivilisation". Und so hat«enn auch der Massenmord ein humanes Zivilisationsröckchen zu tragen.Wer ohne dieses Röllchen mordet, der verstößt gegen den internationalenKodex;«er aber das Röckchen hübsch anzieht, und das Kanonenfutternach allen Regeln des Moral-Kodex ins Jenseits befördert— der ist einhumaner Mann, und wandelt mit an der Spitze der Zivilisation. Mitdem Sozialistengesetz ist es genau dasselbe. Todtgeschlagen soll werden~ ie mehr der verfluchten„Brut", desto besser. Allein es soll in FormRechtens geschehen. Es soll mit Humanität geschehen. Die zweibeinigen»Patienten", welche der Vivisektion durch das Sozialistengesetz un-terworsen werden sollen, find dabei mit äußerster Humanität zu behau-dein, ebenso wie die vierbeinigen Versuchsobjekte beim unfigürlichen ana-tomischen Lebendigzerschneiden. Das Kaninchen muß sorgsam gehegt, ge-Pflegt und gestreichelt werden, ehe die Lanzette ihm ins Hirn herein-l"?$rt,— nur immer hübsch gemüthlich und„human"; und damit eshäßlich zappelt und ein abschreckendes Bild des Schmerzes darbietet,muß es hübsch fest und fein säuberlich befestigt werden, so daß es sichmcht rühren und regen kann.Die„Milderungen" des Sozialistengesetzes find nichts anderes alssolche Humanisirungsn der Vivisektion.i Aber sind denn die Menschen Kaninchen, die sich ruhig vivrsezirenmsstn, bis zu dem jüngsten Tag?Je nachdem. Manchmal sollte mans glauben.~ Ein edler Wettstreit spielt sich zur Zeit zwischen den beidenMltegorien von Kulturträgern ab, welche die Neger Afrika's mit denSegnungen der europäischen Zivilisation zu beglücken bestrebt sind:zwischen den Handlungsreisenden in himmlischem Fuiel, vulgo Miffio-uaren, und den Handlungsreisenden in irdischem Fusel, den kühnen,; patriotischen Kolonisationsfirmen. Die Elfteren haben wiederholt Klagedarüber geführt, daß der Schnaps, den die deutschen Firmen, insbeson-dere die Herren Wörmann und Thormälen, in Kamerun rc. importiren,Banz niederträchtiges Gift sei, an dem die Neger schaarenweis zu Grundsehen, und das selbst ein gebildeter Christenmensch in Europa nicht trin-«n könne, ohne sich den Tod zu holen. Dafür haben sich die gekränk-ren Wörmänner, deren Ruhm noch soeben von dem Rhein bis anden Belt in allen Tonarten gepriesen ward, dadurch gerächt, daß sieerklärten, mit dem himmlischen Schnaps, den die Missionäre in Afrikaverzapften, sei es nicht besser bestellt. Die modernen Apostel seien meistverkommenes Gesindel, sie betrieben das„Arbeiten im Weinberg desHerrn" gar zu wörtlich, indem ste sich vorzugsweise darauf verlegten,die Rasse zu verschlechtern. Sie hätten also den Kaufleuten, die ja indiesem Punkt furchtbar moralisch sind, nichts vorzuwerfen.Und so geht der Wettstreit hinüber und herüber, wobei dann allerhandNiedliche Dinge zum Vorschein kommen. So erklärt der MissionsinspektorZahn aus Bremen neuerdings in einer Zuschrift an die„Weser-ieitung", er habe vor Kurzem einen Bericht eines Missionärs bekommen,welcher innerhalb weniger Wochen an dem Sterbebette dreierA e g e r gestanden hat, die der Branntwein in frühen Todgebracht. Herr Zahn ist der Meinung, daß Herr Wörmann die Aus-�uhrzölle an Stelle der Einfuhrzölle in Kamerun und Togovur zur Erleichterung der Branntweineinfuhr besür-wartet. Aus dem deutschen Togogebiet würden nach Aussage einesMissionars jetzt große Mengen billigen Branntweins in das eng-tische Hinterland geschmuggelt, um den englischen Einfuhrzolliu umgehen. Die traurigen Spuren davon seien überall zu sehen gewesen."Allerliebst, nicht wahr? Nicht zufrieden, die Neger im eigenen„Schutz"-gebiet zu vergiften, schmuggelt man den mörderischen Fusel auch in Nach-barsland. Aber trotzdem sind die Engländer durch die Bank Heuchler-voll, und die Herren Wörmann, Thormählen und tutti guanti„Deutsche, bieder, fromm und stark."Und wer's nicht glaubt und ihre Thaten nicht als hochpatriotisch preist,M ein Reichsfeind, denn das Reich ist der Schnaps, und der Schnaps'st das Reich.— Die fortschrittliche Springprozestion. Wer kennt nicht diefamose Echternacher Springprozession in dem Tempo von drei Schrittvorwärts und dann zwei zurück? Unsere Herren Fortschrittler scheinenssch diese etwas problematische Art der Fortbewegung aneignen zu wollennach dem Beispiel ihrer nationalliberalen Geistesverwandten, die schonlängst Echternacher geworden sind. Bei der diesmaligen Berathung desEtaatshaushalts-Etats haben unsere Fortschrittler«ine ganz reguläreSpringprozession zur Aussührung gebracht. Während sie bei der zweiten�Lesung mit bekannter Löwenkühnheit verschiedene Posten strichen, z. B.den vom Marineminister sehr dringend gewünschten Aviso-Dampfer,haben sie jetzt für die dritte Lesung selber die Bewilligung meh-oerer dieser Posten, u. A. auch des Aviso, beantragt. Was natür-«ch nicht hindert, daß sie so wie so bei der Endabstimmung für denganzen Etat stimmen werden. Die byzantinische Gefälligkeit derHerren Fortschrittler hängt mit dem berühmten Loyalitätsfrack zu-sammen, welchen sie regelmäßig anlegen, wenn die„Dynastie" in Frageoder ins Spiel kommt. Man erzählt sich, irgend einem Fortschrittler� nennen wir ihn Rickert, oder auch Richter sEugen)— sei von irgenddortigem Landgericht wegen Uebertretung des Sozialistengesetzes gegenHeine statt, derselbe wurde aber freigesprochen.Wie immer bei den Prozessen gegen Heine hatte Schoene eine u n-endliche Menge Zeugen vorgeladen, welche größtentheils gar nichtsbekunden konnten, theilwesse auch gar nicht vernommen wurden, dochwurde das Verfahren dadurch natürlich gehörig vertheuert.So hatte es Staatsanwalt Schöne in den Prozessen gegen GenosseHeine stets gemacht, welcher dadurch in etwa Jahresfrist bei 200 MarkGeldbuße und 6 Man. Gefängniß, zusammen über 1 200 Mark an Kostenu. s. w. bezahlen mußte. Diesmal endete aber das Verfahren mit Frei-sprechung. Natürlich legte Schöne Berufung ein, welche jedoch auchvom Reichsgericht zurückgewiesen wurde.Zur Charakteristrung dieses Schöne diene noch, daß Heine auch mehr-fach die Briefe seiner Frau nicht ausgehändigt wurden. Einmal hatteFrau Heine in einem Brief an ihren Gatten über das unanständige Verhalten des Halberstadter reaktionären Lokalblattes gegen Heine ihr Herzausgeschüttet. Auch dieser Brief der Frau Heine kam deswegen ebenfallsnicht in Heine'S Hand, fondern— zu dessen Personalakten. Die mitgemeinen Ausfällen gegen Heine gespickten Gerichtsverhandlungsberichtedes benannten Blattes sind von dem Sekretär des Schöne verfaßt!Behufs Abwicklung einer größeren vormundschaftlichen Angelegenheithatte Heine zwei Stunden Urlaub verlangt; diese wurden vom Staats-anwalt abgelehnt, angeblich weil Heine an einer in Ballenstedt imharz fiattgefundenen geheimen sozialdemokratischen Versammlung theil-genommen und jede Aussag« verweigert. Hieraus ginge hervor, meintder Staatsanwalt,„daß es sich um ein h o ch v e r r ä t h e r i s ch e sunternehmen dabei gehandelt habe". Auf Andringen des HalberstadterVormundschastsgerichts jedoch muhte Schoene erlauben, daß Heine zweiStunden in Begleitung seines Aufsehers nach Hause gehen durfte.Kaum waren Heine und sein Aufseher wieder zur Anstalt zurückgehrt,als Schoene erschien und mit dem Aufseher darüber eine Vernehmungveranstaltete, was sich zu Hause be, Hein« zugetragen. Wer beschr-ibtaber den Aerger des Staatsanwalts, als er erfuhr, daß ein hervor-vage nder Parteigenosse Heine's bei ihm gewesen und mit ihm gesprochenhabe. Als er nun Heine diese seine Bosheit vorhielt und ihn fragte,vb dieser Besuch vielleicht Zufall gewesen sei? gab Heine lachend zurAnt wort:„Nein, volle Absicht, denn ich hatte den Parteigenosseniu einer Besprechung eingeladen."Am Tage, wo das freisprechende Leipziger Erkenntniß in dem Halber-städter Lokalblatt zu lesen(29. Oktober), ließ der Staatsanwalt die ganzeZelle Heine's um und um suchen, und siehe da, man fand: 1) EinStückchen Wurst, Werth 10 Pfg., 2) Ein Stück Gefangenenschwarzbrod,obgleich Heine auf ärztliche Verordnung nur Weißbrod erhielt.Andern Tags wurde das einleitende Verfahren gegen Heine eröffnet:erstens wegen Beamtenbestechung und Durchstecherei— zwei-tens wegen Diebstahl von Brod. Da Heine nachweisen konnte,«aß er das Brod von einem Gefangenen gekaust hatte, so wurde daseinem anderen Fortschrittler— nennen wir ihn Forckenbeck— erzähltworden, irgend ein diesem nahestehender Politiker— nennen wir ihnz. B. Gneist— habe erzählt, daß irgend eine„maßgebende", in denhöchsten Regionen sich bewegende Persönlichkeit erzählt habe, der Krön-prinz(„unser Fritz") habe den ganz besonders warmen Wunsch ausge-drückt, der Aviso möge doch bewilligt werden.---Und die Folge dieses fchattenhaft-transzendentalen Prozesses ist dannein reeller Antrag, also lautend:„Freiherr von Frankenstein(Das Zentrum hat auch einenLoyalitätsfrack.)- R i ck e r t: Der Reichstag wolle beschließen:Als Titel 2 des Kapitels 7 folgende Position anzunehmen:zum Bau eines Aviso 000,000 Mark."Und so weiter. Es kommt noch mehr. Mit einmaligem Vor-und Rückwärtsspringen begnügen die Echternacher Springprozessionistensich nicht.Und ganz abgesehen vom Loyalitätsfrack spielt hiebei auch einigermaßendas bekannte Gesetz mit, nach welchem ein Hasenfuß, der seinem gestren-gen Herrn und Meister gegenüber einen Selbflständigkeitsanfall gehabthat, hernach durch doppelte Schmieg- und Biegsamkeit den schlimmenEindruck zu verwischen sucht. Der l K.Januar wird noch mehrere Büß-gänge in Sack und Asche in seinem Gefolge haben. Das ist nun ein-mal— deutsch!— Nicht mehr und nicht weniger als IVO Millionen Mark fordert Bismarck vom preußischen Landtag, um sein„nationales Werk"in den Ostprovinzen weiterzuführen. Dieses Geld soll dazu dienen,Grundbesitz, der sich in polnischen Händen befindet, anzukaufen und zuzivilen Preisen an deutsche Landwirthe zu verkaufen oder zu verpachten.Da vorauszusehen ist, daß, falls der Antrag angenommen wird, diePolen wohl ihre Gegenmaßregeln treffen werden, so dürfte die ersteFolge derselben ein Steigen der Preise des Grundbesitzes in Posenund Westpreußen sein. Der Staat würde also theuer ankaufen müssenund, um Deutsche nach Posen zu locken, billig veräußern müssen—der Verlust geht ja aus der Tasche der Steuerzahler! Da zudem Bis-marck, um„wirksamer" vorgehen zu können, volle Verfügungsfreiheitfordert, und er außerdsi« nur„zuverlässige" Elemente in den„gefähr-deten" Distrikten ansiedeln will, so stellt sich der ganze 100 Millionen-Fonds, wie Eugen Richter in seiner„Freisinnigen Zeitung" richtig be-merkt, schließlich als ein agrarischer Reptilien-Fonds her-aus, weit gefährlicher für die Interessen des deutschen Volkes als fürdie des Polonismus. Denn an den Elementen, die unter den obwal-tenden Umständen ihren Grundbesitz veräußern, die sich durch Bismarckkaufen lassen, verliert derselbe nicht viel. Die Korruption und derServilismus, die sich in Deutschland ohnehin so widerlich breit machen,werden aber nur noch vermehrt werden.Geld, um zu korrumpiren, und den Polizeiknüppel, um zu malträtiren— das sind die Mittel der Staatskunst eines Bismarck. Ohne dieselbenist es mit seinem Latein zu Ende. Welch großartiger, unübertroffenerStaatsmann!— Werth von Königsworten.„Ich gebe meines Thsils keinenPfifferling auf irgend eine Berufung auf die damaligen Proklama-tionen"— erklärte Bismarck in der Landtagssitzung vom 28. Januar,als ein polnischer Abgeordneter die Versprechungen erwähnte, mit denenFriedrich Wilhelm III., der„hochselige Vater" von Bismarcks„allergnädig-stem Herrn", 18l 5 Besitz der ihm wieder zugefallenen'polnischen Landeetheileergrissen. Es ist auch in der That nicht abzusehen, warum der SohnFriedrich Wilhelms III., des„Gerechten", das Wort seines Vaters hei-liger halten sollte als dieser selbst. Was dem eigenen Volke recht, istden Polen billig. Das ihnen gemachte Versprechen ist grade so vielwerth wie das dem preußischen Volke gemacht« Versprechen, als es eben-denselben König aus der Patsche holen sollte.Bei dieser Gelegenheit sei an ein weiteres interessantes„Königswort"erinnert, das Varnhagen von Ense in seinen Memoiren erzählt(unterm8. Mai 1858):„Dem König Friedrich Wilhelm IV.(dem„hochseligen" Bruder Wilhelms)war die„Vossische Zeitung" verdrießlicher als jede andere, unaufhörlichbefahl er Hinckeldey, sie zu unterdrücken. Einmal schrieb er an diesenim höchsten Zorne:„Die Tante Voh hat wieder in Theologie gemacht,es ist endlich Zeit, ihr die Bude zu schließen!"— Hinckeldey ging zumKönig und stellt- vor, das Preßgesetz erfordere hierzu ein Gerichtsurtheil.Der König rief:„Ich s— auf das Preßgesetz!"—„Indessen,"setzt Varnhagen hinzu,„besteht die„Vossische Zeitung" noch und derKönig— hat einen Stellvertreter."Der Gedankenstrich bedeutet hier, daß es mit den Gedanken des Königszu Ende. Und der König ist verrückt, wollte Varnhagen ursprünglichschreiben, aber der„Geheinirath" hielt die Umschreibung für besser.»Ich)— auf das Gesetz!" Das ist in der That ein Königswort.— Im sächsischen Landtag fühlte sich neulich der konservativ-antisemilische Abgeoronete Hartwig veranlaßt, den„Sozialdemokrat"ein„Schandblatt" zu nennen, das von„erdichtetem Beschuldigen"strotze rc. Dem Schützling der wahrheitsliebenden„Dresdener Nach-richten", dem übrigens Genosse Bebel sofort kräftig diente, stand dieseEntrüstung besonders gut, er und seine Parteigenossen sind ganz beson-ders geeignet, uns Vorlesungen über Anstand und gute Sitte zu halten.Auf welches Niveau würde z. B. der„Sozialdemokrat" sinken, wennwir bei der„Reform" des Herrn Pinkert in die Schule gehen wollten!Uebrigens wird jeder vernünftige Mensch begreisen, daß die RedaktionVerfahren Hierwegen eingestellt, wegen der ersten Anklage aber eingroße Menge Zeugen vernommen.Heine hatte die Wurst von seiner Frau während eines Besuches zuge-steckt erhalten, verweigerte aber darüber jede Auslassung, da er fürchtete,den Gefangenhausinspektor in Ungelegenheiten zu bringen, welcher dieseUnterredung überwacht hatte.Auf Anordnung des Staatsanwalts Schöne wurde Heine nunmehrsofort in eine fast dunkle Arrestzelle im Keller gebracht, welcheeinerseits vom Kohlenloch und andrerseits vom Sandloch begrenzt undso enge war, daß Heine, als Tisch, Bett rc. untergebracht war, keinedrei Schritte gehen konnte! Selbst unter Mittag war das Lesen nurmit großer Anstrengung möglich. Es wurde auch fortwährend so starkeingeheizt, und zwar durch polnische Gefangene, mit denen sich Heine nicht ver-ständigen konnte, und es war so wenig Ventilation, daß Heine, um es aus-halten zu können, sich oftmals ganz nackt ausziehen und auch oft seinvom Schweiß durchnäßtes Unterzeug zum Trocknen aufhängen mußte.Am 2. November beantragte Heine(d. h. b a t nicht etwa), wiedernach seiner bisherigen Zelle überführt zu werden. Hierauf verfügte dererste Staatsanwalt Schöne wörtlich:„Dem Antrage des p. Heine kann nicht eher Folgegegeben werden, bevor er nicht der Wahrheit gemäßangibt, wie und auf welche Weife er in denBefitz derbei ihm gefundenen Wurst gelangt i st."Heine zögerte dennoch zu gestehen.Nach einigen Tagen kam der Gefangeninspektor zu ihm und theilteihm mit, daß Frau Heine dagewesen sei und ihn wegen einer sehr noth-wendigen Sache zu sprechen gewünscht habe, daß sie aber von ihm ab-gewiesen worden sei, da der Staatsanwalt angeordnet, daß Heine nichteher Besuch empfangen dürfe, bis er gestanden habe.Diese Haft in dem ganz dunklen Kellerloch, wo nebenan ein schwererVerbrecher an zwei Ketten lag, die beständig rasselten und täglich ein-mal gewechselt wurden, hatte auf Heine's Gesundheit einen überausnachtheiligen Einfluß. Kops und Augen thaten ihm beständig weh; wenner zur Freistunde anS Tageslicht kam, so mußte er sich erst mehrereMinuten, mit halbgeschlossenen Augen an das Licht gewöhnen. Dabei litter an Schwindel, so daß er beständig wie betrunken taumelte und mehr-fach hinfiel, wozu sich hesttge Leberschmerzen gesellten, so daß sein Ge-ficht eine wachsartige Farbe annahm und Frau Heine, als sie ihn wieder-sah, wegen seines veränderten Aussehens in Thränen ausbrach. Es istsomit wohl nicht zuviel gesagt, daß hier nur von Zwangsmitteln, umGeständnisse zu erpressen, die Rede sein kann, wobei übrigens zubemerken, daß auf Beamtenbestechung bis fünf Jahre Gefängniß stehen,und Heine eine solche nachzuweisen, war doch eben Zweck der staatsan-waltlichen Zwangsmittel.Da Heine wohl fühlte, daß er dieser Tortur, noch sieben Wochenfortgesetzt, körperlich erliegen müsse, und schließlich auch noch derGefangeninspektor und Aufseher ihm zuredeten und ihn baten, doch anseine Familie zu denken und sich nicht durch seinen Trotz, der ihm dochdes„Sozialdemokrat" für die ihr aus Deutschland zugehenden Korre-fpondenzen nur eine bedingte Verantwortung übernehmen kann. EinBlatt, welches, wie das unsrige, allen Unterdrückten und Verfolgten seineSpalten öffnet, zu dessen ersten Pflichten es gehört, alle Mißbräuche undSchandthaten aufzudecken, ist in vielen Fällen seinen Korrspondentmgegenüber auf Treu und Glauben angewiesen, da wir nicht in der Lagefind, von hier aus die Wahrheit aller Mktth-ilungen zu prüfen. Wennalso wirklich einmal eine falsche Nachricht bei uns unterläuft, so ist da-für nicht unser Blatt, sondern sind, wie schon Bebel treffend bemerkte,die Verhältnisse verantwortlich zu machen, unter denen es erscheint. Manzeige uns ein Emigrationsblatt früherer Zeit, das eine so gemäßigteSprache, eine so vorsichtige Haltung beobachtet hätte, als der„Sozialdemokrat"!Wer sich durch den„Sozialdemokrat" zu Unrecht angegriffen fühlt,dem steht das Recht der Entgegnung zu, das wir noch Niemandemversagt.— Man schreibt uns aus Berlin:„Seit dem Tode ihres lang-jährigen Redakteurs Phillipps, eines Mannes von Charakter, welcherder Richter'schen Wirthschaft tüchtig zu Leibe ging, fängt die„BerlinerVolkszettung" wieder an, in ihre früheren schlechten Gewohnheiten zurück-zufallen. So enthält sie z. B. in ihrer Nummer vom 2. Februar einedirekt ausgesprochene Dsnunziatton. Es wird daselbst nämlich behauptet,die Opposition, welche sich innerhalb der Berliner freireligiösen Gemeindegegen den bekannten Süßholzraspler und Manschetten-Demokrat Schäfergeltend macht, gehe von einer sozialdemokratischen Cliqueaus, welche die Verwaltung des Gemeindevermögens in die Hände be-kommen wolle. Man sieht, eine zwiefache Denunziation. Und gröb-ster Worte!"Uebrigens hat die Denunziation nichts genützt; die Opposition überden bisherigen Vorstand hat bei der Neuwahl einen entschiedenen Siegdavon getragen.—„In Sachsen bin ich Prcnße, in Preußen bin ich Sachse,"so oder ähnlich schrieb einmal in einem Privatbricfe der größte deutscheProsaschriftsteller und einer der größten Revolutionäre und revolutio-närsten Kampfnaturen, die je gelebt haben: Gotthold EphraimL e s s i n g. Was er damit meinte, hat er deutlich genug gesagt und esist auch an sich hinlänglich klar: man muß den Menschen überall denSpiegel ihrer Feigheit und Niedertracht vorhalten, und soll„Fremde"nur loben, um diese Feigheit und Niedertracht schärfer hervortreten zulassen. Nimmermehr aber soll man den umgekehrten Weg ver-folgen, und die Anwesenden auf Kosten der Fremden her-ausstreichen— das ist servil, liebedienerisch, byzantinisch.Ein Journalist, der das eigene Volk und die eigene Regierung inden Himmel erhebt, und über die fremden Völker und Regierungen los-zieht, ist unter allen Umständen ein Gesinnungslump. Wer nachdem Lefling'schen Rezept handelt, kann dagegen wohl einmal einen M i ß»griff begehen, nie aber eine Gesinnungslumperei.— In Eßlingen war jüngst Nachwahl zum wiirttembcrgi»scheu Landtag, bei der sich auch unsere Genossen betheiligten. Siesind zwar gegenüber den Ordnungsparteien unterlegen, erhielten aber fürihren Kandidaten— Genossen Lutz aus Stuttgart— 975 Stimmengegen 620 bei der l882er Wahl.Ein Zuwachs, der sich sehen lassen kann.— Sittenbilder aus der„besseren" Gesellschaft. I. Auseinem Städtchen im nördlichen Baden schreibt man uns:Der ehemalige Redakteur einer hiesigen Zeitung, ein Herr Z., kam am18. Dezember v. I., Nachmittags 2 Uhr, aus seiner Druckerei in seineWohnung, um etwas zu holen, und fand da— seine Frau und dengrobherzoglichen Aktuar K. auf dem Sopha in der denkbar intimstenSituation. Z. schlug sofort Lärm und leitete Klage gegen K. ein, wäh-rend dieser Z. auf— Beleidigung verklagte. Es kam zu aller-Hand Vorladungen, bis plötzlich eines Tages die Sache einschlief. DerBürgermeister S. und der Oberamtmann Fr.— beides Ehrenmännervom reinsten Kaliber— hatten es durch redliche Bemühungen dahingebracht, die Sache zu begraben. Aktuar K. ist nämlich die rechteHand des braven Bürgermeisters von— wie's Nestle heißt, verschweigenwir lieber.Heilig ist die Ehe und groß ist die Tugend unserer Stützen der Ge-sellschaft!— Gegen die brutale Aktion Bismarcks wider die Polenhäufen sich die Proteste. Am 8. Februar nahm eine große öffentlicheVersammlung des Frankfurter demokratischen Vereins nach einemlängeren Referat Sonnemanns eine recht scharfe Resolution an, in derdie Ausweisungen als„eine grausame, mit der Humanität und Gerech-tigkeit unvereinbare und für die Erhaltung des Deutschthums unnöthigeMaßregel" bezeichnet wird. Da diese Ausweisungen und ihre Kon-sequenzen ganz besonders die Deutschen im Auslande interessiren, so istes auch nur natürlich, wenn diese ihrerseits sich rühren und zu dem„Staatsakt" des Lenkers der deutschen Politik Stellung nehmen.Unter diesem Gesichtspunkt fand am IS. Februar in Zürich einegroße Versammlung der dortigen Deutschen statt, in der die GenossenBernstein und Fischer die Bismarck'schen Maßregeln gegen die Polenaus ihre Zulässigkeit und Wirksamkeit hin beleuchteten. Es ist bemerkens-werth, daß sich in dieser Versammlung nicht nur keiner der in Zürichzu nichts helfen könnte, hinzuopsern, so gestand endlich Heine, durchFolter gezwungen, daß er die Wurst von seiner Frau erhalten habe,welche Angabe auch durch die weitere Untersuchung bestätigt wurde.Hatte aber Heine geglaubt, der Staatsanwalt werde wenigstensseinem gegebenen Versprechen nachkommen, so irrte er sich gewaltig,denn Heine blieb nach wie vor in der Arrestzelle, und erst als er ärzt-liche Untersuchung seiner Gesundhettsverhältnisse und ein Urtheil dar-über verlangte, daß dieser Aufenthalt nicht seinen Tod herbeiführenwürde, erschien der alte, weißhaange, wohlwollende Gefängnißarzt undordnete die sofortige Ueberführung Heine's nach seiner früheren Zellean, welche auch nach einem zwölftägigen Aufenthalte in jenem fatalenKellerloche vorgenommen wurde.Da der Staatsanwalt durch die Untersuchung erfahren, daß HeineSonntags einigemale neben seiner Krankensuppe auch einen Teller Kohl-suppe von dem Mittagessen der nichtkranken Gefangenen durch Güte desKüchenvorstehers erhalten, so überwachte er von da ab all«Sonntag Mittag selbst die Ausgab« deS Mittagessens bis zu Heine's Entlassung.Die Disziplinarstrafe Heine's für Brod und Wurst bestand in Eni-ziehung der Freistunde auf 8 Tage und Entziehung der Lektüre aufeine Woche.Doch endlich erschien auch der 13. Dezember, und nicht nur der Ge-fangene, sondern auch alle Ausseher, welche soviel Unannehmlichkeiten—Ueberwachungen, Vernehmungen, Verwarnungen-c.— wegen Heine gehabt, waren froh, daß die Zeit um war. Heine wurde durch eine Depu-tation Berliner, Magdeburger und Halberstädter Parteigenossen inEmpfang genommen. Er hatte bei allen körperlichen und Seelen-Leidennicht eine Stunde den guten Humor verloren und sich bald, wie Jedervon uns mit Freuden bemerkt, auffallend schnell wieder erholt. MehrereGefängnißarbeiten von ihm— fünf, wie wir gelesen— sind unter derPresse.Später erfuhr Heine auch durch Zufall, daß der Staatsanwalt ihnwegen jener Wurst nach einer anderen Strafanstalt, Gommern, hatteüberführen lassen wollen, wo bereits eine Zelle für ihn hergerichtetworden war, was jedoch vom Oberstaatsanwalt in Naumburg abgelehntworden, da es sich nur noch um einige Wochen Strafzeit handle. EineEingabe, welche Heine nach seiner Entlassung machte, um Abschrift derstaatsanwaltlichen Folteranwendung zu erhalten, wurde von Schön« ab-gewiesen.Erwähnenswerth ist noch, daß die Aufseher neben ihrem unauskömm-lichen Gehalt alle Jahre am 1. April eine Gratifikation bis zu 800Mark nach freiem Ermessen des I. Staatsanwaltes erhalten. JedesVersehen wird mit Abzug von dieser Gratifikatton bestraft, und dieFurcht vor dem Staatsanwalt beherrscht das Gemüth jedes Aussehers.Alle diese Einzelheiten sind von Mitgefangenen Heine'S u. f. w. demBerichterstatter dieses bestätigt worden.