Ultima Verba.*)1) Ich bin das Kapital, der König der Welt.' 2) Ich schreite einher, begleitet von der Lüge, dem Neid, dem Geiz,dem Betrug und dem Mord. Ich trage den Krieg in die Städte und indie Familien. Wo ich vorüberziehe, säe ich Wuth, Verzweiflung, Trost-l-figteit.1 3) Ich bin der unerbittliche Gott. Ich fühle mich wohl inmitten derZwietracht und der Leiden. Ich martere die Lohnarbeiter und schone'dicht meiner Auserwählten, der Kapitalisten.' 4) Der Lohnarbeiter vermag stch mir nicht zu entziehen. Und wenntt, vor mir herfliehend wie das gehetzte Wild, die Berge. überschreitet,' so findet er mich jenseits der Berge wieder; und wenn er, um sich vor miriu retten, den Ozean durchmißt, so warte ich seiner an dem User, da er, tondet. Der Lohnarbeiter ist mein Gefangener und die Erde ist sein1 �efängniß.i 5) Ich mäste die Kapitalisten mit einem schwerfälligen und stupidenWohlstand. Meine Auserwählten sind physische und geistige Eunuchen.h Zhre Nachkommenschast gebt zu Grunde in Blödsinn und Impotenz.6) Ich überschütte die Kapitalisten mit Allem, was wünschenswerthM, aber ich nehme ihnen jeden Wunsch. Ich belaste ihre Tafeln mit den1 �vpetitlichsten Genüssen, aber sie haben den Appetit verloren; ich schmückeMe Betten mit schönen und jungen Frauen, aber die Liebkosungen der-d stlben vermögen nicht, ihre entkräfteten Sinne wiederzuerwecken. Alles» N der Welt ist ihnen ekel, schaal und unersprießlich— sie vergähnen'hl Leben. Sie sehnen sich nach dem Nichts und doch fürchten sie sichN»or dem Tod.7) Je nachdem es mir Vergnügen macht, und ohne daß es der Ver-./ünft der Menschen gelingt, meine Gründe zu ermitteln, schlage ich auf, weine Auserwählten loS. Ich schleudere sie hinab in die Hölle der-"ohnsklaven.. 8) Die Kapitalisten sind meine Werkzeuge. Ich bediene mich ihrer wietiner tausendsträhnigen Peitsche, um die stupide Heerde der Lohnarbeiter{? geißeln. Ich erhebe meine Buserwählten auf die höchste Stufe in derGesellschaft, aber ich verachte sie.rt*) Letzte Worte, d. h. Summe aller Erkenntniß.Hof auch anschloß. Ganz mit Recht, denn die Damen der„bester»"Gesellschaft leben blas von den Früchten des Diebstahls— ihnen dieFähigkeit zutrauen, selbst zu stehlen, ist strafbare Verläumdung.DieS nebenbei. Uns interessirt bei dem Prozeß eine kleine Episodemehr, als die Hauptverhandlung selbst. Als erschwerend für den Ange-klagten war in der Anklageschrift hervorgehoben worden, daß die aus-wärtige Presse die Geschichte von dem Brillanten-Diebstahl ineiner für die„höchsten Kreise in Deutschland" sehr kompromittirlichenVeise besprochen, der Redakteur also auch sich einer schnöden Verletzungder vaterländischen Jntereffen— die ja mit den Interessen der Adels-sippe zusammenfallen— schuldig gemacht habe. Darauf beantragte dieÄertheidigung die Vorladung des Schriftstellers Dr. Ernst Schu-Mann in Dresden, in Berlin unter dem Namen Normann-Schumann bekannt. Dieser werde bekunden müssen, daß die an-geblich durch den Artikel hervorgerufene chauvinistische Erregung undangebliche Diskreditirung der Berliner höchsten Gesellschaftskreise inauswärtigen, speziell italienischen Blättern, durch ihn, Zeugenselbst, lancirt worden sei. denn dieser Zeuge sei nicht nurder ständig« Korrespondent des„Osservatore catolico" und andererderartiger italienischer Blätter. sondern zugleich Söldling derBerliner politischen Polizei.Und was that darauf Herr Schumann? Er verweigerte seinZeugniß,„weil er durch dasselbe materiellen Schadensür sich befürchten müsse!"Auf einen solchen Vorwurf eine solche Antwort, das ist eine B e-stätigung in bester Form. Und nun mag der Leser ersehen, wie inPreußen die öffentliche Meinung— des Auslandes sabrizirt wird, s— die wohlwollende, wie die feindselige, je nach Bedarf.— Die moralische und intellektuelle Verkommenheit dersogenannten öffentlichen Meinung in Deutschland unter der AeraBismarck ist ein nachgrade so ost erörtertes Thema, daß es uns stetseine gewisse U-berwindung kostet, darauf zurückzukommen. Und doch sehenmir uns immer wieder dazu gezwungen, denn, anstatt nachzulassen, trittdiese Seuche immer schlimmer auf. Wenn sich die Fabrikanten der öffent-lichen Meinung des„Denkervolks" nach den Bismarck'schen„Erfolgen"für die eben dieses Denkervolk auf den Schlachtfeldern sein Blut hattewssen müssen— vor dem unübertrefflichen Staatsmann auf den Bauchwarfen, so hatte das noch einen gewissen Sinn, sie thaten damit nur,was in unserm aufgeklärten Jahrhundert in andern Ländern eben auchdoch zu geschehen pflegt; auch in Frankreich, England ic. betet man zudem Götzen des Erfolgs. Aber damit ist der in der Wolle gefärbteDeutsche bei seiner„Gründlichkeit" noch nicht zufrieden. Nachdem fürjhn einmal feststeht, daß Bismarck der größte Staatsmann des Jahr-Hunderts ist, staunt er ihn nicht nur bei seinen— ost sehr problemati-scheu— Erfolgen, sondern auch, was in keinem andern Lande möglichwäre, bei seinen notorischen Niederlagen an. Bismarck kann thun,was er will, er ist immer groß, genial, unerreicht.Wie wir an anderer Stelle berichtet, ist Bismarck durch den ihm vonxopst Leo verliehenen Erlöserorden Affiliirter der Jesuiten geworden.Für jeden Menschen mit gesunden fünf Sinnen liegt nun auf der Hand,daß wenn die Verleihung dieses Ordens nicht eine leere Höflichkeits-sormel, sie von Seiten des Papstes entweder blos ein guter Witz oderouch zugleich ein schlaues Manöver war, denn der Verbündete desJesuitenordens kann sich nicht gut gegen die Aufhebung des Jesuiten-Austreibungsgesetzes sperren..Und nun höre man, was ein deutsches Blatt zu der Kunde von der„wnigen Beziehung" der Christusritter zum Jesuitenorden sagt:,»»Demnach erscheint daS neueste Verhalte« deS Kanz-kers zur Kurie als ein MMfUrstreich seiner Politik.Er weiß, welchen Einfluß der Jesuitenorden im VatikanMt; er nähert sich dem Papste mit dem Palwzweig in°»r Hand und zwingt ihn dann, kraft seine» Bündnisse«tnit den Jesuiten, zum Gehorsam unter seinen Willen!"Ist eine solche Albernheit erhört? Bismarck beherrscht den Papst durchoie Jesuiten, denselben Papst, der ihn, den Bismarck, den Jesuiten„afsiliirt"hat— denselben Jesuiten, die als die katholischen Ultras gelten, die nochpäpstlicher sind als der Papst, deren Orden von seinen Anhängern den«Gehorsam des Kadavers" sordert. Unter dieser Parole wurden dieJesuiten als„staatsgefährlich", als vaterlandslos aus Deutschland aus-Lewiesen, und diese Jesuiten sollen jetzt Bismarck dabei helfen, den Papstiu beherrschen zu Gunsten— a nt i katholischer Interessen! Wir habentzewiß keine übertriebene Meinung von dem staatsmännischen Genie Bis-warcks, aber einer solch kindischen Voraussetzung halten wir ihn denndoch nicht für fähig, die konnte nur in dem Denkerschädel eines„gebil-beten" Deutschen entstehen, der lieber sich und der Welt vorlügt, einllameel sei ein Wiesel, als darauf zu verzichten, in seinem Bismarckeinen Uebermenschen, einen Geistestitan zu erblicken, der nicht nur wieder Papst unfehlbar ist, sondern überhaupt blos„Meisterstreiche" ver-dichten kann.Und glaube man nicht, daß es ein kleines Lokalblättchen ist, das dieobige verblüffende Entdeckung seinen Lesern auftischt, es ist das in vielenTausenden von Exemplaren gelesene Hauptorgan einer der größtenStädte Deutschlands, es sind die„Dresdener Nachrichten", redigirt vonHerrn Dr.— soll heißen D-o— k— t-o— r— Bierey!Und aus seinem weiten Leserkreis— das Blatt soll über 30,000 Auf-läge haben— hat sich auch nicht eine Stimme des Protestes, der schüch-fernsten Verwahrung gegen eine solch infame Bemäntelung einer derschimpflichsten Niederlagen, welche die Geschichte kennt, erhoben. So ver-mmpft ist das öffentliche Leben, so entwöhnt allen selbständigen Urtheils,1° feig selbst im Denken ist man in den„gebildeten" Kreisen Deutsch-»ands!28) In dem Grabe, dahin du gehst, wirst du nur Würmer finden.29) Außer einem vollen Bauch, der fröhlich verdaut, und kräftigen,befriedigten Sinnen ist nichts als Eitelkeit und Jammer.— Bismarcks ältester Junge, der Gegenwarts-Bizekanzler undZukunsts-Kanzler, Herbert, ist krank geworden.„In Folge U e 6< t<,anstrengun g," sagt die„Norddeutsche", vergißt jedoch, zu sagen,\worin der hoffnungsvolle Junge sich überangestrengt hat. Wieder ä laKarolath? Oder wie sonst? Genug, Herbert ist krank. Für ihn selbstund seine Erzeuger mag das ja ein Ereigniß sein. Was aber geht esdie Welt an? Wenn er nicht seines Vaters Sohn wäre, hätte sie nieetwas von ihm erfahren, denn seine Fähigkeiten sind nach jeder Rich-tung hin weit unter dem Durchschnitt. Die Diplomatie kennt keine komi-schere, der Reichstag keine ttaurigere Figur. Und doch bringt dasWolffsche Telegraphenbureau jeden Tag etliche Bülletins über dieKrankheit des Herbert Bismarck.Wenn Bismarcks Hund, der berühmte Reichs-T y r a s oder Reichs-Tyrann, wieder einmal krank wird, bringt der Telegraph hoffentlichauch obligate Bülletins. Was dem Einen recht ist, ist dem Andernbillig.Apropos Ueberanstrengung. Im Jahre 1884 gab eS dreioberste Beamte im auswärttgen Amt: den S t a a t s s e k r e t ä r, denUnterstaatssekretär und einen Direktor. Da erklärte Bis-marck, er reiche damit nicht aus und brauche noch einen vierten leitendenBeamten. Es kam zu den bekannten Szenen im Reichstag, zum Ent-rüstungsschwindel und schließlich gab der Reichstag klein bei und bewil-ligte den famosen zweiten Direktor. Eilt solcher wurde eingestellt, dieerste Direktorstelle sowie die Stelle des Unterstaatssekretärs neu besetzt— in letztere trat als„frische Kraft" unser Herbert ein. Bismarckhatte, was er wollte. Da schied im Herbst vorigen Jahres auch der bis-herige Staatssekretär— Graf Paul Hatzfeld— aus und ging als Ge-sandter nach London. Bismarck aber hat von feinem Recht, die Stelleneu zu besetzen, bisher noch keinen Gebrauch gemacht; sollte hier dieUrsache von Herberts Ueberanstrengung liegen? War etwa Nie-mand da, Graf Hatzfeld auf seinem � der Schulden dieses so verwend-baren Diplomaten wegen so außerond entlich hoch dotirten—Posten zu vertreten? Oder ließ Bismarck den Staatssekretär durch denUnterstaatssekretär vertreten, blos um seine Feinde zu beschämen undihnen zu zeigen, daß er auch— sparen kann? Armer, armer Her-bert, wie sehr wärst du in diesem Falle als Opfer übertriebenen Zart-gesühls zu beklagen!— Mit Bezug auf die Frage, warum die deutschen Seeleuteden Dienst auf fremden Schiffen vorziehen, veröffentlichtdas„Sächsische Wochenblatt" folgenden ihm aus seinem Leserkreise zu-gegangenen Brief:„Ich habe einen Sohn im englischen Seedienst. Nach den Berichtendesselben versuchen die deutschen Seeleute in englische Dienste zu kommen,weil sie dort eine bessere Bezahlung und Verköstigungerhalten als auf den deutschen Fahrzeugen. Nach Berichten aus Süd-asrika übernehmen deutsche Handelsschiffe Ladungen um l5bis20Pro-zent billiger als englische, und machen ttotzdem noch Gewinn dabei.Dies ist vorzüglich durch die elende Bezahlung und Be-köstigung der armen Matrosen möglich. Ein Leichtmattose,der mit nur vier Stunden Unterbrechung Tag und Nacht im Dienst seinmuß, erhält z. B. 27 Mark monatlich. Was die Kost betrifft,so ist dieselbe vielfach eine für die schwere Arbett der Leute u n z u-reichende, ja nicht selten kaum genießbare. Dagegen muß aufden englischen Schiffen angeschlagen stehen, wie viel Fleisch und andereNahrungsmittel der Matrose täglich zu fordern hat. Wie es in diesenBeziehungen in der Kriegsmarine aussieht, ist unserem Gewährsmannsnicht bekannt, wohl aber, daß das Durchbrennen der Matrosen in frem-den Häfen keine Seltenheit ist. Die englischen Hafenplätzewimmeln von deutschen Seeleuten, welche dortselbst einenDienst suchen, welcher ihnen bessere Behandlung, Kost und einen Lohnbringt, welcher selbst bis zum Doppelten des auf deutschenSchiffen üblichen geht. Vor allem aber hat der Seemann inEngland einen erheblichen Schutz der Behörden gegen Be-nachtheiligung durch seine Dienstgeber zu erwarten, während in Deutsch-land in dieser Beziehung fast alles fehlt. Seit Samuel Plimsoll's Wirk-samkeit ist in England für die hart arbeitenden, schwer entbehrendenund stets gefährdeten Seeleute manches geschehen"Danach scheint es denn doch, als ob die Klagen der englischen Matrosen,gegen welche der Verfasser der Artikel„aus England" polemistrt, vonder brutalen Ausdrucksweise abgesehen, nicht ganz unberechtigt gewesensind. Nur daß natürlich nicht die Schuld an den deutschen Seeleuten,sondern an den deutschen See Herren liegt. Und darum ist auch dieFrage des Briesschreibers ganz berechtigt, ob sich„in Deutschland keinPlimsoll" findet, und ob„man nicht endlich auch im neuen Deutschlandder„Sozialreform" sich der Seeleute annehmen wolle, auch wenn dadurchfür die Herren Wörmann, Slomann und wie die Hamburger, Bremerund anderen reichen Rheder alle heißen, das Kapitalanhäufen etwasverlangsamt würde?"Die Antwort stehe— Arbeiterschutzgesetz.rlr Der zweite Thell der gegenwärtigen ReichStagssessionwird aller Voraussicht nach ziemlich ebenso lang dauern wie der erste.Sowohl der Schnaps- als der Zuckersteuer-Entwurf müssen vor Kom-miffionen verwiesen werden, die, bei angestrengtester Arbeit, drei bisvier Wochen werden zu arbeiten haben. Nun beginnt aber der Reichstagerst am 17. Mai seine Arbeiten; Pfingstsonntag ist am 13. Juni, undein paar Tage vorher schon müssen die parlamentarischen Arbeiten ein-gestellt werden. Hieraus erhellt, daß bis Pfingsten nur 3'/, Wochen fürden Reichstag verfügbar sind. Die ersten Lesungen der fraglichenGesetzentwürfe— statt eines Schnapssteuergesetzes sollen sogar zweivorgelegt werden— werden mindestens acht Tage in Anspruch nehmen9) Ich bin der Gott, der die Welten bewegt und den Verstand derMenschen verwirrt.10) Der Dichter des Alterthums hat die Aera deS Kapitalismusvorhergesagt. Er sprach:„Jetzt stnd die Uebel noch gemischt mit Gutem;aber eines Tages wird es weder Familienbande noch Gerechtigkeit nochTugend mehr geben, Hades und Nemesis werden zum Himmel empor-steigen und das Uebel wird ohne Heilmittel sein.*) Die verkündete Zeitist gekommen: gleich den gefräßigen Ungeheuern der Meere und denRaubthieren der Wälder verschlingen die Menschen einander ohne Er-barmen.11) Ich lache über die Weisheit der Menschen.Arbeite, und die Roth wird dir fern bleiben; arbeite, und deineSpeicher werden gefüllt sein mit Lebensmitteln,— lehrte die alteWeisheit.Ich aber sage:Arbeite, und Mangel und Elend werden dein- treuen Begleiter sein;arbeite, und du wirst dein letztes Wirthschaftsstück ins Leihamt tragen.13) Ich bin der Gott, der die Staaten umwälzt. Ich beuge die Großenunter mein Gleichmachunzsjoch, ich breche die anmaßenden Jndividuali-täten, ich bilde die Menschen für die Gleichheit vor. Ich schaffe die Formfür die kommende kommunistische Gesellschaft.13) Die Menschen haben Brahma, Jupiter, Jehova, Jesus und Allahaus dem Himmel verjagt. Ich ziehe mich aus der Welt zurück, indemich mich selbstmorde.14) Wenn der Kommunismus Gesetz sein wird, wird di: Herrschaftdes Kapitals, des Gottes, der die Generationen der Vergangenheitund Gegenwart verkörpert, zu Ende sein. Das Kapital wird nichtmehr die Welt regieren, es wird der Sklave des Arbeiters sein, den eshaßt. Der Mensch wird nicht mehr vor dem Werk seiner Hände undseines Geistes knieen, er wird sich auf seine Füße stellen und aufrechtstehend die Natur als souveräner Herrscher betrachten.IS) Das Kapital wird der letzte Gott sein.Wortgetreue Abschrist bescheinigtPaul Lafargue.*) Diese so treffende Prophezeihung der kapitalistischen Epoche stehtin„Werke und Tage"' von H e s i o d, einem griechischen Dichter,der etwa 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung lebte.— es muß also sehr gut gehen, wenn die Kommissionen ihre Ar-beit bis Pfingsten beendigt haben sollen.Nach Pfingsten kommen dann noch die zweiten und die drittenLesungen, sür welche mindestens 14 Tage in Aussicht zu nehmen stnd.Und außerdem sind doch auch noch andere, allerdings nicht so drin»gende parlamentarische Arbeiten zu erledigen.Bedenkt man dies Alles, so ergibt stch, daß die Session vor Hoch-sommer kaum wird beendigt werden können.Diese langen Seffionen, die von der Regierung geflissentlichin die Länge gezogen werden, stnd den diätenlosen Abgeordneteneine schwere Last. Und grade deshalb werden sie in die Länge ge-zogen. Man will die Abgeordneten mürbe machen und für das bekannteSchachergeschäftchen: fette Diäten für Beschneidung oderAufhebung des Wahlrechts präpariren.— Auch ein Beitrag znm Thema vom„Mästen". AIS ich dieAusführungen des Minister von Puttkamer über das Jnfamiegesetz las— schreibt uns ein Genoff- aus Deutschland— da erinnerte ich michlebhast an den Neffen des tugendhaften Ministers, der gleich dem Sohnseiner Exzellenz den schönen Namen Jesko führt. Dieser adeligeJüngling stand mit mir bei der 3. Compagnie des 106. Regiments inMö kern bei Leipzig, war Sergeant und Kammeraufseher. Alseines Tages die Revision erschien, entdeckte man ein recht nettes Defi-zitchen in M i l i t ä r- E f f e k t e n. Jesko hatte Geld gebraucht und,um solches zu erhalten, verschiedene Lierkäufe vorgenommen.Er wurde degradirt und erhielt 3 Monat- FestungSgefängniß.Sollte diese trübe Erfahrung dem Onkel die verderblichen Wirkungendes„Mästens" aus fremden Kassen vor Augen geführt haben? Nun,so mache er ein Ausnahmegesetz für seinen Neffen und lasse die Arbetterin Ruhe, die sich gegen Schmarotzer schon zu schützen wissen.Was seitdem aus Jesko, dem Neffen, geworden, weiß ich nicht. So-viel aber weiß ich, daß nicht er der Minister ist, der doppelten Gehaltbezieht, eine prächtige Amtswohnung hat und nebenbei jährlich 9000Mark Miethsentschädigung einstreicht.— Nur Lumpe find bescheiden. Auf einem zu Ostern abgehal-tenen Handwerkertage haben die Herren Jnnungsschwärmer, vorander klerikale Junker von Schorlemer-Alst nicht nur di- W i e d e r»einführung der Arbeitsbücher verlangt, sondern es wurdeauch hinzugesetzt, daß dieselben„ein Urtheil über die fachliche Tüchtigkeitund die religiös-sittliche Führung der Gesellen enthaltensollen. Warum haben die Herren nicht lieber gleich vollständige Un-Mündigerklärung der Gesellen, das Recht des Prügelns ic. ver-langt? Da man einmal bei der Arbeit war, lief die Geschichte auf ein»heraus.Die pommerschen Junker haben den Regierungspräsidentenvon Cöslin veranlaßt, Erhebungen darüber anzustellen, wie demUebelstand abzuhelfen wäre, daß die dortigen Tagelöhner, statt auf denGütern der Herren um ein Stück trocken Brod zu schaffen, sich nach demWesten verdingen lassen, wo sie wenigstens ein Stück Speck dazu ver-dienen und einen Begriff von menschlicher—„lüderlicher" nennen esdie privilegirten Bordellbesucher— Lebensweise erhalten. Läuft natür«lich auf den Wunsch nach einer neuen Form der Hörigkeit hinaus.Der Berichterstatter.Seine Durchlaucht von sechs Jahr geruhten,Schon im Paradeschritt an uns vorbeizugeh'n,Sein Hund indeß— anstatt sich doch zu sputen!—Blieb zu gewissen Zwecken bei uns steh'n.Und seine kleine Durchlaucht spukteSchon militärisch kurz, doch leider nicht vor mir;Natürlich drängt' ich mich herzu und guckteDen Schleim mir an und bracht' ihn zu Papier.Nun meint der Arzt, der wirklich sehr erfahren,Daß aus dem Schleim sich unschwer schließen läßt,Daß Seine Durchlaucht auch in reisern JahrenNoch einmal wird besuchen unser Nest.(Vorstehendes Gedicht ist entnommen einer Gedichtsammlung, die unterdem Titel:„Mene Tekel! Harmlose Reimereien eines Modernen—von Otto Ehrlich" jüngst im Verlag von I. Schabelitz in Züricherschienen. Wir müssen gestehen, daß gerade es uns beim Lesen nichtsonderlich imponirt hat, uns etwas altmodisch vorkam; doch waren wirim Unrecht. Wie sehr modern dies Gedicht vielmehr ist, beweist folgende„köstliche Perle", welche vor wenigen Tagen das„Berliner Fremdenbl."seinen Lesern vorsetzte:„S. Königliche Hoheit Prinz Wilhelm von Preußen ging gestern mitseiner Erlauchten Gemahlin vom Königlichen Schlosse aus zu Fuß überden Werderschen Markt, die Französtschestraße nach dem Spittelplatz zu.Es war in der elften Vormittagsstunde, die Passage der dortigen Gegendbesonders lebhast, als das Hohe Paar, Beide augenscheinlich in fröhlich-ster Stimmung und im munteren Geplauder begriffen, die ehrfurchtS»vollen Grüße der Vorübergehenden, von Jung und Alt, auf das Leut-seligste erwiderte. Der Prinz, in Stulpenstiefeln, Mantel und mit derMütze seines(Garde-) Regiments, sah sehr wohl aus und, wie g e-bannt von dem Zauber des Erlauchten Paares, sahenAlle demselben lange nach. Wer die Fürstlichen Herrschaften so mittenim Straßengetümmel erblickte, war entzückt von der Lieblichkeit diesesBildes, das, in seiner einfachen Erhabenheit, von derHand des Malers dem flüchtigen Augenblicke entrissen zu werden ver-diente."Schade eigentlich, daß der erlauchte Hohenzoller seine Rockflügel nichtgeöffnet hatte, der„Zauber" wäre sicher so gesteigert worden, daß derBerichterstatter sich nicht mit dem Nachsehen begnügt hätte.)— Auch D«, Brutus! Als L i e b k n e ch t bei der dritten Lesungdes Etats auf die U n s o l i d i t ä t der russischen Staatspapierehinwies, und gegen Fürst Bismarck die Anklage erhob, dem ruffischenFinanzschwindel mit schnöder Hiniansetzung der deutschen Jntereffen Vor«schub geleistet zu haben, da wurde er von keinem Blatt so arg angegriffenund verhöhnt, als von dem obersten R-ptilorgan: der„KölnischenZeitung".Und heute fordert die„Kölnische Zeitung", daß die deutscheBörsensperre über die russischen Papiere verhängt werde.Warum kommt die Weisheit so spät?— Ha, welche Lust Soldat zu sei«! Nicht weniger als1,88�,4»! Berhängungen von mittlerem und strengeremArrest sind in den 12'/, Jahren vom 1. April 1873 bis 1. Sep-tember 1885 in den 14 preußischen Armeekorps verfügt worden, d. h.über 100,000 pro Jahr. In 2 9 1 Fällen stnd in direktem An-schluß an die V-rbüßung dieser Strafen Erkrankungen vorgekommen,darunter 50, welche auf die Verbüßung einer„ordnungsmäßig voll-streckten Strafe im mittleren oder strengen Arrest" zurückzuführenwaren.Das sind die offiziellen Zahlen. Von dem, was vertuschtwurde, schweigt des Sängers Höflichkeit.— Internationale Solidarität. Wie wir im Panier„Socialiste"lesen. hat der Redakteur des in Rom erscheinenden„Meffagero"(derBote) an den„Jnttansigeant" folgenden Brief gerichtet:„Herr Henri Rochefort! Sie finden einliegend eine Anweisung von712 Fr. 57 Cts. auf das Haus Rothschild. Die Summe ist das Pro-dukt einer von dem Journal„Jl Meffagero" veranstalteten Sammlungfür die Strikenden von Decizeville. Sie ist ein Beiv-is für die Soli-darität, welche die italienischen Arbeiter, die selbst im Nothstand leben,ihren französischen Brüdern bekunden wollten. Die Summe ist sehrbescheiden, aber Sie wiffen mein Herr, daß die Börse der Arbeiter nurschmächtig ist, und daß, wie wir in Italien sagen, man mit kurzenB-inen keine langen Schritte machen kann.Genehmigen Sie ic. sc."Dazu schreibt der„Socialiste":„Es möchte schwer fallen, von dieserbrüderlichen Demonstration nicht ergriffen zu sein. Wenn eS ein Landgibt, wo die Arbeiter dürfttg bezahlt werden, so ist es sicher Italien.Die„Lire" sind dort seltene Gäste in den Taschen der Arbeiter.Die Internationale ist wieder lebendig. Die Solidarität der Arbeite�kennt weder Grenzen noch Rassen."