Also angenommen, die Sachen verhielten sich so, wie Ehren-Putty angibt, erhält dadurch seine Verfügung auch nur einen Schimmer von Berechtigung? Nicht im Geringsten. Die Armee soll nach der Verfasiung ein u n> politischer Körper sein, das«Volk in Waffen". Ob innerhalb der Armee politische Agitationen unterhalten werden dürfen, ist«ine theo« retische Streitfrage, thatsächlich ist es in Pceußen-Deutschland verboten. In der Armee soll, nach dem Geist der Militärgesetze, die Politik schweigen, und zwar in jeder Beziehung schweigen oben wie unten. Das hört aber in dem Augenblick auf, wo Jemand wegen seiner G e s i n» nung nicht befördert wird, was Putty allgemein statuirt wiffen will. Seine Verfügung nimmt dem Heer den bisher so emphatisch betonten Charakter der Volks institution und drückt ihm dafür den Stempel eines. Partei instituts auf. Und da der Charakter des Heeres durch die Verfassung bestimmt ist, so begreift die Verfügung zugleich einen Bruch der Verfassung in sich, derselben Verfaffung, die Herr Puttkamer   zu halten eidlich gelobt,so wahr mir Gott helfe!" Wir stellen das fest, ohne uns sonderlich darüber zu ereifern. Im Gegentheil hat die Geschichte für uns vorzugsweise einen komisch>erhei- ternden Zug. Wir erblicken in diesen plumpen Bocksprünzen nur einen Beweis mehr dafür, daß auch am Militärstaat sich der Satz erfüllt, daß alle politischen Einrichtungen, auf die Spitze getrieben, in ihr Gegentheil umschlagen, daß auch er keine Steigerung mehr verträgt, sondern am Ende seines Latein angelangt ist. Also der sozialdemokratische Unteroffizier hat es Euch angethan? Wir glauben es, denn der sozialdemokratische Unteroffizier ist keine Legende. Er lebt, er hat Fleisch und Blut. Nur täuscht Ihr Euch über seine Herkunst. Er stammt nur ausnahmsweise auS Fachvereins- ic. Kreisen, sondern wird in der Regel erst im Dienst zum Sozialdemokraten. Eine ganze Reihe von Faktoren machen ihn dazu. Da kommt so ein geweckter Bursche vom Lande oder aus der Stadt zum Militär. Kräftig und anstellig, von Jugend auf mit einem wahren Kultus für das Heer- wesen erfüllt,kapitulirt" er und wird Unteroffizier. Aber ach, wie schwinden von Jahr zu Jahr die Illusionen! Je intelligenter er ist, um so bftterer empfindet er den Druck der Klaffenunterschiede in der heu  - tigen Gesellschaft, der sich nirgends so deutlich zeigt wie grade beim Heer. Man hat das Heer in seiner heutigen Verfassung zuweilen eine sozia- listische bezw. kommunistische Institution genannt. Das ist es jedoch keines- wegs. Gewiß, der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht ist ein soziali­stischer, aber wie mangelhaft ist er durchgeführt, wie wird der kommu- niflische Gedanke der Gleichheit der Lebensbedingungen schon bei der Aushebung in eine Karrikatur verwandelt! Und so ist im Heere es durchweg der Fall. Ueberall sind unleugbar sozialistische Ansätze vor- banden, überoll aber arten sie in das Gegentheil, in eine widrige Karri- ratur aus. Eine Hierarchie, die sich auf Klassenprivilegien stützt, drückt auf den angeblich demokratischen, weil aus der breiten Masse der Be< völkerung rekrutirten Unterbau, jeden freien Ausschwung der Geister lähmend. Noch im kräftigsten Mannesalter stehend, sieht sich der dcm Volk entstammendeKapitulant" bereis von jeder, das Selbstgefühl er- hebenden Karriere abgeschnitten und auf die Ziviloersorgung als Schutz- mann, Briefträger oder dergleichen angewiesen. Und das soll ihn nickt zum Nachdenken, ihm nicht die Ungerechtigkeit der heutigen Gesellschaste» ordnung zum Bewußtsein bringen? Nicht daß sich überhaupt sozialdemokratische Unteroffiziere finden, darf Euch wundern, sondern daß sich nicht noch weit mehr finden. Doch Ge- duld, auch hier ist nur erst der Anfang gemacht. Mit der Zeit wird's schon besser werden. Es ist ein wahres Elend, wie es dem armen Militärstaat geht. Schon seit Langem st.ht er vor dem Problem, wie das Umsturzelemem aus, dem Heere fern zu halten, während in den Kreisen der Be- völkerung, aus denen er nun einmal die Masse seiner Rekruten zieb«, das Gift der Umsturzbestrebungen immer w-iter um sich frißt. Tie Landbevölkerung, die demselben noch am wenigsten zugängig ist, nimmi von I ihr zu Jahr ab zu Gunsten der industriellen, und wie man oben Über die Rekruten aus dem Jndustrieproletariat denkt, das hat seiner Zeit der schlesische Junker Bollestrem im Reichstag offen ausgeplaudert. Man fürchtet sie wie die Pest. Und da kommen diese Hein, tückischen Umstürzler gar noch auf die wir finden keinen andern Ausdruck teuflische Idee, ihre sichersten Leute nicht zur Rebellerei, sondern zur guten Führung während der Dienstzeit aufzufordern, um den Stamm der sozialdemokratischen Unteroffiziere noch zu vermehren! Das ist ja um aus der Haut zu fahren. Da muß auf jeden Fall etwas geschehen. Und so wird eine neue Spionage organisirt, werden neue schwarze Listen ange- legt, wird der so oft marktschreierisch verkündete stolze Grundsatz,in der Armee gilt nur das wirkliche Verdienst" in eklatantester Weise mit Füßen getreten. Hilst Euch alles nichts. Ihr vermehrt damit nur die Unzufriedenheit, und diejenigen, die Ihr treffen wollt, trefft Ihr doch nicht, denn die stehen fiüher auf als Ihr. Ihr habt die allgemeine Wehrpflicht einmal, und so müßt Ihr auch ihre Konsequenzen tragen. Ihr glaubtet das ganze Volk durch den Militarismus in Eurem Sinne dreffiren zu können, so erlebt es denn, daß vielmehr daSVolksheer" seine Ideen aus dem Volke zieht. Heute seht Ihr, wie gesagt, nur erst den Anfang, aber dieser Anfang ist das Ende Eures Latein. Denn ob Ihr es noch so gern umgehen möchtet, Ihr müßt uns unsere Truppen eimxerziren: unsere Soldaten, unsere Unteroffiziere und schrecklich zu sagen unsere Offiziere. Sozialpolitische Rundschau. Zürich  , 2l. September 1886. Die Strafsession des deutschen   Reichstags hat bereits ihr Ende erreicht, und zwar ein nichts weniger als rühmliches Dun? der bodenlosen Schwäche, um keinen schärferen Ausdruck zu gebrau- ch-n, der deutschfreisinnigen Partei und, soweit man dieses überhaupt noch zur Opposition rechnen kann, des Zentrums. Statt Herrn Bismarck, der sie aus reiner Chikane zu einer Extraseffion zu sammenberusen, dadurch zu antworten, daß sie, einmal zusammen, nun auch mit ihm ein kräftiges Wörtlein redeten, zogen sie es vor, gleich Schulbuben ihr Strafpensum die Annahme des deutsch  - spanischen Handelsvertrages in aller Eile zu absolviren und dann schleunigst auseinanderzulaufen. Und das nennt sich Volksvertretung! Soweit es in den Kräften unserer Partei lag, wurde den Herren das Spiel wenigstens in etwas verdorben. Unsere Abgeordneten machten von dem ihnen geschästsordnungsmäßig zustehenden Rechte Gebrauch, gegen die Richtbeachtung der zwischen der Vertheilung und Berathung der Vorlagen vorgeschriebenen Frist Verwahrung einzulegen, und verlängerten damit die Session um einige Tage. Wie einige Blätter wissen wollen(uns selbst ist noch kein Bericht zugegangen) wurden fle zu diesem Vorgehen u. A. durch die Rücksicht bestimmt, daß sie, so lange der Reichstag   zusammen, ungehindert in Berlin   gemeinsame Berathungen pflegen können. Bei der Rücksichtslosigkeit, mit der neuerdings das Sozialistengesetz gegen unsere Partei in Anwendung gebracht wird, eine in jeder Bezie- hung zu rechtfertigende Revanche. Ebenso war es durchaus in der Ord- nung und wird den rückhaltlosenBeifall aller Genossen finden, daß unsererseits die Wiederwahl deS Herrn von We bell- Pie s- d o r f zum ersten R-ichstagsprästdenten bekämpft wurde, nachdem der genannte Herr in seiner Eigenschaft als Regierungspräsident von Magde- bürg gegen den aus Berlin   ausgewiesenen Arbiter Mi che Isen einen der niederträchtigflen Paragraphen(Aufenthaltsbeschränkung auf Grund fiüherer Bestras. mg) des Schandgesetz- s in Anwendung gebracht hat oder hat bring- n lassen. Mag das Vorgehen unserer Fraktion oder die Be- gründung desselben durch Hasenclever auch formell gegen die parlamen  - tarischen Gebi Such« verstoßen haben, sachlich war es voll und ganz begründet, und so heilig ist uns das Zeremoniell des Reichstages nicht, daß wir es über die grundsätzliche Wahiung der demokralischen Rechte stellen sollten. Die tugendhaft« Entrüstung der Herren W> n d t h o r st und Richter über dasall n parlamenlariichen Anstandsregeln widersprechende" Veihalten unserer Abgeordnelen war die reine Koniödie Namentlich Herrn Richter ziemte es am letzten, sich zum parlamentarischen Sittenrichter aufzu- spielen, denn in Punktsguter Sitten" ist derBullenbeißer deS Frei» sinns" der beste Bruder sicherlich gerade auch nicht. Außer dem Strefpenfumerledigte" der Reichstag   auch noch die inzwischen eingegangene Denkschrift über die Handhab« u n g, bezw. Verlängerung des kleinen Belagerungs- zustandeS in Leipzig   und Umgegend. In diesem Aktenstück ein wirklich kulturhistorisches Dokument wird zur Begründung der Verlängerung ausgeführt: I) In Leipzig   und Umgebung hat das Fachvereiniwesen Benutzung des den Arbeitern gesetzlich zustehenden Koalitionsrechtes! starken Ausschwung genommen. 2) In Leipzig   haben in verschiedenen Arbeitsbranchen Lohnbeweg« u n g e n unter den Arbeitern(s. ad 1) stattgefunden. 3) In einer, vor netto einem Jahre stattgehabten Versamm- lung, anläßlich des Formerstreiks, wurden nicht von dem Referenten, sondern von nach ihm das Wort nehmenden Rednernausreizende Drohungen" ausgesprochen. Einige Tage später wurde sogar ein Brief geschrieben, in welchemmit Dolch und Dynamit" gedroht wurde. Da- mit ist, nach der Denkschrifb,die letzte Grenze erreicht, welche den Uebergang vom Worte zur That bezeich« n e t."(Gewöhnlich pflegen Drohbrief« bekanntlich alles Andere«her zu bezeichnen, als den Uebergang zur That. Wir wenigstens warten noch immer auf die Ausführung von mindestens einem Schock Drohbriefen.) 4) In Leipzig   wurden in erheblicher Menge verbotene Schriften verbreftet trotz desKleinen". S)JnNewyork(!!)isteinLieske-Rachefond gegründet wor- den, ein Bruder Reinsdorf'S ist von einem Nachbarorte Leipzigs  nach New york   übersiedelt! nicht etwa von Newyork   nach Leipzig  ! Das sind die Gründe, welche die sächsische Regierung für eine Maß- regel anzuführen die Stirne hat, die Tausende und Abertausende der elementarsten staatsbürgerlichen Rechte beraubt. Ebenso schwach oder, soweit das überhaupt möglich, noch schwächer waren die Versuche des sächsischen Bundesrathsbevollmächtigten von Ehrenstein, die scharfe Kritik, welche unsere Genoffen Volkmar und Viereck der Denkschrift und die Maßregeln der sächsischen Regie- runz angedeihen ließen, zu entkräften. Verstand es dieser Herr doch, den Gipfel der Lächerlichkeit dadurch vollends zu erklimmen, daß er erklärte, der Zusammenhang zwischen der Sozialdemokratie und dem Anarchismus sei dadurch bewiesen, daß der besagte Anarchist mit einem hervor- ragenden Sozialdemokraten in einem Hause ge- wohnt hat!! Wie schlecht muß es um eine Sache steh?n, bei deren Veriheidigung man zu einem derartigen Blödsinn seine Zuflucht nehmen muß. Jndeß, die Lächerlichkeit tödtet nicht, oder doch wenigstens sehr langsam. Und am langsamsten sicher in Deutschland  . So nahm auch diese Debatte dasselbe Ende, wie alle das gleiche Thema behandelnden. Nachdem von nichtsozialistischer Seite nur der deutschsreisinnige Abgeord nete v. Staufsenberg noch gegen die Handhabung des Sozialisten- gesetzes und dieses selbst gesprochen, und unsererseits noch Bebel dar- aus hingewiesen, daß der ganze Bericht von Arbeiter- und Klassenhaß erfüllt sei und den Beweis liefere, daß das Gesetz gegen die Ar- beiter als Klasse gerichtet sei, erklärte der Präsident, daß sich sonst kein Redner gemeldet, das Haus den Bericht somit zur Kenntniß genommen habe. Das nennt mm parlamentarische Erledigung. Wahrlich, handelte es sich nicht darum, immer wieder und wieder das öffentliche Bewußtsein wachzurütteln, der Stimme der Verfolgten und Unterdrückten Auedruck zu geben, man könnte Lust bekommen, unseren Abgeordneten zu empfehlen, auf die Sisyphusarbeit der parlamentarischen Kritik des Ausnahmegesetzes ganz zu verzichten. Frankreich   und Rußland  . Um die Liebedienerei Bismarcks gegenüber dem Väterchen an der Newa   zu beschönigen, wurde dem deutschen   Volke neuerdings wieder die Gefahr eines gegen Deutschland  gerichteten russisch-französischenBündnissesandie Wand gemalt. Nun ist ja nicht zu leugnen, daß in Rußland   sowohl wie in Frankreich   eine Anzahl Leute von einem solchen Bündniß schwärmen, es ist das eine Folge des glorreichen Krieges von 1870,71, aber daß die einsichtigen und ausrichtigen französischen   Republikaner das Ungesunde eines Bündnisses zwischen der Republik   und dem Zarenreich sehr wohl fühlen, dafür kann man in der französischen   Presse täglich Beweist finden. So schrieb erst neulich wieder Charles Longuet   in der Justice": Kann man z. B. ohne Erregung die unendlich- Reihe von Depeschen und Zeitungsauszügen lesen, in denen immer wieder das alte abge- schmackte Gespenst einer russisch-französischen Allianz vorgespielt wird? Oh, er(es ist von Bismarck   die Rede) weiß sehr gut, woran er sich mit der Gemeinheit seines Vorgehens zu halten hat. Aber er rechnet un bedingt aüf die höhere Gemeinheit der auserlesensten politischen Zirkel. Un» er hat nicht Unrecht. Er kennt sowohl die Grundsätze, die Be denkm der französischen   Demokratie, als auch die Vorsicht und die Zu rückhrltunz unserer Ministerien der aus värtigen Angelegenheiten des Genauesten. Er weiß, daß selbst unter ganz anderen, sehr unwahrschein- lichen Umständen die französischen   Republikaner sich zwei- und dreimal besinnen würden, ehe sie sich mit Monarchen verbündeten. Er weiß, daß der Fortbestand der absoluten Monarchie in Rußland   in den Augen nicht nur der Republikaner  , sondern auch der aufrichtigen Liberalen der ganzen Welt das große, in erster Reihe stehende Hinderniß ist, welches den endlichen und allgemeinen Triumph der repräsentativen und volks- thümlichen Einrichtungen verhindert, die überall das unumgängliche Vor- wort sind der großen Umwälzungen auf wirthschastlichem und sozialem Gebiet. Er weiß, daß so lange es in Rußland   keine Verfaffung und kein Parlament in Petersburg   gibt, die deutsche Sozialdemokratie, auch wenn fie noch mehr wächst, nur eine relative Gefahr ist. Aus allen diesen und noch einer Anzahl anderer Gründe weiß er, wie nützlich die mosko- witische Tyrannei ihm ist, der alles in Europa   zu konserviren trachtet, und wie schädlich sie infolge dessen oft uns Franzosen   und Republikanern ist, die wir, unserer Ueberlieferung und unserem nationalen Geiste entspre- chend, alles in Leben und Bewegung bringen wollen. Er weiß es, aber eS kümmert ihn nicht. Er wird darum doch nicht weniger reden und nicht weniger lügen. Ist er doch der Unterstützung von Seiten einer gewissen Anzahl Faselhänse gewiß, die auch ihrerseits an die Allianz der Republik   mit dem Henkerregiment glauben und deren republikanisches Bewuhlsein trübe genug ist, sie zu wünschen." Schärfer kann man mit den Derouläoe und Konsorten kaum in's - Gericht gehen. Und das geschieht in derJustice", dem Organ Clemenceaus. Gut gemeint, aber schlecht überlegt. Es geht uns folgende zu i Ew. Wohlgeboren! Die wahre Ursache der wirlhschaftlichen Miß« läge und der wachsenden Erwerbsnoth ist die unsinnig rasche Be- Völkerungszunahme. Wo soll das hinaus, wenn in unserem jetzt schon übervölkerten Deutschland   jährlich Stil), 000 Geburten mehr sind als Sterbefälle?! In wenigen Jahren wird in Amerika   der Rest deS bis jetzt noch unbebauten ertragfähigen Bodens vergeben sein, wohin dann mit unserer überschüssigen Bevölkerung? Deutsche   Ehepaare sollten sich mit 23 Kindern begnügen und nicht, wie es leider so oft der Fall ist, 4-8 in die Welt setzen. Soll Deutschland   nicht an Uedervölkerung und Ueberkonkurrenz verkümmern, und heillosen Zuständen entgegengehen, so bekämpfe man den Leichtsinn in der Kindererzeugung. Statt in gehässiger Weise gegen die staatliche und gesellschaftliche Organisation zu Hetzen, würden Sie besser thun, das Volk über den wahren Grund des zunehmenden Massenelends aufzuklären und die gedankenlose Menge zur Nüchternheit und vernünftigen Ueberlegung zu ermahnen. Hochachtungsvoll! (Folgt Unterschrift.) Also Uedervölkerung ist das Grundübel, an dem die Gesell- schaft krankt. Ja, warum lesen wir denn überall, in allen Handels und Jnoustrieberichten, von Ueberproduktion? Wie ist es möglich, daß eine Gesellschaft übervölkert ist, in der, nach übereinstimmenden Ur- theilen aller Sachkenner, sowohl an Produkten der Industrie als der Landwirthschast ein solcher Ueberfluß besteht, daß eine ganze Reihe von Betrieben nur deshalb brachliegen, weil sie nicht mehr rentiren? Wenn der Einsender un« diese Frage in einer Weise beantworten kann, welche unsere Ueberzeuqung, daß der Fehler in der Organisation der Gesellschaft liegt, widerlegt, so geloben wir ihm, in Sack und Asche Buhe zu thun und die Arbeiter aufzufordern, ihren Prinzipalen zu folgen und sich mit 23 Kindern zu begnügen in der Ehe. Folgendes ist der Wortlaut der von der Fraktion unse» rer Genossen im Reichstage ausgearbeiteten Interpellation: Die große Beunruhigung, welche im deutschen   Volke durch die Vorgänge der letzten Wochen auf der Balkanhalbinsel   hervorgerufen wurde, sowie die Stellung, welche nach Mittheilung offiziöser Preß« vrgane der Reichskanzler diesen Ereignissen gegenüber eingenommen hat, veranlassen uns, an die verbündeten Regierungen folgende An« fragen zu stellen: 1) Ist es wahr, daß durch den Reichskanzler diesen Sommer in Kissingen   und Gastein   im Namen der verbündeten Regierunge« Abmachungen zugestimmt wurde, welche die Beseitigung deS Fürsten   Alexander von Bulgarien   im Interesse Ruß« l e n d S und die Stärkung der russischen   Macht auf der Balkanhalbinsel   bezweckten? 2) Ist es wahr, daß die Reichsrezierung bei dem Fürsten Alexander nach dessen Rückkehr nach Bulgarien   dahin wirkte, daß diejenigen, die dem genannten Fürsten   die Regierung entrissen, ihn aus dem Lande trieben und dadurch sich, nach monarchistischer Auffassung, des Verbrechens d-S Hochverraths schuldig machten, straflos ausgingen? L) Was gedenken die verbündeten Regierungen zu thun, um bei dem unaufhörlich wachsenden Einfluß Rußlands   und der AuS« dehnung seiner Machtsphäre auf der Balkanhalbinsel   die schwer bedrohten deutschen   Interessen zu wahren? Zugleich stellen wir die Anfrage: Ist den verbündeten Regierungen bekannt, daß im Kreise Pieschen   in der Provinz Posen   am 10. August ds. Ii. der Wirth Walczak aus Kuchari und ein Wirthssohn aus Pozowek auf preußischem Boden vou russischen Soldaten überfallen, über die russische   Grenze geschleppt, verhastet und ersterer gegen Zahlung von vier, letzterer gegen Zahlung von achtzehn Rubeln erst nach dreitägiger Hast entlassen wurden? Ferner: Daß in der Nacht vom 28. auf den 2g. August d. I. der Wirth Derwich ebenfalls auf preußischem Boden von ruffi« fchen Grenzsoldaten überfallen, über die Grenze geschleppt, zunächst auf der Wache, dann aber in Kalisch ins Gefängniß gesetzt und erst nach fünf Tagen und gegen Erlegung einer Kaution von 73'/, Rubel und Garantieleistung Kalischer Wirthe entlassen wurde? Und was gedenken c-ie verbündeten Regierungen gegen diese, sowie die seit Langem sortgesetzten Grenzverletzungen russischer Soldaten und die brutale, Völker« rechtswidrige Behandlung deutscher   Staatsangehöriger durch russische   Soldaten und Behörden zu thun? Da zur Einbringung einer Interpellation 30 Stimmen nothwendig sind, während unsere Genossen im R ichStag(da Liebknecht verreist) nur über 24 Stimmen verfügen, und weder Deutschsreisinnige, noch Volks- parteiler, noch Polen  , noch Dänen, noch Elsässer, noch Welsen, noch Zentrumsleute kurz, kein Mitglied der bürgerlichen Opposition feine Unterschrift hergab, so mußte dieselbe unterbleiben. Der Ent« rüstungssturm der bürgerlichen Opposition gegen Bismarck's Kosaken« Politik ist schnell verpufft. Zum dentsch-spanischcn Handelsvertrag, der nahezu ein« stimmig angenommen wurde, sprachen sozialistischerseits K a y s e r und Stolle; ersterer begründete das Votum»nserer Fraktion, während Stolle, an einen Ausspruch des Staatssekretärs B ö t t i ch e r anknüpfend, die Nothwendigkeit energischer Maßregeln zur Bekämpfung der Ueber- Produktion betoute. Soldatenschinder-Album. Den Reigen dieser neuen Rubrik, in welcher wir alle uns von zuverlässiger Seite geschilderten Soldaten« schinder zu kennzeichnen beabsichtigen, eröffne der Hauptmann der 6. Kom« pagnie des 11. schlesischen Infanterieregiments v. Stiel er. Aus Breslau   erhalten wir nämlich folgende Zuschrift: Als Montag, den 16. August einem der heißesten Tage, dai hier in B r e s l a u in Garnison   liegende 11. Jnfanterieregi« ment sich zu Schießübungen auf dem Schießplätze bei Falkenberg be- fand, kam bei der 6. Kompagnie desselben ein Fall von Bestialität eines Hauptmanns vor, der festgenagelt zu werden verdient: Bei dem Marsch wurde einGemeiner" Namens Strauch, ein schwächlicher Mensch, der den Anstrengungen des Marsches nicht gewachsen war, da er ein halbes Jahr lang in der Kantine als Verkäufer seine militärische Ausbildung genossen hatte, unter den bekannten Symptomen vom Hitzschlage getroffen: sein Gesicht röthete sich und schwoll an, er begann zu taumeln, bat um einen Schluck Wasser, der ihn sicher noch gerettet hätte, und hilfreiche Hände waren bereit, ihm Waffer zu reichen. Doch da sprengte der Hauptmann von Stieler ist der Name des Unmenschen den auf seinem Gaule die Hitze freilich weniger belästigt haben mochte, heran, verbot streng, dem Kranken W äff er zu reichen, un» befahl ihm, weiter zu marschiren. Der Arme wankte weiter, bis er zusammen- brach und in's Lazareth geschafft wurde. Aber noch nicht genug mft seiner bestialischen Handlungsweise, stürzte der edle Hauptmann in'S yazarath nicht etwa, um gut zu machen, was er verbrochen nein, sondern er herrschte den Kranken an:Wenn Du-- nicht in zwei Stunden bei der Kompagnie bist, lasse ich Dich einsperren!" Nun, der Schurke kam nicht dazu, seine brutale Drohung auszuführen, denn in einer Viertelstunde war das Opfer der militärischen Drillerei todt! Der arme Teufel wurde wie zum Hohn mit militärischen Ehren be- graben, unter den Klängen des Liedes:Ich hatt' einen Kameraden." Der Hauptmann v. Stieler aber hielt eme Red« und sagte, daß er auf den Verstorbenen stets besondere Rücksicht genommen habe, da er ihn als schwächlichen Menschen kannte, und daß er ihn daher in die Kantine kommandirt hätte! UndEinjährige" undGemeine" hörten ergriffen zu und schwi gen. Als ein erhebendes Beispiel militärischer Subordination ist noch erwähnenswerth, daß zwei Brüder des Ermordeten auf dem Marsche dabei waren und ihm nicht helfen durften, dabei waren am Grabe und schwiegen! Freilich waren's ungebildete Polaken. Es leb« die Subordination! Es lebe die Unbildung! Eine Untersuchung über diesen Fall ist natürlich nicht erst eingelettet worden, eS würden sich ja auch selbstverständlich keine Zeugen gegen den Herrn Hauptmann finden, und auch der Todte nicht mehr lebendig werden; außerdem war's ja nur ein gewöhnlicher Proletarier, und Kanonenfutter gibt's noch genug. Ein besonders bösartiger Soldatenschinder ist der Unteroffizier im 43. ostpreußischen Infanterieregiment H ü b e r. Dieser, der Sohn eines ehemaligen Gutsbesitzers aus der Umgegend von Gumbinnen  , der trotz kriechender Liebedienerei nach oben gründlich verkrachte, mißhandelt die ihm unter die Fuchtel gerathenden Rekruten, wo er nur kann. Von Schlägen rohester Art gar nicht zu reden, findet er ein besonderes Ver« gnügen daran, diejenigen seiner Untergebenen, welche Schnurrbärte tra- gen, derart an denselben zu ziehen, daß daS Blut hervorquillt und die Haare in seiner Hand bleiben. Um den Soldaten daS Marschiren beffer beizubringen, bedient er sich des Mittel«, ihnen Kieselstein« in den Mund zu stecken. Leider, schreibt unser Gewährsmann, find die Leute hier noch so zurück, daß sie sich das alles gefallen lassen, in dem Glauben, ei müsse so sein. Bis jetzt ist noch keine Anzeige gegen ihn erfolgt, daher wäre öffentliche Kennzeichnung sehr am Platze." Nun, sie ist jetzt erfolgt, und wir werden sehen, mft welchem Erfolg. Tugendhafte Entnlstung einer schönen Seele. Zu dem Angstruf des ultramontanenRheinischen Merkur" nach dem Schutze des Sozialistengesetzes gegenüber der sozialistischen  Agitation� bemerkt dieRheinisch-Westsälische Zeftung" da« Sprach- rohr der reaktionären Fabrckantensippschast, ganz entrüstet: Da sieht man wieder die alle Geschichte: die Herren Ultramontanen schwören nur so lang« au? dieFreih it des Individuums" und wie die schönen Sachen alle heißen, als es ihnen selbst nicht an den Kragen geht. Nirgendwo ist schärfer gegen dasAusnahmegesetz" ge» schrieen, nirgends die Regierung perfider dieserhalb angegriffen worden,