veranlaßt durch die herrische Behandlung einer Delegation, die abgeschicktwar, um eine Beschwerde vorzulegen-, andere Streiks sind zweifellosdurch Arbeitgeber hervorgerufen, um dadurch den Markt zu beeinflussen;wieder andere dagegen sind wohlerwogenen Versuchen geschuldet, Lohn«Erhöhungen oder-Reduktionen zu erlangen, welche Differenzen hervor-riefen, zu groß, um durch einen anderen Appell als den Versuch derStärke oder der Ausdauer geschlichtet werden zu können. Denn derStreik, wenn nicht von Gewaltanwendung begleitet, ist einfach ein„Spieldes Aushungerns". ein Versuch, welche Partei länger den Verlust aus-halten kann, und der für die Arbeiter stets schmerzliches Leiden be-beutet.Was immer man von der Politik der Streiks denken mag(und es8 feint, daß die Anschauung unter einem großen Theil der pennsylvanischenrbeiter im Wachsen ist. daß der Streik im Ganzen eine Unklugheit ist),die Thatsache, daß sie so oft hervorbrechen, beweist alles Andere denn ge-rechte und gesunde Zustände in den Verhältnissen der Arbeiter. Männer,die aus ihren täglichen Lohn angewiesen sind, streiken nicht aus bloßerLust am Streik, und selbst unbedachte und rücksichtslose Streiks zeigen,wenn sie sich oft ereignen, eine chronische Erbitterung, die nur durchwirklich zu Beschwerden Anlaß gebende Ursachen hervorgerufen sein kann.Auf das Ersuchen des Redakteurs der„North American Review" habeich kürzlich den Versuch gemacht, etwas über die Lage der Arbeiter inPennsylvania, und besonders in den großen Minen-Distrikten, zu ersah-ren, und von den Arbeitern selber ihre Anschauung zu hören. Hier undin den folgenden Nummern werde ich den Lesern der„Review" dasResultat meiner Untersuchung so vollständig, wie der Raum es gestattet,vorlegen.Irgend eine Untersuchung von Arbeit und Lohn zeigt sofort, wie leichtes ist, eine falsche Darstellung im Gewände eines exakten Berichtes zugeben. Wenn es z. B. gilt, im Interesse politischer Zwecke zu zeigen, wieviel besser der hochbezahlte amerikanische Arbeiter gestellt ist gegenüberdem„Pauper-Arbeiter" in Europa, so ist es eine beliebte Methode(unddies wird selbst in offiziellen Dokumenten befolgt), die höchste Rate einesbesondern Berufes sür die jährliche Lohnrate auszugeben. Aber nichtnur bestehen große Unterschiede im Lohn eines Berufes in verschiedenenLokalitäten und selbst in einem Staate(und wie große Differenzen viel-fach in Pennsylvanien vorkommen, werde ich später zeigen), sondernderTages« oder Wochenlohn wird niemals den genauen Verdienst ergeben,wenn nicht die Zeit der wirklichen Beschäftigung in Betracht gezogen worden.Es ist das Verdienst des pennsylvanischen statistischen Arbeits-Bureauund seines jetzigen Vorstehers, Joel B. Mc'Camant von Pottsville, daßes diese Ursache falscher Darstellung zu vermeiden suchte und bestrebtwar, mehr Gewicht auf die Unterscheidung zwischen dem„theoretischenLohn" und dem„wirklichen Lohn" zu legen, als es meines Wissens bisjetzt von Seiten irgend eines statistischen Bureau geschehen. Das penn-sylvanische Bureau zeigt in jeder Beziehung das lobenswerthe Bestreben,die Thatsachen, ohne Rücksicht auf ihre Rückwirkung auf Theorien, zu ge-Winnen, und es wäre zu bedauern, wenn es in Folge der knappen Be»willigungen in seinen Versuchen beeinträchtigt werden sollte.Das Kohlengraben ist nächst dem Ackerbau die größte der pennsyl-vanischen Industrien und folglich die am meisten„beschützte". Es werdengemäß der Schätzungen des statistischen Bureaus nahezu 140,000 Per-sonen beschäftigt, wovon mehr als zwei Drittel in den Harikohlenwerkendes östlichen Theiles des Staates, und etwas weniger als ein Drittelin der Weichkohlenregion des westlichen Pennsylvanien.*) In dem Be-richt des Bureaus für 1884 ist der höchste Durchschnittslohn der Ar-beiter im Kontrakt in den Hartkohlendtstrikten mit 2.70 Dollars per Tagangegeben und der der Tagelöhner mit 2 Dollars, während im Weichkohlen-distrilt der höchste Durchschnittslohn 2 Dollars betragen soll. Unter„Höchster Durchschnittslohn" ist zu verstehen die Summe, welche durchAusschließung derjenigen Distrikte erlangt wurde, wo ausnahmsweiseniedrige Löhne bezahlt werden; und unter Bergleuten, wie hier ange-wandt, diejenigen, die beim Brechen der Kohlen beschäftigt sind. Hierzukommen Arbeiter über und unter der Erde, deren höchster Lohn imHartkohlendistrikt aus 1.78 Dollar und 1.40 Dollar angegeben ist, wäh-rend in den Weichkohlenwerken 1.7S und 1.60 Dollar bezahlt werden.Nebenbei gibt es Wagentreiber, Läuser, Grobschmiede, Zimmerleute undIngenieure.. �AA/lX/Wv-Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 28. September 1886.— Mit der heutigen Nummer schließt der„Sozialdemokrat" dasfiebente Jahr seines Bestehens ab. Ins Leben gerufen, um derdurch ein infames Polizeigesetz unterdrückten Partei ein Organ zu schaffen,wo sie ihre Stimme unzehindert durch dieses Gesetz, wenigstens auf dempolitischen Rechtsboden eines bürgerlich-demokratischen Gemeinwesens, zumAusdruck bringen kann, war von Anbeginn an sein einziges Strebendarauf gerichtet, dieser Aufgabe nach Maßgabe aller seiner Kräfte nach-zukommen. Und wenn dieses unser Streben mit einem Erfolg belohntwurde, der die hochgespanntesten Erwartungen, welche mit der Gründungunseres Blattes verknüpft waren, bei Weitem hinter sich läßt, wennunser Blatt thatsächlich heute Organ der Unterdrückten in Deutschlandist, wenn seine Stimme selbst im Lager unserer Feinde Begchtung findet,wenn es heute in einer Auflage verbreitet ist, welche die des Partei-organs vor Inkrafttreten des Ausnahmegesetzes noch erheblich übersteigt, soist dies lediglich der unermüdlichen Mitwirkung der Genossen in Deutsch-land geschuldet, die ohne jeden, auch nur indirekt geltend gemachtenZwang, aus freier Ueberzeugung, mit einer Opferwilligkeit für ihr Organeintraten, die ihres Gleichen in der Geschichte sucht. Niemand kann dieswohl besser beurtheilen als wir, und wenn wir heut, zum Jahrestagunseres Blattes, mit freudiger Bewegung aus das Erreichte zurückblicken,so drängt es uns, vor allem denen die Ehre zu erweisen, denen sie ge-bührt: unfern treuen, unermüdlich schaffenden, unentwegt wirkendenGenossen.Die Schläge, die in der letzten Zeit gegen unsere Partei geführt wur-den, sie sind darauf berechnet, den Druck des Ausnahmegesetzes noch zuverstärken. Diese Entwicklung der Dinge konnte keinen von unsüberraschen. Wir wissen, daß unsere Machthaber sich nun und nimmerfreiwillig zu dem Geständniß aufschwingen werden, daß sie sich in ihrerGewaltpolitik geirrt. Es bleibt ihnen also nichts übrig, als nachdem diebisher gebrauchten Waffen sich als zu stumpf erwiesen, um uns zu Vernich.ten, sich nach schärferen umzusehen. Mögen sie es immer thun. Wirspotten ihrer Anstrengungen, das Unmögliche fertig zu bringen und einerBewegung Herr zu werden, sür deren Wesen sie so absolut kein Ver-ständniß haben. Unsere Partei hat die Feuertaufe glänzend bestanden,was für Schläge in der Zukunft auch immer fallen mögen, sie sindverdammt, machtlos an ihr abzuprallen— nicht die Sozialdemokratie,sondern die Widersacher derselben zu treffen. Man kann eine verfrühteIdee, die erst in wenig Köpfen Wurzel gefaßt, durch Mundtodtmachungihrer Träger aus Jahre hinaus von der Oeffentlichkeit verdrängen, abereine Bewegung, die ihre Anhänger nach Hunderttausenden zählt, die inden Köpfen der, wir dürfen eS sagen, Elite der ArbeiterschaftWurzel gefaßt, eine solche Idee auch nur vorübergehend auszurotten,das wird keinem Sterblichen gelingen, selbst wenn es nicht blos ein Bis-marck oder Puttkamer wäre.Schmiedet darum Eure schwarzen Pläne, so viel Ihr immer wollt, mit*) Die Zahlen für 1885 sind: 85,055 in Hartkohlen- und 44,006 inWeichkohlenwerken.der„Hydra der sozialen Revolution" werdet Ihr doch nicht fertig. Es istin der That„kein Rühmen und kein Droh'n", es ist nur das Aus-sprechen einer geschichtlichen Thatsache— der„Geschichte ehernes Muß"—das stolze, Muth und Ausdauer verleihende Wort des Dichters:Ich war, ich bin, ich werde fei«!Hoch die Sozialdemokratiel— Genosse Liebknecht ist bei seiner Ankunft in Amerika natürlichsofort von Reportern überlaufen worden, die ihn„interviewen"(spr. inter-wjuhen) wollten, welche Ehre er indeß entschieden ablehnte. Dem Be-richterstatter der New-Iorker„Volkszeitung", der ihm auf das Schiffentgegengefahren, sagte er u. A.:„Thun Sie mir den Gefallen undsagen Sie vor allem Andern, daß ich nicht länger als bis zum 26. No-vember hierbleiben kann. Ich muß wieder zeitig aus dem Kampfplatzsein— die Pflicht ruft mich."Liebknecht, dem die Seereise übrigens sehr gut bekommen ist, war schonam Abend seiner Ankunft mit den New-Dorker Genossen in zwangsloserZusammenkunft beisammen, die nur dadurch etwas beeinträchtigt wurde,daß das Tausende fassende Lokal zum Erdrücken besetzt war. Natürlichhaben es sich die Genossen drüben nicht nehmen lassen— alle Protestehalfen da nichts— den Gästen aus der alten Welt alle möglichen Ova-tionen darzubringen.Bis Redaktionsschluß lagen uns briefliche oder Zeitungsberichte überdas große Meeting, auf dem unsere Genossen sprachen, noch nicht vor.Den Kabeltelegrammen der Korrespondenzbureaux ic. ist natürlich inBezug auf den Inhalt der Reden unserer Genossen nicht die geringsteGlaubwürdigkeit beizumessen. Was die Reporter nicht aus Schlechtigkeitverdrehen, das verdrehen sie aus Dummheit.— In einer Polemik mit dem„N. Wiener Tagblatt", daS sich überdas liebevolle Eintreten der deutschen Regierung für diebulgarischen Verschwörer aufgehalten, schreibt die„NorddeutscheAllgemeine" offiziös:„Wir halten diesen Rath(nämlich keine Hinrich-tungen vorzunehmen) heute noch für verständig und menschlich"»c.So? Das ist ja in der That äußerst nett gedacht von der„Nord-deutschen", bezw. ihrem unverantwortlichen durchlauchtigsten Mitarbeiter.Es freut uns, von dieser Stelle her zu vernehmen, daß die Hinrichtunggefangener Ausrührer eine unverständige und unmenschlicheHandlung ist. Uns fielen beim Lesen des obigen Satzes die 18 4 9nach der Kapitulation von Rastatt, trotz gegenthei-liger Zusage, niederkartätschtenFreiheitskämpserein. Die„Norddeutsche" weiß doch, wer der„Kartätschenprinz"ist, der damals die unmenschliche Handlung anordnete?— Englands Ohnmacht ist das stehende Thema der Reptilien-presse. Man will mit der Redensart, daß England in der politischenWelt gewissermaßen nur noch die Rolle des kranken Mannes spiele,die russensreundliche Politik Bismarcks beschönigen: denn wer kanneinem vernünftigen Staatsmann zumuthen, sich mit einem Kadaver zuverbünden? Um den Effekt dieser Beweisführung noch zu erhöhen, wirddagegen kräftig in die russische Reklametrompete geblasen, werden dieübertriebensten Berichte über die Vorbereitungen, welche Rußland füreinen künstigen Krieg getroffen, dem deutschen Philister— fast hättenwir gesagt, in die Augen gestreut. Denn Sand, Sand, viel Sand, dasist von jeher bei den aus russischen Quellen kommenden Berichten derFall gewesen. Im Aufschneiden hat die Zarenpresse stets das Menschen-mögliche, bezw.-unmögliche geleistet. Hört man sie jetzt, so sollte manmeinen, es hätte nie ein Plewna gegeben, und doch sind es noch nicht10 Jahre her, daß das große, angeblich von Gesundheit strotzende Ruß-land, um mit dem notorisch„kranken Mann" fertig zu werden, daskleine Rumänien zu Hilfe rufen mußte.Eine scharfe Abfuhr erhalten die russischen Aufschneidereien jetzt durcheinen Artikel H. Vamberys in der Mvnchener„Allgemeinen". Vam-bery, unbestritten einer der hervorragendsten Kenner des Orients, führtda ziffernmäßig den Nachweis, erstens daß„der arme John Bull nochnicht in den letzten Zügen liegt, und daß namentlich seine klaffendeWunde an den Grenzen Indiens noch lange nicht die Diagnose einesunabwendbaren Todes rechtfertigt", zweitens daß dagegen„die körperlicheKonstitution feines allerdings in- der Zukunft gefährlichen Gegners(d. h. Rußlands) vorderhand noch nicht so erschreckend fürchterlich undgefahrdrohend, wie in gewissen Kreisen behauptet wird. Vor allem sinddie Vorbereitungen zum reckenhaften Waffengange noch immer erst imBeginne, und die beiderseitigen Rüstungen werden mindestensnoch zweiJahre in Anspruch nehmen, bevor sie verwerthet werdenkönnen."„Der allenthalben vorgehaltenen großen strategischen Bedeu-tung der russtsch-zentralasiatischen Bahn gegenüber wollen wir bemerken,fährt Vambery fort, daß russische Behauptungen, wenn von privaterSeite kommend, stark angezweifelt werden können, wenn aber mit demoffiziellen Stempel versehen, entschieden in den Bereich sehrverdächirger Aufstellungen gehören. Was die schon vorzwei Monaten ausposaunte Fertigstellung der Bahn Michailowsk-Merwanbelangt, so ist der schmalspurige Schienenstrang noch lange nichtim Stadium einer sofortigen Nutzbarkeit sür Kriegszwecke."....„Im Ganzen genommen, zieht die Bahn durch überwiegendwasserlose, sandige und unbebaute Gegenden, die ein>elnenStationen bestehen vorderhand nur aus B r e t t e r h ü t t e n oder Filz-zelten; viele Stationen entbehren noch immer selbst des für dieMaschinen nothwendigen Wassers, ohne von dem fühl-baren Mangel an Brennmaterial zu sprechen, da die Depots für Petro-leumhese(Astatki), womit die Lokomotiven geheizt werden, noch langenicht gebaut sind."Des Weitern weist Vambery nach, daß eS um den zweiten Punkt,aus dem die Uebermacht und Kriegsfertigkeit Rußlands hergeleitet wird:die Sicherheit seiner Stellung in Zentralasien, auch nicht so sehr glän-zend aussieht, wie in den England feindlichen Kreisen behauptet wird.In B o ch a r a steht die Ruhe keineswegs auf festen Füßen, die feind-liche Stimmung der gesammten Bevölkerung gegenüber Rußland äußertsich lebhast in dem Widerwillen gegen den, nach ihrer Ansicht sichRußland viel zu unterwürfig zeigenden Emir Abdul-Ahad. In derProvinz Ferghana, dem ehemaligen C h o k a n d, gährt es, ebenso inE h i w a, wo die Oezbsgen und Turkomanen nur aus den geeignetenMoment warten, an Rußland Rache zu nehmen, und in Afghanistanhat die Stimmung trotz des russischen Rubels vollständig zu Gunstender Engländer umgeschlagen. Der russische Uebersall bei Pendschdahim vorigen Jahre, von den jstussen in das Gegentheil umgelogen,dieses Blutbad, bei welchem die''russischen Helden den an einen Angriffgar nicht denkenden Afghanen an Zahl vierfach überlegen waren, hatdiese wie auf einen Zauberfchlag urplötzlich in einen Russenfeind umge-wandelt.„Die englischerseits erfolgte Armirung und Befestigung Heratswurde afghanischer- und auch hcraterseits mit einem Freudentaumelbegrüßt und auf's kräftigste unterstützt. Wo immer- sich ein Engländerzeigte, wurde er vom Volke umjubelt, und der ehemalige verpönteFeind wird heute als Wohlthäter begrüßt und ge-feiert."....„Nicht nur ist jeder Hintergedanke bezüglich einer englischenEroberung beseitigt, sondern selbst der Bau einer Eisenbahn bis in dieNähe Kandahars hat die bereitwilligste Beistimmung der afghanischenRegierung und des afghanischen Volkes gefunden. Der Bau dieserBahn bis nach Pischin, die Befestigung des Chodschakpasses und dieInstandsetzung der ganzen Vertheidigungslinie am Hilmend wird mitwenig Lärm, aber mit großer Energie betrieben. Wir übertreiben nichtim mindesten mit der Behauptung, daß die Lage der Engländer imNordwesten des indischen Reiches von Tag zu Tag an Festigkeit zu-nimmt."So Vambery. Auch wenn er in einigen Punkten zu optimistischsehen sollte, so steht doch so viel fest, daß den Prahlereien der Katkowu. f. w. gegenüber ein kühles„Bangemachen gilt nicht" durchaus amPlatze ist. Das überlaute Säbelrasfeln hat nur den Zweck, die denEingeweihten sicher wohlbewußte zweifelhaste Sachlage zu verdecken.Natürlich werden sich die Engländer ebenfalls hüten, zum Krieg zuprovoziren, und wenn sie ihre Passivität in der Bulgarischen Affäredamit begründen, daß es keineswegs im ausschließlichen Interesse Eng-lands liege, dem Vordringen Rußlands auf dem Balkan entgegenzu-wirken, so haben die jüngsten Vorgänge in der politischen Welt Oester-reich-llngarns gezeigt, daß diese Auffassung keine falsche ist. Die Ueber-treibung der Machtstellung Rußlands ist nur das Feigenblatt sür dieLiebedienerei Bismarcks gegenüber dem Zaren.� Einer uns aus Deutschland zugehenden Korrespondenz überdie Extrasession des Reichstages, über die wir bereits in vorigerNummer berichtet, entnehmen wir noch folgende Betrachtungen:Daß durch die rohe, nichtswürdige Unterdrückung jeder gewerkschaft«nchen Bewegung die Regierung sich in den Dienst der Arbeitgeber undUnternehmer stellt, daß durch die von dem Oberkommandanten Pütt«kamer inszenirten Streikoerbote, Auflösung von Lohnkommissionen u. s. w.die Arbeiter wehrlos der kapitalistischen Ausbeutung überliefert werden,ist von uns schon oft festgestellt worden, aber es ist durch das fcham-lose Auftreten der Puttkamer und Konsorten in den letzten Wochenjetzt auch schlagend bewiesen, daß die herrschende Gesellschaft— Regie-rung und Bourgeoisie— das„infame Ausnahmegesetz" dazu benutzt,um vre gesammte Arbeiterbewegung todtzuschlagen.Wir haften daher vollkommen Recht, als wir die ganze Bismarck'scheSozialreform als„einen elenden Schwindel" bezeichneten.Daß Zentrum und Liberale wieder einmal vor dem großen Otto in'sMauseloch krochen und trotz aller durch die offiziöse Meute verübtenAnzapfungen für die„Bulgarerei" kein Wort fanden, wollen wir neben«bei erwähnen.Es war denn auch den Sozialdemokraten nicht möglich, die Inter-pellation, welche die ruffische Politik Bismarck's zum Gegenstand einerBesprechung machen sollte, einzubringen, weil die tapferen Helden vonden Volksparteilern bis zu den Polen nicht die Kourage hatten, ihreUnterschristen herzugeben.Schade darum, es wären dabei vielleicht die„materiellen Gründe"der BiSmarck'schen Friedenspolitik einmal gründlich gewürdigt worden,es hätte sich gezeigt, daß„Väterchen an der Newa" bei seiner„Welt-Mission" der deutschen Hülfe nicht entbehrt, und daß der„brave Michel"draus und dran ist, zum„Kosaken" zu avanciren. Die Arbeiter aberwerden aus diesem Vorgangs die Lehre ziehen, bei den nächsten Wahle«die Zahl der Sozialdemokraten im Reichstage so zu vermehren, daß die-!selben auch nach dieser Richtung selbständig vorgehen können und nichtdie Unterstützung irgend einer Partei brauchen, um die schwer bedrohtenVolksinteressen zu wahren.— Etwas zum Nachdenken für Malthusianer. Wir lesen imPariser„Socialiste":Die Statistiker haben in Frankreich eine Abnahme der Geburten fest-gestellt, die in verschiedenen Departements mit der Zahl der Grund-eigenthümer im Zusammenhang steht.Die Oekonomen, die Moralisten und die Politiker, welche in allenTonarten die siltlichkeitsfördernden und sonstigen schönen Eigenschaftendes Eigenthums gesungen, sehen sich gezwungen, einzugestehen, daß das-selbe die Fortpflanzung der Gattung, die Entwicklung der Familie undder Nation beeinträchtigt. Es ist hart, so etwas feststellen zu müssen.Aber es scheint, daß das Eigenthum nicht der alleinige Schuldige ist,noch zwei Ursachen wirken auf eine Aonahme der Geburten hin, undleider sind diese Faktoren ebenfalls von den Herren Oekonomen undMoralisten aller nichtkommunistischer Schulen empfohlene Tugenden.Ein finnländifcher Gelehrter, Herr Talqvist, hat in HelsingsorS eineAbhandlung veröffentlicht:„Statistische Untersuchungenüber dieTendenz zu einer geringerenFruchtbarkeitd e r E h e n", in welcher er feststellt, daß in Frankreich und in derSchweiz die Fruchtbarkeit der Ehen in einem direkten Verhältniß stehtzu der Zahl der Sparkassenbücher und der Ehekontrakte.Zahl der Departments Zahl d-r Sparkagenbucher Ekburlen2220181088von447211414419625618,4618,7617.7516,2015,4614,0610 bis49„75„115„156„203„Man sieht, je mehr Sparkassenbücher in einem Departement, um sogeringer die Fruchtbarkeit der Ehen.Dieselbe Erscheinung hat man in der Schweiz beobachtet. Die zweiteReihe der nachfolgenden Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Zahlder Einleger in den Sparkassen(von 1852 bis 1872) unter 100 Ein-wohnern, die dritte die Vermehrung oder Abnahme der Geburten aufje 1000 verheirathete Frauen an:Kantone Zunahme der Zahl der Einleger Differenz der S-burtsziffer7 6.4-f- 69 17— 5Wo die Zahl der Einleger langsamer zunimmt, nimmt hier die Zahlder Geburten zu, wo sie rapider zunimmt, sinkt die Zahl der Geburten.In Preußen, in England, in Dänemark und in Norwegen ist das Ver«hältniß ein gleiches.Zieht man nun statt des Sparens die Ehekontrakte, die ja Beweiseehelicher Vorsicht sind, in Betracht, so stößt man in Frankreich auf diegleiche Erscheinung:Zahl der Departement» Zahl der«ontralte aus Ivo Ehen FruchtbarleitSzlffer9 2—9 bis II 23,7535 12„ 42 17.0734 45„ 70 16.543 72„ 82 15.49In de n Maße, als die Zahl der Kontrakte zunimmt, nimmt die Zahlder Kinder ab.Das Eigenthum, das Sparen und die Kontrakte wirken sämmtlich aufdie Abnahme der Familie und unserer Art hin. Der Kommunismus,der die Kontrakte beseitigt, das individuelle Sparen überflüssig machtund das Privateigenthum durch das gesellschaftliche Eigenthum ersetzt»wird auch die Fruchtbarkeit der Art wiederherstellen, diesen Hauptfaktoraller Entwicklung und Vervollkommnung."So der„Socialiste". Seine Schluhbemerkung, die für Frankreich sicheram Platze ist, möchte für Deutschland überflüssig erscheinen, sintemalensich dieses ja, zum großen Schmerz aller Malthusianer, noch einer Be-vöikerungszunahme erfreut, welche ihm in sehr vielen Beziehungen eineUeberlegenheit über Frankreich verschafft hat. Die französischen Patriotenwürden heule glücklich sein, könnten sie ihre Landsleute veranlassen,mehr Kinder zu zeugen, aber man erzieht nicht ungestraft ein Voltjahrzehntelang„zu Vorstchtsmaßregeln", zum vollendeten Kleinbürger-thum. Mit Ausnahme weniger Departements, wo das Proletariat über-wiegt, helfen alle Ermahnungen nichts, die Leute wollen Pfahlbürgerbleiben. Sie haben sämmtlich Sparbücher, sie verheirathen sich spät undbekommen nur zwei Kinder— ein wahrhaft idyllisches Leben, nur mitdem kleinen Unterschied, daß Frankreich dabei wirthschaftlich und politisch— zurückbleibt.— Ebenfalls für Malthusianer beherzigeuswerth. Aufdem deutschen Naturforscher- Kongreß, der vorige Woche in Berlintagte, sagte Herr Werner Siemens:„Es erscheint sogar sehrwahrscheinlich, daß es der Chemie im Bunde mit der Elektro-technik dereinst gelingen wird, aus der unerschöpflichen Menge derüberall vorhandenen Elemente der Nahrungsmittel diese selbst herzu«stellen, und dadurch die Zahl der zu Ernährenden von der schließ«lichen Ertragsfähigkeit des Bodens unabhängig zumache n." Herr Siemens hat zwar in der betreffenden Rede später«den Beweis geliefert, daß man ein sehr bedeutender Elektrotechnikerund zugleich ein sehr unbedeutender Nationalökonom sein kann— worüberwir ein andermal mit ihm reden werden— die vorstehende Bemerkungdes Fachmannes verliert aber dadurch keineswegs an Gewicht. Vor Fach-leuten, wie sie in der betreffenden Versammlung anwesend waren, würdeer sich gehütet haben, seinen wissenschaftlichen Ruf durch Aussprecheneines Satzes preiszugeben, der mtt dem gegenwärtigen Stande derWiffenschaft in Widerspruch stände. Genug. man kann sagen, daßabsolut kein Grund vorliegt, daran zu zweifeln, daß es der kommendenGeneration gelingen wird, die Nahrungsmittelerzeugung mit dem Steigender Bevölkerung weiter zu entwickeln. Die malthusianistischen Befürch-tungen in dieser Beziehung sind nichts alsGespensterseherei.— Sig gehören zusammen. In einer badischen Korre-s p o n d e n z der„Frankfurter Zeitung" lesen wir:„Vor einigen Jahren war die Lage der Dinge so, daß man von so-genannten„gemischten" Kandidaturen,„ullramontan-konservativ demo«kratischen" sprach und in einem gewissen Sinne auch sprechen konnte,weil jene drei Richtungen der einen nationalliberalen gegenüberstandenund darauf angewiesen waren, Kompromißkandidaten aufzufinden undaufzustellen. Heute ist die Sachlage allerdings eine andere. Die konser-