vaiivs und demokratische Partei ist isolirt; die nationalliberalehat ihre Bundesgenossen in den kleritalenOpportunistengefunden. Borausstchtlich wird daher in Bälde eine neue Parteir chtunghervortreten. Der Kleriko-Nationalliberalismus wird dieSignatur unserer badischen Zeit bilden, und die Klerikal-Natio-nalliberalen oder Nationalliberal Klerikalen werden stch von demeinfachen Staatsretterthum zum S t a at s k i r chen> und Religi ons-retterthum emporschwingen. Eine herrliche Ausgabe für die Frak-tion Kiefer-Lender! Die Zeit des herzlichen Einverständnisses zwischenStaat und Kirche rückt heran, und was von Baden gilt, hat auch fürdas übrige Deutschland seine Bedeutung. W r haben eine solche Periode— die Zeit der großen Gesangbücher— schon einmal durchgemacht, undLand und Boll wird zu erproben haben, welches System für seine In-teressen, seine Freiheit und Selbständigkeit, insbesondere aber für seinegeistige Entwicklung zuträglicher ist, das des gegenseitigen Schmiegensund FügenS, oder das der Trennung beider Gebiete aus gesetzlicherGrundlage. Inmitten des heftigsten Kulturkampfes haben einzelneStimmen die letztere Lösung als die einzige bezeichnet, welche Aussichtauf dauernden Bestand gewährt. Trotz deS gegentheiligen äußerenScheins wird die Zukunft ihnen Recht geben. Die heutigen Friedens.bestrebungen zwischen Staat und Kirche beruhen lediglich auf dem Ein-flusse bestimmter hochgestellter Persönlichkeiten undfind daher vergänglicher Natur. Unterhalb dieser Kreise stehen sich aberKräfte init entgegengesetzten Interessen gegenüber, die sich vorübergehendbeugen, niemals aber in ihren Bestrebungen brechen lassen, das ist aufSeiten des Staates die Bureaukratie, auf Seiten der Kirchs dieHierarchie. Die Geschichte hat hinlänglich bewiesen, daß zwischenbeiden Kräften kein dauernder Frieden möglich ist."Nun, was die letztere Behauptung anbetrifft, so erlauben wir unsdoch einige Zweifel an der Richtigkeit derselben. Bureaukratie und Hier-archie haben sich in verschiedenen Ländern, wo ihr Interesse sie daraufverwies, sehr gut vertragen, und das werden sie auch in Deutschlandthun Der Kleriko-Nationalliberalismus ist eine ganznatürliche, in dem Charakter beider Richtungen begründete Erscheinung:die nationalliberalen„Kulturkämpfer" mußten beim Pfaffenlhum enden,— dasselbe zeigt sich in Frankreich bei den Opportunisten, obwohl da die�hochgestellten Persönlichkeiten" nicht in Frage kommen— und die ultra-Montane Mischmaschpartei mußte, sobald die Hitze des Kampfes abge-kühlt, auf den Nationalliberalismus kommen. Wir haben die Letzterenschon vor Iahren die katholisch schillernden Nationalliberalen genannt.Sie'gehören zusammen, die ehedem so feindlichen Parteien, und siewerden zusammengehen, um in friedlicher Nebeneinanderarbeit die geistigeUnd materielle Knechtung der„niederen Klassen" um so wirksamer be>sorgen zu können. Wir begrüßen dieses Bündniß. Die Sache, die wir»ertreten, ist heute star! genug, den Kampf gegen die verbündeten Feindeauszunehmen, diesen wirklichen Kulturkampf gegen Alles, was sichder Zerbrechung des Joches der Lohnsklaverei entgegenstemmt.— Ueber Edward Aveling, der Mann der jüngsten Tochter vonKarl Marx, die beide jetzt gemeinsam mit Liebknecht die Azitationstourdurch die Vereinigten Staaten abhalten, finden wir in der New-Iorker»Voltszettung" folgende biographische Mittheilungen:„Unter den Rednern und Schriftstellern der Sozialisten in Englandnimmt Dr. Aveling einen hervorragenden Rang ein. Er wurde am2g. November 18Sl in London von irischen Eltern geboren. Er b->suchte zuerst mehrere Privatschulen, um dann in Harrolds Schule, welchevon den Söhnen der Aristokratie Londons als Borbereitungsschule fürdie Universität besucht wird, geschickt zu werden. Hierauf studirte erMedizin am University Kollege in London, machte einen praktischenKursus am Taunton County Hospital durch und erwarb sich dann denDoktortitel. Aber die ärztliche Praxis behagte dem strebsamen jungenManne nicht und er wandte sich aufs Neue dem Siudium der Natur-Wissenschaften zu. Er warf sich mit großem Eifer auf Botanik undZoologie, und es wurden ihm auf der Londoner Universität für Fleißund Auszeichnung in diesen Fächern mehrere Preise zu Tbeil, welcheihn zu mehrjährigen Regierungs Stipendien berechtigten. Bald daraufwurde ihm der Titel eines„ljaolrolor ok Science" zuerkannt. Dannetablirte er sich an der Universität zu Cambridge als Privatdozent undsungirte längere Zeit als Assistent des berühmten Professors der Phy-fiologie, Michael Foster. Hierauf acceptirte er einen Ruf als DozentIn dem bekannten Mädchen< Seminar der Miß Büß in London, einerMufieranstalt dieser Art in England. Während seiner Thätigkeit indieser Anstalt versuchte sich Dr. Aveling zum ersten Male auf dem Ge-biet der Journalistik und des öffentlichen Vortrages, wobei er in hohemGrade erfolgreich war und sich einen in die weitesten Kreise dringendenRuf erwarb. Sein Forschungstrieb hatte ihn längst in's Lager derDarwinisten geführt und von dort war es für ihn nur ein Schrittzum Atheismus. Er schloß sich den Freidenkern an und wurde engbefreundet mit Bradlaugh. Aber alles dieses genügte ihm nicht. Ersah ein, daß die Freigeisterei an und für sich nicht zur Emanzipationdes darbenden, arbeitenden Volkes führen würde, und deshalb begab erfich aus das Gebiet der national-ökonomischen Forschung. Durch dasStudium der Schriften und des großen Werkes„Das Kapital" vonKarl Marx wurde er schließlich ein durch und durch überzeugter So-iialist. Er begann selbst, sozialistische Werke zu verfassen und verfochtin Wort und Schrikt die großen Lehren des Altmeisters der Sozial-demokratie. Persönlich ist er mit Marx nur ein einziges Mal in seinemLeben zusammengeti offen, und zwar nach einem Vortrage, den er gehaltenUnd den Marx zu hören gekommen war, nachdem er von dem jungenGelehrten vieles Gute gehört halte. Marx sprach sich sehr günstig überdm Vortrag aus und erklärte später wiederholt, Dr. Aveling berechtigetu den schönsten Hoffnungen als erfolgreicher sozialistischer Agitator.In den Versammlungen der Partei machte er die Bekanntschaft Eleonores,der jüngfien Tochter von Karl Marx. Die Beiden fühlten sichzu einander hingezogen und verlobten sich kurz vor dem Tode desgroßen Gelehrten. Erst als Marx aus der Todtenbahre lag, hatAveling ihn wiedergesehen. Einige Zeit nach dem Tode des Vaterswurden Aveling und Leonore Marx Mann und Weib."Den Verehrern der freie« Konkurrenz in'S Stamm-buch. Für die Stickerei-Jndustrie der Ostschweiz bestehtseit einiger Zeit ein Verband, der in Bezug der Arbeitszeit, Akkord-sätze rc. Bestimmungen festsetzt, nach denen sich sämmtliche Angehörige desVerbandes streng zu richten haben, so daß in diesen Punkten die„persön-liche Freiheit" für sie geradezu aufgehört hat. Aber weit entfernt, sichdarüber unglücklich zu fühlen, sind die Angehörigen des Verbandes mitdem neuen Zustand der Dinge durchaus zuftieden. Wie der„St. GallerGtadtanzeiger" berichtet, wird aus allen Bezirken des Kantons ge neidet,daß der Verband außerordentlich wohlthätig wirke, indem«r der Raubwirthschaft der Einzelsticker einen Riegel schob, die unbarm-herzige Ausnutzung der Arbeiter, namentlich auch der Frauen undKinder, durch die Reduktion der Arbeitszeit einschränkte.„Der Ver-band hat sür die G e s u n d h e i t d e s V o l k e s so viel gethan, wie«in halbes Hundert Doktoren, die Sittlichkeit und Moral gefördert, wieeine Kapitelskonferenz von Geistlichen."*)Wir verkennen natürlich die Gefahren, welche den Bestand der An-»rdnungen deS Verbandes und dadurch diesem selbst durch die inter-Nationale Konkurren, und die technische Entwickelung der Industriedrohen, keineswegs, aber selbst wenn sie über kurz oder lang wieder zuseiner Auflösung führen sollten, so würde doch die Thatsache bestehenbleiben, daß selbst in Unternehmerkreisen immer mehr der Glaube andie alles heilend- Kraft der ungefesselten Konkurrenz schwindet, unddaß der Gedanke der gesellschaftlichen Regelung der Produktionfich heute den Köps-n quasi von selbst aufdrängt. Denn man beachteWohl, der Stickereiverband hat absolut nichts mit mittelalterlicher Zünst-lerei zu thun, er ist eine moderne Echöpsung, ein zwar mit Halbheitenaller Art arg behafteter Versuch, aber doch ein Versuch, den KampfUms Dasein innerhalb der Gesellschaft um ein wesentliches Element abzu-schwächen, und insofern ein wesentlicher Schritt in der Richtung desSozialismus, der die vollständige Aufhebung des Kampfes ums DaseinUnter den einzelnen Gesellschastsmitgliedern aus seine Fahne geschrieben.— Znr Beachtung sür Auswanderer. Die New-Dorker»V o I k s- Z e i t u n g" enthält in ihrer Nummer vom lO. Septembersalzende Notiz, die wir aus Wunsch hiermit zum Abdruck bringen:�___*) Beiläufig bemerkt, der Herausgeber deS St. Galler„Stadtanzeiger"?h. Wirth, ist oder war bis vor Kurzem selbst ein Geistlicher— freilich'«iner ä la Stöcker..„Entrüstete Emigranten. Ein Th-il der Zwischendecks-Passagiere, welche gestern mit. dem Dampfer„W e st e r n l a n d"hier eintrafen, haben, bevor sie ausgeschifft wurden, eine öffentliche Er-klärung erlassen, in welcher es u. A. heißt:„Wir, die Unterzeichneten,erklären hiermit, daß die Versprechungen, welche die Red Star Lineuns gab, als wir an Bord kamen, nicht gehalten worden sind.Statt des„Jrish Stew", den wir bekommen sollten, hat man uns Kar-toffelwasser gegeben. Statt Brod gab man uns Zwieback von der schlech-testen Sorte, und das Trinkwasser war warm und schlecht. Ebenso hattenwir nicht genügend Platz an den Eßtischen, da ein großer Theil derPassagiere stehend ihre Mahlzeiten einnehmen mußten. Ferner warenfür die weiblichen Passagiere nicht genug Schlafstellen vorhanden, undmehrere von ihnen mußten die Nächte auf dem Fußboden zubringen.Den Stewart trifft übrigens kein Tadel; er hat für uns Alles gethan,was in seinen Kräften stand."— Die Zeitunaen hatten in der letzten Zeit allerhand Schauer-märchen aus Chicago berichtet. Wir haben indeß keine Notiz davongenommen, einmal weil wir ohnehin gegen solche Nachrichten schon sehrmißtrauisch sind, und zweitens weil speziell diesen Berichten der Charakterder Sensationsmache unverkennbar anhaftete. Wie Recht wir mit unsererVermuthung gehabt, geht aus den inzwischen eingetroffenen amerikani-scheu Zeitungen hervor, die entweder von diesen Schauermeldungen garnichts wissen oder sich über sie lustig machen. So lesen wir im„Chica-goer„Vorbote":„In die Ferne muß man gehen, wenn man etwas über heimischeVorgänge erfahren will. Erzählt z. B. die Cincinnati„Freie Presse"ihren von Furcht und Grimm erfaßten Lesern:„In Chicago wurdengestern wieder drei Anarchisten, sämmtlich Deutsche, von den Sicherheits-behörden verhaftet. In ihrem Besitz fand man ein ganzes Arsenal vonWaffen, einschließlich sogar zweier österreichischer Feldge-schütze. Befragt, was es mit diesem erstaunlichen Waffenvorrath füreine Bewandtniß habe, blieben sie die Antwort schuldig, woraus ihreFestnahme unter der Anklage, stch zur VerÜbung einer ungesetzlichenHandlung verschworen zu haben, ersolgte."Also Feldgeschütze, und noch dazu österreichische Feldgeschütze hat diehiesige Polizei erobert. Zum Verwundern ist das nicht. Schon im Mai„eroberte" sie eine Anzahl von Fahnen, Standarten und Bannern, dadürfen die Kanonen nicht fehlen. Bei dem„erstaunlichen Waffenvorrath"würde es Niemand in Erstaunen setzen, wenn nächstens auch noch großeBelagerungs- Kanonen aufgestöbert werden. Dann kann man klapp-hörnen:,Zwei Anarchisten kamen her,Der Andre hatte ein Gewehr.Der Eine mußt' sich schwerer plagen:Zwei Krupp-Kanoncn that er tragen.Zur Beruhigung unserer Leser können wir mittheilen, daß jene„schwerbewaffneten" Anarchisten, nämlich die Herren Guhl, Klodt und Betzoldt,heute Vormittag von Kadi White frei von Schuld und Fehle befundenworden sind. Polizei Lieutenant Shepard blieb die versprochenen Beweisewie gewöhnlich schuldig."— Sehr richtig. Die Wiener„Konstitutionelle Vorstadt-Z e i t u n g", ein nichts weniger als sozialistisches Blatt, schreibt mitBezug auf den famosen Rechenschaftsbericht der sächsischen Regierungüber die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes über Leipzig zc.:„Was der Rechenschaftsbericht sonst enthält, bestätigt nur den Miß-erfolg der Gewaltpolitik gegen die Sozialdemo-k r a t i e. Um deren Gefährlichkeit darzuthun, wird behauptet, die Parteiverlege sich jetzt vorwiegend auf die Fachvereine unter möglichst unauf-fälliger Form, sie habe sich ferner der Lohnbewegung bemächtigt, sie in-szenire Streiks u. s. w. Wir haben oben schon gesagt, daß man in Ber-lin hinter jedem Fachverein, hinter jeder Arbeitseinstellung Hochverrathzu finden sich den Anschein gibt. An und für sich haben Fachoereineund Arbeitseinstellungen mit den Sozialdemokraten nichts zu schaffen;aber selbst wenn letztere wirklich, wie behauptet wird, dabei die Händeim Spiele hätten, thut der Staat wohl daran, gegen Bestrebungen aus-zutreten, die dem Gesetze nicht zuwiderlaufen? Die Gewerkschaften stehenunter behördlicher Kontrole, es liegt kein Grund vor, sie aufzulösen, ehesie etwas Gesetzwidriges geihan, selbst dann nicht, wenn ihre MitgliederSozialdemokraten sein sollten. Ebenso bedenklich ist es, Streiks gewalt-sam zu verhindern. Sieht einmal der Arbeiter, daß er auf legalem Wegeseine Lage nicht verbessern kann, daß es ihm verwehrt ist, sein Rechtgegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, dann muß er sich denTerroristen anschließen und mit diesen einer Sozialpolitik denRücken kehren, die ihm fort und fort mit der Peitsche droht."Das ist durchaus zutreffend, und ja auch schon oft durch Thatsachenbewiesen worden. Trotzdem halten die Gewalthaber an ihrer Unter-drückungspolitik fest— in Oesterreich wie in Preußen. Ist die Ge-schichte wirklich nur da, um nichts aus ihr zu lernen? Man sollte esin der That glauben.— Aufgepaßt! Aus Braunschweig schreibt man unS:Der berüchtigte Polizeispitzel Jhring-Mahlow treibt sichseit vier Wochen hier herum. Zu welchem Zwecke, ist nicht bekannt.Wahrscheinlich will derselbe die hiesige Polizei in Berliner Schurkereieneinweihen und belehren.Nun, die hiesige Polizei ist übereifrig genug, die Braunschweiger Ar-beiter haben schon oft Gelegenheit gehabt, dies zu erfahren. Trotzdemwird aber in Braunschweig ebensowenig wie in Preußen der Sozialismusdurch Jhring-Mahlow's aus der Welt geschafft.Gut wäre es aber doch gewesen, wenn die Berliner Genossen schonfrüher eine ausführliche Personalbeschreibung dieses Polizeispitzels imParteiorgan veröffentlicht hätten. Wir sind zur Zeit noch nicht im Stande,diese ausführlich zu geben. Sobald dies der Fall, wird Veröffentlichungerfolgen.Im Auftrag der Braunschweiger Genoffen:Lothar.— Nach einer im Chicagoer„Vorbote" veröffentlichten Aufstellungwaren bis zum 30. August für den Prozeßfonds der im Bomben-Prozeß Augeklagten 5570 Dollars 80 Cents, d. h. gegen 24,000Mark eingegangen. Damit sind aber noch nicht einmal die Kosten derersten Instanz gedeckt, es fehlen vielmehr zur Deckung derselben noch755 Dollars 33 Cents, d. h. etwas über 3200 Mark. Für die Ver-theidigung allein mußten bisher 5400 Dollars(zirka 23,000 Mark) ver-ausgabt werden.Es kann uns natürlich nicht einfallen, aus diesen Zahlen irgend eineFolgerung sür die Richtigkeit, bezw. Unrichtigkeit der anarchistischenLehren herleiten zu wollen, wohl aber sind sie eine drastische Jllustra-tion für die Tiraden der Verehrer der Bomben- und Dynamit- Taktik,welche nie genug die Billigkeit ihres Universalheilmittels gegen-über der verruchten„gesetzlichen Agitation" zu preisen vermochten.Die„himmlische Bombe" erweist sich als ein recht kostspieliges Ding.Der Paßt in die Familie. Bismarcks Schwiegersohn, GrafRantzau, verlor, nach dem„Hamburger Fremdenblatt", kürzlich auf demHamburger Bahnhof eme Brieftasche, in welcher sich Papiere von be-deutendem Werthe befanden. Zwei Bahnangestellte fanden die Brieftaschewieder, lieferten sie ab, und in seiner Freude unbeschreiblichem Gefühlesandte der Schwiegersohn deS mindestens zehnfachen Millionärs dieenorme Summe von— w, sage zehn Mark für die Finder ab. Daswar zu viel. Der Stationsvorsteher beschlagnahmte das Geld und über-lieferte dasselbe dem Betriebsamt in Hamburg, da nach seiner MeinungBahnangestellte solche Belohnungen nicht annehmen dürfen. Vor ewigenTagen nun hat das Betriebsamt die lo Mark wieder nach Hamburggesandt mit der Anweisung, den Betrag den beiden Findern auszuzahlen.Wie werden die Beglückten aber jetzt prassen!— Ein Besuch auf der kommunistischen Kolonie Neu-Jkaria(im Staate Iowa der nordamerikanischen Union). Für Leser der in vorigerRummer von uns angekündigten Hepner'schen Schrift über„die Ikarierin Amerika" und auch sonst wird es nicht uninteressant sein, den Be-richt eines Korrespondenten zu hören, der in jüngster Zeit eine derikarischen Kolonien besucht. In demselben heißt es(nach der„New-Jorker Volkszeitung"):„Der Korrespondent.... wurde von dem Koch der Kolonie, HerrnMarchand, an Stelle deS abwesenden Präsidenten der Kolonie, HerrnEugene Brittains, freundlich in Empfang genommen. Herr Marchand\ ist ein Greis von 72 Jahren mit schneeweißem Kopfhaar und Bart. Erist korpulent, wie fast jedes Mitglied der Gesellschaft, tritt aber fest undelastisch auf wie ein Mann von 50 Jahren. Er spricht französisch,deutsch und englisch, und hat auf der Schule das übliche Latein undGriechisch gelernt....Es war gerade Mittagszeit. Die Männer kamen mit ihren Gespannenvon ihrer Arbeit von dem Felde, und eine Anzahl kleiner Burschen mitbloßen, braunen Füßen war gerade dabei, im Garten ein Hornissennestauszuheben. Der Korrespondent bot einem vierjährigen Mädchen ein»Orange dar, welches Geschenk mit einem niedlichen«nix und den Worten„Merci, monsieur" in Empfang genommen wurde.Die ganze Szene bot ein wohlthuendes Bild des Friedens dar. DerGast folgte Herrn Marchand in die Küche, an welche sich der großeSpeisesaal schließt.... Alles in der Küche deutete darauf hin, daß demKochdepartement in der Kolonie bedeutende Aufmerksamkeit gewidmetwird. Das Speisezimmer ist groß und einfach mit blankem Flur ausEichenholz ohne Teppich und mit weißgetünchten Wänden. An dem«inenEnde steht eine große Orgel, auf welcher eine der Damen an Sonntage»für die Tänzer Musik macht.... An der Wand zwischen den zwei Fen«fiern befindet sich ein kleines Büchergestell, aus welchem sich offenbarvielbenutzte Bücher, wie die Werke von Gaboriau, Dickens, George Elliot,George Sand, Viktor Hugo u. A. befinden. Früher pflegten alle Mit-glieder an einem gemeinsamen langen Tische zu essen, jetzt aber sindmehrere kleinere Tische aufgestellt, an denen sich die Speisenden nieder»lassen. Die Kinder haben einen Tisch für sich, desgleichen die junge»Männer und Frauen; an einem dritten Tische sitzen die Patriarchen, undan dem vierten diesmal Herr Marchand mit seiner Gattin und de»Gästen.Bei Tisch erzählte Herr Marchand, es gebe in Iowa noch eine Kom-munisten-Kolonie, nämlich die Amana-Gesellschaft in Iowa County, woauch vollständige Gütergemeinschaft herrsche, dieselbe stehe jedoch unterLeitung einer„inspirirten Prophetin" und sei auf religiöser Grundlag«errichtet, während in Jkaria eine vollständig freie Lebensanschauungherrsche. Herr Marchand zeigte bei dem Tischgespräch, daß man in JkariaHenry Georges Aufhebung des Grundeigenthums für nicht aus»reichend erachtet; der Kommunismus sollte auf alle Güter dieserWelt, und nicht nur aus das Land allein, ausgedehnt werden. In Be»zug auf Johann Most sagte der alte Kommunist, er sei besser als dieKapitalisten, denen er an den Hals gehen wollte. Marchand redete fichin einen förmlichen Feuereifer hinein und schrie förmlich, als er sagte:„Die Kapitalisten sind schlimmer als der Adel, sie sind grausamer gegendie Arbeiter als der Adel vor der Revolution gegen die Bauern war."Nach dem Mittagsmahl führte Herr Marchano seinen Gast überallumher und zeigte ihm die Käsesabrik, die prächtigen Obst- und Gemüse»gärten, den Weinberg, die hübschen, buntbemalten Häuschen der Mit-glieder mit ihren kleinen Gärten und die Bibliothek, welche über 2000Bände französischer und deutscher Werke enthält. Ueberall herrscht Ruheund Ordnung und sichtbarer Wohlstand."Diese Miltheilungen stoßen natürlich die Hepner'schen Schlußfolgerunge»über den geringen— praktischen wie theoretischen— Werth der kom»munistischen Kolonien nicht um, aber sie sind doch geeignet, manchemGegner den Mund zu stopfen, der nur von Mißerfolgen dieser Kolonie»zu wissen vorgibt, welche beweisen sollen, daß der Kommunismus der„menschlichen Natur" widerstreitet.— Frankreich. Wieder einmal eine gute Nachricht: Guesde, Lafargu«und Dr. Susini sind am Freitag von der Anklage der Aufforderung z»Mord, Plünderung ,c. von dem Gejchwornengericht freigesprochenworden. Da unsere Genossen bei der Vertheidigung ihren revolutionärenStandpunkt in schärfster Weise betonten, so bedeutet der Spruch derGejchwornen eine der Republik würdige Auffassung des Rechtes derfreien Rede. Im Weiteren bedeutet der Spruch nicht nur die Aushebungdes Urtheils der ersten Verhandlung, soweit es die oben genannten dmGenossen anging, sondern auch in Bezug auf Louise Michel,die damals vor Gericht erschienen war und daher„rechtskräftig" zu sechsMonaten Gesängniß verurtheilt wurde. Daß ihre Amnestirung durch dieLogik der Dinge geboten ist, erkennen nunmehr selbst bürgerlicheBlätter an.Wir bedauern sehr, daß uns der knappe Raum unseres Blatteiverbietet, die wahrhaft brillanten Vertheidigungs-, resp. Anklagerede»unserer Genossen hier wiederzugeben. Lafargue's Rede war einefulminante, mit reichem Material belegte Anklage der hohen Finanz,speziell des Hauses Rothschild(er sollte gesagt haben:„Man muß dieHand auf das Eigenthum legen, Rothschild die Taschen leeren und ihnselbst in Mazas einsperren.").„Sie können die Macht der Finanzier?an dem Sturze Gambetta's berechnen," rief er aus.„Die hohe Finanzhat ihn gestürzt, weil er, um Bismarck nachzuahmen und die Eisenbahne»für den Krieg zu organisiren, sie den Finanzleuten entreißen und in denHänden des Staates zentralisiren wollte. Die Finanzleute sind die Her-ren des Nationalvermögens, über dessen Verwendung sie besttmmen."Sehr wirksam war der Schluß der Guesde' schen Rede.„WennSie sich nicht anmaßen", rief er den Bourgeois-Geschwornen zu,„dieRevolution zu monopolisiren, wie Sie bereits das Eigenthum monopo«lisirt haben, so sehe ich nicht ein, woraufhin Sie dem Proletariat dieAnwendung der Waffe zu seiner Befreiung verbieten wollen, die SieJhrerzeit befreit hat!„Daß dieses Eintreten der Arbeiterklaffe in den Kampf um die poli«tische Gewalt ebensowenig nach dem Geschmack der heutigen Machthaberist als die Enteignung der Kapitalisten, von der sie nur die Vorrede ist,das ist möglich. Aber es fällt nicht in den Machtbereich Ihrer Straf-gesetze. Sie haben dagegen keine Waffen. Um den revolutionären Sozia-lismus, wie ich ihn Ihnen dargelegt, und wie wir ihn propagiren, zutreffen, brauchen Sie neue Gesetze, die Sie übrigens fabriziren können.Ahmen Sie Herrn v. Bismarck nach: führen Sie in das republikanischeFrankreich den kleinen Belagerungszustand des deutschen Kaiserreichsein. Es wird alsdann der aller heuchlerischen Freiheiten der Presse undder Rede ledige Kampf einer Klasse sein, die sich vertheidigt, gegen ein«Klasse, die angreist. Sie können uns schlagen, und wir werden uns nichtbeklagen. Aber— mit der Bedingung der Revanche."Der Hinweis auf die deutschen Ausnahmegesetze hat nach dem PariserKorrespondenten der„Frankfurter Zeitung" großen Eindruck auf dieGeschwornen gemacht. Desto besser.Nachzutragen haben wir noch, daß D u c- O u e r c y und Roch«,die aus Grund ihres durchaus legalen Auftretens in Decazeville voneinem reaktionären Gerichtshof zu je 15 Monaten Gesängniß verurtheiltworden waren, nunmehr vom Präsidenten der Republik begnadigt wor-den sind. Das Eintreten weiter Kreise der Pariser Wähler sür die Ver-urtheilten hat sicher dazu beigetragen, daß die Regierung sich entschloß,das skandalöse Urtheil durch einen Gnadenakt aufzuheben. Aber welcheMotive auch maßgebend waren, jedenfalls hat die Maßregel der Republikin den Augen der Arbeiterklasse, der einzigen, aus die sie im Nothfallrechnen kann, nicht geschadet.Soziattstische presse«ad Literatur.„La Revue socialiste"(Paris), Heft 21(September 1886) enthält u. A.: J. Pinaud, le rachat des chemins de fer. B. Malen, lamorale sociale(fin). Ä. Chirac, l'agiotage de 1870 ä 1884. CKKouanet, le travail des femmcs et des cnfants(fin). L. Pagese,commission beige du travail. Catbelinat, comment los legendess'etablissent etc. etc.„Our Commonwealth"(Unsere Republik) ist der Titel einesWochenblattes, das seit etwa einem Vierteljahr in Adelaide(Süd-Australien) erscheint und unter Redaktion von Ignatius Singerlür demokratische und soziale Reformen, letztere wesentlich im Sinnevon Henry George, eintritt. Wir wünschen ihm bestes Gedeihen.Korrespondenzen.Provinz Ostvreutzen. Ein Agitationsbericht aus der„düster»Ecke", wie ein Hamburger Genosse unser Ostpreußen unlängst nannte,steht jedenfalls das erste Mal im Zentralorgan, ist es doch überhauptdas erste Mal, daß die Partei versucht hat, dort Boden zu gewinnen.Auch eine„Frucht" des Ausnahmegesetzes.