— Die durch die deutsche Presie gegangene Nachricht, daß Singer'sWirthin in Dresden ersucht worden sei, dessen Thätigkeitund dessen Umgang zu überwachen, und sich die Polizeizeitweilig bei ihr Bericht holen wolle, sowie daß die Polizei Sinzerder Wirthin als einen„gefährlichen Wühler" d-nunzwts,natürlich nur in der freundlichen Absicht, daß ihm das Logis gekündigtwerde, hat die Dresdener Polizei durch ihr Organ, die„DresdenerNachrichten" als Erfindung bezeichnen lasien. Daß Singer scharf über-wacht werde, mußte auch das edle Blatt zugeben. Natürlich ist die Nach-richt der Presse, die offiziell zu widerlegen die Polizei sich wohl hütet,vollkommen der Wahrheit entsprechend, auch entspricht diese kleinlicheTaktik ganz den Gepflogenheiten der Dresdener Polizei, die ihre Zieleauf möglichst krummen Wegen zu erreichen sucht.Neuerdings hat sich der Wirth der Radeberger Brauerei in Neustadt-Dresden, in der Genofie Kaden seit vielen Jahren regelmäßig jedenTag verkehrte, den ferneren Besuch defielben höflichst verbeten. KeinMensch in Dresden zweifelt, daß auch dies in Folge von Machinationenund Drohungen der Polizei erfolgte, da kein äußerer Anlaß für diesenSchritt des Wirthes vorlagWelch' noble Kampfesweise!— ES gibt noch Richter in Berlin. Die 5. Strafkammer desLandgerichts I in Berlin hat den Tischler B o b k i e w i c z, weil eran der Durchprügelung des Jhrinz-Mahlow theilgenom-men haben sollte, zu zwei Monaten Gefängni« verurtheilt. VomSchöffengericht war Bobkiewicz frei gesprochen worden, weil Jhring-Mahlow als Zeuge wenig glaubwürdig erscheine, die Juristen der Straf-kammer— Borsitzender Landgerichtsrath H u m b e r t— fanden aber,daß„die Glaubwürdigkeit des Jhring durch die Entlastungs-zeugen nicht alterirt worden, daß vielmehr der Entlastungsbeweis alsmißlungen zu betrachten sei, da die Zeugen ziemlich unzuverlässig er-schienen und es nicht a u s g e s ch l o s s e n(!) erscheine, daß Bobkiewiczvorübergehend an der Sch'äzerei theilgenommen."Also muß Bobkiewicz zwei Monate brummen, und Jhring- Mahlow istmn ehrenwerther Mann.Nun, tel nmltro, toi yalet— wie der Jhring» so seine richterlichenEhrenretter.— Zur Beförderung reif ist der Staatsanwalt in Hirschbergin Schlesien. Dieser Biedermann— schade, daß uns der Name nichtgemeldet wurde— hat einen dortigen Arbeiter auf Verbreitung vcr-botener Druckschriften durch Anstiftung(!) nach Z 19 des Hödel-gesetzeS und§§ 48 und 74 deS Reichsstrafgesetzbuches in Anklage versetzt,weil derselbe— man höre!— den„Sozialdemokrat" und Heft 4 und 5der Gedichtsammlung„Vorwärts" bei der Expedition des„Sozialdemo-krat" in Zürich bestellt, den Betrag in Marken eingesandt und so— lautAnklage— durch sein Abonnement den Verleger„Volksbuchhandlungin Hattingen bei Zürich" angestiftet hat, verbotene Schriften zuverbreiten. Außerdem soll er„einer Verbindung angehören, welche esfich zur Aufgabe gemacht hat, verbotene Schriften über ganz Deutschlandzu verbreiten".„Mit einem Wort, die Anklage ist eine wahre Wuster-le istung", schließt unser Korrespondent,„sie ist es werth, für allZeiten aufbewahrt zu bleiben als Beweis, wie herrlich es doch in derAera Bismarck in Deutschland war."Indem wir die„Musterleisiung" hier gebührend zur allgemeinstenKenntnißnahme mittheilen, hoffen wir, uns ein ganz besonderes Verdienstum den ingeniösen Urheber derselben zu erwerben. Ein solches Talentdarf nicht länger im Verborgenen blühen. Es muß anerkannt, befördert,belohnt werden. Ja. wir gehen noch weiter. Wenn der strebsame Staats-anwalt mit seiner Anklage vor Gericht Glück haben sollte— und inPreußen-Deutschland gibt es auch Musterrichter— so versprechen wir,feiner staatsretterlichen Thätigkeit zu Hilfe zu kommen und ihm nach-einander alle Mitschuldigen des jetzt Angeklagten namhaft zumachen, alle, die gleich ihm durch direktes oder indirektes Abonnementaus unser Blatt die Volksbuchhandlung zur Verbreitung desselben an-stiften. Natürlich werden wir dabei von oben anfangen— Ehredem Ehre g-bührt— und zwar in der Art, daß sobald beispielsweiseExzellenz Puttkamer ins Loch wandert, wir Herrn von Richthosen nennenwerden und die Mittelsperson, durch die er den„Sozialdemokrat" be,zieht, die er also ebenfalls zur Berdreiwng desselben„anstiftet". Sobalddas Reichsspitzelministerium sitzt, folgen dann etliche deutsche Fürsten,Gmfen und Barone, dann Mitglieder der Bureaukratie, des höherenO sisierkorps, Volksvertreter, Profestoren, Prediger, und so immer weiterabwärts in der Rangstellung— die Proletarier müssen bis zuletztwarten. Es wird eine hübsche Liste werden, aber alle, die auf ihr stehen,.müssen ins Loch, denn alle Preußen, Sachsen, Bayern tc. sind vor dem-Gesetze gleich, Standesunterschiede finden nicht statt. Nicht wahr, HerrStaatsanwalt?— Der jüngst in Lütt ich abgehaltene Belgische Katholiken-ckongrc« veranlaßt den Pariser„Socialiste" zu folgenden treffendenBemerkungen:In dem Maße, als die kapitalistische Zivilisation sich entfaltet, ver.tingert sich alles, entwickelt sich alles in der Richtung des Mittelmäßi-gen.... Nie war der Schatz des angesammelten Wissens so reich, abernie waren auch die Gelehrten so in ihren Spezialfächern verkretmisirt.In dieser Epoche der Mittelmäßigkeit, wo Pygmäen das große Wortsführen, hatte der Katholizismus das Vorrecht, grandios zu bleiben. Erwar in der Abgeschmacktheit erhaben. Er wagte es, der verblüfften Weltals Dogma aufzubinden, daß die Mutter eines kleinen Jesus eine Jung-/fxau gewesen und daß ein kindisch gewordener Greis unfehlbar sei. MitBezug aus die sozialen Probleme erklärt« er anmaßend, die Menschheitmüsse rückwärts geleitet und in die Zeiten zurückgesührt werden, wo der'Adlige und der Pfaffe über fromme und zitternde Leibeigene als souve-räne Gebieter herrschten.E« gehörte Muth dazu, inmitten der bürgerlichen Mittelmäßigkeit-solch' idiotisches Zeug zu proklamiren. heute aber hat der Katholizismus denTon herabgestimmt. Er beschäftigt sich weniger mit der Jungfernschaftder Maria und spricht möglichst wenig von der päpstlichen Unfehlbarkeit.In Bezug auf die soziale Frage haben sich die Katholiken jedoch zuihrem Unglück nicht mit dem Schweigen begnügt. Die Unglückseligenreden, und so zeigt eS sich jetzt, was für Jammerkerle diese De Mun,diese M-rmillod, diese Korum, das Licht und die Hoffnung der katho-tischen Sozialresorm, sind. Sie sind Bismarck's Papageien.Die katholischen Reformer sind den kapitalistischen Oekonomen undPolitikern überlegen, sie erkennen an, daß es eine soziale Frage gibt,daß man„den Unzufriedenen des Elends, die in Revolutionen voranMarschiren, ein neues Feld eröffnen muß"— wie sich der Bischof vonMalines ausdrückte.(Folgen noch einige Zitate aus den Reden des Abbve Winterer unddes Rektors der Universität Löwen. Dann heißt es weiter:)Die Gefahr ist demnach schrecklich, drohend. Und was fordern nundiese lärmenden Reformatoren? Die Bildung einer Liga für die strengeDurchführung der Sonntagsfeier. Im Chorus proklamirten sie dieSchließung aller öffentlichen Anstalten, Läoen, Geschäfte. Wirthshäuserund Cafes an Sonn- und Feiertagen. Nur die Kirchen, diese Lügen-geschäjte und Verdummunzsanstalten, des Sonntags offen zu haften, dasist die grrroße Reform des Katholizismus.Und da ihnen diese Reform an Reiz zu mangeln und wenig geeignet er-schien, ihnen die Arbeitermassen zu gewinnen, welche die Ungläubigenvon Sozialisten ihnen tagtäglich entreißen, so haben sie sich noch aufden Bismarck'schen Staatssozialismus und die Arbeiterverstcherungskaffengeworfen. Der Katholikenkongreß war nichts als eine VerherrlichungBismarck's und seines aus brutalen Unterdrückungen und heuchlerischenReformen zusammengesetzten Systems.Die christlichen Reformer hatten einen Augenblick Illusionen erweckt,Man hielt sie für einsichtsvolle und ernsthaste Leute. Herr de Mun hatvor versammeltem Parlament die kapitalistische Welt mit einer Heftig.kgft angeariffen, wie es ein Sozialist nicht besser hätte thun können.Andere Käthosiken in Deutschland und Oesterreich thaten desgleichen...Ihre Resormvorschläge waren zwar absurd und lächerlich, aber es wardoch schön etwa»— der erste Schritt zum Sozialismus— die moderne Ge-fellfchait schlecht zu finden. Naive Gemüther hofften, daß sie schließlichdoch einsehen würden, daß man die Gesellschaft nicht dadurch reformrrt,daß man sie umdreht, sondern dadurch, daß man den Kommunismus,den sie in ihrem Schooße trägt. zur Welt fördern Hüft. Dm lathol.schenzzesormer aber haben erklärt, daß man nicht die kapitalistische Gesellschaft�stören, sondern Palliativmittel schaffen müsse, um sie zu vervoll-kommnen, und sie in alle Ewigkeit— in soooula saeculornm— zuerhalten suchen müsse.Der Kongreß der christlichen Sozialisten wir die Beerdigung deschristlichen Sozialismus.Um so besser.— Sehr demokratisch und geschmackvoll drückt sich der PariserX-Korrespondent der„Fcanksurter Zeitung" in einer Korrespondenz überdie, anläßlich eines Streiks in V i e r z o n ausgebrochenen Unruhen aus.Man höre nur:„Ueber die Unruhen in Vierzon, die sich gestern und heute nicht mehrwiederholt haben, erfährt man noch einige interessante Einzelheiten. Beiden handgreiflichen Demonstrationen gegen die in der Fabrik arb itendenArbeiter waren nicht die Streikenden der Fabrik, sondern Arb.i'er an-derer Fabriken in erster Linie betheiligt. Unter den 18 Verh len befand sich kein einziger der streikenden Arbeiter der Ackergeräthei'brik.Es beweist das recht deutlich die von den sozialistischen Wühlern lünst-lich gemachte Agitation.(Mit Verlaub, geehrter Herr, das beweist ledig-lich, daß die Gesammt-Arbeiterschaft Bierzons für die Streikenden Parteinahm.) Was den verhafteten Generalraih B a u d i n betrifft, so wollenwir ihm das Zeugniß nicht vorenthalten, daß er gewissermaßen dasOpfer seiner Ritterlichkeit wurde. Eine Megäre hatte eben einen Steinauf die Gendarmen geworfen und sollte verhaftet werden. Da sie zuentwischen suchte, ergriff ein Gendarm sie unsanft beim Schopf. Baudinfühlte sich nun verpflichtet, für diese Vertreterin des schönen, aber nichtimmer sanften Geschlechtes einzutreten und wurde dabei selbst verhaftet."„Sozialistische Wühler" wollen wir noch gelten lassen, wir verlangenvon Sozialistensressern keine Liebeserklärungen, aber der Ausdruck„Megäre"für eine von der Entrüstung hingerissene Frau, blos weil sie eine Pro-l e t a r i e r i n ist; die hämische Freude über das„unsanft beim Schopffassen" d. h. brutal Mißhandeln von Seiten des Gendarmen;der Versuch, über das lobenswerthe Eintreten Baudin's für die Arbei-terin zu wltzein, weil die Arbeiterin vielleicht nicht schön war,— daszeugt von einer Rohheit des Denkens, wie sie wahrlich überall eher amPlatze wäre als in einem demokratischen Blatte. Aber freilich, die Demo-kratie der Frankfurterin ist recht alt und schwach geworden, aus sie könnteman das Wort Megäre beim besten Willen nicht anwenden.— Rothschcu und RechtSscheu. Manschreibtuns: Am24. Sep«tember wurde vor dem Schöffengericht zu Chemnitz unter Vorsitz desAmtsrichters Junghanns die berühmte„r o t h e Regenschirm-Affäre" verhandelt. Wie wir schon mittheilten, waren acht Mann an-geklagt, an einem öffentlichen Aufzug theilgenommen und durch Vor-antragung eines großen seuerrothenRegenschirmesAergerniß erregt zu haben. Belastungszeugen waren Kriminal-schutzmann R e s ch- Chemnitz, Obergensdarm E n ß l i n g e r> Annaberg.Geusdarm Große- Gelenau und zwei Thumer Bürger. Aber alleZeugenaussagen hätten günstig lauten müssen, wenn sie der Wahrheitgemäß gemacht wurden. Die wahrheitswidrigen Angaben derGensdarmen dagegen boten den ersehnten Anlaß zur Verurtheilungder Genossen R ie m a n n- Chemnitz und G e y e r- Großenhain zu einerGeldstrafe von je Ig Mark und 3 Tagen Hast. Den Gensdarmen kambei dem energischen Widerspruch Geyers und verschiedener Angeklagtendie Unwahrheit ihrer Aussagen augenscheinlich so recht zum Bewußtsein,allein die Sucht, uns eins auszuwischen, herrschte vor. Der Falsch-Eid ist ja durch die Siöcker'schen Eideshelfer zu einer deutschen Rechts-institution erhoben worden, die ihrem Erfinder alle Ehre macht.Was nun aber die R e ch t s s ch e u des Amtsanwalts und der famosenAmtsrichter anlangt, so sei hervorgehoben, was Geyer schon in seinerVertheidigung bemerkte, daß die Komretenz des Gerichtes mehr alszweifelhaft war, da erstens in der Anklage die von dem Gensdarmengeschilderte Affäre, die aus Ehrenfriedersdorfer Reviersich abgespielt hatte, gar nicht berührt war, obgleich die Gens-darmen schon vor Stellung der Anklage ihre falschen Angaben gemachthatten, zweitens aber die Angelegenheit vor das AmtsgerichtEhrensriedersdorf gehörte, in dessen Sprengel die Sache passirtwar. Doch was scheert sich so ein Sozialistenfresser um Kompetenz-bedenken! Wenn er nur der Verknurrungsfucht fröhnen kann. Beiläufig,es konnten weder der Träger des Schirmes noch andere Theilnehmeridentifizirt werden, darum Freisprechung der übrigen sechsAngeklagten.Weß Geistes Kmder aber das Ehrenfriedersdorfer Amts-gericht birgt, darüber gibt Folgendes Aufichluß. Der Maurer Kr a gl-Chemnitz hatte vom Balkon der Greisenstein-Restauration herab aus einerBlechtrompete die Sachsenhymne geblasen, weshalb ihn diese Richtersippschaft zu vierWochcnGeföngniß verurtheilt«, und zwar behaup-tete der Amtsrichter, K r a g l habe das aus Hohn gethan, denn er seiein Böhme. Als Kragl protestirend seine Naturalisatlonslegitimationauf dem Gerichtstisch niederlegen wollte, fiel dieselbe daneben. Kraglentschuldigte sich, allein der tolle Amtsrichter erklärte dies Herunter-fallen für„ungebührliches Betrage n", wofür Kragl b e s o n-der« Abbitte leisten müsse. Das that er nicht, und erhielt deshalbn o ch 8 Tage Haft, zu deren Verbüßung er sofort abgeführt wurde.Gegen die andere Richter-Tollheit wird Kragl Berufung einlegen.Wegen Vortragung der Sachsenhymne vier WochenGefängniß! O heiliger Ben Akibal— In Meißen in Sachsen wurde dieser Tage der dortigeArbeiterschutzverein aus Grund des Schandgesetzes aufgelöstund dabei von der Polizei die Summe von 40 Mark Kassengeldergestohlen.Wie— harmlos, für die Langsinger überhaupt noch etwas hinzu-legen!Eine Anzahl Haussuchungen, die gleichzeitig stattfanden, blieben ohneden gewünschten Erfolg.— Das Bezirksgericht in Zürich hat am 7. Oktober 9 Personen,davon 8 Arbeiter, die anläßlich des S ch l o s s e r st re i k s mit derPolizei in Konflikt geriethen, zu G e s ä n g n i ß st r a f e n bis zu sechsMonaten, Tragung der Kosten tc. verurtheilt. Wie man selbst ingemäßigten Arbeiterkreisen diesen Rechtsspruch aufnimmt, geht aus nach-stehender Notiz des„Grütlianer" hervor:„Wenn die zürcherischen Arbeiter von den Gerichten eine unbe-fangenere und für sie gerechtere Beurlheilung der Vorgänge anläßlichdes Schlosserstreiks erwarteten, als sie ihnen von den politischenBehörden und der Polizei zu Theil geworden, so brachten ihnen dieseitherigen Ersahrungen sozusagen nur Enttäuschung. Das Bezirksgerichtscheint vielmehr die Handlungen der Polizeidirektion und ihrer Organenoch überbieten zu wollen. Sein neuestes Urtheil gegen den SchreinerF i s ch e r ist wohl das Stärkste, was im ganzen Handel überhaupt ge-leistet wurde.„Dieser Fischer wurde, wie bekannt, bei dem Auflauf im Selnaubrutal niedergeschossen und lag infolge dessen mindestens drei Monatekrank darnieder; wenn er also sich in etwas vergangen, so hätte erdies gebüßt genug. Was thut aber das Bezirksgericht? Es diktirt ihmobendrein noch zwei Monate Gefängniß und krönte damit dieBrutalität der Polizei mit einer neuen!„Außer Fischer standen noch acht weitere Arbeiter, alle wegen„Unge-horsam",„Widersetzlichkeit",„Anreizung zu Aufruhr", einer auch wegen„Versuch der Befreiung eines Verhafteten", vor Gericht. Nur zwei da-von sind Schlosser und doch sagte man damals, die„Schlosser" hättenrandalirt, vor der Hauptwache, im Sellnau und überall. Das Gericht,nur Fehler auf der einen Seite sehend und daS provokatorische Ver-halten der Polizei nicht berücksichtigend, urtheilte nach deutschen Mustern;alle Angeklagten wurden verknurrt: die mildeste Strafe lautet auf3 Wochen, die stärkste auf K Monate Gefängniß, bei den Ausländernüberdies auf Landesverweisung. Das Bezirksgericht hat augenscheinlichein Exempel statuiren, den souveränen„Unterthanen" demonstriren wollen,daß Ruhe und Gehorsgm des Bürgers erste Pflicht auch dann sei, wenndie Staats- und Polizeigewalt Ungesetzlichkeiten begeht und das Rechtder Bürger mit Füßen tritt... Klassenjustiz l"- Bon Nah«ud Kern. Aus W i e n wird offiziös gemeldet.daß die Polizei daselbst eine aus verschiedenen Sektionen bestehendeVerschwörergesellschast aufgehoben habe, welche Brand.stiftung, Raub. Falschmünzerei und ähnliche Verbrechensystematisch vorbereitet, zum Theil sogar bereits betrieben habe. Ob essich dabei wirklich um ein« nach einheitlichem Plan operirende Gemein-schuft handelt, und ob politische Motive irgend welcher Art dabei«ine Rolle gespielt— die Polizei-Notiz spricht von einer anarchisti«schen Verschwörung— wird die gerichtliche Untersuchung ergeben.Dieselbe wird auch hoffentlich über die Rolle, welche die Polizei beider Affäre gespielt, einiges Licht verbreiten. Uns kommt es wenigstenssonderbar vor, daß die Polizei behauptet, bereits seit geraumerZeit(!) von der Verschwörung genau unterrichtet gewesen zu sein, esaber ruhig zuließ, daß diese noch am 27. vorigen Monats in Maria«Lanzendorf eine Brandstiftung verüben durste. Wollte man dieEntdeckung bis zu dem Moment hinausschieben, bis sie politisch zuverwerthen war? Dann ist die Polizei bezw. sind ihre Agenten Mit«schuldige.— Das Gesuch der Vertheidigung der ChicagoerVerurtheilten um Einleitung eines neuen Prozesses istabgeschlagen worden. Verschiedene Blätter melden, daß bereits der Tagder Hinrichtung festgesetzt sei. Da muß der Wunsch der Vater desGedankens gewesen sein, denn unsres Wissens kommt der Prozeß jetzterst vor die Apellinstanz zur Revision.— In Belgien herrscht unterden Arbeitern der Jndustriebezirke von Charleroi, dem Zentrum, derBorinage»., große Erbitterung über die Verwerfung derApvellation der zu zwanzigjähriger Zuchthausstrgfe ver«urtheilten Arbeiter Falleur und Schmidt. Trotz der großartigstenDemonstrationen der Arbeiter zu Gunsten der Amnestie macht die Regie-rung keinerlei Miene, denselben Folge zu geben. Wenn sie in ihrer ab-lehnenden Haltung gegenüber den Arbeitern fortfährt, kann sie bald selbstin die Lage kommen, um Amnestie bitten zu müssen.— Das Schöffen-gericht Berlin hat die wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt,verübt am sogen. Himmelfahrtstag d. I. auf einem Ausflug nach demVorort Grünau, angeklagten Arbeiter freigesprochen. Ein Beweisfür die in der Berliner Bürgerschaft herrschende Mißstimmung über dieinfame Polizeiwirthschaft.— Herbert Bismarck ist Staatssekretärdes Auswärtigen und Vize-Bismarck geworden und Lothar Bucherhat den Staatsdienst q u i t t i r t.„Wenn der Vater mit dem Sohne tc.,dann ade Schatz, lebe wohl."— In A l t e n b u r g ist an Stelle desGenossen B u ch w a l d, dessen Wahl für ungültig erklärt worden, weiler nicht wahlberechtigt sei, Genosse Friedrich gegen die vereinigteOrdnungspartei, und zwar ohne Ueberrumpelung beim Skat, in denLandtag gewählt worden.— Ans Amerika. N ew-Do rk, 25. September. Die AufstellungHenry George's als Kandidat für das Mayorsamt von New-Dorkist am Donnerstag erfolgt. Eine Anzahl von Arbeiterorganisationen, diezusammen über mehr als die ausbedungenen 30, Ovo Stimmen verfügen,haben sich für die Kandidatur ausgesprochen, und es scheint gewiß, daßHenry George am Tage der Wahl, wenn auch nicht siegen, doch übereine sehr ansehnliche Stimmenzahl verfügen wird. Was seine sogenannte„Platsorm"(Programm) anbelangt, so läßt dieselbe in mancher Beziehungzu wünschen übrig; sie bringt die Halbheit und Unklarheit, welche wiran dem Kandidaten kennen, zum Ausdruck— geht den eigentliche»Prinzipienfragen aus dem Weg, schießt an deren Kern vorüber und be«schränkt sich auf verschwommen formulirte Nebenfragen— wie daSJeder, der die Schriften des Mannes gelesen hat, natürlich finden wird,allein immerhin ist ein Stück Sozialismus in dem Programm enthalte»,und die Kriegserklärung an die herrschende Korruption und das Land-Monopol der Kapitalisten und Schwindler muß von jedem Arbeiter undSozialisten unterschrieben werden. Da von der Ausstellung eines streng-sozialistischen Kandidaten mit irgend welcher Aussicht auf Erfolg unterden obwaltenden Verhältnissen nicht die Rede sein kann, werden dieSozialdemokraten für Henry George eintreten, obgleich sie sich nichtverhehlen, daß Henry George im Falle des Siegs schwerlich für dieArbeiter Ersprießliches leisten würde.Jedenfalls ist der Schritt etwas gewagt, denn wird es auch der Ar-beitersache Vorschub leisten, wenn Henry George eine imposante Stimmen«zahl auf sich vereint, so ist auf der anderen Seite doch die Möglichkeitnicht ausgeschlossen, daß es den Jntriguen der beiden großen Parteien,der demokratischen und der republikanischen, schließlich doch noch gelingt,ein schädigendes Fiasko herbeizuführen.Parsons, einer der Verurtheilten des Chicagoer Prozesses, hat sichin einem Brief an seinen Freund Schwab in New-Dork darüber be-schwert, daß Liebknecht in der großen Versammlung in Cooper's Hallirrige Ansichten über den Anarchismus geäußert, er sei dazu wohl durch dieverlogene Bourgeois presie verleitet worden. Liebknecht, dem dieser Briefdurch Schwab mitgetheilt ward, hat daraufhin an Schwab geschrieben,dersilbe möge doch Parsons wissen laflen, daß er— Liebknecht— inCooper's Hall überhaupt nicht über„Anarchismus" gesprochen habe,wohl aber mit aller Energie für die juristi-che Unschuld der ChicagoerVerurtheilten eingetreten sei; daß er— Liebknecht— bis jetzt nochnicht habe ermitteln können, was Anarchismus sei. daß aber das, wasParsons in seiner Rede vor dem Schwurgericht gesagt habe, im Wesent«lichen nichts anderes als Sozialismus sei, und daß er— Liebknecht—nicht einsehe, warum man den Sozialismus nicht lieber mit seinem altenehrlichen Namen nenne, statt mit einem Namen, der sowohl seinem Ur»sprung als seiner gebräuchlichen Anwendung nach etwas dem Sozialis«mus Entgegengesetztes bedeutet.Die Agitationstour, welche nun im Ernste begonnen hat, ist eine fort-lausende Reihe von Erfolgen. Die deutsche Parteibewegunz nimmt einenprächtigen Aufschwung, und das englische Element zeigt sich mehr undmehr sympathisch.— Neber den Orden der Arbeitsritter(Knights of Labor)— so schreibt man uns— sind die widersprechendsten Angaben undMeinungen verbreitet. Während von den Einen die Stärke des„Ordens"auf 350,000 geschätzt wird, schätzen Andere sie auf 1'/, Millionen.Während nach den Einen die Organisation eine sehr feste ist und sozia»listische Ziele verfolgt, ist sie nach'den Anderen sehr lose und verfolgtZiele, die über die gewöhnlichen amerikanischen Gewerkschaftsziele nichtHinausgehen. Bei der Geheimnißkrämerei der Arbeitsritter und ihrerBehörden ist es sehr schwer, der Wahrheit auf den Grund zu kommen.Folgendes, das auf genauen Nachforschungen beruht, dürfte der Wahr,beit so ziemlich entsprechen. Die Zahl der Ordensritter beträgt ungefähr400,000, wobei die kanadischen Mitglieder eingerechnet sind, denn derOrden erstreckt sich offiziell über Amerika— beschränkt sich jedoch nichtauf die neue Welt, sondern hat auch in England einige, jedoch un,bedeutende Zweige oder„Versammlungen"(assomblios). Von einer ge-wöhnlichen Gewerkschaft unterscheidet sich der Orden dadurch, daß erArbeiter aller Berufs arten aufnimmt und zwar ohne die,',selben in gesonderten Gruppen zu vereinigen. Er nimmt auch ganzeTrabes Unions(Gewerkschaften) aus und beläßt ihnen ihre selbständigeOrganisation. Und ebenso können einzelne Tradesunionisten in den Ordeneintreten. In Bezug auf den Beitritt ganzer Gewerkschaften und-m,zelner Gewerkschaftsmitglieder ist viel geflunkert worden; von große»Gewerkschaften, aus denen nur einzelne Mitglieder dem„Orden" bei«traten, wurde behauptet, sie seien mit aller Mannschaft eingetreten; undso entstanden die übertriebenen Angaben betreffs der Mitgliederzahl deS„OrdenS". Die Organisation, welche eine zwiefache ist: eine geheime undeine öffentliche, wird von glaubwürdigen Mitgliedern als eine sehr festegeschildert; die Beiträge würden pünktlich gezahlt und bedeutende Geld-mittel seien vorhanden. Jndeß hat die Organisation sich noch zu be-währen. Was die geheime Organisation angeht, so ähnelt sie der-jenigen der Freimaurer. Das erscheint uns Deutschen etwas seltsam, jalächerlich, man muß aber bedenken, daß die englischen Trades Unions,aus deren Schultern der Orden der Arbeitsritter steht, sämmtlich diesesfreimaurerische Zeremoniell hatten, zum Theil noch haben, und daß das,selbe aus den mittelalterlichen Gesellenverbänden stammt,deren Fortsetzung die Trades Unions sind. Dieses Zeremoniell istnicht dem des Freimaurerordens nachgeäfft, sondern entspringtnur der nämlichen Quelle. Thatsache ist, daß dieses halbreligiöseZeremoniell der englischen Anschauungsweise zusagt, und einen nicht zuverachtenden Kitt bildet, der freilich, unsers ErachtenS, durch Besseresund Vernünftigeres ersetzt werden könnte und sollte.Wie gesagt, die Organisation ist eine zwiefache— eine öffentliche undeine geheime. Dem entsprechend ist auch daS Programm ein zwie-faches— neben dem gedruckten eines, welches nur den Eingeweihten mit-getheilt wird, und von ihnen nicht veröffentlicht werden darf. Zuver-lässigen Mittheilungen nach ist dieses geheime Programm— und dasist wichtig— viel weitergehend als das öffentliche. ESgeht davon aus, daß die Arbeit die Quelle alleS Reichthums ist, undverlangt außer der„Nationalisation" des Landes, der B-rgwerke, Eisen»bahnen und Telegraphen, die Abschaffung des Lohnsystemiund die allgemeine Einführung der genossenschaftlichen Arbeit. Ist dieSrichtig— und wir haben allen Grund, die Information sür zutreffendzu halten— so dürste der„Orden" der Knights of Labour zu einer