muß, schließlich hinreißen läßt, selbst etwas davon zu nehmen, so ist dasnlsdinn eines von den schweren Vergehen, woliir die extra strengeBestrafung in Anwendung gebracht werden muß. Wie kann ein Zöglingsich auch unterstehen, Begierde nach dem zu haben, was jene Herrschaftennur für sich beanspruchen!Doch besehen wir unS das Bild noch etwas näher. Die Zöglinge ver«bleiben gewöhnlich bis zur Konfirmation in der Anstalt selbst, dochwann sie konfirmirt werden, liegt lediglich im Ermessen des Anstalts-Pastors, und so werden sie denn auch vielfach erst mit dem 17. oder18. Lebensjahre oder auch noch später konfirmirt. Nach erfolgter Kon-fir nation verbleiben sie dann gewöhnlich noch drei Jahre unter der Bot-Mäßigkeit der Anstalt, und werden sür diese Zeit von der Anstalt ausan Bauern oder irgendwo in Dienst gegeben, wobei hauptsächlich aufsolche Dienststellen Bedacht genommen wird, wo es die Zöglinge nichtbesser als vorher haben, bei Leuten, die gewöhnlich keine andernDienstboten bekommen können, wo indeß für die Privat-Küchen des Anstalts- Vorstandes genügende Gratifikation an Eiern,Bulter, Hasen, Schinken tc. abfällt. Auch werden die Bauern, wo Zög-linge der Anstalt im Dienst stehen, von den Anstaltsvorstehern nebstFamilien recht fleißig besucht. Daß die Dienststellen unter solchen Um-ständen nicht allzu verlockend find, ist leicht begreiflich. Der Dienstlohnwird an die Anstalt bezahlt, wogegen die Anstalt die Anschaffungder erforderlichen Kleidungsstücke w. besorgt. Es heißt zwar, die Anstaltnehme das Geld nur in Verwahrung, doch wird die Verwahrung ge-wöhnlich so gewissenhaft ausgeführt, daß einfach nichts übrig bleibt. Danun die Bauern und Dienstherrschaften, bei w-lchen Anstaltszöglinge imDienste stehen, mit den Anstaltsvorstehern paltiren, so ist als Gebrauch«ingesührt, daß wenn ein irgendwo in Diensten stehender Zögling sichetwas zu Schulden kommen läßt, er von seiner Dienstherrschaft eine ArtNriaSbrief behändigt erhält, mit der Weisung, denselben nach demRcttungshause zu bringen. Der Brief enthält dann die Mittheilung desvermeintlichen V-rgehens, und der Ueberbringer empfängt im RettunzS-Hause die dort als angemessen erachtete Strafe, welche in der Regel inPrügeln besteht, und zwar meist so brutaler Art, daß die Betreffendeninfolge derselben mehrere Tage arbeitsunfähig sind. Die kleinlichstenVorfälle geben häufig schon Anlaß zur Ausfertigung eines solchen Urias-brieses, auch fehlt es dabei nicht an falschen Anschuldigungen,wie nachfolgend gefchüderter Vorfall beweist.Der Kommunismus Babeufs.Aus einem noch heute lesenswerthen Artikel desberühmten Volksmannes.II.Babeuf fährt fort:„Wir wer! en deutlich erklären, was das Ziel der Gesellschaft,das allgemeine Glück, ist.„Wir werden zeigen, daß das Loos keines Menschen bei dem Ueber-gange vom Naturzustande zum gesellschaftlichen Dasein verschlechtertwerden durfte.„Wir werden das Eigenthun definiren, wir werden beweisen, daßder Grund und Boden Niemrndem gehört, sondern das Eigenthum«ller ist.„Wir werden beweisen, daß Alles, was der Einzelne darüber hinaus!usammenscharrt, als nöthig ist, sich zu ernähren, ein sozialer Dieb-tahl ist.„Wir werden beweisen, daß das angebliche Recht der V-räußerlichkeit(des Grund und Bodens) ein infames, volksmörderisches Attentat ist.„Wir werden beweisen, daß das Erbrecht der Familie einnicht minder großer Greuel ist; daß es die Mitglieder der Gesellschaftisolirt und aus jedem Haushalt eine kleine Republik macht, die nicht«nders kann als gegen die große konspiriren und die Ungleichheit ver-«wigen.„Wir werden beweisen, daß Alles, was ein Mitglied unter dembesitzt, was nöthig ist, allen seinen Bedürfnissen Genüge zu leisten, Folgeist eines Raubes an seinem natürlichen Eigenthum, verübt durch diewucherischen Aneigner des allgemeinen Reichthums.„Daß nach derselben Folgerung Alles, was ein Mitglied des sozialenKörpers über dem besitzt, was nöthig ist, allen seinen BedürfnissenGenüge zu leisten, das Resultat ist eines an seinen Mitgenossen verübtenDiebstahls, durch den eine mehr oder minder große Zahl nothwendiger-weise ihres Antheils am allgemeinen Reichthum beraubt wird.„Daß alle noch so feinen Beweisführungen nichts vermögen gegenüberdiesen unabänderlichen Wahrheiten.„Daß die Ueberlegenheit der Talente und des Gewerbefleißes nur einMärchen, ein trügerischer Köder ist, der den Verschwörern gegen dieGleichheit zu allen Zeit ungerechtfertigterweise gedient hat.„Daß die Unterschiede des Werthes und des Verdienstes am Produktder Arbeit der Menschen nur auf der Anficht beruht, die einige vonihnen darüber gehegt und denen sie ein Uebergewicht zu verschaffengewußt haben.„Daß es unbestritten wider alles Recht ist, wenn diese Meinung denArbeitstag dessen, der eine Uhr macht, zwanzigmal höher schätzt als denArbeitstag dessen, der Furchen zieht.„Daß jedoch nur Dank dieser falschen Schätzung der Verdienst desNhrmachergehrlsen ihn in den Stand setzt, das Erbtheil von zwanzigArbeitern an der Pflugschar zu erwerben, die er auf dies« Weise enl-eignet.„Daß alle Proletarier nur zu solchen geworden sind durch die Ergeb-Nisse ähnlicher Berechnung in allen anderen Wechselbeziehungen, die je-doch sämmtlich von einer und derselben Grundlage, der Unterscheidungdes Werthes der Dinge auf bloße Schätzung hin, ausgehen.„Daß es abgeschmackt und ungerecht ist, eine größere Belohnung fürDenjenigen zu verlangen, dessen Arbeit einen höheren Grad von Intel-ligenz, mehr Fleiß und geistige Anstrengung erfordert; daß solche keines-wegs die Faylgkeit seines Magens ausdehnt.„Daß kein Grund angeführt werden kann zur Rechtfertigung einerBelohnung, welche die Befriedigung des individuellen Bedarfs übersteigt.„Daß der Werth der Intelligenz ebenfalls nur eine Sache der Schätz-ung ist und daß es noch zu untersuchen bleibt, ob der Werth dernatürlichen, rein physischen Kraft ihm nicht gleichkommt.„Daß es die Intelligenten gewesen sind, welche den Ergebnissen ihrerGehirnthätigkeit«inen so hohen Preis gegeben haben, und daß, wenn esdie Kräftigen gewesen wären, welche threrseils die Dinge geregelt hätten,sie ohne Zweifel festgestellt hätten, daß das Verdienst der Arme demdeS Kopfes gleichkommt und daß die Anstrengung des ganzen Körperswohl als Ausgleichung gelten dürfe für die des einen wiederkäuendenTheiles.„Daß, wenn man diese Gleichsetzung nicht annimmt, man den Betrieb-fameren eine Wuchervollmacht ausstellt, einen Rechtstitel zur straflosenBeraubung Derer, die es weniger sind.„Daß auf diese Art daS Gleichgewicht des Wohlstandes in der Gesell-fchast zerstört, umgestürzt worden ist, da nichts mehr bewiesen ist alsunser großes Grundprinzip: daß man nur dadurch dazu ge-gelangt, zu viel zu haben, daß man bewirkt,.daß An-der« zu wenig haben.„Daß alle unsere bürgerlichen Einrichtungen, unsere gegenseitigenGeschästsbeziehungen nur Akte einer fortgesetzten Räuberei find, auto-risirl durch widersinnige und barbarische Gesetze, in deren Schatten wiruns nur damit beschäftigen, einander zu berauben.„Daß unsere Spitzbudengesellschast mit ihren von Anfang an scheuß-lichen Einrichtungen alle Sorten von Last-rn, von Verbrechen und Unheilnach sich zieht, gegen weiche sich die wenigen Wohlgesinnten vergebensauflehnen daß sie derselben nie Herr werden können, weil sie das Uebelnicht an seiner Wurzel angreisen, und weil sie nur Palliativmittel an-wenden, die ste aus der Fülle der falschen Ideen unserer organischenEntartung geschöpft haben.„Daß es nach Allem, was vorhergeht, klar ist, daß Alles, waS Diejenigen besitzen, die mehr haben als ihren gebührenden Antheil an demReichthum der Gesellschaft, Diebstahl und Usurpation ist.„Daß es also gerecht ist, eS»hnen wieder zu nehmen.„Daß selbst Derjenige, der beweisen würde, daß er lediglich mittelstSeiner natürlichen Anlagen soviel zu thun verniag als vier, und der»aher die Bezahlung von vier verlangte, darum nicht minder ein Ver«schwör« gegen die Gesellschaft wäre, indem er dadurch allein da»Gleichgewicht derselben erschütterte und die unschätzbare Gleichhett ver«nichtete.„Daß die Vernunft allen Mitgenossen gebieterisch befiehlt, einen solchenMenschen zu unterdrücken, ihn zu verfolgen als eine soziale Geißel, ihnmindestens außer Stand zu setzen, mehr zu thun als die Arbeit einesEinzigen, damtt er nur Anspruch hat auf die Belohnung eineS Sin-»igen.„Daß eS nur unser Geschlecht ist, das diesen mörderischen Wa>stnn,nach Tüchtigkeit und Verdienst zu unterscheiden, eingeführt hat, und daßdaher auch es allein es ist, welches Unglück und Entbehrungen kennt.„Daß keine Entziehung solcher Dinge, welche die Ratur Allen gibt,welche sie für Alle hervorbringt, stattfinden sollte, es sei denn in Folgevon unvermeidlichen Naturereignissen, und daß in diesem Falle dieseEntbehrungen von Allen getragen, gleichmäßig unter Alle vertheilt werden müssen.„Daß die Erzeugnisse des Geistes und der gewerblichen Thätigkettebenfalls Eizenthum Aller, daS Besttzthum der gesammten Assoziation,von dem Augenblick an werden, da die Erfinder und Arbeiter sie in'sLeben gerufen; weil sie nur eine Ausgleichung sind für frühere Ersin-düngen des Geistes und des Gewerbfleißes, welche diesen neuen Ersin-dern und Arbeitern m der Gesellschaft zu Gute gekommen sind, ihnenbei ihren Entdeckungen geholfen haben.„Daß, weil die erworbenen Kenntnisse Allgemeingut sind, ste auchAllen gleichmäßig zu Theil werden sollen.„Daß es eine sehr zu Unrecht von dem bösen Willen, dem Vorurtheiloder der mangelhaften Ueberlegung bestrittene Wahrheit ist, daß diesegleiche Verbreitung der erworbenen Kenntnisse alle Menschen an Fähig-keit und selbst an Talenten nahezu gleich machen würde.„Daß die Erziehung eine Ungeheuerlichkeit ist, wenn sie ungleich, nurdas ausschließliche Erbtheil eines Bruchtheils der Gesellschaft ist, weil siedann in den Händen dieses Bruchtheils ein Borrath von Maschinen, einArsenal von Waffen aller Art witzd, mit Hilfe deren eben dieser Bruch-theil gegen die erster«, die waffenlos ist, kämpft und infolgedessen leichtdazu gelangt, sie zu unterjochen, sie zu betrügen, sie zu berauben, ste indie entwürdigendsten Ketten zu schlagen.„Daß es keine wichtigere Wahrheit gibt als die, welche wir bereitsangeführt, und die ein Philosoph in folgende Worte zusammengefaßthat:„Streitet, soviel ihr wollt, über die beste Re-gierungsform, ihr werdet nichts ausgerichtethaben,solange ihr nicht die Keime der Habgier und desEhrgeizes zerstört habt."„Daß daher die sozialen Einrichtungen dahin führen müssen, daß siejedem Individuum die Hoffnung nehmen, jemals durch seine Gabenreicher, mächtiger» oder angesehener zu werden als irgend einer seinerMitbürger.„Daß, um e» genauer zu präzisiren, man dahin kommen muß, dieSchicksale zu verketten, das jedes Mitgenossen unabhängig zu machenvon allen glücklichen und unglücklichen Umständen und Zufällen, jedemEinzelnen und seinen Nachkommen, wie groß ihreZahl auch sei, den ausreichenden Bedarf zusichern,aber auch nicht? als diesen, und Allen alle nur möglichen W-gezu versperren, jemals mehr als dielen ihnen zukommenden Antheil anden Produkten der Natur und der Arbeit zu erlangen.„Daß das einzige Nüttel, die» zu erreichen, darin besteht, die ge-meinschaftliche Verwaltung einzuführen, das Sondereigen-thum aufzuheben, jeden Menschen dem Beruf, dem Wirkungstreis zuzu-weisen, dem er gewachsen ist, ihn zu verpflichten, die Frucht desselbenin natura an das gemeinsame Magazin abzuliefern, ein einfaches Ver-theilungsamt einzurichten, eine Verwaltung der Lebensmittel, die überalle Individuen und Tinge Buch führt und die letzteren in peinlichsterGleichheit vertheilt und in die Wohnung jedes Bürgers abführt.„Daß diese Regierung, deren Durchführbarkeit durch die Erfahrungbewiesen ist, weil sie die unseren zwölfmalhunderttaulend Mann unsererzwölf Armeen gegenüber angewendete ist(waS im Kleinen möglich ist,ist es auch im Großen), daß diese Regierung die einzige ist, die dasallgemeine, unzerstörbare, ungetrübte Glück zur Folge haben kann, dasallgemeine Glück, das Ziel der Gesellschaft.„Daß diese Regierung verschwinden machen wird die Feldmarken, dieHecken, die Mauern, die Schlösser an den Thüren; die Streitigkeiten,Diebstahl und Mord, alle Verorechen; die Gerichtshöfe, die Gefängnisse,die Strafen, die Verzweiflung, welche alle diese Uebel verursachen, denNeid, die Eifersucht, die Unersättlichkeit, den Hochmuth, den Betrug, dieFalschheit, mit einem Wort: alle Laster; mehr noch(und dieser Punktist unzweifelhaft die Hauptsache) den nagenden Wurm der allgemeinen,jeden von uns unausgesetzt quälenden Unruhe über unser Schicksal amnächsten Tage, im folgenden Monate, im kommenden Jahre, üser unserAlter, unsere Kinder und Kindeskinder.„Dies ist ein kurzer Abriß des fürchterlichen Manifestes, welches wirder unterdrückten Masse des französischen Volkes vorlegen werden, dessenersten Entwurf wir ihm hiermit unterbreiten, um ihm einen Vorgeschmackdesselben zu geben."Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 10. November 1886.— Bliithenlese aus der Kottbufer GerichtS-Komödie. Dauns der Raum fehlt zur ausjührlichen Wiedergabe der Berichte über diebeiden Verhandlungen— es waren eigentlich zwei Prozesse, einer üb,rdie Spremberger Ereignisse vom Wittag des 80. April und ein zweilerüber den Krawall vom 1. Mai— die sich in der vorigen Woche vor undseitens des Landgericht» zu Koltbus abgespielt, das Wort spielen inseiner vollsten Bedeutung genommen, so beschränken wir uns auf dieHeraushebung einzelner Szenen, in denen der Charakter des Prozessesund der in ihm agirenden Personen ganz besonders zum Ausdruck kam.Die Ereignisse selbst dürfen wir wohl bei unfern Lesern als bekanntvoraussetzen, im heutigen Leitartikel haben wir sie übrigens noch einmalkurz rekapitulirt.Erster Prozeß, erster Tag. Es erscheint als Zeuge der frühere Polizeisergeant Schilling, der entlassen wurde, weil er sich gegendie jugendlichen Exzedenten nicht„schneidig" genug gezeigt.„P r ä s i-dent: Weshalb sind Sie nicht mehr Polizeisergeant?— Zeuge: DaSweiß ich nicht.— Präs.: Sie sollen, da Sie sich zum Polizeibeamtennicht eigneten, zu Ihrer jetzigen, mehr friedlichen Stellung befördertworden sein?— Zeuge: DaS weiß ich nicht.— Präs.: Sie sollen,als Hubrich Sie aufforderte, ihm gegen die Menge Hilfe zu leisten, sichdessen geweigert haben?— Zeuge: DaS ist nicht wahr, ich habe michbloS geweigert, meinen Säbel zu ziehen.— Präsident: W-Shalbwollten Sie den Säbel nicht ziehen?— Zeug«: Weil ich der Meinungwar, daß das den Skandal nur vergrößern und nicht« dadurch erreichtwürde. Ich sagte dem Hubrich: er solle doch nicht mit dem Säbel her-umhauen, sondern die Leute vernünftig behandeln, dann gehen sie vonselbst wieder auseinander.— Präs.: Sie waren also der Meinung,Hubrich sollte den Zug ruhig passiren, sozialdemokratische Lieder fingenund eine rothe Fahne vorantragen lassen.— Zeuge: Gesang habeichnicht gehört und eine rothe Fahne habe ich nicht gesehen. Ich war jedochder Meinung, da es gerade Zeit war, daß die Arbeiter in die Fabrikenund die Kinder, die auch in sehr großer Zahl anwesend waren, in dieSchule gingen, sich alles sehr bald verlaufen würde, wenn Hubrich ver-nünstig mit den Leuten umging.— Präs.: Sie wissen doch aber, daßdie Menge auf Hubrich einschlug und förmlich Fangball mit ihm gespieltwurde?— Zeug«: Das habe ich nicht gesehen.— Präs.: Siewissen, daß die Leute von der Gestellung kamen, sämmtlich angetrunkenwaren und in solcher Lage zur Ausübung eines Putsches leicht geneigtsind.— Zeuge: Das wäre wohl nicht geschehen.— P r ä s.: Siesollen sich nun geweigert haben, die Exzedenten zu notiren?— Zeuge:Ich hiell das nicht sür nöthig, da ich die Leute all« kannte. Ich hieltdie ganze Sache nicht sür so schlimm; ich war der Meinung, wennHubrich den Leuten gut zugeredet hätte, dann wären sie von selbst aus-einander gegangen."Natürlich wird auf die Aussage dieses Zeugen kein Gewicht gelegt.Ein Kataster-Kontroleur Borchardt und ein Rentier Müller finden viel-mehr, daß Hubrich noch viel zu mild« vorgegangen.Der im zweiten Prozeß als AngeNagter fizurirende Tuch nrchermeisterT i t t e l wird als Zeuge vernommen.„Präsident: Sie sind nunder Meinung, daß die großen Volksversammlungen, die im Schützenhausezu Spremberg stattgefunden, in denen verschiedene Berliner Abgeordnet«gesprochen haben, daß ferner die Manusakturarbeiterschaft, die v-rschie«denen Streiks, die Nachrichten über die belgischen Arbeiter-Unruhen jeneErregung in der Spremberger Arbeiterbevölkerunz hervorgerufen habenund daß dies schließlich den Krawall veranlaßt hat?— Z e u g e: Ichbin der entgegengesetzten Meinung.— Präs.: Sie haben dies aber beidem Herrn Untersuchungsrichter bekundet.— Zeuge: Das ist ein Irr-thum, ich habe gesagt: All' die erwähnten Dinge haben den Krawallnicht veranlaßt, und hinzugefügt, die Spremberger Arbeiter haben mitdem ganzen Krawall nichts zu schaffen. Die Ex-edenten sind fast sämmt-lich Leute in ganz jugendlichem Alter.— Präs.: Sie wollen das viel-leicht hier nicht'öffentlich sagen. Ich werde mir die Akten bringen lassenund Ihnen Ihre Aussagen vorhalten."Zweiter Tag. Angeklagter Hutarbeiter K i t t l i tz: Ich gehe ge«wöhnlich Mittags ein Glas Bier trinken, ich mußte infolge dessen dieDresdenerstraße passiren, woselbst der Krawall stattfand. Kaum war ichherangekommen, da kam Wachtmeister Sommer aus mich zu und brülltemich an mit den Worten:„Wer sind Sie, wollen Sie sich entfernen?"— Präs.! Angeklagter, Sie sind Mitglied der sozialdemokrati'chenPartei?— Angekl.: Herr Präsident, können Sie mir vielleicht sagen,was das bedeutet?— Präs.: Das werden Sie wohl wissen.— An-- gekl.: Ich weiß es nicht, deshalb möchte ich gern Aufklärung haben.—Präs.: Benehmen Sie sich anständig, ich bin nicht dazu da, um michin Interpellationen einzulassen, ich habe nur auf Ihre Parteiangehörig-keit hingewiesen, da Sie sagten: der Wachtmeister Sommer habe Sieangebrüllt. Wachtmeister Sommer befand sich im Amte, er mußte so lautsprechen, daß er von allen Leuten verstanden wurde. Es ist daher sehrunpassend, wenn Sie sagen, der Wachtmeister habe Sie angebrüllt."Dritter Tag. Da der Landrath des Kreises am ersten Tage nichtso ausgesagt, wie es dem Gerichtspräsidenten in den Kram paßte, wirder noch einmal vorgenommen.„P rät.: Herr Landrath laut eines ein«gegangenen Zeitungsberichtes sollen Sie auf meine Frage, ob Sie denKrawall für eine sozialdemokratiiche Demonstration gehalten, geantwortethaben:„Das bezweifle ich, denn ich muß bemerken, daß die meisten derExzedenten stark angetrunken waren." Ich glaube, das ist nicht ganzkorrekt.— Landrath Hoffmann: Ich habe nicht gesagt, ich bezweifle»daß der Krawall eine sozialdemokratische Demonstration war, sondern ichsagte: Ich habe von einer sozialdemokratischen Demonstration nicht»wahrgenommen; als ich hinzukam, da wurde nicht mehr gesungen, auchhabe ich keine Fahne gesehen.— Präs.: Sie bezweifeln aber nicht, daßder Krawall die Frucht der sozialdemokratischen Agitation war, sondernSie sind im Gegenlheil der Meinung, daß der Krawall die Folge dersozialdemokratischen Agitationen gewesen ist.— Z e u g e: Ja wohl.—Präs.: Sie haben ferner gesagt, Sie wissen nicht, ob die gegenwärtigenAngeklagten zur sozialdemokratischen Partei gehören.— Zeuge: DaSist richtig.— Präs.: Uxber diesen Punkt werden wir noch den HerrnBürgermeister vernehmen.".Der biedere Bürgermeister, Wirth ist sein Name, weiß natürlichvon jedem der Hauptangeklagten, daß er zur sozialdemokratischenPartei gehört. Auf die Frage nach Beweisen erhalten die Ange«klagten vom Gerichtspräsidenten Antworten wie:„Der Bürgermeisterhat gesagt, er wisse in dieser Beziehung nichts aus eigener Wahrneh-mung. Sie sind jedoch in den Polizeiakten als Sozialdemokraten ver-zeichnet" und, als die Polizei vernommen wird,„die Aussage des HerrnWachtmeisters beruht nicht auf eigenen W ihrnehmungen, derartige Wahr-nehmungen wurden aber von verschiedenen Personen gemacht." Mttanderen Worten: von Spitzeln und Denunzianten.Die Krone deS Prozesses bildet das Plaiooyer des StaatsanwaltesHaucke und die Urtheilsbegründung durch den Präsi-d e n t e n.Staatsanwalt:„Ich bin entfernt, die Führer der sozialdemo-k alischm Partei für den Krawall verantwortlich zu machen. Ich binsogar der Meinung, die ganze Sache kam ihnen sehr unzelegen, da sieeinmal die Zeit noch nicht für gekommen hielten, um in dieser Weisedt-, sozialdemokratische Gesinnung zu bethätigen und weil sie außerdemwußten, daß durch derartige Vorgänge die gutgesinnt« Bevölkerung vonSpremberg sich ihnen feindlich gegenüberstellen würde.... Fest stehtjedenfalls, daß der Krawall eine sozialdemokratische Demonstration war.Dafür spricht die rothe Fahne und der Gesang des sozialdemokratischenüiedes. Der in einer anderen Sache angeklagte, hier als Zeuge erschie«neue Tuchmacher Tittel sagte: Die gegenwärtigen Angeklagten habenjedenfalls keine Ahnung, was Sozialdemokratie bedeutet. Ich theile dieseMeinung. Was Sozialdemokratie bedeutet, wissen übrigens diewenigsten Sozialdemokraten."(Desto verblüffender sind, wie Jedermann steht, die Kenntnisse deSStaatsanwalts darüber. Hoffentlich verheimlicht der Herr der Welt nichtlänger die Quelle, wo er seine Studien darüber gemacht.)Von nun an decken sich Anklage und Urtheilsbegründung so genau,daß es genügt, eine von beiden zu zitiren. Hören wir also den biederenGerichtspräsidenten:„Der Gerichtshof ist nicht der Meinung, daß die sozialdemokratisch«Partei den Krawall inszenirt hat, der Gerichtshof ist jedoch der Ueber«zeugung, daß durch die sozialdemokratischen Agitationen der Boden zudiesem Krawall vorbereitet worden ist.(Da haben wir'».) Eswar zweifellos, daß der von der sozialdemokratischen Partei in Sprem«berg gepflegte Geist der Unordnung, der Auflehnung und Widerspenstig«I«it gegen die bestehenden Gesetze den Krawall verursacht hat. Wennauch der Krawall zunächst aus Haß gegen den Polizeiwachtmeister Hub-r>ch unternommen worden ist, so war doch gleichzeitig eine sozial«demokratische Demonstration damit beabsichtigt. Der PolizeiwachtmetsterHubrich hat daher nur seine Pflicht erfüllt, wenn er den Aufzug miteinem rothen Taschentuch und dem Gesang sozialdemokratischer Liederuntersagte. Angesichts dessen, sowie in Berücksichtigung des ganzen Vorfalles mußte wie geschehen(d. h. wie der Staatsanwalt beantragte)erkannt werden."Und damit war einem ganz alltäglichen Krawall, den die tölpelhasteBrutalität einer bornirten Polizeiseel« unmittelbar hervorgerufen, derCharakter eines sozialdemokratischen Tumultes aufgedrückt,und bereits der Boden sür den zweiten und noch in Aussicht stehendendritten Prozeß geebnet. Der Konflikt war von Ansang an„sozial-demokratisch", braucht es mehr, um die Angeklagten— die bei-läufig nicht einmal einen Anwalt hatten— zu ebenfornel MonatenGefängniß zu verurtheilen, als sie unter anderen Umständen Wochenoder, wenn eS Bourgeoissöhnchen gewesen wären, Tage Gefängnißerhalten hätten?Aber— es waren halt Arbeiter, und der kleine Belagerung»-zustand mußte gerechtfertigt werden!Ueber den zweiten Prozeß in nächster Nummer. Für heut« zum Schlußnur noch die Namen der ehrenwerthen Kottbufer Richter: Landgerichts«direktor R i t g e n(nicht Ritzen), Vorsitzender; Gründler(Land-g-richtsrath) und Klebolte, Dr. Gill is che w Ski und Dr. Voß(sämmtlich Landrichter) B e i s i tz e n d e.Möge ihnen die verdiente Hochachtung nicht vorenthaltenbleiben!— Die bulgarische Krage ist insofern in ein neues Stadiumgetreten, als es die Regierung Oesterreichs, durch Lord Salisbury ge-stachelt, endlich an der Zeil gesunden hat zu erklären, daß man zwarnicht gesonnen sei, sich um der Freiheit der Bulgaren willen in einenKrieg zu stürzen(hat auch Niemand von Oesterreich erwartet), daß manaber gegenüber einer militärischen Besetzung Bulgarien» durch Ruhlandoder einer indirekten Annexion durch einen Kommissär sich zu eine«„entschiedenen Stellungnahme" veranlaßt sehen werde. Das ist nun ineinem Moment, wo Kaulbars mit größter Frechheit sich alle Stechte einesKomMissSrS anmaßt, blutwenig, wird aber hoffentlich genügen, daSbulgarische Volt zum Susharren wider Rußlands Einschüchterungspolitikzu ermuthigen. Die Sympathie des„gesitteten Europa" hat und hätteihnen keinen Pfifferling genutzt, ob mit, ob ohne Sympathie hätte Ruß«land daS Land verschluckt als wäre es ein simples Polen. Aber dieErklärunmKalnoky's, daß die Unabhängigkeit Bulgariens zur I n t« r-efsensphär« Oesterreichs gehört, gibt ihnen einen starken Rückhalt.Wenn zwei Spitzbuben sich streiten, kommt der ehrliche Mann zuseinem Recht.Väterchen wird nun, da eS kein Pulver riechen kann, mit seinenPrätensionen einige Pflöcke zurückstecken müssen. Armer Sekretär, de«