Der zweite Akt der Kottbuser GerichtSkomödie Us Verhandlung gegen die wegen Theilnahme an dem Krawall vom I.Mai Angeklagten   unterscheidet sich eigentlich so wenig von dem ersten Akt. daß wir, da inzwischen nun auch der dritte Akt die Schwurgerichts« Verhandlung gegen dieRädelsführer" stattgefunden, es für Raumverschwendung ansehen müßten, wollten wir auf alle Ein« zelnheiten, die wir uns notirt, eingehen. Es ist überall das gleiche Lied: der Präsident wetteifert mit dem Staatsanwalt in dem Bs- streben, den Krawall als einensozialdemokratischen" hmzu- stellen, und dieZeugen" aus dem Bourgeois« und Beamtenstande unterstützen ihn dadurch, daß sie die fürchterlichsten Reden und Redens- arten gehört zu haben behaupten. Daß die Feigheit Gespenster   und Halluzinationen züchtet, ist bekannt, es mögen also einzelne Zeugen sich im Ernst einbilde», vonBomben und Dynamit" reden gehört zu haben, w der Mehrzahl von Fällen spricht jedoch aus den Aussagen der Be- lastunzszeugen, und ander« wurden fast gar nicht verhört, der nackte, brutale K l a f s e n h a ß. Ein klassischer Vertreter dafür ist der Vertreter der biederen Bürgerschaft, der ehrenwerthe Bürgermeister Wirth, der, «eil oder als Hasenclsver in einem Vortrage den Satz aussprach, er halte den Staat nicht für einen NachiwSchter, sondern"-- eine Versammlung deshalb auflösenmußte". Natürlich sind die Spremberger  Arbeiter nicht durch solche infame Polizeipraxis aus«reizt worden, son> dern einzig und allein durch die sozialdemokratische Agitation. Der Herr Staatsanwalt aber entdeckte gar, daß der zweite Krawall einenanarchisti- fch-n" Beigeschmack hatte. Welch eine feine Zunge. Fast durchgängig dem staatsanwaltlichen Antrage folgend, verurtheilte der Gerichtshof die An- geklagten, von denen die große Mehrheit das zwanzigste Lebensjahr noch nicht erreicht hat, zu Gefängnißstrafen bis zu 14 Monaten und ordnete die sofortige Inhaftnahme von acht Verurtheilte» an, die zu einem Jahr und darüber verurtheilt wurden. Damit schloß der zweite Akt der Justizkomödie. Der dritte spielt sich vor dem Schwurgericht in Kottbus   ab. Vorsitzender ist der Landgerichtidireitor Kraus-, als Geschworene, von Spaßvögeln Volksrichter" genannt, fungiren 4 Fabrikbesitzer, 1 Mühlenbesitzer, l Rittergutsbesitzer, 2 Rentiers, mehrere Stadt- und Gememderälhe, d. h. alle sammt und sonders Vertreter der besitzenden Klasse. AuS dem Zeugen- K. Verhör ist ganz besonders lehrreich die Aus- sage des Polizeisekretär M a t t k a, au« der hervorgeht, wie mansozial. demokratuche Listen" fabrizirt und welches Verständniß dies« Polizetbande der sozialdemokratischen Bewegung entgegenbringt. Man höre nur: Präs.: Herr Sekretär, Sie sollen Listen von Spremberger   Sozial- demokraten angelegt haben?- Zeuge: Speziell von Sozialdemokraten nicht, sondern nur von Mitgliedern der Fachverein-. Es b-st-hen in Spremberg   S Arbeiter-Fachvereine, von denen der Manufaktur-Arbelter- verein aufgelöst worden ist. Präs.: Sie nehmen nun an, daß die Arbeiter-Fachvereine sozialdemo- tratischen Charakters sind, haben Sie nähere Anhaltspunkte dafür? Zeuge: Der Manusaktur-Arbeiter Fachverein hat sich selbst als sozial- demokratischer Fachverein gestempelt. Als einmal«in Mitglied dieses Vereins starb, da wurde dasselbe unter zahlreicher BetheUigung von Mitgliedern dieses V-reinS beerdigt. Der Vorsitzende des genannten Vereins legte einen Kranz mit rother Schleife auf daS Grab nieder mit den Worten:Wir widmen Dir diesen Kranz im Namen der Sozral- demokraten Sprembergs." Diese Art Beerdigung wurde vorher vom Manufaklur-Arbeiter-Fachverein beschloffen----" Präsident: Herr Bürgermeister, Sie haben dem Untersuchungsrichter Grandl« einmal eine Liste von Spremberger   Sozialdemokraten gegeben, welche Thatsachen lagen der Ausfertigung dieser Liste zu Grunds? Zeuge: Herr Präsident, bei 4000 Arbeitern ist es unmöglich, m jedem einzelnen Falle ein- spezielle Thatsach- anzugeben. Jedenfalls haben sich die in der Liste verzeichneten Personen irgendwie einmal kom- p r o m i t t i r t. Präs.: In welcher Weise? Zeuge: Daß sie sich an sozialdemokra- tischen Versammlungen betheUigt, in sozialdemokratischen Lokalen verkehrt Haben u. s. xo. Bertheidiger Rechtsanwalt Dedolph: Der Herr Bürgermeister hat Hestern gesagt: die gegenwärtigen Angeklagten seien der Polizei in Spremberg   sämmtlich als Sozialdemokraten bekannt, welche Thatsachen sprachen hierfür? Zeuge: Weil die Angeklagten bei jedem Radau" dabei sind, allen möglichen Unfug ver- üben und auch schon mehrfach bestraft sind. Präs.: Sie sind also der Meinung, daß Leute, die sich an jedem Radau betheiligen, Unfug verüben u. f. w., Sozialdemokraten sind? Zeuge: DicS(1), die Theilnahme an sozialdemokratischen Versammlungen und der Verkehr in sozialdemokratischen Lokalen war bei der Anfer- tigung der Liste maßgebend. Präs.: Wer hat die Liste angefertigt? Polizeisekretär Mattka: Die Liste habe ich angefertigt: ich halte dre rigenwärtigen Angeklagten auch deshalb für Sozialdemo- raten, da siefast sämmtlichwegengrobenUnfugs, Körperverletzung. Diebstahl«, Verbrechen« gegen ldi« Sittlichkeit bestraft sind. Präs.: Das wäre auch noch kein hinreichender VerdachtSgrund. DaS wollen wir auch meinen. Es ist wahrhaftig eine Unverschämtheit sondergleichen, was dieser Bube von Polizelschreiber mit zynischer Offenheit und unterstützt von dem ehrenwerthen Bürgermeister da kund- gibt. Weil die Angeklagten bestrafte Personen sind, hält er sie für Sozialdemokraten. Will er damit sagen, daß man im Geruch der Sozial- demokratie stehen muß, um wegen Diebstahl, Sittlichkeitsvergehen:c., Dinge, die in derguten Gesellschaft" bekanntlich oft genug vorkommen, bestraft zu werden? Jedenfalls protestiren wir ,m Namen der «efammten sozialdemokratischen Arberterschaft Deutschlands   auf da« Entschiedenst- gegen drese p e r f, d e Zu- sammenstellung, deren Gemeinheit dadurch noch ganz be- fonder« gekennzeichnet wird, daß, wie Herr Mattka an anderer Stelle «wssagt«, auch die»etheiligung an F a ch v e r e» n« n genügt, m die List« derSozialdemokraten" eingetragen zu werden I Das Weitere rn dieser Beziehung werden hoffentlich die Vertreter unserer Parte» ,m Reichstaa besoraen. Laut t-legraphischem Bericht wurden dieRädelsführer", trotzdem die «eschworenen mildernde Umstände bewilligten, zu Gefängmß von s« ch s M o n a t e n bis zu i w- i I a h r e n verurtheilt. Die bedrohteOrdnung" ist gerächt. D.e Arbeiter büßen ihr« Heiß- ilütigkeit hinter K-rkermauern, und Hubruh findet seineSchneid, gkert gebührend belohnt. Ob aber ein einziger der Verurtherlten das Gesang- »  »gebessert" verlassen wird, und ob die verhängten Strafen aus die übrige Bevölkerung die erwünschteheilsame" Wirkung ausgeübt, da« wird die Zukunft lehren. Wir sprechen uns noch, Ihr Spremberger   Ordnungshelden. Mit welcher, fast möchte man sagen, genialenSchlauheit man heute maßgebenderseits Sozialdemokraten züchtet, das heißt dafür sorgt, daß schließlich-in Jeder einsieht, daßetwas faul»st ,m Staate", beweist so schreibt man uns aus Breslau   eine Annonce, die letzter Tage die Zeitungen durchlies. ES wird jetzt näm- lich hier-in neues Postgebäude gebaut, ein Pendant zu dem neuen R-gierungsgebäude- einem Prachtbau ,m g°th.,ch-n Etil in dem man oben für den Herrn Präfidenten eme schone lustige Wohnung em- richtet hat und unten für die Beamten eine Anzahl dunkler üocher. So stand also eines schönen Tages in der Zeitung: Steinmetzen, die mit dem Fachverein in ke,n-r B-z.-hung stehen. finden lohnende Beschäftigung be.m Bau de- PostgebgudeS." Ist das nicht nett? Also wenn der Arbeiter ,n emen Fachverein ein- tritt um dort mit seinen Kollegen sich auszusprechen und weiter fortzu- bilden, so wird er geächtet: den Studenten aber ,.«.verdenkt es Nie- mand, wenn sie in Verbindungen, deren einziger Zive» das Sausen ist, Jahre vergeuden. Im G-g-ntheil. st- machen Karriere, denn- diese Studenten find ja die Elite der Swdentenschaft. der Stolz und d»« Zierde Deutschlands  , wie Herr Kultusminister Goßler sagte. Ihre Ver- bindungen dürfen mit einander inBezi-�ng treten und meine« Netz von Kmtellver bänden ganz Deutschland   uberspinnen- die»rbetterfach. vereine dagegen werden ausgelöst, wenn man einen Zusammenhang mit einem auswäriigen Fachvereine auch nur muthmaßt. Tas ist jetzi m Deutschland   da,gleiche Recht für Alle«! Ja. die»rbeiter scheinen eben nicht zu denAllen"»u gehören, weil fie bei Feudalzunkern und Kapitalisten die sich jetzt in die Regierung theilen, eben nurMaschinen" fi o, die Arbeitskraft trotz der Rückkehr zu christlich-germansscher Sitte nurWaare" ist. Außerdem sind die Fachvereine ja auch ganz arge Sünder; so wird ihnen vorgeworfen, daß sie jüngst daran schuld waren, daß beim großen LOO-jährigen Stiftungsfeste der Tischlerinnung die Tischlergesellen er« klärten, sie fänden es unter ihrer Würde, solchen mittelalterlichen Mummenschanz mitzumachen.(Als Bedingung für die Theilnahme am Fefizuge, die von denMeistern" den Gesellengnädigst" gestattet worden war es nahm aber keiner freiwillig daran Theil war gestellt worden:Dunkler Anzug"!) Die Meister hatten nämlich Geld genug gehabt, Tausende für den Festzug(natürlichmit Ball") hinaus« zuwerfen, die Lage ihrer Gesellen durch eine auch nur geringe Lohn- erhöhung etwa? aufzubessern, dafür hatten sie aber natürlicherweise kein Geld! Wahrhaftig, die Arveiter müßten noch unter den Krmerunnsgsrn stehen, wenn sie sich angesichts der in Deutschland   herrschenden Zustände nicht immer fester an die Sozialdemokratie anschließen würden. Zur Jahresfeier der kaiserlichen Botschaft(Fürsorge für die arbeitenden Klassen") wurden der Schlosser Karl Schultz«, Vorsitzender des Fachvereins der Metallschleifer und Berufsgenossen, der Schlosser Hermann Bennewitz und der Kratzemacher Peter Ahmann aus Berlin   anSgewiese«. Alle drei wurden von einer großen Anzahl Genoffen zur Bahn geleitet, die stch mit lebhaften Hochrufen von ihnen verabschiedeten. Aus Leipzig   und Umgegend wurden der Schriftsetzer Xaver Hopfner und der Eisendreher Wilh. Berger, aus Frankfurt   a. M. der Schuhmacher R a« r i t f ch k o(Oesterreicher  ), aus Nordfchleswig einige Dänen, die sichlästig" gemacht, darunter eine Lehrerin, und auS W e st- preußen wieder einigePolen  " ausgewiesen.Morgen wieder lustik." AuS Süddeutschland   wird uns geschrieben: Von Interesse wird es für Sie sein, daß auch der Herr Polizeipräsident von Wiesbaden  (Dr. jur. v. Strauß und Tornow) zu denjenigen zählt, welche die Herausqeber rc. desSozialdemokrat" zu dessen Ver- breitung anstiften. Erschwerend dürste dabei sein, daß er sich dazu, wie ich zusällig erfuhr, einer Mittelsperson bedienen soll, welche von Hause aus ganz unverdorben, wahrscheinlich wieder einen ganz unverdorbenen schweizer Buchhändler,anstiftet", für den Herrn Polizeipräsident, zugleich L a n d r a t h für den Stadtkreis Wiesbaden  , den Pf-j-Sozialdemokrat" pünktlich herbeizuschaffen. Die Wiesbadener   Sozialdemokraten scheinen gar nicht zu ahnen, was für hochgestellte Freunde ihres Parteiorgans für dessen Einführung in die gewähltesten Kreise thätig stnd. Der Herr Präsident soll nämlich auch leinen Kommissaren diese Lektüre regelmäßig zustellen. Zu diesen soll auch der neuerdingsaus Gesundheitsrücksichten" offi- ziell pensionirte Kommissar Ch ristrani gehört haben. Böse Zungen behaupten indetz, derselbe sei wegen Schulden und galanten Verirrungen derartgegangen worde n", daß er jetzt in Hanau   von seiner zweitgrößlen Leidenschaft, der Sozialistenverfolgung, etwas ausschnaufe. Christiani ist über mittelgroß, hat schwarze» Haar und Bart, Kopf vorne kahl(Platte) und trägt Brille. Dies zur Erbauung und Darnachachtung für Wiesbaden   und Hanau  , von einem rechts- kundigen Schwärmer aus der Umgegend. Ist denn kein Hirsch- b e r g e r Staatsanwalt in der Nähe?! Ein rother Geheimerath. Von den in Frankfurt   a. M. verhafteten Genosse« befin- den sich noch 24 in Haft. Gefunden wurde bei ihnen, wie man uns schreibt, absolut nichts Kompromittirendes. Man hält sie in Haft, weil man hofft, nachträglich vonirgendwoher" vielleicht noch Material aufzutreiben. Die Leiche unseres gemordeten Genossen S ch ä f e r ist am 17. November von der Polizei in aller Ruhe aus den Friedhof geschafft worden, man fürchtete nämlichDemonstrationen". Uebrigens ist die Sache damit nicht erledigt, die Umstände, unter denen der schändliche Mord erfolgte, sind keineswegs genügend aufgeklärt. Man wird die Urheber desselben noch zur Rechenschaft ziehen. Unsere im Freiberger Prozeß verurtheilte« Genossen haben mit Ausnahme Ulrichs, der als hessischer Landtags- abgeordneter nicht verhastet werden darf, sämmtlich ihreStraf- Haft angetreten. Dtetz, Heinzel und Müller fitzen in Chemnitz  , Auer und Bebel in Zwickau  , Frohme in Frank- furt am Main  , Biereck und V o l l m a r haben(Ersterer trotz Schwabe) auf Grund ärztlichen Attestes die Erlaubniß erhalten, ihre Strafe in München   absitzen zu dürfen. Sämmtlichen sind diejenigen Rechte bewilligt worden, die in Deutschland   für politische Gefangene zu- lässig sind. Sie dürfen eigene Kleider tragen, sich selbst beschästigen und bis 10 Uhr Licht brennen. Reicht das auch bei Weitem noch nicht an das heran, was man in andern Ländern, z. B. in Frankreich   oder Spa- nien, politischen Gefangenen gewährt, so ist es doch immerhin eine Er- leichterung, die unfern Genossen um so eher zu gönnen ist, als die Ber- urtheilung ste ohnehin schwer genug trifft. Großprenßen." Ein amerikanischer BtlaS(Rand, MoNel!y& Co'b Hand Atlas of the World) bringt auf einem Blatt natürlich auch daS deutsche Reich, und benennt es in großen, deutlichen Buchstaben Prussia Preußen. Der Zeichner, der die verschiedenen Bundesstaaten ganz richtig abgegrenzt hat, war unzweifelhaft der Ansicht, daß der Unter- schied zwischen Preußen allein und dem gesammten Reichsgebiet zu gering» fügig sei, um berücksichtigt zu werden. Wir empfehlen den sonderbaren Phantasten, welche in Großpreußen daSqeeinigte Deutschland" oder c arAlldeutschland" zu erblicken glauben, sich je ein Exemplar dieses (überaus niedlichen und handlichen) Atlas anzuschaffen. Von Herrn Dr. Ernst Schmidt in Chicago   geht uns ein Schreiben zu, dem wir über den Stand de« Prozesses gegen die verurtheilte» Anarchisten folgende Mittheilungen entnehmen: Die Arbeiten für die Appellation an den höchsten Gerichtshof des Staate« Illinois   sind nun im vollen Gange und werden rechtzettig be- endet und die Appellation selbst eingereicht werden, daß der betreffende Gerichtshof sofort eine Ausschiebung des Urtheils gewähren muß, bi« er selbst in der Sache entschieden haben wird. Damit Sie ersehen, welche Opfer in diesem Land« derartige Prozesse erfordern, so daß ein armer Mann an die Erlangung oller ihm nominell zustehenden Rechtswohlthaten gar nicht denken kann, gebe ich kurz folgen« den Ueberblick: Der erste, mit der Berurtheilung endende Prozeß hat über 7500 Doll. (also über 37,500 Franken) gekostet- die Kosten für die Appellation werden sich auf mindesten« ebensoviel belaufen. Denn allein die Druckarbeiten zur Beroielsältigung jedes Wortes der evlägigen Verhandlungen nebst der gerichtlichen Beglaubigung jeder Seite dieses kolossalen Druckwerkes verschlingen an 4000 Dollar«, und das Uebrige wird für die Gebühren der Advokaten kaum reichen. Run haben wir bis jetzt gerade fast 15,000 Dollars eingenommen, und diese werden völlig verbraucht sein, wenn daS höchste Gericht daS erste Urtheil umstößt und den Fall zu nochmaliger Verhandlung an einen anderen Gerichtshof verweist. Um dann diesen zweiten Prozeß durchzuführen, wird es einer größeren Summe bedürfen als für den ersten Prozeß. Es ist fraglich, ob da 10,000 Dollars ausreichen werden, denn es ist nothwendig, noch einen Advokaten von nationalem Rufe zu enga- giren, und ein solcher verlangt 100 Dollars für jeden Tag während der Verhandlungen, welch« ebenfalls wieder 60 Tage und darüber in An- spruch nehmen mögen. Ob und wie unser Komite im Stande sein wird, ein« solch« Summe nochmal« auszubringen, nachdem die bis jetzt eingegangenen und bald verbrauchten 15,000 Dollars fast allein aus Beiträgen der Arbeiter zu­sammengebracht worden find, kann ich nicht vorhersagen! doch soll es an keiner Anstrengung fehlen, und wir hoffen, daß uns dabei auch fer« nerhin allseitig- Unterstützung zu Theil werden wird." Weiter theilt uns Dr. Schmidt mit- Es ist jetzt im Werke, die Geschichte diese» m seiner Art einzigen Prozesses m emer ausführlichen englischen und deutschen Schrift erschei- nen zu lassen und derselben die möglichst weite Verbreitung unter allen denen zu verschaffen, welch« ein Interesse daran haben, daß Alle, was »mmer auch ste begangen haben mögen, einen unparteiischen und in den Schranken d«S bestehenden Gesetzes gehaltenen Prozeß bekommen." Wrr brauchen nicht erst zu sagen, daß wir dem Unternehmen und dem Fortgang der Sammlungen den besten Erfolg wünschen und«ach wie , vor gern bereit siitd die Aermrttluny von Beiträgen für den Prozeßfond ' zu bewirken. Bon Nah itn» Fern. Kaulbars hat sich nun endlich miS Bulgarien   gedrückt, nachdem jeder Versuch, einen ernstlichen Bus- stand anzuzetteln, sich als vergeblich erwiesen. Bor seiner Abreise ver- kündete er noch, daß die gegenwärtigen Rezenten Bulgariens   das Ver- trauen Rußlands   vollständig verloren haben. Wie werden sie diesen Schlag überwinden? Den Schutz der russischen   llnterthanen in Bul  - garien hat daS französische   Konsulat übernommen, woraus auf eine be« sonders intime Verbindung Rußlands   und Frankreichs  geschlossen wird. Wäre fürVäterchen" wie für die Republik cleich blamabel. Auch die zweite große ArbeitSlosen-Demonstratiorr in London   ist ohne ernsthafie Störungen verlaufen. Die lächerlichen Vorsichtsmaßregeln der Regierung haben höchstens noch dazu beigetragen, die Bethsiligung an dem Meeting zu vermehren. Der Andrang war enorm, die Stimmung der Massen den Demonstrirenden durchweg günstig. Auf den Tribünen wurden Ansprachen gehalten und eine energische Resolution beschlossen, die durch eine Deputation dem Premierminister überreicht werden sollte. Dieser war jedochnicht zu Hause". Die Sozialisten sind aber entschlossen, die Sache nicht einschlafen zu lassen, wozu wir sie nur beglückwünschen können. In Gent   ist es vo'-ge Woche anläßlich eines Streikes zu einem Konflikt zwischen Ar« beitern und Gcusdarmeu gekommen, welche letzteren, angeblich unr die Richtstcetker zuschützen", mit brutaler Faust auf die Ardeiter«in- schlugen. Puttkamers Rezept macht Schule, vielleicht werden die bel- zischen Arbeiter auch noch mit einerSazialreform" nach deutschem Muster beglückt. Auf Bismarcks Befitzthum bei Friedrichs-- ruh soll esspuken". Leute, die sich darauf verstehen, wollen im Forsthaus« Klopfgeister gehört und flamm ende Schwerter gesehen haben. Darnach scheinen die Bismarck  'schen Geister Klopf» fechte» zu fein. Schaudervoll, höchst fchaudervoll! AlS angenehme Gegennachricht erfährt man, daß der FriedcnSPräsenzstand des deutschen HeereS um 15,000 Mann erhöht werden soll, was ein« jährliche Mehrausgabe von 26 Millionen Mark bedeutet. Das ist kein Spuk! In Berlin   ist am. November ein sehr schneidig gehaltenes Flugblatt verbreitet worden. Ein größeres Packeb fiel leider den polizeilichen Langfingern in die Hände, doch enthielt daS» selbe noch nicht den vierten Theil der Flugblätter, der Rest wurde mit; gewohnter Promptheit vertheilt. Bravo! DaS Reichsgericht hat- die im Prozeß Bebel-Dreesbach ic. gegen daS verurtheilend» Erkenntniß des Oberlandesgerichts Karlsruhe   eingelegte Revi» fron verworfen. Wer hätte auch von derReichSrechlsgauner» Akademie" anderes erwartet! In Leipzig   wurden am IS. November die Tischlergehülfen Gustav Rattte und Otto Reitknecht wegen angeblichen und nun passe man aus!Versuchs(!) der Beihilfe(!!) zur Verbreitung verbotener sozialdemokratischer Schriften" zu 3 Monaten 2 Wochen, bezw. 2 Monaten G-sängniß verurtheilt. Versuchs der Beihilfe höchst sublimes Rechtssublimat. Die 87te Abtheilung des Berliner   Schöffengerichts ver» urtheilte den Abgeordneten Frohme, weil er dos brutale Benehmen eines Verfammlungsaufiösenden Polizeilieutenant«, Namens Gladisch, für unqualifizirbar" gesunden, wegen Beleidigung zu 100 Mark Geldbuße, eventuell 10 Tagen Haft. Es wird immer besser. Nächstens wird man sich wirklich noch für jeden Fußtritt, den einem so ein Polizei» flegel verabfolgt, unterthänigst bedanken müssen. Ans Schwede«. Stockholm  , 14. November. ES wird den Lesern des Parteiorgans sicher nicht unerwünscht sein, wenn ich es unter» nehme, die hiesigen Parteiverhältnisse ein wenig zu schildern. Wer de« Stand der Arbeiterbewegung von heute mit dem vor zwei Jahren ver» gleicht, der muß unbedingt zu dem Resultate kommen, daß dieselbe hter große Fortschritte gemacht hat. Die hi.size Partei, die noch vor zwei Jahren kaum 30 bis 40 Anhänger zählte, zählt gegenwärtig 4500» feste Anhänger. Wenn man in ein« hiesige Parteiversammlung kommt, so staunt man ordentlich über die Begeisterung und Opferwilligkeit, die dort herrscht. Und auch an Rednern und sonstigen K> ästen fehlt«K - gegenwärtig nicht; dieselben wachsen wie Pilze aus der Erde, denn grade Leute, die noch vor 6 Monaten den Sozialismus bekämpften, schließe«. sich jetzt nach und nach der Partei an, und solche sind nicht die schlech« testen Genosse», denn sie sind überzeugungstreu. Rur an Geldmitteln fehlt es uns sehr, wie allenthalben. Von den hiesigen Fachvereinen haben sich bereits eine ganze Anzahl der Partei angeschlossen, und ei wirb- nicht lange dauern, so werden wir sie alle herüberziehen, denn Boden- und Anhänger haben wir in jedem Fachverein. Wir haben jetzt die Absicht, unser Parteiorgan, denSozialdemokrat", von Neujahr ab nicht mehr wöchentlich, sondern täglich erscheinen zip lassen, hoffentlich werden wir damit Erfolg haben. Seit anderthalb Jahren bestand hier in der noch jungen Partei eine Spaltung. Die Ursachen waren meistens persönlicher Natur; beide Rich» tungen gaben ein eigenes Organ heraus. Seit einem Monct ist nun der Strett geschlichtet, die Partei steht wieder vollkommen geschlossen da uns hat denSozialdemokrat" als Zentralorgan anerkannt. Infolge dessen tritt sie auch jetzt kräftiger auf als je. Ueberall treten wir al» Sozial»/ demokraten auf und von einem Zufamengehen mit den Liberalen odev- Wasser-Demokraten ist hier keine Rede. Ich komme nunmehr wieder auf Stockholm   zurück. Der hiesige Ar­beiterverein liberaler Richtung versucht alles Mögliche, unsere Bewegung zu hemmen, aber der Einfluß seiner Macher auf die Arbeiter ist so ge-z ring, daß ste es nicht so leicht wagen, ein« öffentliche Diskussion mit.' uns einzugehen, weil wir stets die erdrückend« Majorität haben. Di«. Beschlüsse und Resolutionen, die fie gegen uns fabriziren, können sie nur hinter Schloß und Riegel zu Stande bringen, nämlich in ihrem Vereins«' lokal, wo nur Mitglieder Zuttitt haben. So beriefen ste kürzlich eina( öffentliche Versammlung ein gegen 25 Psg. Eintrittszebühr. Wir kamen.' aber trotzdem hin; als wir jedoch das Wort verlangten, schloß der Vor« traghaltende, der auch zugleich Vorsitzender war, die Versammlung mit den Worten:Da ich sehe, daß mehrere gegen meinen Vortrag spreche«, wollen, werde ich meinen Vortrag und Antrag nur unter den Mitglie». dern deS Arbeitervereins diSkutiren und beschließen lassen. Kein» be* kommt mehr das Wort. Die Versammlung ist hiermit geschlossen." Er hatte nämlich in seinem mehr wie geistreichen Vortrag vorgeschlagen, «in Schiedsgericht für Arbeiter zu gründen, welche« den Streit zwischer.' Arbeitern, also nicht zwischen Arbeitern und Unt«nehmern, schlichte,� solle. Wir waren natürlich mit dieser Schließung der Versammlung nicht einverstanden, denn wir wollten auch sprechen und bemächtigten uns da--, her des Bureaus, um die Versammlung in Ruhe wieder fortzusetzen, aber die Gegner schrien und lärmten so, daß man unser« Redner wenig verstand. Schließlich riefen die Herren die Polizei zu Hüls  «, und diesa schloß die Versammlung. Da» ist der richtige Sachverhalt. In den gegnerischen Zeitungen hieß «S aber:Ausschreitungen der Sozialdemokraten"...ein erditterter- Kampf zwischen Polizei und Anarchisten hat stattgesunden" u.s.w.u.s.«. (Ganz wie anderswo. Red. d.S.-D) Eine anders Versammlung wurde von sämmtlichen Fachvereinen ein» berufen. Hier wurde mit 500 gegen 12 Stimmen beschloffen, den Sozialdemokrat", unser Organ, als Fachorgan anzuerkennen. Seit drei Monaten haben wir auch einen sozialdemolratifchen Verein in deutscher Sprache gegründet(ArbeUerbUdungsverein). Derselbe geht aber sehr langsam voran. Unser« Aufgabe ist, die Deutschen   hier mit in die Bewegung zu ziehen, und an Agitation lassen wir es nicht fehlen. Hoffentlich werden wir auch bald ein erfreuliches Resultat erzielen. Oekonomisch steht die ganze Arbeiterklasse hier sehr schlecht. Der Ber  » dienst ist ein miserabler, was die hiestgen Deutschen   auch viel zurück» hält. Denn sie fürchten alle, ihren Platz einzubüßen. -Die Erfolge der sozialistischen   Agitatton haben die Regierung sowie die ganze Busbeuterbande so in Furcht und Schrecken gesetzt, daß die liberale, ich sage die liberal« Regierung, denn wir habe» ein« solche hter, sich veranlaßt gesehen hat, ein Sozialistengesetz auszuarbeiten. natürlich nur auf Wunsch Bismarcks und Konsorten, weiche« it kurzer Zeit dem Reichstag vorgelegt werden soll. Ob«S sofort ange» nommen wird, ist noch die Frage, aber angenommen wird«S, wem» nicht diefeSmal, fo doch spater. Mag es indeß gehen wie es will», die Partei ist auf dieses Geschenk vorbereitet. Mit sozialdemokratischem Gruß! a«. AuS Amerika   schreidt man uns:Henry Georg« hat die Majorität nicht bekommen darauf waren wir vorbereitet; daß er aber fast 70,000 Stimmen bekommen würde, daraus waren nicht vorbereitet.