Existenzen von Seiten der Polizei so gut wie gar nicht ge-steuert.„Und doch ist die Sache sehr bedrohlich, denn Jeder, der einmal dieseunheimlichen Klubräume der hiesigen Anarchisten und Sozialisten betretenhat, wird sich erleichtert gesühlt haben, sobald er dieStraße wieder erreichte, zumal wenn er wußte, wer diese wildenGesellen waren» die ihm so drohende Blicke zu«w a r s e n.„Einer dieser wilden Gesellen z. B.» welcher ein wahres Anarchisten«leben führt, haust in einer dunklen Kellerwohnung, besuchtallabendlich die Klubs und widmet nicht nur seine Feierabende, sondernauch einen großenTheil seinerEinnahmen der anar-chistischen Propaganda und hat wie alle Führer nur ein Ziel— das Voll aufzuwiegeln.„Wir treten in einen dieser Clubs und steigen dreist(welche Kühnheit!)die unsaubere Holzstiege hinauf, ein dunkler Gang führt uns inden großen Versammlungssaal im Hinterhause(heiliger Mumpitz!)Man ist gerade daran, die Theaterbühne im Hintergrunde herzurichten,auf der am nächsten Sonntag Abend der„Delinquent"» ein wil»des revolutionäres Schauspiel» zur Aufführung gebracht«erden soll.„Auf einem Tische liegen alle(?) revolutionären Blätter in deutscherund englischer Sprache,— Ein Transparentbild mit den Namen Rems-dorf, Stellmacher, Holzhauer, Küchler, Kammerer und Lieske hängt auchim Saal.— Unter diesem Bilde verschwor man sich neulich, die Hin«richiung der Chicagoer Mörder blutig zu rächen(also pränumerando!).Diese Unmenschen!„Uns überlief es eiskalt!„Auch ein Bruder Lieske'S hält sich in diesem Klub auf.„Von dem Plan, Rumpfs zu ermorden, war man hier unter-richtet und sind die Gelder dazu hier ausgebracht.„Auch für Reinsdorf sind die Gelder im Ausland gesammelt!„Wahrlich, wir waren froh, als wir das unheimliche Lokal hinteruns hatten.„Beim Hinausgehen fiel uns wieder die Firma auf:„Arbeiter-Bil-dungs Verein." Welch' furchtbare Bildung!„Möge die Nation, welche durch ihre Gesetze solcheBildungsstätten duldet, es nicht einst bitter bereuenmüssen!„Wer ein Gegner des Sozialistengesetzes ist, gehe nach London,lerne die Anarchisten kennen, und er wird andererMeinung werde n."Das ungefähr eine kleine Blumenlese aus dem Geschreibsel, und fürden deutsch französisch englischen Philister wohl genug, um ihn gruseligzu machen. Und wahrscheinlich werden auch Di«, welche eS angeht, denWink mit dem Zaunpfahl verstehen.Als vernünftiger Mensch weiß man wirklich nicht, soll man über denBlödsinn lachen oder soll man sich ärgern über die nur zu deutlichdurchblickende Absicht: Internationale Ausnahmegesetzegegen die Arbeiterbewegung!Zu diesem Zwecks lagert man deutschen Mist in der„Daily News"ab und vice versa englischen Mist in der„Köln. Zeitung". Der Phi>lister glaubt's, und der Zeitpunkt ist günstig, England breitzuschlagen,da gerade das konservative Ministerium Salisbury Churchill am Ruderund, was noch mehr werth ist, Churchill als bekannter Freund undNachäffer Bismarck's seine Ferien an den verschiedenen Hösen des Kon-tinents verbracht hat.Was da geplant ist, wird uns vielleicht die Zukunft lehren. Wir sindvorbereitet und wird uns nichts überraschen. Jeder Sozialist muß dar-auf gefaßt sein, daß auch in England die Zeit kommt, wo sein Hauptnicht mehr sicher ruht, es hängt das nur von den Fortschritten ab, dieder Sozialismus unter den englischen Arbeitern macht. Die englischenBourgeois müßten keine Bourgeois sein, wenn e8 anders wäre.Eine Stelle aus dem Geschreibsel soll hier noch Platz finden, weil siemir in verschiedener Hinsicht von Bedeutung scheint.Der Skribent spricht über die finanzielle Situation der Anarchistenund sagt:„So hat sich auch Most in einem Briefe, den ich zufällig be-sitze, bitter beklagt, daß er für die Hunderte nach London gelieferterRummern der„Freiheit" statt der Zahlung von Zeit zu Zeit nichts alsGrobheiten bekäme.„Woher kommt nun aber das Geld für die„Freiheit" und die vielenanderen Agitationsmittel der Anarchisten, wenn die europäischen Anar-chisten vielfach nicht einmal für ihr Abonnement auf die„F r e i h e i t"zahlen wollen?„Sollten nicht doch einige Kapitalisten, vielleicht Männer inpolitischer Stellung(Bismarck- Puttkamer- Jhring- Mahlow?)der anarchistischen Propaganda durch finanzielle Unterstützung Vorschubleisten?„Namen bekannter englischer Parlamentsmitglieder der radikalen undirischen Partei wurden uns an bester Quelle genannt, aber wir könnendieser Angabe keinen Glauben schenken, ohne die schriftlichen Beweise inHänden zu haben."Wie naiv!Als ob alle Menschen gleich dumm wären und«inen solchen Skribenten„zufällig" in den Besitz schristlicher Beweise kommen ließen!Es ist nicht meine Absicht, mich des Längeren mit der Frage zu be-schästigen, wie dieser Most'sche Brief„zufällig" in den Besitz jenesMenschen kam, ich meine aber doch, es wäre für die Betheiligtenvon Interesse, das zu erforschen.Es könnte dies wahrscheinlich wesentlich dazu beitragen, die dunklenQuellen aufzudecken, aus denen das Material für diese„LondonerBriefe" geschöpft ist.Dies Material ist zwar für Den, der die ganze Bewegung hier inLondon kennt und zum Theil mit durchlebt, weiter nichts als ein Ge-misch von etwas Wahrheit und viel Lüge, aber die Absicht leuchtet nurzu deutlich aus den von mir angeführten Zitaten heraus, nämlich dasAsylrecht in England zu durchbrechen und, wenn möglich, die deutsch«österreichisch-ruffische Tyrannei auf englischen Boden zu verpflanzen.Bis jetzt hege ich noch die feste Hoffnung, daß dieser niederträchtigeVersuch an dem gesunden Sinne der englischen Arbeiterbevölkerungscheitern wird. Doch ist die Möglichkeit des Gelingens keineswegs aus-geschloffen, zumal wenn man die in den letzten Jahren eifrig betriebe-nen Hetzereien der englischen Preffe gegen das konkurrirende ausländischeArbeiterelement in Betracht zieht.Sollte es jedoch jemals gelingen, das englische Asylrecht zu vernichten,so wiffen wir— und das wollen wir hier feswageln—, daß die Her-ren, welche solche Informationen— ob wahr oder unwahr— an solcheSchreiberseelen verabfolgen, ihr Möglichstes dazu beigetragen und essich selbst zuzuschreiben haben, wenn man sie zuerst am Kragen faßt— d. h.wenn sie nicht bereits vorher durch die Arbeiter selbst kaltgestellt werden.Christlich-soziale Musterinstitute.Wie das Pfaffenthum seinen„Beruf zur Gesellschaflsreform"dokumentirt.III.Der Name der Korrektionsanstalt Benninghausen genügt inhiesiger Gegend, um das Volk schaudern zu machen. Dorthin ist BerthaTöpfer gebracht worden, und zwar von demjenigen, der sie gemißhandeltund gegen den sie bei der Staatsanwaltschaft Slrafantrag gestellt hatte!Uno unter Beihülfe eines Gensdarmen, also mit Wiffen der Behörde!Ohn- jeglichen Grund, mit Gewalt nach Benninghausen gebracht!Das beweist zur Genüge, daß unsere mit der hier allgemein verbreitetenAnsitzt übereinstimmende Behauptung, daß von Seiten der Anstalt schonwäh end der Zeit, da das Mädchen sich noch in ärztlicher Behandlung, befand, einj ähnlicher Gewaltakt geplant gewesen sei, der Begründungnich: entbehrt. Und während das Mädchen, das so mißhandelt worden,daß es längere Zeit ärzlliche Behandlung und Hülfe benöthigte, nachBenninghausen gebracht wird, geht der Thäter, Pastor Mangelsdorf, freieinher, ja predigt jetzt sogar häufiger denn früher des Sonntag« inBielefelder Kirchen. Da sage man noch, daß nicht all« Deutschen vordem Gesetze gleich seien!Wir sagten vorher, daß der Pastor MangelSdorf mehrere Morde be«gangen an Kindern, welche in Folge der von ihm erhaltenen Schlägegestorben feien; wir halten das vollständig aufrecht und sind auf Ver-langen zur Beweisführung bereit! Und dieser Mann, ein Verbrecher inr des Wortes schlimmster Bedeutung, und zwar Verbrecher mit Wiffen derBehörden und der Staatsanwaltschaft, geht frei einher! Wie bezeichnendfür unsere Rechtszustände. Man glaube ja nicht, daß wir übertreiben,im Gegentheil, unsere Schilderung ist sehr milde imVerhältniß zu dem,was dort Alles verübt wird. Schreibt doch sogar die„Bielefelder Zei-tung, der„Wächter", ein zahmes, freisinniges Blatt, unterm 28. Augustüber diesen Vorfall:„Die Bertha Töpfer, welcher durch denPastor Mangelsdorf im Rettungshause zu Schildesche s. Z.eine grobe Mißhandlung zugefügt worden ist, soll sich nach einer unszugehenden Mittheilung jetzt in der Verbesserungsanstalt zuBenninghausen befinden. Die Mittheilung klingt ganz un-glaublich, da unseres Wiffens eine Aufnahme in die Anstalt zu Benning-Hausen nur aus Grund gerichtlichen UrtheilS zu erfolgenhat. Wir sind aber bereits in Bezug auf diesen Fall an starke Dingegewöhnt. Wenn sich die Mittheilung bestätigen sollte, so würden dieFragen entstehen: Wer hat die Uebersührung der Bertha Töpfer nachBenninghausen angeordnet? Aus welchen Gründen? Mit welchem Recht?In weiten Kreisen des über den Mißhandlungsfall entrüsteten Publikumsbesteht der zunehmend lebhafte Wunsch, daß die gerichtliche Verhandlungrecht bald volle Klarheit in die ganze Angelegenheit bringen möge." Soder„Wächter", und wenn der erst schreibt, sie„seien in Bezug auf diesenFall an starke Dinge gewöhnt", so kann man sich darauf verlaffen, daßdas Vorliegende auch wirklich stark ist. Doch warten, bis die gericht-liche Verhandlung volle Klarheit in diese Angelegenheit bringen werde,dann kann man ruhig bis zum Sankt Nimmerleinstage warten. Ja,wenn der Thäter ein Arbeiter, oder ein Kämpfer für die Arbeitersachswäre, dann hätte die gerichtliche Verhandlung nicht zu lanqe auf sichwarten lassen. Doch hier ist der Thäter ein Pastor, da könnte durchdas Strafverfahren gegen denselben der sogenannte religiöse Sinn imVolke Einbuße erleiden und das darf nicht sein,„die Religion muß demVolke erhalten bleiben."— Wir protestiren indeß im Namen derMenschlichkeit und als Staatsbürger gegen eine derartige Begünstigungdes Verbrechens und verlangen energische und entschiedene straf-rechtliche Verfolgung und entsprechende Bestrafung der Thäter! Solltedieser unser Protest noch nicht nachhaltig genug sein, so werden wirdafür sorgen, daß er nachhaltiger werde, dadurch, daß wir vorliegendeThatsachen in Gestalt von Flugblättern in einer Auflage von 1—200,000Exemplaren zur allgemeinen K-nntniß bringen, denn nichts ist dazu ge-eigneter als weitgehendste Veröffentlichung solcher Vorkommniffe. Dieöffentliche Meinung ist ein Richterspruch, der gewaltig genug ist, dieGrundfesten selbst solcher Infamien zu erschüttern, und daß diese Flug-blätter überall im ganzen Lande exakt und prompt untergebracht undverbreitet würden, dessen könnt ihr gewiß sein, ihr Herren! Und mögenauch Sie, Exzellenz Puttkamer, Ihre ganze Schnüffelgarde aufbieten,Sie würden dennoch die Verbreitung nicht hindern, das versichern wir,und daß wir gewöhnt sind, Wort zu halten, ist euch jedenfalls bekannt.Also, wir verlangen straftechtliche Verfolgung und Bestrafung desVerbrechers Pastor Mangelsdorf und seiner Helfer!Als Vorstand des„Rettungshauses" bei Schildesche fungiren: l) Super-intendent Huchzermeier in Schildesche(derselbe ist ein wahrerJesuit an Charakter und Verschlagenheit, er hat den Beinamen:„deralte Pfiffikus von Schildeschs"); 2j Pastor Siebold in Schildesche;8) Pastor Mangelsdorf am Rettungshause. Die weiter zum VorstandGehörenden sind nur Strohmänner und blinde Werkzeuge in den Händender erstern Drei. Ein nettes Kleeblatt, dieser Vorstand des„Retlungs-Hauses". Pastor Mangelsdorf ein Verbrecher schlimmster Sorte, Super-intendent Huchzermeier mehr Advokat als Pastor und an den VerbrechenMangelsdorss stark betheiligt, und Pastor Siebold, nun, von dem wäreauch sehr viel zu berichten, doch ein Fall mag genügen: Existirt da inSchildesche z. B. ein sogenannter„Jungsrauen-Verein", worin natürlichfast ausschließlich Pastore Vorträge halten. Diesem„Jungfrauen� Verein"gehörte auch ein Fräulein Vollmer an, welches sich die Ausführungendes Siebold so zu Herzen genommen hatte, daß sts glaubte, etwas mehrals gewöhnlichen Antheil an dem Psstor zu haben; ste besuchte ihn daherhäufig und machte sich dann mit ihm zusammen bequem aus dem Sopha.Doch dies Vergnügen sollte eines TageS durch die Frau Pastorin gestörtwerden. Aber welches Bild bot sich ihr da! Das Mädchen bis unterdie Arme entblößt auf dem Sopha liegend, und Pastor Siebold davorstehend! Jetzt war alles verrathkN und guter Rath theuer. Indeß, esgalt die Ehre eines Pastors zu retten, und da werden Mittel genommen,wo sie sich bieten, unbekümmert darum, wie sie sind. So auch hier.Das Mädchen wurde einfach als irrsinnig erklärt, und— verschwand.Nicht wahr, das sind nette Geschichten? O, wir könnten noch Vielesanführen, denn wir find sehr gut unterrichtet, doch behalten wir unsdas bis zu passender Gelegenheit vor. Und woher wir das alles wissen?Nun, wir sind nicht indiskret,— doch daß uns nichts oder doch ver-teufelt wenig verborgen bleibt, ihr Herren, deß könnt ihr gewiß sein,ohne daß wir nöthig haben, euer schmachvolles Privileg der Spionagenachzuüben. Wir sind eben, um mit euch strenggläubigen Theologen zureden,„allgegenwärtig".Soweit war Vorstehendes geschrieben, da geht uns die Nachricht zu,daß die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Pastor Mangelsdorsmit der Begründung eingestellt habe,„daß die Voraus-setzungen eines strafrechtlichen Einschreitens alsvorliegend nicht erachtet werden könne n." Na, da hörtdenn doch alles auf; die vorgeschilderten Verbrechen des Pastor Mangels-darf sollen nicht Grund genug sein, um strafrechtlich gegen denselbeneinzuschreiten? Diese staatsanwaltschastliche Versügung ist ein wahresMeisterstück der Niedertracht, welches tiefer gehängt weiden muß.Und Sie, Herr I. Staatsanwalt Günther, Ihr Gedächtniß scheint sehrschwach zu sein, wie wäre es, wenn wir demselben etwas nachhülfen,und Ihnen an dieser Stelle Einiges auS Ihrem Vorleben sowie über-Haupt aus Ihrem Leben in Erinnerung brächten? Denn wir sind auch indieser Beziehung sehr gut unterrichtet.Doch hören wir das staatsanwaltliche Elaborat:„Landgericht Bielefeld.„Königliche Staatsanwaltschaft.„Bielefeld, den 9. Oktober 1886.„Die umfangreichen Ermittelungen, welche der von der unverehelichtenBertha Töpfer gegen den Pastor Mangelsdorf zu Schildesche gestellteStrafantrag wegen Mißhandlung zur Folge gehabt hat, und welche nun-mehr abgeschloffen sind, haben zu dem Ergebniß geführt, daß die Voraus-setzungen eines strafrechtlichen Einschreitens als vorliegend nicht erachtetwerden können.Zunächst kann es keinem Zweifel unterliegen, daß eS sich um«inenAkt der Züchtigung handelte, nicht um eine gewollte Mißhandlung.Gegen letztere Annahme spricht sowohl die Persönlichkeit als die amt-liche Stellung des Beschuldigten, die es von vornherein als unwahr«scheinlich erscheinen lassen, ein Mädchen zu schlagen in der Absicht undmit dem Vorsatze, dasselbe zu mißhandeln; für dieselbe ist absolutnichts erbracht.Hat also der Pastor Mangelsdorf die Schläge der Töpfer in der Ab-ficht, sie für ein Bergehen zu strafen, zugefügt, so war zu prüfen,ob ihm ein Recht zur Züchtigung zustand und ob er eventuell eine straf-bare Ueberschreitung desselben sich habe zu Schulden kommen lassen. Inbeiden Richtungen mußte diese Prüfung zu Gunsten des Beschuldigtenausfallen.Nachdem die am 22. März 1867 geborene Bertha Töpfer bereits wden Jahren 1880 und 1881 von verschiedenen Gerichten wegen Führungeines falschen Namens, Vagabondirens und Bettelns mehrfach bestraftworden war,"') wurde sie vom Königlichen Schöffengericht zu Hattingendurch Urtel vom 10. August 1882 von der wiederholten Anklage derBettelei zwar freigesprochen, zugleich aber bestimmt, daß dieselbein eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt unterzubringen sei.In Ausführung dieses Urtels wurde die Töpfer durch Resolut derKöniglichen Regierung zu Arnsberg vom 1. November 1882 dem Ret-tungshause zu Schildesche überwiesen, zunächst auf 2 Jahre, doch geneh-mizte dieselbe Regierung, dem seitens des Vorstandes dieser Anstaltgestellten Antrage entsprechend, daß die genannte Corrigendin zu Ostern1884 nach erfolgter Konfirmation aus der Anstalt vorläufig ent«lassen und auf fernere 3 Jahre, also bis Ostern 1887, bei einer geeig«neten Herrschaft in Gesindedienst untergebracht würde."*) Darüber siehe weiter unten!(Es folgt nun unter Anführung einer ganzen Anzahl von Reskripten,KabinetSordr.-s ic. der Nachweis, daß dem Leiter der Anstalt das Züch«tigungsrecht nicht nur über die in der Anstalt befindlichen„Korrigenden",sondern auch über die vorläufig Entlassenen zustehe. Dann heißt esweiter:)Das vorstehend Ausgeführte thut zur Genüge dar, daß der Beschul«digte— der Leiter des Rettunzshauses— zu einer Züchtigung derTöpfer berechtigt war. Den Anlaß zur Züchligung boten die von der«selben jetzt zugestandenen Diebstähle(zwei Eier und ein Haarpfeil imWerths von 15 Pfennigen!), die sie zum Schaden ihrer Dienstherrschaft— des Kolons Niederbeckmann, bei dem sie seitens des Rettungshausesuntergebracht war— ausgeführt hatte, und das freche Leugnen, welchessie der Bezichtigung des Diebstahls durch ihren Dienstherrn entgegen«gesetzt hatte.Da unter solchen Umständen eine strenge Züchtigung des in hohemGrade verwahrlosten(siehe weiter unten) Mädchens durchaus am Platzewar, hat sich Pastor Mangelsdors— bei Abwesenheit und Verhinderungder mit der Vornahme der Züchtigung sonst beauftragten Personen—der Mühe derselben(wer lacht da!) persönlich unter-zogen: er hat mit einem Rohrstocke von der in den Schulen gebräuch«lichen Dicke(etwa 1 C-ntimeter dick) der Töpfer 12 Hiebe über denRücken versetzt. Die Hiebe haben auf der Haut des Riick.-nS und derRückseite der Oberarme blutunterlaufene Striemen von etwa Daumens«breite zurückgelassen, dem Mädchen längere Zeit Schmerzen verursachtund sie auf etwa 12—14 Tage— nach dem Gutachten des Dr. Ranso«hoff von hier— zur Arbeit unsähig gemacht.Diese dem Mädchen zugefügte Züchtigung muß sicherlich als eine hartebezeichnet werden. Wenn man aber erwägt, daß einerseits statutenmäßigden Organen des Rettungshauses die Art und der Umfang der anzu-wendenden Zuchtmittel völlig anheimgegeben ist, daß anderseits bei demdem Pastor Mangelsdors durchaus bekannten schlechten Charakter derTöpfer und mit Rücksicht auf ihr Vergehen eine energische und nach-haltige Bestrafung derselben geboten war, so kann man zu der Annahme,daß eine Ueberschreitung des Züchtigungsrechts vorliegt, nicht gelangen.Wenn aber auch eine solche hätte angenommen werden können, sofehlt es für die Bestrafung des Pastors doch an dem für dieselbe un«erläßlichen Moment, daß er wissentlich das Züchtigungsrecht überschritten, daß er bei dem, was er that, der Ausschreitung sich bewußtgewesen sei!(Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 2,S. 14.) Dafür, daß er sein Züchtigungsrecht vorsätzlich mißbraucht,daß er also die Strafe mit dem Bewußtsein eines zwischen dem zuahndenden Verschulden und der Art und dem Grade derselben bestehendenMißverhältnisses beschlossen und ausgeführt habe, fehlt es an all undjeder Unterlage; das gezüchtigte Mädchen hat nichts zu bekunden ver«mocht, was auf einen solchen absichtlichen Mißbrauch des Erziehungs»rechtes hindeuten könnte; sie hat die Schläze, die sie zur Strafe erhal«ten, auch als eine Strafe empfunden. Was sie trotzdem veranlaßt hat,den Vorfall mit dem Antrage aus Bestrasung des Pastor« durch denHausierer Recksiek zur Anzeige bringen zu lassen, braucht hier nicht er«örtert zu werden.Da der Beschuldigte somit durch die Züchtigung der Töpfer sich einerstrafbaren Handlung nicht schuldig gemacht hat, habe ich das Versahreneingestellt. Der erste Staatsanwalt: Günther."So der Herr Staatsanwalt. Begnügen wir uns für heute, sein Ela«borat, das ein wahres Pasquill ist auf alle Begriffs von Recht undGerechtigkeit, ti e f e r z u h ä n g e n. In der nächsten Nummer werdenwir dann den Kommentar dazu bringen.(Schluß folgt.)Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 1. Dezember 1886.— SS gibt eine Stufe der Niedertracht, für die der stärksteAue druck der Verachtung noch zu schwach erscheint, die überhauptdurch sogenannte moralische Mittel nicht getroffen werden kann, unddiese Stufe hat das Leipziger Schwurgericht in dem Prozeßgegen die Theilnehmer an dem sogenannten„Auf-rühr" vom 21. September l. I. erreicht. Es handelt sich um die inNr. 44 unseres Blattes(in der Korrespondenz aus Leipzig) geschil«derten Szenen bei der Abreise des ausgewiesenen Genossen, SchreinerKarl Friedrich Schumann. Wie unsere Leser wiffen, wurdederselbe von einigen hundert Freunden und Genossen begleitet, die, alssie bereits die Stadt hinter sich hatten, die Arbeitermarseillaiseanstimmten, und auch nichts dagegen thaten, als einige unter ihnen einerothe Fahne entfalteten, es vielmehr nicht ohne Weiteres hinnahmen,als von einem vorbeifahrenden Pserdebahnwagen herab 4 Spitzel sich inihre Mitte stürzten und unter dem Ruf:„Wir find Polizeibeamte!" dieFahne an sich zu reißen und den Fahnenträger zu verhaften suchten.Dieser Vorgang bildete den Gegenstand der A n k l a g e, der natür-lich die Aussagen der Spitzel zu Grunde gelegt wurden. Schumannsoll der H a u p t a u f r ü h r e r gewesen sein, und dadurch(!), daß erdem Fahnenträger die Worte:„Die Fahne hoch!" zurief, zum— g e«waltthätigen Vorgehen gegen die„Beamten" aufgeforderthaben. Andere Beweise als die Aussagen eben dieser„Beamten" wurdennatürlich nicht erbracht. Und daraufhin wurden Schumann und nochdrei Angeklagte von den Geschworenen unter Ausschluß mit«dernder Umstände für des Aufruhrs schuldig erkannt— sie,die Uebersallenen l— und— man höre l— Schumann als„Rädels-sührer" zu vier Jahren, der Notendrucker Kießling zu zweiJahren sechs Monaten, der Schloffer Hermann Mehnertund rer Schneider Johann Pöhlmann zu je zwei JahrenZuchthaus, außerdem Schumann zu acht und die letztgenannten Dreizu je vier Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsichtverurtheilt!Man denke,«in Marsch aus der Stadt heraus und— Aufruhr.Ein Uebersall auf Arbeiter, die ohnehin durch die Ausweisung eine«Kameraden gereizt waren und— Aufruhr! Und dieser Ausgewiesene,von dem feststeht, daß er keineswegs neben dem Fahnenträger, sondernam Ende des Zuges gegangen ist, der— R ä d e l S f ü h r e r! ES isteine Verhöhnung aller Begriffe von Recht und Gerechtigkeit, wie sieschamloser nicht gedacht werden kann.Für ehrlos erklärt, unter Polizeiaufsicht gestellt, weil steihre politische Gesinnung, ihre Freundschaft gegenüber einem ausgewi««senen Kameraden bekundet! Ist solche Gemeinheit erhört?!Staatsanwalt, Richter und Geschworene waren hier einander würdig.Leider fehlen in den unS vorliegenden Berichten die Namen der Letz«teren, und doch wären sie werth, öffentlich gebrandmarkt zu werden!Der Gerichtshof bestand auS den Herren Landgsrichtsdirektor Pus'chals Vorsitzenden und den LandgerichtSräthen Gruber und v.Sommer«latte als Beisitzenden, als Ankläger fungirte der saubere, von früherenTendenzprozeffen her beteits berüchtigte Staatsanwalt H ä n tz s ch e l.Es fehlen uns, wie gesagt, die Wort«, um die freche RechtSverhöh«nung, welcher sich diese„Rechtswahrer" im Verein mit den Geschwo-renen schuldig gemacht, gebührend zu kennzeichnen. Wir glauben auchnicht, daß Worte der Züchtigung, die Verachtung aller rechtlich Denkenden, für solche Individuen allein genügen. Aus ihr Gewissen, aufihr Ehrgefühl wirken zu wollen, ist fruchtlos, ste find nur für materielleBelohnungen empfänglich. Möge ihnen seinerzeit auch der Lohn für dieseRechtsschurkerei nicht vorenthalten bleiben!— Roch ein vierter Akt. Wir haben uns in der vorigen Nummergeirrt. Auch mit dem dritten Akt war die Kottbuser Gerichts«komödie noch nicht zu Ende, sie hatte noch einen vierten Akt,für den man, als besonderen Effekt, die„Haupt-RSd«lSführer"aufgespart hatte. Indeß wie bei Theaterstücken, deren„Mache" daSPublikum zu früh durchschaut, so ging eS auch hier. Nachdem dasselbeaus den ersten Prozessen den Eindruck gewonnen, daß hier mit Gewaltem ganz unbedeutender lokaler Krawall zu einer Haupt- und Staats«Aktion ersten RangeS aufgebauscht werden sollte, verlor eS jedeS Intel«esse an wm Prozesse, umsomshr, als die fadenscheinige Logik des biedernStaatsanwalt Hauke und die selbstgefällige Wichtiglhuerei des Bürger«meister Wirth und seiner Subjekte schließlich auch den Geduldigstenanwiderten. Selbst der Geschworenen, die doch in ihrer großen Mehrheitzu der besitzenden Klaffe gehören, muß sich schließlich dieses Gefühl be«