«-daß gesetzliche Bestimmungen, welche solchen Unfug gestatteten, unter jetzigen sozialreformatorischen Regierung nicht hätten zu Stande Nun, diese Unverschämtheit sucht denn doch ihres
daß gesetzliche Bestimmungen, welche solchen Unfug gestatteten, unter der jetzigen sozialreformatorischen Regierung nicht hätten zu Stande kommen können." Darauf antwortet die„Volkszeitung" ebenso scharf als treffend: „DaS Kanzlerblatt würde uns außerordentlich erfreuen, wenn es unS mitthetlen wollte, unter welcher Regierung denn das Sozialistengesetz zu Stande gekommen ist. Vermuthlich ist eS«ine Errungenschaft des FahreS 1848, als, wie Herr Pindter vor einigen Tagen in seiner glor- reichen Weise schrieb,„eine politische Kinderkrankheit weitere Kreise be- fallen hatte." Oder meint das Kanzlerblatt etwa, die Bestimmungen der Gewerbe- »rdnung über Truck seien unter der„jetzigen sozialreformatorischen Regierung" nicht zu Stande gekommen? Run, unter der„Manchester- lichen" Regierung der Delbrück und Genoffen wurde bei Erlaß der Ge- «erbeordnung l3SS im§ llS diese» Gesetzes der Truck bestimmt, klar »nd unzweideutig verboten. Der Paragraph lautete damals: Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter baar in ReichSwährung auszuzahlen. Dies war in„manchesterlichen" Zeiten. Kam die„große Aera der �ozialreform", in welcher 1878, bezeichnender Weise im Jahre des Sozialistengesetzes, auf Antrag des„christlichm Sozialreformers" Stumm Und unter Zustimmung der„jetzigen, sozialreformatorischen Regierung" § 115 der Gewerbeordnung durch folgenden Zusatz verschönt wurde: Sie dürfen denselben keine Waaren kredittren. Die Verab- solgung von Lebensmttteln an die Arbeiter fällt, sofern sie zu einem die Anschaffungskosten nicht übersteigenden Preise erfolgt, unter die vorstehende Bestimmung nicht: auch können den Arbeitern Wohnung. Feuerung, Landnutzung, regelmäßige Beköstung, Arzneien und Srzt- liche Hilfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden Damit war die gemeinschädlichste und gröblichste Form des Trucks nieder erlaubt. In dieser Form besteht§ 115 der Gewerbeordnung voch heut« zu Recht. Berschiedene Veriuche, den 1878 zugefügten Absatz !u streichen, wurden von den„christlichen Sozialreformern", insbesondere »on der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", hohnlachend als„nicht einmal im Detail dtSkusflonsfähige Utopie" zurückgewiesen. Und jetzt, da«in unparteiischer Forscher das himmelschreiende Elend aufdeckt, dem der zweite Absatz des Truckparagraphen der Gewerbeordnung die gesetz- lich« Weihe gegeben hat, kommen die Ehrenmänner der offiziösen Presse, wnzeln bedenklich� ihre„staatsmännischen" Brauen und erklären feierlich, MHl der A.T kommen können". bleichen." Sttmmt. Aber diese Unverschämtheit ist ja auch der wichtigste Artikel «n geistigen Rüstzeug der Lohnschreiber des großen Staatsmanns, der an der Spitze dieser„sozialreformatorischen Regierung" steht, und deffen Geist ste erfüllt. Diese Unverschämtheit, die Niederlagen in glänzende Erfolge Umlügt, die die Verfolgten, wenn sie sich gegen ihre Bedrücker zur Wehr dchen, zu Verfolgern stempelt und die frechen Unterdrücker als die un- schuldigen Opfer schändlicher Verfolgung hinstellt, diese Unverschämtheit, dis die schmachvollste Korruption, die die Welt je gesehen, in ihren Dienst spannt und dabei ihre Gegner der Korruption besichtigt, die die größte Vetternwirthschast übt, die nur denkbar ist und dabei nicht laut genug Uber schmähliche Benachtheiligung jammern kann, die salbungsvoll von praktischem Christenthum spricht, wenn sie dem Volk in Scheffeln nimmt und in Löffeln zurückgiebt, wenn sie den Armen die unentbehrlichen Lebensmittel vertheuert, um den Geldsack der Reichen zu schonen, diese Unverschämtheit ist das Geheimniß der meisten glorreichen„Erfolge", uon deren Ruhm die Blätter der Reptilienliteratur voll sind. Diese Unverschämthett und des deutschen Volkes— Leichtgläubigkeit. — Aus dem Lande des„Manchesterthums". Dem englischen Parlament liegt der Entwurf eines neuen Haftpflicht- Gesetzes vor. Ueber denselben schreibt das„Philad. Tageblatt": „Bekanntlich ist schon im Jahre 1880 unter einem Ministerium Glad- pone ein„Liabilty �Haftpflicht) Akt" erlassen worden, welcher das ge- Meine englische Recht über diesen Gegenstand aufhob und den Arbettern viele Vortheil« brachte. Dieses Gesetz hat man jetzt nicht mehr als genügend erachtet, und der Minister des Innern, Matthews, hat, anstatt eine Novelle zu dem älteren Gesetze vorzulegen, es vorge- logen, einen ganz neuen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der nach Annahme ourch das Parlament an Stelle des älteren Gesetzes treten soll. Dieses neue Haftpflichtgesetz zeichnet sich vor dem alten zunächst da- durch aus, daß es den Kreis der Entschädigungsberech- tigten erweitert. Nicht nur gewerbliche Arbeiter, sondern auch alle im Verkehrswesen beschäftigten, sowie Seeleute, die auf brittischen Schiffen fahren, werden der Wohllhaten des Gesetzes theilhastig gemacht. Ausgeschloffen bleiben dagegen nach wie vor Handelsgehilfen und Dienst- boten. Erleichtert wird den Geschädigten die Nachweisführung, indem die Frist zur Anmeldung eines Schadenersatzes auf arei Mouate ausgedehnt wird. Auch können Hinterbliebene eines verstorbenen Arbeiters, der schadenersatzberechtigt war, den Anspruch selbst bann geltend machen, wenn jener Arbeiter nicht in Folge der Beschädi- " ng, sondern in Folge einer anderen Ursache mittlerweile verstorben >«in sollte. Die Bedingungen der Haftpflicht sind wesentlich er» Rettert , indem nicht nur Mängel in dem gewerblichen Maschinenwesen, sondern auch Mängel bei den„Anordnungen" für hinreichend für Begründung eines Entschädigungs-Anspruchs erklärt werden. Ferner soll die Thatsache, daß ein Arbeiter nach empfangener Verletzung noch 'M Dienst bleibt, nicht mehr als Beweis dafür angesehen werden, daß durch eigenes Verschulden sich das Mißgeschick zugezogen habe. Der höchstbetrag der streitbaren Entschädigung ist noch immer unzulänglich; kr wurde auf 150 Lstr.(750 Dollars) oder auf das Dreifache des ortS- üblichen JahreSlohneS, falls diese Summe mehr als 150 Pfund Sterling betragen sollte, festgesetzt. Sehr wesentlich ist die genaue Bestimmung der Beding - ü n g e n, unter denen ein Unternehmer seine Entschädigungspflicht gegen rine Unfallversicherung begleichen kann. Es muß durch die Persicherung den Arbeitern mindestens der nämliche Schaden-Ersatz sicher- gestellt werden, den das Gesetz gewährleistet. Im übrigen ist es un- gesetzlich und u n g i l t i g, wenn ein Unternehmer durch besondere P e r t r ä g e mit seinen Arbeitern sich der Hastpflicht zu entziehen versuchen sollte. Seitens der Arbeiter-Vertreter wird jedenfalls versucht werden, den Geltungsbereich des Gesetzes noch weiter, z. B. auf Dienstboten, auszudehnen, sowie einen höheren Höchstbetrag der Eni- Ichädigungen zu erzielen. Aber auch so wie die Vorlage ist, haben die amerikanischen Arbeiter Ursache, ihre englischen Kollegen zu beneiden. Schon das bestehende rnglische Gesetz ist ihnen in dem wichtigsten Punkt, der„Verschuldung be? Mitarbeiters", sehr günstig und eS braucht kaum betont zu werden, wie wichtig die Ungiltigkeits-Erklärung von Verzichtleistungen auf An- Ipruch— die sogenannten Todtenscheine— ist. Die englischen Arbeiter profitiren von dem Streit zwischen Tories Und Liberalen. Jede der beiden Parteien bemüht sich um die Gunst ber Arbeiter. Man beachte, daß da« l880er Gesetz von den Libe- vaien erlassen wurde und daß j-tzt die K o n s er v a t i v e n, kaum baß sie zur Macht gekommen sigd, sich bemühen, ihre Gegensübler durch fitere Konzessionen bei den Arbettern auszustechen. Wäre die große «äffe der amerikanischen Arbeiter nicht blinde Partisane, so hätten sie, öi« längst im Besitz des Stimmrechts sind, ähnliche oder noch größere Erfolge gewiß zu verzeichnen gehabt." So das amerikanische Arbeiterblatt. Wie man sieht, kann man den Arbeitern günstige Gesetze einbringen, ohne sich vor der ganzen Welt vis unübertrefflicher Wohlthäler und„Oedipus , der die soziale Sphinx vewältigt", ausschreien und beweihräuchern zu.laffen. Aber freilich, England ist und bleibt doch da» Land des„Manchesterthums", denn zur richtigen Sozialreform gehört als wichtigstes Ingredienz— die Reklame. — Mitgefangen— mitgehangen. Nach dem berüchttgten renzboten"- Artikel rührt die im Leitartikel unserer Nr. IS ntirte Broschüre:„Mitregenten und fremd« Hände in Deutschland " auS der Feder eines Fürsten her, der„als �'ngrweihter ersten Ranges" zu gelten habe. Gleich darauf «>rd der Fürst als Herzog bezeichnet, so daß man nothgedrungen Pehmen muß, daß die Schrift, die im gleichen Verlage wie B e b e l' s vrau m der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft", und die—
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übrigen« von großer dichterischer Kraft zeugenden— a n a r ch i st i- schen Poesien„Sturm" erschienen ist, von niemand Geringerem herrührt als von Sr. Durchlaucht dem Herzog Ernst von Koburg- Gotha. Die Berliner „Volkszeitunz" bezweifelte freilich die Möglichkeit dieser Verfasserschaft.„Denn", sagte sie,„so wie dieselbe(die Züricher Schrift) von der Königin Viktoria und ihrem Gemahl, dem Prinzen Albert spricht, würde nicht einmal ein Holzhacker, ge- schweige denn ein gebildeter Mann, von seiner Schwägerin und seinem verstorbenen Bruder, und nun noch gar auSanony» mem Hinterhalte reden", indeß bis zur Stunde ist von Seiten des weiland Schützenkönigs keinerlei Dementi erfolgt. So müssen wir es denn der„Volkszeitung" überlassen, wie sie ihre kränkenden Bemerkungen über— die Holzhacker rechtfertigen will, und können es selbst nur als eine Genugthuung empfinden, daß ein so hoher Herr, wie der Grenzboten-Fürst, für sein Pamphlet gegen die künftig« deutsche Kaiserin Unterkunft gesucht hat in„einer jenet Brut- st Site n, in denen daSAsylrecht der Schweiz zu frevel- haften Angriffen auf den inneren Frieden der deutschen Nation mißbraucht wir d." — Ei« Kulturbild aus der Aera Bismarck. Deutschs Blätter berichten: „Der„Jnsterburger Zeitung" hat auf offener Postkarte das „Norddeutsche Telegraphen- und Korrespondenz- Bureau Dr. Richard Grothe in Berlin " Telegramme über den Tod des Kaiser » gegen ein bestimmtes Honorar angeboten. In der spekulativen Offerts wird folgende Umschreibung in den Tele- grammen angekündigt:„Sobald das Ableben des Kaisers mit Bestimmt- heit vorauszusehen ist, telegraphiren wir:„Die Trauung wird heute stattfinden," oder:„Satz druckfertig;" ist der Tod eingetreten:„Trau- ung hat soeben stattgefunden," oder:„Satz soeben ausgedruckt."—„Der Druck selbst währte, nachdem Satz schon seit— druckfertig— Stunden," heißt:„Der Todeskampf dauerte, nachdem Aerzte schon seit so und so viel Uhr den Eintritt des TodeS vorausgesagt hatten, so und so viel Stunden." Sehnliche Umschreibungen wollen auch Sie bei Eingehung eines Abonnements festsetzen." Man sieht, wie gierig diese„Patrioten" auf den Tod des M mnes lauern, den sie, da er noch gesund war, tausendmal auf das Hündischste angehocht, und der in ihren Augen, oder vielmehr nach dem„m o n a r- chischen Prinzi p", als deffen glühende Anhänger sie sich ausgeben, die Würde des Landes in seiner Person verkörpert. Wäre er gesund und übte er die Macht, die er repräsentirt, wirklich nach jeder Richtung hin aus, sie würden vor ihm kriechen, und schon die bloße Bemerkung, daß er sterblich sei, würde als sträfliche Majestätsbeleidigung verpönt sein; da er krank ist, und ein Anderer, der zwanzig Jahre lang die bureau- kratische Maschine für seinen Gebrauch dreffirt hat, die Zügel in Händen hält, behandeln sie ihn schlechtweg als todten Hund. Das ist die viel- gerühmte Anhänglichkeit an das Haus der Hohenzollern , die„Liebe des freien Mannes" zum„angestammten Herrscherhause", die sich in allen Festreden und patriotischen Gesängen so breit inacht. Sie war zu keiner Z it ächt, aber daß sie sich so schamlos um eines lumpigen Profits halber öffentlich prostituirtc, dazu bedurste es der Erziehung der Nation durch den Leiter des Fonds zur„Bekämpfung welfischer Umtriebe." — Eine Musterleistung moderner RechtSrabulistik. Deutsche Blätter veröffentlichen den Wortlaut eines Erkennt- nisses des Deutschen Reichsgerichts(zweiter Strafsenat), wonach das bloße Abonnement auf den„Sozialdemo- k r a t" zur Beihilfe der Verbreitung verbotener Druck- fchriften gestempelt wird. Dieses Erkenntniß ist in seiner Art wahr- Haft bewundernswerth, die scharfsinnigsten Scholasten des Mittelalters, die spitzfindigsten Talmudisten, die abgefeimtesten Jnquisitionsrichter haben nichts Kunstoollsre« auf dem Gebiete kasuistischer Begriffsver« renkung geleistet, als die würdigen Unfehlbaren des zweiten Strafsenats am deutschen Reichsgericht— Leffing's Patriarch ist ein Waisenknabe ihnen gegenüber. Man höre nur: „Der„Sozialdemokrat" darf nach dem auf Grund deS Sozialistengesetzes erlassenen Verbot nicht in Deutschland verbreitet werden. Nach richterlicher Feststellung haben die Verleger in K-nntniß des Verbots die Nummern 4, ö, 8, 10 und II des Jahrgangs 1887 an den Angeklagten als einen ihrer Abonnenten gelangen lassen. Sie sind dabei von der Absicht geleitet gewesen, durch Sendungen solcher Art der Z ilung in Deutschland möglichst viel Verbreitung zu geben, dergestalt, daß sie nicht nur von den Abonnenten gelesen werde, sondern von Hand zu Hand gehe und den darin vertretenen Ideen Eingang im Volke verschafft werde. Die Zeitungsunternehmer haben mit der Absicht der Weiter- Verbreitung die Blätter der verbotenen Druckschrift mit Kenntniß deS Verbots vom Auslände über die Grenze und nach Berlin an den Angeklagten als ihren Abonnenten gesendet. Sie haben damit im In- lande eine dem Sozialistengesetz widersprechende Verbreitungsthätigkeit entwickelt und würden demnach, wenn innerhalb desdeutschen Reiches erreichbar und angeklagt, als T h ä t e r der angedrohten Strafe unterliegen. Der Beihilfe ist der Angeklagt« für überführt erachtet, indem angenommen worden, daß er mit Kenntniß der wider die Verleger festgestellten Sachlage diesen durch sein Abonnement Hilf- geleistet hat, um ihnen für die abgedachten Nummern deren Verbreitung innerhalb Deutschlands zu ermöglichen.— Wäre der Angeklagte selbst der Verbreitung beschuldigt, so würde eS einer weitern Prüfung und Feststellung bedurft haben, ob und inwiefern er selbst eine Verbreitungsthätigkeit im Inland« entwickelt habe. In dieser Richtung ist im ersten Urtheil nichts gesagt, vielmehr nur erwähnt, daß der An- geklagte die Zeitschrift nach seiner Behauptung nur selbst gelesen, nicht aber sie weiier verbreitet habe. Von diesem Sachverhalt ist in der R-vifionsinstanz auszugehen. Gleichwohl leidet das Urtheil erster Instanz nicht an einer Unvollständigkeit.— Nicht Thäterschaft, sondern nur Hilfeleistung an fremder Thäterschaft ist das dem Angeklagten zur Last fallende Vergehen; es kommt daher darauf an, ob der Angeklagte sich bei seinen Unterstützungshandlungen bewußt gewesen ist, dadurch eine dem Gesetz widersprechende V rbreitungsthätigkeit der Hottinger Verleger thatsächlich zu befördern. Das aber ist vom ersten Richter festgestellt. Der Angeklagte wußte bei der dort erfolgten Empfangnahme der Blätter, daß deren Versendung durch die Verleger zu dem Zwecke bewerkstelligt werde, um ihnen möglichste Verbreitung zu geben, also(!) auch die einzelnen Exemplare nicht zum ausschließlichen Gebrauch der Abonnenten in deren Hände gelangen zu lass-m. Auf eine Unterstlltzungßthätigkeit in diesem, der Verbreitung förderlichen Sinne, nicht aber in Beschränkung auf den ausschließlich persönlichen Gebrauch ist nach dem ersten Urtheil das Verhalten des Angeklagten gerichtet gewesen. Er hat nach demselben durch sein Abonnement und seine Adresse den Hottinger Verlegern eine Stelle bezeichnet, nach welcher ihre Verbreitungsthätigkeit sich mit Erfolg zu richten vermochte, von der insbesondere ei« Uuzu- gängiichmachen der versendeten Exemplare für Andere nickt zu befürchten(!) stand. Daß durch derartige Abonnement» dem ganzen Unternehmen der verbotswidrigen Verbreitung die wirk- samste Unterstützung gewährt werden kann(I), bedurfte keiner näheren Erörterung. Daß die Person der Verleger als der Thäter, und die Art, wie da» Abonnement und die Versendung bewirkt sein möge, nicht ermittelt worden, bietet kein rechtliches Hinderniß, die Strafbestim- mungen der Beihilfe anzuwenden, da alles rechtlich Wesentlich« festgestellt ist. Ebensowenig bedurfte es weiterer Feststellungen dafür, daß die Be- stellung gerade des Angeklagten zur Kenntniß der Verleger gelangt ist. DaS Abonnement ist erfolgt und dementsprechend die Versendung an den Angeklagten. Ob etwa dabei Mittelspersonen thätig gewesen und der Name des Angeklagten den Verlegern nicht bekannt geworden sein mag, ist rechtlich gleichgültig. Strafbar»st, wer dem„Thäter" wissentlich durch Rath oder That Hilfe leistet. Daraus folgt aber nicht, daß als Gehilfe nur derjenige bestraft werden könne, der den Thäter kennt. Erforderlich ist nur die Kenntniß davon, daß jemand eine als Verbrechen oder Ver- gehen nach dem Gesetz erscheinende Handlung begehen wolle und daß hierzu Hilfe geleistet werde. Auf den Namen des Thäters kommt eS nicht an, sondern auf seine Thätigkeit. Au» denselben Gründen ist es ohne rechlliche Erheblichkeit, ob der Thäter Kenntniß erhält von dem Namen oder der Persönlichkeit desjenigen, der ihm die Begehung einer strafbaren Handlung möglich macht. Auch wenn Beide einander persönlich nicht kennen, so ist dadurch die Möglichkeit strafbarer Beihilfe nicht ausge- schloffen. Auf Fälle, die thatsächlich anders liegen als der vorliegende, ist nicht einzugehen."--
Dies das„Erkenntniß". Stellen wir nur einige der schönsten Deh' nungen und Krümmungen, die es am Recht und der natürlichen Logik vornimmt, in's verdiente Licht. Wer ein Blatt abonnirt, übernimmt damit absolut keinerlei Verpflich- tung in Bezug auf das weitere Schicksal seines Exemplars. Cr kann eS sofort nach dem Lesen vernichten, er kann es sich aufbewahren, er kann es an Andere zum Lesen weitergeben— kurz, damit thun, was ihm beliebt, welches auch der Wunsch oder die„Absicht" des Herausgebers des Blattes seien. Angenommen, daß die Herausgeber des„Sozialdemokrat" wirklich von jedem Abonnenten erwarteten, daß er das an ihn gelangende Exemplar weiter verbreite, so wäre das eben nichts als ein frommer Wunsch, genau so wie es der fromme Wunsch der Baseler Missionsgesell» schaft ist, daß ihre erbaulichen Traktätchen, welche die Inschrift tragen: „Lies und gib weiter," von Hand zu Hand gehen, während dieselben bekanntlich in der Regel einen andern Weg zu nehmen pflegen. O nein, sagt das R-ichSgericht, für den frommen Wunsch ist nicht nur der Herausgeber verantwortlich, der Angeklagte behauptet zwar, er habe d»S Blatt nur selbst gelesen und nicht weiter gegeben, es liegt auch keine Thatsache vor, die den Beweis liefert, daß er es weiter gegeben, aber, und nun kommt die glorreiche Leistung, er hat durch Angabe seiner Adresse den Herausgebern eine Stelle bezeichnet, von der eine Weiter- Verbreitung an ander«—zu erwarten war? o nein, soviel braucht es gar nicht, von der ein U n z u g ä n g l i ch m a ch e n der versendeten Exem- plare für Andere nicht zu befürchten stand!„Nicht zu befürch- ten," so steht es wörtlich da. Welch geniale Wendung! Wie groß- artige Aussichten eröffnet sie der modernen Rechtsprechung! Die geseg- neten Zeiten, da man auch die Gesinnungen aburtheilte, kehren wieder— „... Wort' und Blicke werden abgewogen, Gedanken selber vor Gericht gestellt." Nicht mehr Thaten, nicht vollendete Handlungen braucht es, sondern Mö> l i ch k e i t e n. Es kann durch derartige Abonnements dem ganzen Unternehmen der Verbreitung die wirksamste Unterstützung werden— diese Erwägung genügt. Ob die Unterstützung in Wirklichkeit stattfand, ist gleichgültig, die Möglichkeit ist da, und wo die Möglichkeit da ist, daß etwas geschehen könnte, da sind auch die Erfordernisse der Mit- schuld gegeben.—„Du hast da eine Feder?"„Ja wohl."„Mit dieser Feder kann man die hochverrätherischsten Artikel schreiben.» Du hast durch Deine politische Thätigkeit bekundet, daß eine Weigerung, hochverrätherische Artikel zu schreiben, von dir„nicht zu befürchten" ist. Folglich bist Du der Beihülse an hochverrätherischen Handlungen schuldig." Und — der Jude wird verbrannt. „Von— Rechts— wegen"; denn das Reichsgericht ist ja die höchste unfehlbare Rechtsinstanz im Deutschen Reiche. Es spricht nicht nur Recht, es macht auch Recht. Freilich nur auf dem Umwege der Rechts-Aus- l e g u n g, aber dieser Umweg führt sicherer zum Ziel als der gerade Weg der Gesetzgebung. Ueber eine weitere Schönheit de« obigen Erkenntnisses ein andermal. — Die sächsische Regierung hat die AlnSlieferung des jungen Armeniers Kafianz(nicht Kafiang) an Ruhland vertveigert und denselben aus der Haft entlassen. Wahrscheinlich wird der„vierte russische Botschafte r", wie Bismarck aus dem Berliner Kongreß genannt ward, dem Herrn von Nostiz-Wallwitz einen tüchtigen Rüffel ertheilen. Denn„Väterchen" zu beleidigen, ist im Bismarck'schen Deutsch- land doch eine Majestätsbeleidigung Nr. 1. — Ein Geständniß. Der Pariser Korrespondent der kapitalistischen „Neuen Züricher Zeitung" schreibt derselben unterm 4. Mai: „Für einen Schweizer gibt es in den heute erschienenen Pariser Blät- tern kaum etwas Interessanteres, als die Betrachtungen zu der telegra- phischen Meldung, daS Unterwaldner Volk werde dies Jahr keine Steuern zu bezahlen haben, weil die vorhandenen Fonds für die Kosten des Staatshaushaltes ausreichen. Diese wackern Schweizer ! Diese Repu- blikaner vom echten Stamme! Diese Söhne MelchthalS! Die ganze Schweiz ein steuerfreies Paradies! Die guten Leute, die so schreiben, wissen nichts von der Steuerfülle Zürichs und haben offen- bar keinen der Millionäre gekannt, welche von Zürich nach Paris übergesiedelt sind, um hier bequem aus der Summe zu leben, die sie in Zürich nur für Steuern ausgegeben hätte n." Also um der drückenden Steuerlast willen sind die armen Millionäre von Zürich nach Paris geflohen? Nun hat, wenn wir nicht ganz falsch berichtet sind, Frankreich einen Etat, der den des Kantons Zürich im Verhältniß etwa um das Dreifache übertrifft, und der Etat der Stadt Paris ist ebenfalls so viel höher als im V-rhältniß der Durchschnitts- Etat der Gemeinden des Kantons Zürich . Da in Frankreich das Geld aber ebensowenig aus der Luft in die Staats- und Gemeindesäckel fliegt als in der Schweiz , so muß es dort wie hier von den Bürgern in Form von Steuern aufgebracht werdew Wie ist es da möglich, daß trotzdem in Frankreich die Millionäre mit den Steuern viel besser daran sind als im Kanton Zürich ? Die Erklärung ist sehr einfach: Frank- reich hat indirekte und Zürich direkte Steuern. Fühlen sich die Millionäre bei Ersteren so unvergleichlich wohler, so ist das der schlagendste Beweis, daß die indirekten Steuern mit unverhältniß- mäßiger Wucht auf den Taschen der Nicht-Millionäre, der unbemittelten Klassen lasten, daß diese das Geld auf- bringen müssen, das nach gerechten Grundsätzen die Millionäre aufzu- bringen hätten. Es ist das schon oft gesagt worden, aber es schadet nichts, wenn man es immer wieder von Neuem feststellt, zumal heute überall in der Bourgeoispresse dafür agitirt wird, recht viel indirekte Steuern an Stelle der direkten einzuführen. Die Steuer-Ersparnlsse der Millionäre sind eine Schande und keine Ehre für Frankreich , das in diesem Punkte eben auch leider noch viel zu sehr Geldsacksrepublik ist. — Schnelle Justiz. Der New-Iorker StatiMr P e ck, aus dessen Bericht über die Streiks des Jahres 1837 wir in den letzten Nummern einige Auszüge veröffentlichten, ist für die Offenheit, mit der er seiner Ueberzeugung in seinem Bericht Ausdruck gab, schnell— sagen wir, eines Bessern belehrt worden. Und zwar auf echt amerikanische Weise. Ihn absetzen? Pfui, das wäre zu plump gewesen, hätte wie eine Maß- regelung, wie ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft ausgesehen. Ein echter Yankee thut dergleichen nicht. Die kapitalistischen Gesetz leber in Albany haben dem Mißfallen, d,S die Peck'schen Berichte bei ihnen erregt, dadurch eine ehrbare, aber wirksame Genugthuung verschafft, daß sie für da« nächste Budget die G e l d b e w i l l i g u n g für die Beamten des statistischen Bureaus— vergaßen. Emfach, aber probat. Wenn Herr Peck-in kluger Mann ist, nimmt er sich die Lehre zu Herzen, wenn nicht, nimmt er— feinen Abschied. Sein Nach- folger wird ei besser verstehen, was man sagen darf, und was man hübsch für sich behält. Unser Bruderorgan, der N w-Yorker„Sozialist", dem w»r die Mit- theilung von der vergessenen Geldbewilligung entnehmen, begleitet die- selbe mit folgendem Kommentar: „Es geht doch nichts über die kleinen, aber oft höchst charakteristi- scheu Duminhetten, welche von Zeit zu Zett die interesstrten Gegner der Arbeiterbewegung machen, wenn sie einmal instinktiv auch in un- scheinbaren Dingen handeln, wie es ihnen um'S Herz ist. Keiner unserer Leser hat z. B. je daran gezweifelt, daß all- die von unseren Gesetz- gebern bewilligten harmlosen Aibeiterforderungen— wie gewisse Ar- oeiterfchutzgesetze, wie der halbe Feiertag, wie die Errichtung eines statt» stischen Bureau«-c.— nur Akt-„smarter"(etwa geriebener. Red. d.Sd.) Heuchelei gewesen sind zur Beschwichtigung des ersten Ansturms der Arbeiter; keineswegs aber Beweise ehrlicher Sympathie mit den Arbeiter- interessen.«ber mögen nun die Motive dafür gleichviel welch- immer gewesen sein, die betreffenden Institutionen waren wenigstens formell von unseren Gesetzgebern bewilligt und hatten einem Theil unserer in sozialistischen Dingen sehr bescheidenen anglo-amerikanischen Arbeiterschaft thatsächlich Sand in die Augen gestreut. Nun sollt- man füglich meinen, daß wenigsten« seitens der Gesetzgeber alles geschehen würde, um den dadurch erlangten„Stein im Brett" bei den Arbeitern nicht wieder ein- zubühen, wenn auch die Ex-kuttvbehörden der betreffenden Gesetzes a u s- führ ung allerhand Schwierigkeiten in den Weg legen? Aber nein, fehlgeschossen! Das instinktive Klasseninteresse, der natürliche Haß gegen die Arbeiterbewegung behält schließlich auch bei den „smartesten" Politikern immer unwillkürlich die Oberhand."