Publikum aller günstigen Wirkungen der Konkurrenz zu berauben. So-bald es erwiesen ist, daß die modernen Erleichterungen im Verkehr diesmöglich machen, und die Erfahrung hat gezeigt, daß sich die Menschenso in unsre neuen Bedingungen hineingefunden haben, daß eine erfolg-reiche Leitung solcher Unternehmen praktisch möglich ist, dürfte es derGemeinschaft leicht fallen, den Versuch, den freien Mitbewerb gegen jedesAttentat sicher zu stellen, als hoffnungslos fallen zu lasten, und an dieStelle des Trust den Staat zu setzen. Jndeh ein Beispiel aus der Wirk-lichkeit wird das klarer machen, als alle noch so umfangreichen Aus-einandersetzungen.Die amerikanischen Baumwollpflanzer brauchen alljährlich ungefähr4S Millionen Uards(1 Dard— 0,91 Meter) Jute-Leinwand, um ihreBaumwolle zu verpacken. Da die Preise eine zeitlang sortgesetzt heruntergingen, beschloß man, die Bildung eines Trust zu versuchen und sich einMonopol zu sichern, das ein Steigen der Preise erzwingen könnte. Dieswar der Ursprung des Sackleinwand-Trust, dessen Angelegenheit jüngstvor dem Untersuchungs-Komite des Kongresses zu Washington verhandeltwurde. Die Produktion dieser Packleinwand lag im vorigen Jahr inder Hand von IS Firmen. Acht Firmen, die zwei Drittel der Gesammt-Produktion vertreten, vereinigten sich zu einem Trust, dessen Mitgliedereinen Vertrag unterzeichneten, nach gemeinsamer Vereinbarung sowohlihre Produktion als ihren Preis zu bemessen. Eine Firma in New-'Jorkwurde zum Zentrum der Korrespondenz bestimmt, und an diese Firmawurde die ganze von den Mitgliedern des Trusts verfertigte Packlein-wand verkauft und übersandt. Profit und Verlust des Unternehmenssollten nach Verhältniß getheilt werden. Der Preis wurde von der Ma-jorität der Mitglieder festgesetzt, und bis letzten Juli von 7'/, Centsauf 9'/, Cents und seitdem aus 11 Cents pro Jard erhöht.') ZweiDrittel des gesammten Packleinwand-Handels der Vereinigten Staatenstehen dergestalt unter Kontrole eines einzigen Korrespondenz-Z-ntrumstn New-Jork, das lediglich vom Standpunkt des Interesses der Trust-Mitglieder darüber entscheidet, wie viel angefertigt werden soll. Bis so-weit unterscheidet sich daher Trust in nichts von andern großen Unter-nehmer-Verbindungen, und wir führen das Beispiel der Packleinwand-Industrie nur an, weil in diesem Fall, Dank der beschränkten Zahl derdavon berührten Firmen, es möglich ist, zwei Drittel des gesammtenBorrathS von einer Zentrale aus zu kontroliren. ES ist dies die ein-fachste und erste Form der„Vereinigung". Um der Organisation mehrKraft und Dauer zu verleihen, werden oft an die Kapitalisten, die sichzum Zwecke der Herstellung eines Monopols vereinigen, Antheilsscheineausgetheilt, die den ursprünglichen Kapitalwerth ihres Antheils um dasMehrfache übersteigen. Die lokale Leitung bleibt bestehen, ist aber derzentralen Kontrole unterworfen. Die Vorsteher des Trust, die das ganze„vereinigte" Kapital in ihrer Hand haben, können nach freiem ErmessenFabriken schließen— denn durch die Schließung der Hälfte der Fabriken,für die sie ausgegeben wurden, können die Trustantheile vielleicht eineWerthsteigerung erfahren— oder nach Belieben die Produktion ein-schränken.Aber, fragt man vielleicht, warum konkurriren die Draußenstehendennicht mit dem Trust? Aus demselben Grunde, der Herrn Chamberlainein Monopol in der Schrauben-Jndufirie verschafft hat. Wenn ein Trustgebildet worden ist, so sucht er seine Konkurrenz todtzumachen, er hat jaMittel genug, jeden Einzelnkonkurrenten zu erdrücken. Wie er Fabrikenschließen und doch für das Kapital, das sie repräsentiren, Dividendenzahlen kann, so kann er es sich auch leisten, Waaren unter dem Kosten-preis zu verkaufen und dadurch die andern Firmen zur Unterwerfungoder ganz aus dem Feld zu schlagen. Alle solche stellt er vor die Alter-native: Beitritt oder Ruin. Der einzige Ausweg für die bedrohtenFirmen ist, einen Gegen-Trust zu bilden, durch den die Konkurrenznatürlich in irgend einer Art aufrecht erhalten werden kann. Aberschließlich werden die feindlichen Trusts dahin getrieben, sich zu ver-schmelzen, und dann ist das Monopol vollständig. Unterbietung ist nichtdie einzige Waffe, durch welche ein Trust die Konkurrenz todtzuschlagenvermag, auch der Boykott wird offen zu Hilfe genommen. Ein Trustverbündet sich mit einem andern zu Schutz und Trutz. Kurz, die Zentrali-sation geht mit Dampfgeschwindigkett vorwärts. Nun ist aber sovielklar, daß wenn die Leitung der gesammten Produktion eines gegebenenArtikels die Kräfte eines, im Interesse des verbündeten Kapitals vonPrivatproduzenten thätigen Direktions-Ausschusses nicht übersteigt, sieauch im Bereich der Leistungsfähigkeit eines im Interesse der Gesammt-heit thätigen nationalen Ausschusses liegt. Bisher war der wirthschaft-liche Haupteinwurf gegen die Forderung der Sozialisten der, daß eSunmöglich sei, eine wirklich praktische geschäftliche Leitung der nationali-firten Produktionsmittel herzustellen. Aber wenn diese Schwierigkeit indem Falle eine» Monopols von gleicher Ausdehnung wie der Staat,das im Interesse von Kapitalisten errichtet wurde, bewältigt worden ist,so kann sie nicht unüberwindlich sein in dem Falle eines Monopols,daS im Interesse der ganzen Gesellschaft geschassen worden. Der großemoralisch« Einwand, daß dasselbe die Individualität unterdrücken undden privaten Unternehmungsgeist lähmen würde, kann allenfalls beieinem wirklich freien Konkurrenz-System gelten, nicht aber bei einemSystem kapitalistischer Trust»."Dies der Artikel de» liberalen Blatte». Uns Sozialisten sagt er selbst-verständlich nichts Neues, er bestätigt, wie gesagt, nur unsere AuS-führungen. Er unterscheidet sich aber grade dadurch vortheilhast von derBehandlung der„Trustsrage" durch die übrige liberale Presse, die ent-weder über die Trusts spießbürgerlich schimpft und den Fortschritt nichtsieht, den sie unzweifelhaft repräsentiren, oder sie als natürliche Er-scheinung de» modernen Wirthschaftslebens anerkennt, und die Schäden,die sie in ihrer heutigen Form unzweifelhaft mit sich bringen, entwederkurzweg bestreitet oder fchönfärberisch zu mildern sucht, ganz abgesehenvon der, die Interessen der Trustgründer gegen klingende Gründe ver-theidigenden Schwindelpresse.Man kann das Sine thun, ohne das Andre zu lassen. Man kann denSchwindel, der bei der Trustbildung betrieben wird, die schamlose Be-raubung des Publikums, zu der die Kapitalistenringe die Handhabebieten, die brutale Vernichtung der Kleinen durch die Großen, die dabeisystematisch in Szene gesetzt wird, brandmarken und doch feststellen, daßdies« Ringe, Trusts k. ein natürliches, ja ein nothwendiges Pro-bukt der modernen Produktionsweise sind, ein mächtige» Element desgesellschaftlichen Fortschritts.Zu allen Zeiten ist der Fortschritt mit Mißbräuchen verbunden ge>wesen, die soziale und die politische Idylle existiren nur in Märchen-*) Anderson Gratz von St. Louis, Fabrikant von Sackleinwand, gaban, daß nahezu alle Fabrikanten Verträge mit der KommisstonS-FirmaL. Waterbury und Komp. in New-Jork abgeschlossen haben, welcher dieMacht zugestanden wurde, die Preise und den Umfang der Produktionzu bestimmen, wogegen sie das ganze Produkt zu bestimmten PreisenÜbernimmt und fünf Prozent Kommission erhält. Sie kann den Preisnach Belieben fixiren. Gratz war in seinen Aussagen unverschämt frech.Er führt« aus, daß die Kombination vollständig Herrin derSachlage sei. Der Import von Packleinwand schreck« sie nicht, so-weit die Baumivollernte diese» Jahre» in Betracht komme. Der Vorrathin der ganzen Welt betrage nicht mehr al» 1,500,000 bis 2,000,000JardS. Der Bedarf in diesem Land sei 45 Millionen Jards. In Indiengebe eS 24 Fabriken, welche da» nöthige Produkt für die Baumwoll-Verpackung jene» Landes liefern. Sie könnten den Bedarf für Amerikabestreiten und bei den jetzigen Preisen 150 Prozent Profitmachen. Aber Indien ist vier Monate von hier entfernt und selbst wennder Zoll sofort abgeschafft würde, könnte da» den Baumwollpflanzernfür dieses Jahr nichts nützen. Zeug- ist außer in dem St. Louiser Ge-fchäft noch an zwei Firmen in Municie, Ind., und Champaign, Illinois,betheiligt, welche Jute-Leinwand für Baumwolle-Verpackung fabriziren.Boriges Jahr war die Produktion 45 Millionen Iards, in welche sich15 Firmen theilten, jetzt gibt es nur noch acht. Die Preis«der Leinwand waren: 1877— 10'/« Cents, 1880—11'/,, 1887 dagegennur Tt/i Cents. Im August dieses Jahres war der Preis 11--12'/,Cents per Iard». Die Baumwollen-Ernte fordere 45,500,000 Iardsund alle Fabriken zusammen können bis November 50 Rillionen liefern.Es werde zwar viel Leinwand importirt, aber für die jetzig- Ernte nichtgeimgend."(Korresp. des„Phil. Tageblatt.)Aus diesen Busführungen geht hervor, daß die„Pall Mall Gazette"im Jrrthum ist, wenn sie schreibt, daß der Trust zwei Drittel der Ge-sammtproduktion vertritt. Er vertritt das Ganze derselben, er hat nurdie Zahl der Firmen aus zwei Drittel reduzirt, in-dem, wie ein anderer Fabrikant fSppletor Sturzis von New-Uork) aus-gte, die größern Fabriken die kleiner»„pachtweise" an sich brachten.büchery, wozu bekanntlich nicht nur die Bücher gehören, bei denen mane» auf dem Titelblatt liest, daß ihr Text aus dem Reich der Phantasiegenommen.Der Kapitalistenring ist eine nothwendige Erscheinung, sagtenwir. Nothwendig nicht nur als Vorarbeiter weiteren Fortschritts, sondernnothwendig für die Produktion überhaupt, nothwendig im Sinne vonunvermeidlich. Das Grundgesetz der Oekonomie ist Vermeidung, Er-sparung aller überflüsfigen Kosten, die freie Konkurrenz dagegen reizt zuganz zwecklosem Kostenaufwand an, es ist hier ein Gegensatz, den diebürgerliche Gesellschaft nur dadurch lösen kann, daß sie— der freienKonkurrenz, d. h. ihrem wirthschaftlichen Grundgesetz, ein Ende macht.Wir können das bei vielen Erscheinungen der Neuzeit feststellen, amdeutlichsten zeigt eS sich aber bei den„Trusts".Die Konkurrenz, nach der bürgerlichen Oekonomie das Universalheil-mittel aller gesellschaftlichen Schäden, führt oft grade das Gegentheilvon dem herbei, was sie ihrer Natur nach sollte, statt Kostenersparnissewahnsinnige Verschleuderung von Arbeitskraft und gesellschaftlichen Ge-brauchswerthen. Wir wollen gar nicht von den Folgen, die der Wechselvon Ueberproduktion und Krisen in dieser Hinsicht mit sich bringt, reden,nein, von ganz direkter Verschleuderung als einer Folge der freien Kon-kurrenz.In England ist in diesem Augenblick ein Kohlen-Trust, ein Ring derKohlenbergwerksbesitzer behufs Erzielung höherer Preise imGange. Etwa 20 große Kompagnien mit einem Kapital von 80 MillionenPfund Sterling, d.h. über 1'/, Milliarden Mark, sollen Besitzer der ge-sammten Kohlenwerke Englands werden. Was sich die Macher davonversprechen, geht deutlich aus einem Interview hervor, das ein Vertreterdes radikalen„Star" mit einem der in Frage kommenden Grubenbesitzerhatte.„Wir ziehen jährlich," erklärte er,„1K0 Millionen Tons(1 Ton----1000 Kilo) Kohlen aus der Erde. Wird die Nachwelt glauben, daß wirvon hundert Dingen in- und außerhalb des Parlaments reden, ohneauch nur einen Augenblick an die verbrecherische Vernichtungsarbeit zudenken, Dank deren bei der Beförderung von ISO Millionen TonS Kohlenaus der Erde, die Nation einen Verlust von SO MillionenTons erleidet?"„Wieso?"„Weil e» nicht zahlt, fie nach oben zu befördern und sie deshalb untenbei Seite geschafft werden in Schachte, in welchen es in später» Zeitenunmöglich sein wird, zu arbeiten."„Und warum diese erstaunliche Verwüstung?"„Die Ursache ist schnell konstatirt. Vor 18 Jahren reduzirten dieKohlenwerke die Arbeitsstunden um ein Erhebliches, ein Jahr daraufhatte der europäische Krieg ein Wiederausleben der Geschäfte zur Folge—reduzirte Produktion und erhöhte Nachfrage nach Kohlen bewirkten hohePreise, die ihrerseits ein« wahre Jagd auf Kohlengebiete zur Folge hatte.Der Heißhunger nach Kohlen machte die Leute verrückt. Die Kohlenwerkeim Vereinigten Königreich vermehrten sich wie durch Zauberkünste. Inetwa vier Jahren, von 1871 bis 1875, wuchs ihre Zahl von 2760 auf4445 an. Die Preise fielen, und jetzt dreht sich der Kamps nicht umGewinn von Reichthümern, sondern um die Existenz, und selbst die kannoft nicht aufrechterhalten werden. Vor 17 Jahren erzielten Kohlen ander Schachtmündung durchschnittlich 8 Shilling per Ton, jetzt etwa 4Shilling 9 Pence. Der sogenannte„Slack", d. h. die zerstückelte kleineKohle, die in den meisten Gruben ungefähr 40 Prozent der Förderungausmacht, erzielt nicht mehr als 2 Shilling per Ton ab Grubenmündung,was einen Verlust von 2 bis 3 Shilling per Ton bedeutet."„Demnach kämpfen wir die Gruben um die Existenz?"„Allerdings. Und der Kampf endet hier und dort mit dem Bankrottund droht, immer weniger Aussichten darzubieten. Die Grubenbesitzersind ruinirt und die Arbeiter erhalten jammervolle Löhne und verlierenselbst diese im Fall eines Bankrotts."Item, allen diesen Uebeln, die zum Theil natürlich noch etwas schwärzerdargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind, soll das Monopol, der„Trust" abhelfen. Er wird gewissermaßen den Himmel aus Erden er-richten. Die großen Kompagnien werden einen honetten Preis für dieKohlen vereinbaren, bei dem man 15 bis 20 Prozent auf die Seitelegen kann— für Amortisation des Kapital«, denn der Grudenreich.thum hält nicht ewig vor, und dem Publikum muß klar gemacht werden,daß eine Anlage in Kohlen ebenso gut als eine Anlage in Eisenbahnen.Mit den Eisenbahnen hinwiederum wird es weniger Streit um dieFrachtsätze geben, denn ihnen kann alsdann gezeigt werden, was eineHarke. Auch die Besitzer des Grubenlandes werden nicht zu kurz kom-men, und was schließlich die Arbeiter anbetrifft, so könnten die Antheil-scheine so eingerichtet werden, daß die Arbeiter bei der Bereinigung, inderen Gruben sie angestellt sind, interessirt werden— und daher umso rasender schaffen,„wir kennen die Weise, wir kennen den Text."Jndeß, von dieser Süßholzraspelei abgesehen. Ran braucht natürlichdem Herrn nicht alles zu glauben, was er dem Reporter vorerzählt,aber ein Theil davon ist sicher wahr, und dazu gehört die Schilderungder enormen Meng« des heute als unrentabel vernichteten Kohlenbriese».Das ist ein wirklicher Verlust, nicht für die Grubenbesitzer, die könnensich anderwärts schadlos halten und thun e» auch, aber für die Mensch-heit überhaupt. Ein unschätzbarer Brennstoff wird vor der Zeit auf-gebraucht, während ein minder«erthvoller, aber doch in vielen Fällengut verwendbarer unbenutzt verkommt. Und diese Verschwendung ist eineWirkung der heißgerühmten freien Konkurrenz. Der Kohlenring soll ihrein Ende machen und wird es eventuell wohl auch. Aber, der Vortheildavon wird nicht der Gesammtheit sondern einer winzigen Minderheitvon Kapitalisten zufallen, deren einzige wirthschaftliche Mission in demAugenblick auch nominell zu bestehen aufhört, al» die Maschine desRings zu funktwniren beginnt. Sie werden alsdann total überflüssig,man kann ihnen nicht einmal mehr wirthschaftliche Leistungen andichten.Parasiten, und nichts andres. Will die Menschheit dann nicht daS Radder Entwicklung zurückdrehen, und für solche Tendenz liegt auch nichtder geringste Grund vor, so ist vom Trust zum Sozialismus nur einganz kleiner Schritt— wie von der Schwelle ins Gemach.Faffen wir zusammen: die kapitalistischen Unternehmer befinden sichin einer engen Klemme. Ohne Trust brechen sie sich gegenseitig denHals— mit dem Trust fordern sie die Gefellschast heraus, ihnen denHals zu brechen. Wie in allen solchen Fällen treibt der Kampf um'SDasein sie dazu, vor dem Uebel der Gegenwart um jeden Preis Rettungzu suchen, und es in Bezug auf die Zukunft darauf ankommen zu lassen,was geschieht, d. h. den Trust zu riskiren. Und dazu rufen wir Soziali-sten ihnen ein fröhliches Glückauf! zu.Aus Frankreich.Die Ereignisse, die sich in der neuesten Zeit hier abspielen, weisen«ine große Aehnlichkeit auf, ja erfcheinen als eine Wiederholung derVorgänge, welche der großen Revolution vorangingen. Zu den Streiks,welche da« ökonomisch« Frankreich von einem Ende zum andern feitJahren konvulsivisch bewegen, ist in den letzten Wochen eine modernisirteKopie deS berüchtigten Hungerpakts vom vorigen Jahrhundert getreten.Di« schlechte Ernte und der Getreidezoll von 5 Fr. pro Meterscheffel,haben den Bäckern den Vorwand geliefert, eine Steigerung der Brod-preis« zu inszeniren, resp. anzukündigen.Bei den wüthenden Krisen, den vielen Streiks läuft das geradezuauf ein« Aushungerung der Arbeiter hinau», welche, je weniger sie anFleisch und andern Nahrungsmitteln zu konsumiren haben, fast aus-schließlich auf daL Brod angewiesen sind. In Erwägung dieser Umständehaben die Gemeindebehörden verschiedener Kommunen, gestützt aus ein,au» der großen Revolution datirendes, aber bisher außer Acht ge-laffenes Gesetz, eine Brodtaxe eingeführt. Dieselbe bestimmt für dieverschiedenen Sorten Brod einen Maximalprei», nach dem Preise desMehls und den Herstellungskosten, bei welch letzteren den Bäckern als„Backprämie" noch immer ein guter Gewinn gesichert ist. Dies paßteaber den Herren Bäckermeistern nicht und in einzelnen Gemeindenschloffen sie eine Art Koalition und verpflichteten sich untereinander,das Brod nicht zu dem Maximumpreise zu verkaufen und evenwellenFalles das Backen ganz einzustellen. In Argentron(Departement Jndre)schloffen nach Prvtlamirung der Brodtaxe sämmtliche Bäcker ihre Läden,die Stadt blieb einen Tag ohne Brod, und erst alS die erbitterte Ein-wohnerfchaft verschiedene Bäckerläden demolirte und plünderte, erklärtensich die Ritter vom Backtrog bereit, das Brod zur Taxe abzugeben. InNachbarstädten von Paris, St. Oueu und St. Denis, in welch' erstererdie offizielle Brodtaxe ungefähr seit einem Jahre in Kraft ist, währendsie in St. Denis erst in der vergangen Woche erlassen wurde, suchtensich die Bäckermeister für die beabsichtigte Verminderung ihres Profitsdurch eine Herabsetzung der Löhne ihrer Arbeiter schadlos zu halten.Die Bäckergehilfen erklärten es für unmöglich, die angekündigte Lohn-reduktion von 2 Fr. pro Tag auf sich zu nehmen, und die Bäckermeister,welche absolut ihren bisherigen Profit fortbeziehen wollten, schloffen ihreLäden und stellten das Backen ein. Dadurch fanden sich in St. Denis48,000, in St. Oueu 23,000 Menschen ohne Brod. Rur etliche Bäckersetzten die Brodsabrikation fort und erklärten, bei der Taxe noch guteGeschäfte zu erzielen, da z. B. das flotteste Bäckergeschäst von St. Denisim Durchschnitt pro Tag 85 Fr. Reingewinn abwarf. Die Gemeinderätheder beiden Kommunen erklärten sich sofort in Permanenz, verpflichtetensich, ihren Gemeindemitgliedern Brod zum Normalpreise zu liefern undsetzten sich zu dem Zwecke mit den nicht streikenden Bäckermeistern desOrts, mit der Genossenschaftsbäckerei zu Pantin und mit Pariser Bäckernin Verbindung. Ehe die Vorräthe ankamen, stürmte die Bevölkerungvon St. Denis den Laden eines besonders unbeliebten Bäckers und trugdessen Brodvorrath fort. Der Gemeinderath hatte indeß bald genügendenVorrath gesichert und ließ die an ihn gelieferten Bcode unter seinerLeitung verkaufen. Das hals. Die Bäcker des Ortes gaben am darauf-folgenden Tage nach, öffneten ihre Läden und gaben das Brod zumTaxpreise, ja unter demselben ab. Die Einwohnerschaft hat jedoch ihrer-seitS verschiedene Läden auf den Index gesetzt.In St. Ouen erwiesen sich die Bäckermeister als besonders rabiat, fiebrachen z. B. bei einem ihrer Kollegen, welcher mit Backen fortfuhr,ein, warfen den Brodteig in's Feuer, mißhandelten den Mann und seineGehülfen, drohten mit Messerstichen und einem Sturz in die Seine tc.Sie zogen außerdem mit ihren Gehülfen, welche fie bezahlten und be-zechten, den Wagen entgegen, welche Brod nach St. Ouen führten, undzwangen dieselben zur Umkehr. Und wunderbar! Polizei und Gens-darmerie, welche streikenden Arbeitern gegenüber stets so energisch die„Freiheit der Arbeit" verlheidigen, ließen die streikenden und die Frei-heit der Arbeit verletzenden Bäckerprotzen ruhig gewähren. Der in seinerMehrheit sozialistische Gemeinderath von St. Ouen antwortete auf denHungerpakt der Bäcker durch den Erlaß eines Dekretes, in welchem ersämmtliche Backöfen und Mehlvorräthe für die Gemeinde requirirte undengagirte in Pari» Bäckergehülfen, um auf Rechnung der GemeindeBrod fabriziren zu lassen. Die Bäckermeister barrikadirten jedoch ihreLäden und Backstuben und ließen die von Gemeinderäthe» begleitetenBäcker nicht an die Arbeit gehen, und die Polizei weigerte sich, den Ge-meinderath zu unterstützen, da keine diesbezügliche Ordre vom Polizei-und Seine. Präsekten vorliege. Letzterer ließ die Telegramme des Ge-meinderathes unbeantwortet und erklärte am nächsten Tage dessen Dekretfür illegal. Der Gemeinderath hatte unterdeß den Beschluß gefaßt, derSpekulation auf das Brod durch Gründung einer kommunalen Bäckereiein Ende zu machen. Das Projekt ist in der Ausarbeitung begriffenund wird demnächst verwirklicht werden. Auch in St. Ouen halte derGemeinderath für den nölhigen Brodprvviant gesorgt, und als einer derBäcker nach dem anderen seinen Laden öffnet«, stießen auch hier zahl-reiche auf den Boykott von Seiten der Bevölkerung. Di« Bäckermeisterlaufen vom Seine-Präfekt zum Ministerpräsidenten, um eine Aufhebungder Taxe zu erzielen, da sich dieselbe aber auf ein Staatsgesetz gründet,so erklären die Bürgermeister von St. Denis und St. Ouen, daß dieBrodtaxe war, ist und bleiben wird. Der Pariser Gemeinderath hatteauf die Initiative seiner sozialistischen Mitglieder bereits vor mehrerenJahren die Brodtaxe beschlossen, doch ist der Beschluß nie in Kraft ge-treten. Nach Wiedereröffnung der Gemeinderathssitzungen wird die Frageaufs Neue auf die Tagesordnung gelangen und mit der Einführung derBrodtaxe schließen.Charakteristisch für den Hungerpakt und Bäckerstreik ist die Volksfeind-lich �neutrale" Haltung der Regierung und ihrer Gewalten. Sie, welchebei jedem Streik der Arbeiter ihre Polizei und Soldaten auf das Pro-letariat losläßt, um mit dessen Blut die Freiheit der Arbeit zu besiegeln,sah ruhig zu, daß eine Koalition von Bäckermeistern eine vieltausend-köpfige Bevölkerung aushungerte und durch Druck und Drohungen bessergesinnte Kollegen zur Einstellung des Backens zwang. Die Regierunghat keinen Finger gerührt, der hungernden Bevölkerung Brod zu ver-schaffen, und ihre Vertreter haben den petitionirenden Bäckermeisterndeutlich zu verstehen gegeben, wie leid es ihnen thue, daß das betreffendeGesetz die Brodtaxe möglich macht.Streik, Hungerpakt und die politische Situation haben eine Atmosphäregeschaffen, in welcher der Sozialismus üppig emporschießen und tiefeWurzeln in der Masse schlagen muß. Noch nie sind die Verhältnissegünstiger gewesen, um eine nachhaltige und erfolgreiche Agitation undPropaganda in die Menge zu schleudern, dem Lande zu zeigen, wo undwarum der Schuh drückt, zu zeigen, daß nur das revolutionäre Pro-letariat durch Vergesellschaftung aller Produktionsmittel Wandlung schaffenkann, durch energische, zielbewußte Thätigkeit zu beweisen, daß die sozia-listischen Organisationen für ihre geschichtliche Roll« reif sind, aber leidermuß die traurig« Thatsache konstatirt werden, daß die französischen sozia«listischen Fraktionen die geradezu einzig günstige Gelegenheit verscherzen,weil sie ihre Kräfte in einem widerlichen Eingeweidekampf verzehren,anstatt dieselben gegen den gemeinsamen Feind zu kehren. 0-u.Sozialpolitische Rundschau.Zürich, 27. September 1888.— Die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" setzt das Hetz-geschäft gegen Frankreich mit ungeschwächten Kräften fort. Und anläh«lich der neulichen Schießerei im deutschen Gesandtschastsgebäude zu Pari»hat fie wieder die alte, zu Zeiten der 1878er Wahl so glücklich„frukti-fizirte" Theorie in'» Feld geführt, daß zwar die französische Regierungan dem Verbrechen persönlich und direkt keine Schuld trage,daß überhaupt— mit Ausnahm« des Thäters selbst— keine Person undkeine Partei juristisch verantwortlich gemacht werden könne, daß aberda» Verbrechen gewissermaßen Kollektivprodukt der in Frankreichherrschenden und auch künstlich gepflanzten Revanchestimmung sei undfolglich den Franzosen in ihrer Gesammtheit auf'» Konto gesetztwerden muß.Wir wollen uns hier nicht auf eine Widerlegung dieser Theorie ein«laffen— wir wollen gar nicht die Frage auswerfen: ob in Frankreichwirklich der Geist der Revanche und de« Chauvinismus künstlich gepfleatwird, und ob nicht in Deutschland auf dem Gebiete der chauvinustischen Verhetzung noch weit mehr geschieht al» in Frankreich. Wirwollen der„Norddeutschen Allgemeinen" blo« die Zweischneidig«k e i t ihrer Theorie aä ooulos demonstriren, indem wir dieselbe auf diedeutschen Verhältnisse anwenden.Es ist eine notorische Thatsache, daß Mord und T o d t s ch l a g<sowie Selbstmord seit zwei Jahrzehnten in Deutschland geradezuerschreckend zugenommen haben. Das Menschenleben hat augcnsch�nlichan Werth verloren; und der Gedanke, das eigene Leben oder da»Leben von Mitmenschen zu zerstören, entsteht viel leichter und reift vielleichter zur That, al« dies in früheren Zeiten der Fall war. Ungeheuer«liche Verbrechen, denen ganze Familien zum Opfer fallen— förmlich«Massenmorde sind etwa» Alltägliches geworden, und Greuel, die v»rzwei Jahrzehnten alle Welt mit Grausen erfüllt und Monate lang, jaJahre lang— wir erinnern an den Giftmord der Lafarge in de«vierziger Jahren— beschäftigt hätten, werden heute mit derselben Gleich'gültigfeit gelesen, wie irgend eine Ente der Eaurengurken-Zeit. Ma»regt sich nicht auf— das Ungeheuerlichste ist gewöhnlich geworden undbringt nur einen ganz flüchtigen Eindruck hervor, den die Ungeheuer«lichkeit der nächsten Minute wieder wegwischt.Zufällig ist diese Zunahme monströser Verbrechen nicht— st«hat ihren natürlichen und„zureichenden" Grund in den Verhältnisse»der Gegenwart. Sie sind— um uns de» Jargons der„Nordd. All-gemeinen Zeitung" zu bedienen— aus der Athmosphäre Hervorgewachse»-welche durch das Blut- und Eisenregiment des Oberleiter»der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" geschaffenworden ist. Seit I8S4 leben wir in einer„Atmosphäre", die nachBlut riecht. Wir hören Tag für Tag, daß moralistische Faktoren nicht»