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werden beim Verlag und dessen bekannten Agenten entgegen genommen, und zwar zum voraus zahlbaren Bierteljahrspreis von:

Mr. 4,40 für Deutschland  ( direkt per Brief- Couvert)

öröfl. 2,75 für Desterreich( dirett

per Brief- Coubert)

Shill. 2,- für alle übrigen Länder des Weltpofivereins( Kreuzband).

Juferate

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18.

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30 Gts.

Der Sozialdemokrat

Organ der Sozialdemokratie deutscher   Zunge.

Briefe an die Redaktion und Erpedition des in Deutschland   und Desterreich verbotenen Sozialdemokrat" wolle man unter Beobachtung äußerster Borsicht abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Deckadressen. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.

Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten

und Gemaßregelten nicht!

Fabrik- Inspektoren hüben und drüben.

Die Frankfurter Zeitung  " stellte neulich einen Vergleich an zwischen dem Gebahren der deutschen   Fabrikinspek toren, bezw. Gewerberäthe den Arbeitern gegenüber, und dem Verhalten der österreichischen Kollegen derselben in den Streitigkeiten zwischen Kapital und Arbeit. Der Vergleich fiel in jeder Hinsicht zu Gunsten der österreichischen Fabrikinspek­toren aus. Während dieselben vielfach wirklich bis zu einem gewissen Grade sich als Anwälte der Arbeiter be­währen, fassen die deutschen Gewerberäthe im Großen und Ganzen ihre Aufgabe dahin auf, vor Allem sich beim Unternehmerthum beliebt zu machen.

Man höre nur:

der wirklichen Sachlage. So lasen wir erst dieser Tage wieder in einem Artikel des Brünner Volksfreund":" Die Arbeiter sollen zu den Gewerbeinspektoren Vertrauen haben, und sie können es auch; denn bis jetzt liegt wohl kein Fall vor, daß die Gewerbeinspektoren das in sie gesetzte Vertrauen in irgend einer Weise zu Ungunsten der Ar­beiter mißbraucht hätten."

Arbeiterblatt von einem Fabrikinspektor ein Gleiches sagen Wie spärlich sind die Fälle in Deutschland   gesäet, wo ein kann. Die große Mehrzahl der Herren betrachten es als ihre Aufgabe, Schönfärberei zu Gunsten der Aus­ein Loblied auf Desterreich anzustimmen, aber was wahr ist, beuter zu treiben. Wir sind gewiß nicht gesonnen, hier ist wahr: Drüben in Desterreich fassen die Fabrikinspektoren ihre Aufgabe als eine soziale, hüben in Preußen- Deutsch­ land   als eine polizeiliche auf.

Der Gegensatz zwischen hüben und drüben hat ja auch seine ganz natürliche Erklärung. So verrottet die politischen Zu­stände in Desterreich auch sind, so hat der tiefgehende Streit der Nationalitäten doch die Wirkung, daß er periodisch Bei uns wenden fich die Arbeiter nicht an die Fabrikinspektoren die Klassenherrschaft mildert um Vermittlung bei Streits. Die Bezirke der Beamten sind in der vielleicht sagen wir besser Mehrzahl so groß, daß die meisten Arbeiter von der Eristenz eines schwächt. In Vesterreich herrscht die Bureaukratie allerdings Inspektors kaum etwas wissen. Und wie steht es mit der Eigenschaft als Vertreterin der besitzenden Klassen, aber doch zur Zeit der Beamten als Anwälte und Berather" der wirthschaftlich Schwachen? mit einer größeren Selbständigkeit ihnen gegenüber als in Da fehlt meistens noch mehr als Aules. In den Berichten der deut­schen Inspektoren kann man bei der Erwähnung von Streits wohl und selbst nationaler Differenzen sich die Parteien der Be­Deutschland. In Deutschland   haben trop politischer, religiöser öfters die Worte Aufwiegler"," Rädelsführer", unzu= friedene" lesen, und der Butt'tamer'iche Streiterlaß hat sigenden auf dem Boden des gemeinen Klassen­es mit sich gebracht, daß die Beamten in Arbeitseinstellungen von vorn Interesses gefunden die politischen Kämpfe unter ihnen herein sozialistische Wühlereien" zu erblicken pflegen. Von sind nur noch vergleichsweise harmlose Plänkeleien. Ostpreußische sachlichem Eingehen auf die rein ökonomischen Forderungen der der Arbeiter dagegen meist teine Spur, wie es denn so bezeich- Landmagnaten und rheinische Schornsteinbarone, katholische nend wie nur möglich ist, was der Dresdener   Beamte in jeinem letzten Jahresberichte mittheilt. Er besuchte gerade eine Fabrit, als eine Deputation der Arbeiter beim Unternehmer die Wünsche der Arbeiter bezüglich günstigerer Lohnbedingungen vortrug. Dem sächsischen Beamten genügte eine Nachweisung über die Verdienstverhältnisse der Arbeiter, welche er sich sofort vom Unternehmer anfertigen ließ, und die ihn seiner Meinung nach von der günstigen Lage der Leute unter­richtete, um die Arbeiter mit einer salbungsvollen Rede heimzuschicken. Daran, daß es nothwendig und geboten jei, die Forderungen der Arbeiter auch nur zu prüfen, daran Sechte der Beamte gar nicht. Er ließ sich also die dankbare Gelegenheit, wirklich vermittelnd und ausgleichend einzugreifen, völlig entgehen. Denn es ist doch klar, daß die Wünsche der Arbeiter durch pathetische Anreden nicht erledigt werden konnten und daß selbst zur fachlichen Widerlegung ihrer Forderungen näheres Eingehen auf ihre Argumente nothwendig

war. Kein Wunder, daß die deutschen   Arbeiter von solchen Beamten teine thatkräftige Vermittlung erwarten und ihre Sache allein auszu­fechten suchen, ein Zustand, der die sozialen Gegenfäge mur verschärfen tann." al

Soweit die Franks. 3tg.", und Niemand wird dem volks­parteilichen Blatt nachsagen können, daß es in Bezug auf die Dinge in Preußen Deutschland   übertreibt. dni dod Gut Und nun das andere Bild:

. In einem Wiener   Etablissement der Papierindustrie stellten Arbei­terinnen die Arbeit deshalb ein, weil sie plötzlich im Akkord, dessen Preis ihnen zu gering war, statt im festen Lohne   arbeiten sollten. Mit Rücksicht auf die in der Arbeitsordnung normirte 14tägige Kündigung berweigerte die Direktion die fofortige Herausgabe der Arbeitsbücher. Von den Arbeiterinnen zur Intervention veranlaßt", berichtet nun wörtlich der Inspektor, habe ich den Standpunkt vertreten, daß der Affordpreis mit Rücksicht auf die festgesetzte Kündigungsfrist mindestens 14 Tage vorher hätte vereinbart werden müssen, und daß die Arbei­terinnen nur unter Belaſſung im alten Lohnverhältnisse zur Einhaltung der Kündigungsfrist verhalten werden können. Diese Ansicht wurde afzeptict und nach 1/ 2stündiger Unterbrechung, für welche Zeit die Ar­beiterinnen Vergütung erhielten, wurde die Arbeit wieder aufgenommen." Ebenso schlichtete derselbe Beamte den Wiener   Segerstreif, der voriges Jahr einiges Aufsehen erregte, und zwar wiederum einem Er­suchen der Gehilfen folgend. Er konferirte mit Vertrauensmännern der Prinzipale und Arbeiter und vermochte die ersteren dazu, den Haupttheil der Segerforderungen zu gewähren.

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Der Inspektor des zweiten Aufsichtsbezirkes( Wiener Neustadt  ) machte die Her abseßung der Akkordsäße um 15 Prozent,

welche in einer Eisengießerei beabsichtigt war und zum Streit geführt hatte, durch Rücksprache mit dem Unternehmer rückgängig, ver­hütete in einer Spinnerei und Weberei eine Lohnreduktion, die infolge Wegfalls der zwölften Arbeitsstunde eintreten sollte, zu Gunsten der schlecht gestellten Arbeiter und erzielte ähnliche Ergebnisse in anderen Fällen, wo er das ruhige und taktvolle Auftreten der Ar­beiter" rühmt.

Im Referate des Grazer Jnspektors findet sich folgende Stelle ( es handelt sich um eine Schuhwaarenfabrit, in welcher eine gewissen Arbeitern unvortheilhafte Aenderung in der Arbeitstheilung zum Streik geführt hatte): In weiterer Verhandlung suchte ich dann den Direktor zum Ginlenten auf die Forderungen der Arbeiter zu bewegen, was auch gelang. Derselbe gab die Zusicherung, daß keiner der am Streit betheiligt gewesenen Arbeiter entlassen werden würde." 20

Diese Stellen aus den neuesten Berichten der österreichischen Gewerbe­Inspektoren ließen sich leicht vermehren. Was ist ihnen allen gemein­jam? Die Unbefangenheit, mit welcher die Beamten an die Beurthei­lung der Streitfragen herantreten, was umgekehrt ihre regelmäßige Anrufung durch die Arbeiter erklärt, die Energie, mit welcher sie sich ohne Schen vor giftigen Vorurtheilen auf die Seite der wirthschaftlich Schwächeren, der Arbeiter, stellen, sobald sie deren Forderungen als berechtigt erkannt haben, die rein wirthschaftliche Betrachtungsweise, beren fie fich ohne Rücksicht auf politische Momente befleißigen, und die Trene, mit welcher fie selbst für das fünftige Schicksal der am Streit Betheiligten, die etwa einer rachsüchtigen Entlassung anheimfallen tönn­ten, forgen. Durch dieses zielbewußte Vorgehen ist der soziale Friede wischen großen Erwerbstlaffen der österreichischen Monarchie nicht er­schüttert, sondern erhalten und gefestigt worden, wie denn in dem werth­bollen Berichtsbande, der diesen Betrachtungen als Grundlage dient, mehrfach die Feststellung wiederkehrt, daß die Unternehmer den Inspek­foren und Arbeitern dankbar dafür waren, daß sie gewisse Mißstände in ihren Fabriken in Erfahrung brachten, von denen sie vorher bei der heutigen weitgehenden Arbeitstheilung gar feine Ahnung hatten."

Auch diese Darstellung entspricht im Wesentlichen durchaus

und protestantische, muckerische und freigeistige Ausbeuter sehen sich die Staats gewalt allüberall da zur Verfügung gestellt, wo es ihre wirthschaftlichen Sonder interessen gegenüber der Allgemeinheit zu vertreten gilt. Die Bureau­fratie herrscht, aber als absolute Dienerin des Aus­mard seinen verständnißinnigen Führer verehrt. Die Zeit, da beuterthums, das im unübertrefflichen Sozialreformer Bis­Bismarck die Arbeiter gegen die Bourgeoisie auszuspielen ver­juchte, ist längst vorüber; ſeit er selbst Geschäftsmann ge­worden, hat er wohl zeitweise die verschiedenen mit ihm ver­bündeten politischen Parteien, nie aber das Ausbeuterthum verrathen. Alle seine Freunde aus früherer Zeit haben den berühmten Fußtritt erhalten, nur Freund Bleichröder  nicht. Zehnmal eher im Militärsta at Preußen einen Kriegsminister stürzen, als den geadelten Börsenjobber.

Bismarck   ist es min, dem als preußischen Handelsminister heißt, ist in dem Sprüchwort Wie das Haupt, so auch die die preußischen Fabrikinspektoren unterstellt sind. Was das Glieder", bereits gesagt. Die Herren müssen, wie der Chef ihnen befiehlt, oder sie haben sich ihrer Wege zu scheeren. Die meisten von ihnen sind aber viel zu getreue Staatsdiener, um das Letztere zu wählen, und so eignen denn auch sie sich mit der dem Beamten so schön stehenden Anpassungsfähigkeit die Sprache und Auffassung der Sozialreform" an. Jeder Schwindel, der unter dem Namen Wohlfahrtseinrichtung" vom Ausbeuterthum in die Welt gesezt wird, wird verherr­licht, jeder Versuch der Arbeiter selbst, ihre Wohlfahrt zu er­kämpfen, aber verdammt. So sind die Berichte der deutschen  Fabritinspektion von Jahr zu Jahr bedeutungsloser geworden, und seit sie im Handelsministerium für den Gebrauch des Publikums bearbeitet" werden, haben sie vollends jeden Werth eingebüßt.

Und das ist das Land, dessen Regierer an der Spike der Sozialreformer unserer Zeit zu marschiren, behaup

ten. Eine größere Unverschämtheit, als in dieser Selbst­Lüge unseres in dieser Hinsicht gewiß nicht armen Zeitalters. reklame   liegt, war noch gar nicht da. Sie ist die dickste Wir sind weit entfernt, uns über den Nußen, den Fabrik­Inspektoren stiften können, Täuschungen hinzugeben, beim besten Willen können sie die Unternehmer nicht zu Lämmern machen, die Arbeiter nicht vor den verheerenden Wirkungen des kapitalistischen   Entwicklungsprozesses bewahren. Aber sie können manches Unheil von ihnen abwenden, sie können ihnen direkt und indirekt den Kampf gegen den Kapitalistenübermuth erleichtern. Und das ist unbestritten: eine ehrliche, un­abhängige Fabrikinspektion ist die elementarste Vor­bedingung einer wirklichen Sozialreform. Daß das Reich des praktischen Christenthums in Bezug auf diesen Punkt noch weit, weit hinter dem verrotteten Desterreich zurück ist, gibt es ein schärferes Verdammungswort, das ihm nachgesagt werden könnte?

Die österreichische Sozialdemokratie und der Streit der Tramwaykutscher in Wien  . Aus Wien   schreibt man uns unterm 27. April: Das Wachsthum der sozialdemokratischen Bewegung in den letzten Jahren, die Thatsache, daß die Sozialdemokratie mit der Masse der arbeitenden Bevölkerung in immer engere Verbindung getreten ist, ist schon seit einiger Zeit in den oberen Regionen sehr unliebsam bemerkt worden, und die Polizei hat daher den Auftrag erhalten, wenigstens im Bereich des Ausnahmszustandes jede Massenfundgebung der Partei

Erscheint

wöchentlich einmal

in

London  .

Berlag

der

German Cooperative Publishing Co. E. Bernstein& Co., London   N. W.  114 Kentish Town Road.

Poffendungen

franto gegen franto. Gewöhnliche Briefe

nach England toften Doppelporto.

4. Mai 1889.

unmöglich zu machen. Gesagt, gethan. Das Versammlungsrecht wurde für uns einfach tonfiszirt. Die gefeßliche Handhabe" dazu bietet die Ausnahmsverordnung, die eben die polizeiliche Willfür zum Gesez er= hebt. Daß, troßdem sich die Ausnahmsverordnung nominell blos gegen ,, anarchistische Verbrechen" richtet, diese scharfe Praris erst eingeführt wird, seitdem jede Spur von Anarchismus aus unserer Bewegung ver= schwunden ist, beweist, daß der Polizei die öffentliche und gerade deswegen von ihr nicht leicht zu beeinflußende Parteithätigkeit viel un­angenehmer ist als jene, die geheim ist blos für das Volk, nicht aber dern auch dirigirt. für das Auge des Gesetzes", das sie nicht blos leicht durchschaut, son­

Oeffentliche Arbeiterversammlungen werden in Wien   nicht mehr erlaubt", erklärte vor kurzem der Polizei­den wir in Wien   haben, des einzigen, der politische Themata diskutiren sammlungen des Vereines Wahrheit", des einzigen politischen Vereins, Direktor. Auf daß dies Verbot nicht umgangen werde, haben zu Ver­darf, als Gäste nur diejenigen Zutritt, die auf den Namen lau­tende Einladungskarten erhielten und die auf einer der Polizei vorzulegenden Liste stehn. Mit andern Worten, die Polizei will uns von der großen Masse überhaupt abschneiden und uns frühzeitig vor die Alternative stellen, unsere Agitationsthätigkeit ent­weder auf den engsten Zirkel zu beschränken oder der Polizei eine Prostriptionsliste aller Derjenigen zu liefern, die sich für unsere Sache interessiren, ihr aber als Vereinsmitglieder noch nicht be= kannt sind die Mitglieder von politischen Vereinen sind von vornherein der Polizei bekannt zu geben. Wenn man glaubte, unsere Leute dadurch zu schrecken, irrte man sich. Die Vereinsversammlung der besucht als die früheren, trotzdem beim Eingang des Lokals vier Spibel " Wahrheit", die seitdem unter diesen Bedingungen stattfand, war besser mit der Liste standen, um die Identität jedes geladenen Gastes fest­zustellen.

Und unmittelbar darauf trat ein Ereigniß ein, das die Masse des arbeitenden Volkes in innigeren Kontakt mit der Sozialdemokratie brachte und für ihre Lehren empfänglicher machte, als es in der gelungensten Volksversammlung möglich gewesen wäre: der Streit der Tramway= Kutscher   mit seinen Folgen.

Wie derselbe entstanden, wie er verlaufen, darüber hat die Tages­preffe nicht blos Desterreichs sondern auch Deutschlands   so ausführ liche Berichte gebracht, daß es höchst überflüssig wäre, mit einem wei­hinken, der ohnehin kein Nachrichtenblatt ist. Einige Streiflichter auf teren Bericht um eine Woche verspätet im Sozialdemokrat" nachzu= charakteristische, im Reich kaum genügend bekannte Vorkommiffe, die direkt an diesen Streit anknüpfen, dürften indeß nicht überflüssig sein.

"

das

Charakteristisch war vor Allem die Haltung der Polizei. Es war diesmal der äußerst seltene Fall eingetreten, daß Alles mit den Kutschern sympathisirte, vom Proletariat angefangen bis zum Minister­Präsidenten und Kaiser. Die Ausbeutung der Kutscher   war so offen­fundig und horrend, ihre Forderungen so bescheiden, ihr Auftreten so ruhig, daß das allein schon hätte für sie Sympathien erwecken müssen. Doch ist das bei andern Streits nicht der Fall, wo dieselben Beding­ungen eintreten. Aber hier kam noch hinzu, daß die Tramwaygesell­schaft so schmutzig und habgierig ist, daß fie schon längst auch br fahrende Publikum durch Nichtbeachtung seiner Wünsche erbittert hatte, und daß sie sich nicht einmal zu jener Generosität aufschwang, mit deren Hilfe man hente jede Gemeinheit der gedankenlosen Masse gegenüber beschönigen fann: zur ausgiebigen Grkaufung der Presse. Nur ein Organ scheint genügend gespickt worden zu sein, das Tagblatt" des Herrn Szeps; die andern zeigten sich neutral, einige sogar futscherfreundlich. Dem Zusammenwirken dieser Umstände ist es zuzuschreiben, daß Alles sich entschieden für die Kutscher aus­sprach. Das hinderte jedoch die Polizei nicht, diese auf das Gemeinste zu brutalisiren.

durfte, entgegen den bestehenden Vorschriften, als Der Tramwaygesellschaft wurde jede Ungefeßlichkeit erlaubt. Sie Kutscher   fahren lassen, wen sie wollte; daß zahlreiche Unglücksfälle durch diese unerprobten Arbeitskräfte veranlaßt wurden, kümmerte fie nicht. Die Seutscher, naive, unerfahrene Leute, hatten im Vertrauen auf die Gerechtigkeit ihrer Sache alle Hoffnungen auf die Polizei ge­und keinen ungeprüften Kutscher   durch die Straßen Wiens fahren lassen. fest. Sie hatten erwartet, diese werde das Gesetz streng handhaben Damit wäre der Streit zu ihren Gunsten entschieden gewesen. Die Po­

izet hat dafür gesorgt, daß diesen Leuten und allen, die mit ihnen

sympathifirten, über die polizeiliche Gesetzesliebe und Unparteilichkeit gründlich der Staar gestochen wurde.

Die Pferdebahngesellschaft durfte thun, was sie wollte. Was that aber die Polizei mit den Kutschern? Schon am Samstag vor dem Streit wurden ihre Vertrauensmänner zum Kommissär Breiten­feld beschieden und ihnen daselbst angedroht, daß die Seutscher beim geringsten ungefeßlichen Schritt oder wenn der Streit nicht rasch be= endet werde, ausgewiesen würden. Daß man Arbeitern im Lohn­kampf in dieser Weise in den Rücken fallen kann, dafür sorgen nebst der thatsächlichen Allmacht der Polizei zwei Gesetze, die in der Zeit der Sozialreform" in Wirksamkeit getreten sind: das Vagabun= dengeset", das jeden Arbeitslosen zum Vagabunden erklärt und seine Abschiebung" in die Heimath erlaubt, und die Ausnahms= verordnung, die die Ausweisung jedes unbequemen Arbeiters aus dem Bereich des Ausnahmszustands ermöglicht.

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Auch während des Streiks wiederholten sich die Angriffe der Poli= zisten auf die Kutscher  , die eine bewunderungswürdige Nuhe bewahrten. Polizisten erschienen in den Remisen, faßten die Leute an der Brust und rissen ihnen gewaltsam ihre Uniformen herunter; einzelne Strei­kende wurden vor die Polizei zitirt und ihnen daselbst die Alternative gestellt, entweder die Arbeit wieder aufzunehmen oder ausgewiesen zu werden, worauf sie für Ersteres sich erklärten u. f. w.

Aber die Polizei fand Gelegenheit, ihre brutale Niedertracht auf einem noch weiteren Gebiet zu bethätigen.

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Am Morgen des Ostersonntag, des Tags, an dem der Streik be= gann, hatten sich bei den verschiedenen Pferdebahnremisen zahlreiche Arbeiter und überhaupt Leute aus dem Volk eingefunden, den Streifen­den ihre Sympathien zu bezeugen. Die Kutscher wurden mit Hurrahs begrüßt. Die Menge war gutmüthig gestimmt und selbst das schnei­dige" Vorgehen der Sicherheitswache gegen sie brachte sie nicht aus ihrer Stimmung. Diese änderte sich erst, als dieselbe Polizei, die so streng Sympathiekundgebungen für die Kutscher unterdrückte, ungeprüfte Kutscher   in ungefeßlicher Weise fahren ließ. Die ersten Stabs wurden nicht von den Streifenden mit Pfeifen und Gejohle empfangen, als aber immer mehr Wagen ausführen, da stieg die Erbitterung der Menge auf's Aeußerste, sie zwang die Kutscher gewaltsam, umzukehren und machte so wenigstens auf zwei Linien- Favoriten und Hernals  - jeden Pferdebahnverfehr unmöglich. Die zahlreiche Wachmannschaft fand nun erwünschte Gelegenheit, endlich einmal mit blanker Waffe einzu­hauen, aber die Menge war zu stark, als daß sie mit ihr fertig ge= worden wäre. Sie mußte sich darauf beschränken, eine Erstürmung der Remisen zu verhindern. Im Kampfe wuchs die Erbitterung und Ent­schlossenheit der Menge, immer größeve Dimensionen nahmen die Er­zeffe" an, es fam zu förmlichen Straßenschlachten und erst ein gewal­

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