lich dadurch nothwendig geworden, daß von der Schweiz   aus durch Einführung sozialdemokratischer Schriften die Umsturzpartei", wie man die Sozialdemokratie zu benennen beliebt, in Deutschland   gestärkt werde. Nun, er stehe nicht an, zu erklären, und er sei sicher, dabei auf keinerlei Widerstand von Seiten seiner Genossen aus Deutschland   zu stoßen, daß wenn heute die deutsch  - schweizerische oder irgend welche deutsche   Grenze so besetzt werde, daß Gensdarm neben Gensdarm stehe, alle nach Deutschland   eingeführten Sendungen 2c. peinlichst zu untersuchen, und kein Druckerzeugniß über die Grenze zu lassen, die auf die Stärke und das Wachsthum der Partei auch nicht den mindesten Einfluß hätte.( Leb­hafte Zustimmung unter den Deutschen  ). Die Sozialdemokratie hätte von diesen Chikanen nicht das Mindeste zu fürchten, im Gegentheil, könne es ihr eigentlich nur angenehm sein, wenn die Deutschen   aus der Bourgeoisie, die zum Vergnügen in der Schweiz   reisen, bei der Rückkehr die Annehmlichkeiten des herrschenden Systems, das sie so eifrig unter­stüßen, recht gründlich zu kosten befämen. Bebel geht darauf dazu über, die Stellung der herrschenden Klassen zur Sozialdemokratie zu schildern. Die deutsche Bourgeoisie, vielleicht die erbärmlichste der ganzen Welt, habe lange Jahre hindurch von einer Gesetzgebung zum Schuße der Arbeiter gegen Ausbeutung absolut nichts wissen wollen, überhaupt die Existenz einer Arbeiterfrage rundweg abgeleugnet. Das habe sich unter dem Druck der Agitation der Sozialdemokratie immer mehr geändert, allerseits mache man in Sozialreform, fast alle Parteien fämen jetzt mit Vorschlägen für den Arbeiterschuß, und dabei stelle sich der charakteristische Unistand heraus, daß der deutsche Reichstag  Arbeiterschutzmaßregeln einstimmig beschließe, die Regierung aber d. h. Fürst Bismarck   der erste Bourgeois Deutschlandsregel­mäßig erkläre, die Geschichte paßt uns nicht, und die Beschlüsse des Reichstages einfach in den Papierforb werfe. Redner will nicht be­haupten, daß dieses Spiel ein ausdrücklich abgekartetes sei, aber zweifels­ohne set es, was man eine stillschweigende Verabredung nenne. Die Regierung sei von der Meinung der Wählerschaft unabhängig, nicht aber die auf Grund des allgenieinen Wahlrechtes gewählten Mitglieder des Reichstages, und darum duldet es die Regierung mit merkwürdiger Gelassenheit, daß diese in den Fragen des Arbeiterschutzes ihr Oppo­fition machen. Diese aber, die da wissen, daß ihre Vorschläge nicht angenommen werden, können sich auf Grund dieses angenehmen Ver­hältnisses so weit hinauswagen, als es ihnen nur nothwendig erscheint. Uebrigens lege die Macht der Verhältnisse selbst den herrschenden Klassen immer mehr die Erkenntniß nahe, daß gewisse Maßregeln, die von der Sozialdemokratie im Interesse der Arbeiter verlangt werden, ebenfalls in ihrem Interesse sind. Die herrschenden Klassen werden an sich selbst irre, die Arbeiterschaft aber gewinne immer mehr Selbstbewußtsein, die Sozialdemokratie immer mehr an Kraft und unter welchen Umständen immer die nöchsten Reichstagswahlen in Deutschland   vor sich gehen mögen und man werde sicherlich suchen, der Sozialdemokratie den Kampf so schwer wie nur irgend möglich zu machen er set fest über= zeugt, daß die nächsten Reichstagswahlen von einem ganz erheblichen Wachsthum der deutschen   Sozialdemokratie Zeugniß ablegen werden.

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Zu der Frage, die den Kongreß vorzugsweise beschäftigt der des Arbeiterschutzes übergehend, legt Bebel nunmehr dem Kongreß eine im Auftrage der deutschen   Delegirten von ihm ausgearbeitete Re­solution vor, welche er dem Kongreß als Basis der weiteren Verhand­Yungen unterbreite. Er begründet die einzelnen Säße derselben Punkt für Punkt und schließt mit dem Wunsch, daß die Berathungen des Kongresses, denen die Arbeiter aller Länder mit gespanntesten Interesse entgegensehen, zum Nuz und Heil der Arbeiterklasse ausfallen möge. Langanhaltender Applaus der deutschen   Delagation, dem sich die Fran­ zosen  , die während des ganzen Vortrages mit einer geradezu wunder­baren Ruhe zugehört, lebhaft anschließen. Der Vortrag sammt den Uebersetzungen nahm den ganzen Vormittag in Anspruch und so wird die Fortsetzung der Debatte auf den Abend vertagt.

"

The wir im Bericht fortfahren, tragen wir zunächst den Wortlaut der von Liebknecht   beantragten und mit großer Majorität beschlossenen Resolution über die Vereinigungsfrage nach. Sie lautet: Der Kongreß erkennt an, daß die Mitglieder der Haager Konferenz und des Pariser organisirten Ausschuß ihren auf­richtigen Wunsch bewiesen haben, mit Bezug auf den internationalen Arbeiterkongreß eine Verständigung und Einigung aller sozialistischen   Parteien und Arbeiterorganisationen herbeizu­führen und bedauert, daß die im Interesse der Verständigung und Einigung gethanen Schritte bisher keinen Erfolg gehabt haben.

Allein in Erwägung, daß die Einigung der Proletarier eine unerläßliche Vorbedingung der Emanzipation der Arbeit ist, und daß demgemäß einem jeden Sozialdemokraten die Pflicht obliegt, nichts was zur Beseitigung der Zwietracht beitragen kann, unversucht zu Lassen, erklärt der Kongreß hiermit seine Bereitwilligkeit zur Ver­ständigung und Einigung, falls die Gruppen des andern Kongresses einen für alle Theile annehmbaren Beschluß in diesem Sinne faffen." Auf diese Resolution die, wie oben bemerkt, denr Bossibilistenkongreß durch die an beiden Kongressen theilnehmenden Italiener mitgetheilt wurde, antwortete das Bureau desselben durch folgenden Brief:

Im Namen des auf Grund der Internationalen Kongresse von Paris   und London   10 Rue de Lancry versammelten Internationalen Arbeiterkongresses theilen wir Euch folgende, gestern Abend von diesem Kongreß beschlossene Resolution mit:

Der Kongreß erklärt die Verschmelzung unter der Bedingung an­zunehmen, daß die Prüfung der Mandate auf dem einzigen Kongresse borgenommen werde. Es bleibt zugegeben, daß die Delegirten, deren Mandat bestritten wird, an den Kongreß appelliren können, der in legter Instanz entscheidet."

Wohlgemerkt, es heißt da einzigen Kongreß, nicht vereinigten( unique, nicht uni). Wie das zu verstehen, geht aus folgendem Saz des Parti Ouvrier"( Nr. 200 vom 19. Juli) hervor:" Das Prinzip der Ver­schmelzung ist( wie gnädig) genehmigt worden, aber die Delegirten des marxistischen   Kongresses sollen ihre Mandate nach Nationalitäten auf dem einzigen Kongreß prüfen lassen." Mit anderen Worten heißt das Unterwerfung der Theilnehmer des Kongresses der Vereinigten Sozialisten unter das Diktat des Poffibilistentongresses.*)

Einmüthig war das Bureau des Ersteren der Ansicht, daß man so keine Vereinigung vollzieht und beschloß daher, den Brief der Possibilisten durch folgenden zu beantworten:

" An den Internationalen Arbeiterkongreß, 10 Rue de Lanwy.

Bürger!

Im Namen des, auf Grund der Beschlüsse der Kongresse von Bordeaux   und Troyes   und der Internationalen Konferenz in Haag, 42 Rue Rochechouart versammelten Internationalen sozialistischen Arbeiterkongresses, theilen wir Euch folgenden von dem hierzu be­auftragten Bureau in Bezug auf Euren Brief gefaßten Beschluß mit. Nach der gestern von ihm gefaßten Resolution kann unser Kongreß nur der einfachen und rückhaltlosen Vereinigung beider Kongresse zustimmen. Da er keine Einschränkung gemacht hat und macht und feine Bedingungen stellt, so kann er auch keine afzeptiren. Die italienische Delegation ist beauftragt, diese Mittheilung zu überbringen. Für das Bureau:

Der Sekretär: Lavigne. Der Vorsitzende: Liebknecht  . Sechste Sigung Mittwoch Abend halb 10 Uhr. Borfizender Anseele( Gent  ). Der Saal ist zum Ersticken über­füllt. Bei Eröffnung der Sigung theilt der Vorsitzende mit, daß der Vorschlag gemacht worden ist, unter den Delegirten eine Sammlung zu Gunsten der Hinterbliebenen der verunglückten Bergarbeiter von St. Etienne   vorzunehmen und daß von Seiten der deutschen   Delegirten als Zeichen der Brüderlichkeit die Summe von 1000 Franken für diesen Zweck gezeichnet worden sei, was mit donnerndent Applaus begrüßt

"

*) Auch die Londoner Justice" schreibt, daß die Engländer, Dänen(!) die Franzosen 2c. nur für die Vereinigung auf Grund genauer Prüfung der Mandate der Marristischen Delegirten waren." Die Insulte war also wenigstens von Seiten der Macher beabsichtigt. Bemerkt

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sei hierbei, daß obwohl die Dänen Jensen und Schauby sich soweit bergaßen, fich auf dieses falsche Spiel der Herren Possibilisten einzu­laffen, die Majorität dafür doch nur dadurch erzielt wurde, daß der Possibilist Paulard als die S ch we iz" und einige in Paris   lebende öfter­reichische Arbeiter ohne Mandat als Oesterreich  " aufmarschirten.

wird. Es sind wieder eine ganze Anzahl Sympathietelegramme, da-| rnnter sehr viele aus Deutschland  , eingegangen, die zur Verlesung ge= langen. Ein Antrag deutscher   Delegirter, das Bureau möge im Namen des Kongresses einen Kranz auf das Grab der gefallenen Kommune­fämpfer niederlegen, wird mit einer wahren Beifallssalve aufgenommen und findet einstimmige Annahme. Es sind über 20 weitere Delegirte aus verschiedenen Theilen Frankreichs   eingetroffen, so daß die Ge­fammtzahl der Delegirten auf 409 gestiegen ist.

Das Wort erhält nun P. Lawroff zu einem Bericht über den Sozialismus und die Lage der Arbeiter in Rußland  . Von nicht enden­wollendem Beifall begrüßt, beginnt der Veteran der russischen Freiheits­bewegung mit einer interessanten Skizze der Entwicklung Rußlands   seit der Thronbesteigung Peter des Ersten, die grade zweihundert Jahre zurückdatirt, so daß das Jahr 89 auch für Rußland   eine verhängniß­bolle Bedeutung hat. Peter der Erste war ein leidenschaftlicher An­hänger europäischer Einrichtungen, aber er war zugleich ein Despot, und die Verdienste, die er sich um die Hereinziehung Rußlands   in die Reihe der europäischen   Staaten erwarb, verhinderten nicht, daß in dem eigenen Lande die Geister sich gegen ihn auflehnten, und daß am Ende feiner Regierung fast die gesammte öffentliche Meinung seines Landes gegen ihn in Opposition war. Aehnlich erging es seinen Nachfolgern. Die Anknüpfung engerer Beziehungen zu Europa   hatten auf der an­deren Seite auch die Folge, daß die modernen Ideen Europa's   in Rußland   ihren Einzug hielten. So die Ideen der französischen   Re­volution durch Offiziere der Napoleonischen Armee, die sich in Rußland  niederließen und so später auf gleichen Wegen die Ideen der sozialisti­ schen   Schulen. Der St. Simonismus zählte seine Anhänger in Ruß­ land  , und einer derselben war der junge Alexander Herzen  , später der Schriftsteller des ganzen freiheitsdürftigen Rußland  . Eine ganz neue Literatur entstand, ein leidenschaftlicher Drang nach Wahr­heit bemächtigte sich der Gemüther, insbesondere der russischen Jugend, und Tschernischewsky, der große Denker und Kritiker, wurde ihr geistiger Führer. Unter seinem Einfluß wuchs eine ganze Genera= tion von begeisterten und zu den höchsten Opfern bereiten Kämpfern für die Freiheit und das Wohl des russischen Volkes heran. Desgleichen fand die Internationale großen Widerhall in Rußland  . Aber die Bewegung war bis dahin nur eine solche der Intelligenz gewesen. Das Volt hatte ihr theilnahmslos gegenübergestanden. Mit dent Jahre 1873 änderte sich auch dies. Es begann die Vertheilung von Propa= gandaschriften, überhaupt die Propaganda im Volke. Alle Richtungen unter den russischen Sozialisten reichten sich in dieser Hinsicht brüder­Tich die Hände, so sehr sie sich be= namentlich im Auslande tämpften. Bald konnte die Redaktion des in London   erschienenen Vor­wärts" berichten, daß die revolutionäre Bewegung in 34 Gouverne ments ihren Einzug gehalten habe. Jedoch auch die Verfolgungen ließen nicht auf sich warten, die Kerker füllten sich, die Deportationen nach Sibirien   hörten nicht auf.

Anfangs war die öffentliche Meinung in Rußland   der revolutionären Jugend nicht ungünstig; noch 1877 sprach ein bürgerliches Geschwornen­gericht Vera Sassulitsch   frei, die auf den Gouverneur Trepoff geschossen. Judeß wurden die Revolutionäre bald enttäuscht, der bürger­liche Liberalismus überließ den Stampf für seine eigenen Forderungen der revolutionären Jugend. Lawroff schilderte dann die beiden Haupt­gruppen der Revolutionäre; die Partei des Tschorny Peredjel", die sich vom Föderalismus zum Sozialismus entwickelt und sich durch Herausgabe vortrefflicher Propagandaschriften und kritische Arbeiten außerordentliche Verdienste erworben habe, sowie die Partei des Volks­wille Narodnaja Wolja  ", die die russische   Kommune als einen Hebel der Revolution und des Sozialismus betrachte, und die mehr die Partei des Kampfes gewesen sei. Die Ereignisse, die sich an die Thätigkeit dieser Partei knüpfen, sind bekannt. Immer stärker wurden die Ver­folgungen, aber immer neue Gruppen von Kämpfern treten in die Reihen ein und trotz aller Hekatomben seien noch heute die Gruppen der Partei sehr zahlreich. Dieselbe stehe entschieden auf dem Boden des Sozialismus, die Prinzipien, die den heutigen Kongreß beseelen, beseelten auch sie. Als eine bemerkenswerthe Thatsache führt Lawroff die Organisation der russisch  - jüdischen Arbeiter in New- York   an, die ebenfalls auf dem Boden der Partei stehe und ein eigenes Organ, Znamia"( die Fahne) befize. Die russischen Sozialisten, schließt er, müssen erst die Bedingungen erfämpfen, die nothwendig sind, damit sich eine Arbeiterbewegung im Sinne des westlichen Europa   in Rußland  entwickeln kann, aber sie sind entschlossen, den Kampf mit allen Opfern, die er erfordert, auf sich zu nehmen, und ihn bis zum Ende durchzu­kämpfen.

Der Vortrag erntete großen Beifall. Leider knüpfte sich an ihn eine häßliche Szene. Einige Anarchisten, die gar keine Delegirten waren, hatten sich bei Beginn der Versammlung in die Mitte des Saales unter die Delegirten gedrängt, und durch lärmendes Gebahren allgemeinen Unwillen erregt, nachgerade trieben sie es aber so arg, daß sie mit Ge­walt aus dem Saal entfernt werden mußten.

Petersen( Stopenhagen) theilt mit, daß zwei weitere Delegirte für Norwegen   eingetreten sind, die den Arbeiterbund in Christiania   ver­

treten.

Es erhält alsdann Jules Guesde   das Wort zum Referat über den Stand der Bewegung in Frankreich  . Auch er ward mit stürmischem Applaus begrüßt, den er für die Partei, die er vertrete, entgegennahm. Der französische   Sozialismus, begann er, ist kein anderer als der deutsche, der dänische oder der Sozialismus irgend eines anderen Landes mit moderner Produktion. Man hat der Arbeiterpartei hier vorge­worfen, fie beziehe ihre Ideen aus Deutschland  , dem Lande Bismarcks, aber sie betrachte das als keinen Vorwurf, sondern rechne es sich zunt Verdienst an, mit ihren Brüdern tenseits der Grenzen auf gleichem Boden zu stehen. Es gibt nur einen Sozialismus, nur eine Fahne, die wir alle hochhalten: die rothe Fahne des Proletariats.

2 Guesde   schildert nun die drei großen Gruppen, aus denen sich die französische   Delegation des Kongresses zusammenseßt. Die Federation der französischen   Syndikatskammern mit dem Siz in Bordeaux  , die Organisation des revolutionären Zentralkomitee( Blanquisten) und die Arbeiterpartet( Stollektivisten). Alle diese Organisationen vertreten im Grunde ein und denselben Gedanken, wie aus der Thätigkeit Vaillaints im Pariser   Gemeinderath, aus dem Programm der Arbeiterpartei und den Resolutionen der Gewerkschaftskongresse von Lyon   und Bordeaux  hervorgeht. Die Gewerkschaften seien heute in Frankreich   zahlreicher und stärker als je, die Zahl der der Federation angehörigen Organi­fationen beläuft sich auf 430. Freilich könne sich dieselbe, was Mit­gliederzahl und Mittel betrifft, nicht mit den englischen Gewerkschaften messen, aber dafür sei die französische   Gesetzgebung verantwortlich zu machen, die von dem Tage an, da die Bourgeoisie in Frankreich   zur Herrschaft kam, d. h. seit der Revolution, deren Jubiläum die Bour­geoisie heute feiere, bis in die neueste Zeit hinein, die Organisation der Arbeiter als ökonomische Macht in jeder Weise erschwerte, soweit sie sie nicht ganz verbot. Die Arbeiterpartei und das revolutionäre Zentral­Komitee befäßen in allen größeren Zentren Frankreichs   Organisationen. Doch er wolle die Arbeiterpartei nicht stärker darstellen als sie wirklich ist, das wäre ein Unrecht gegen die Freunde, ein Verbrechen gegen die Partei selbst. Dieselbe sei nicht entfernt so stark, wie die deutsche  Sozialdemokratie, und die Ursache dieser geringeren Ausdehnung der Partei sei auch leicht zu finden. Frankreich   ist jetzt eine Republik  , und in weitesten Streisen der Arbeiter habe man sich den weitgehendsten Illusionen in Bezug auf die republikanische Staatsform hingegeben. Erst in der neuesten Zeit fange sich das an, zu ändern. Nachdem eine bürgerliche Partei die andere abgelöst, feine aber, zur Macht gekommen, das gehalten, was sie versprochen, greife auch in Arbeiterkreisen die Er kenntniß mehr um sich, daß die Arbeiter die Wahrung ihrer Intereſſen nur von sich selbst, einer Partei ihrer eigenen Klasse, zu erwarten haben. Einmal zu dieser Erkenntniß gelangt, werden sich die Arbeiter von keinem Bourgeoispolitiker mehr irre führen lassen, ob er nun Boulanger heiße oder wie sonst immer( stürmischer minutenlanger Bet­fall). 1871 stand Paris   in Frankreich   fast allein, heute aber gibt es in Frankreich   eine ganze Reihe Puris, ein Industriezentrum nach dem andern in der Provinz bilde sich zu einem solchen heraus. So werde, wenn es wieder zum Kampf fommen sollte, Paris   diesmal nicht allein dastehen, wie das Pariser   Proletariat alsdann nicht noch einmal ein Opfer seiner Leichtgläubigkeit und Befangenheit in Bourgeois- Ideen

werde.

Im Namen von 145 Arbeitergruppen und 90 Syndikatskammern von Bordeaux   und Marseille   unterbreitet nun Guesde   dem Kongreß eine Resolution, den Arbeiterschutz betreffend, die fast denselben Inhalt hat

wie der Bebel'sche Vorschlag. Beide werden nach einem Beschluß des Kongresses dem Bureau zur endgiltigen Redaktion überwiesen.

Lafargue   theilt mit, daß noch ein Delegirter aus Arles  ( Süd­ frankreich  ) eingetroffen sei, den die Possibilisten am Bahnhof abgefangen und in ihr Lokal geschleppt, dann aber, nachdem sie gemerkt, daß fein Mandat ein vollständiges Mißtrauensvotum gegen sie sei, schleunigst wieder fortgeschickt hätten.

Vaillant berichtet dem Kongreß, daß die Poffibilisten( nach dem oben geschilderten Briefwechsel) über die Vereinigungsfrage zur Tages­ordnung übergegangen feien. Danach könne auch diesseits von Schritten in dieser Richtung nicht mehr die Rede sein. Die Italiener und Holländer, die zu beiden Kongressen Mandate besigen, haben auf dem poffibilistischen Kongreß gegen dessen Verfahren in dieser Sache entschiedenen Protest eingelegt.

90 Siebente Sizung, Donnerstag 10% Uhr.

Vorsitzender Da umas, Gemeinderath von Paris  . Telegramme find eingelaufen aus Lübeck  , Narbonne  , Cheminiz.

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William Morris  ( Berichterstatter für England) will feinen speziellen Bericht über die Lage der Arbeiter in England geben, weil dieselbe so ziemlich die gleiche sei, wie die der Arbeiter in andern Ländern, sondern nur einen Bericht über den Stand des Sozialismus in England. Bis vor sechs Jahren gab es so gut wie keine sozialistische Bewegung in England, die Neste der alten sozialistischen   Bewegung waren so gut wie verschwunden oder in die allgemeine Whiggery( den bürgerlichen Liberalismus) aufgegangen. Das ist jetzt anders geworden, der Sozialismus hat einen starken Anhang unter den Arbeitern ge­wonnen, er ist ihre Hoffnung und die Furcht der Bourgeoisie, legteres bereits in dem Grade, daß die Bourgeoispolitiker fich selbst Sozialisten nennen, um ihren Anhang im Volk zu behalten. So that z. B. Herr W. Harcourt, derselbe, der seiner Zeit als Minister die Verfolgungen gegen Most in Szene setzte, im vorigen Jahr den charakteristischen Aus­spruch: ,, we are now all socialists" wir sind jetzt alle Sozialisten! Selbstverständlich lasse sich kein Sozialist durch solche Nebensarten täuschen. Die sozialistische Bewegung in England sei noch vorzugsweise eine propagandistisch- aufklärende, die sozialistischen   Redner entfalteten thre Agitation an den Straßenecken, auf öffentlichen Pläzen, von Brun­nen, den Postamenten von Denkmälern 2c. herab. Früher seien sie von den Arbeitern dabei oft unterbrochen und niedergezischt oder nieder­geschrieen worden, jezt erndteten sie oft den Beifall von Tausenden. Morris vermißt in den eingebrachten Resolutionen die Berücksichtigung des Landproletariats. In England bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen der Lage des Industriearbeiters und der des Arbeiters auf dem Lande, der ebensogut für die Bewegung gewonnen werden müſſe wie der Erstere. Sehr erschwerend für die Agitation wirke der tradi tionelle Gang der englischen Politik, das Auf und Nieder der beiden großen bürgerlichen Parteien, die den Arbeitern immer gerade so viel hinwerfen, als sie für nöthig halten, dieselben an ihrem Sieg zu interessiren. Es gebe noch eine dritte bürgerliche Partei, die der Radi kalen, aber dieselbe ist ziemlich bedeutungslos und werde es noch mehr sein, wenn die irische Frage in irgend einer Weise beigelegt sei. Die Sozialisten der Liga sind gegen die Theilnahme an den Wahlen ins Barlament, weil die von denselben zu erhoffenden Resultate in feinem Verhältniß zu den eventuellen Opfern ständen. Fast alle Arbeiterver­treter im Parlament seien bisher dem korrumpirenden Einfluß deffelben zum Opfer gefallen, die Haltung der Trades Unionsführer im Parlament jei eine klägliche. Aber es gebe noch andere Vertretungskörper, wo die Vertreter der Arbeiter ein Feld für eine ersprießliche Thätigkeit im Interesse ihrer Klasse fänden und leichter zu kontroliren wären. So 3. B. die Provinzialverwaltungen( County Councils) und an den Wahlen zu diesen würden eventuell auch sie theilnehmen. Er wieder­hole, der Stand der Bewegung in England ist ein guter, nur sei die= felbe noch nicht gut organisirt, sonst müßte von Rechtswegen England auf diesem Kongreß so gut vertreten sein, daß der Saal für seine Delegirten allein noch zu flein   sei. Jedenfalls glaube er die Hoffnung aussprechen zu fönnen, daß auf einem kommenden sozialistischen   Stongreß England unbedingt stärker vertreten sein werde als auf diesem. Gr könne Guesde nicht zugestehen, daß dieser die erbärmlichste Bourgeoisie für Frankreich   reklamire, die englische sei sicher noch erbärmlicher als die französische, denn zu allen Lastern der Letzteren geselle sich noch das der Heuchelei. Der Arbeiter aber gebe seinen Nationaldimkel immer mehr auf und lerne begreifen, daß er die gleichen Interessen habe wie sein Bruder auf dem Festlande. Zum Schluß gibt Morris einen Bericht über den Stand der sozialistischen   Presse in England. Dieselbe bestehe aus mehreren Wochenblättern und einer Monatsrevue. Außerdem ver­breite die Partei Flugblätter, Gedichte 2c. in großen Mengen unter den Arbeitern.

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Raummangel zwingt uns, hier unseren Bericht abzubrechen und den Schluß desselben für die nächste Nummer zurückzulegen. Wir laffen für heute nur noch die wichtigsten der beschlossenen Resolutionen folgen: Resolution Bebel- Guesde, vereinbart unter Mitwirkung von Keir, Hardie, W. Morris, Fürsprech Scherrer 2c.

" In Erwägung,

daß die kapitalistische Produktion in rascher Entwickelung nach und nach alle Länder der Welt erfaßt, In Erwägung,

daß die kapitalistische Produktionsweise die steigende Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die herrschende Klasse bedeutet,

daß die immer intensivere Ausbeutung die soziale und politische Unter­drückung und Versklavung der Arbeiterklasse zur Folge hat, zu ihrer physischen und moralischen Degeneration führt,

daß es deshalb Pflicht und Aufgabe der Arbeiterklasse aller Länder ist, diese sie ruinirende und die freie Entwicklung der Menschheit bedrohende Gesellschaftsorganisation mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen,

daß es sich aber in erster Linie darum handelt, der weiteren verhee­renden Wirkung der herrschenden Wirthschaftsordnung entgegen zu arbeiten,

beschließt der Kongreß,

I. Die Schaffung einer wirksamen Arbeiterschutzgesetzgebung für alle Länder mit moderner Produktion ist eine unabweisbare Nothwendigkeit. Als Grundlage derselben betrachtet der Stongreßneral a. den achtstündigen Normalarbeitstag;

b. Verbot der Arbeit von Kindern unfer 14 Jahren und Beschrän= fung der Arbeit aller Minderjährigen von 14 bis 18 Jahren auf sechs Stunden pro Tag;

c. Verbot der Nachtarbeit mit Ausnahme für jene Betriebe, welche ihrer Natur nach ununterbrochenen Betrieb erfordern;

d. Ausschluß der Frauenarbeit in allen, den weiblichen Organismus besonders schädlichen Betrieben;

e. Verbot der Nachtarbeit für Frauen und für männliche Arbeiter unter 18 Jahren;

f. Eine mindestens 36 Stunden hintereinander umfaffende Ruhezeit in der Woche;

h. Aufhebung des Trucksystems;

i. eine alle industrielle Betriebe, einschließlich der Hausindustrie, um­fassende Inspektion durch staatlich besoldete Inspektoren, welche minde­stens zur Hälfte von den Arbeitern selbst zu wählen sind.

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g. Verbot solcher Industrien und solcher Arbeitsmethoden, welche der Gesundheit der Arbeiter besonders schädlich sind;

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II. Der Stongreß erklärt es für nothwendig, alle diese Maßregeln durch Geses, bezw. durch internationale Verträge ſicher zu stellen und fordert die Arbeiterklasse aller Länder auf, in der ihnen am Geeignetsten erscheinenden Weise für die Verwirklichung dieser Forderungen einzu­treten und ihre Durchführung zu überwachen.

III. Der Kongreß erklärt es für die Sache der Arbeiter aller Länder, die schweizerische   Republik in ihren Schritten für eine Konferenz der Regierungen behufs Vereinbarung internationaler Verträge über den Arbeiterschuß nachdrücklich zu unterstüßen.

Amendement Bebel hierzu:

Bebel. Guesde.

IV. Außerdem erklärt der Kongreß: Es ist Pflicht aller Arbeiter, die Arbeiterinnen als gleichberechtigte Mittämpferinnen anzusehen und dem Grundsah

Gleichen Lohn für gleiche Leistung

auch in Bezug auf die Arbeiterinnen Geltung zu verhelfen.