verständlich nicht im einzelnen, besonderen Falle- bekannt ist, in deren Hand jene Versicherung an Eides Statt gelegt wird. Der Bruch der von offizieller Seite gestellten Bedingung findet also mit deren eigner Sanktion statt.

Auf diese skandalöse Sache wird hiermit nicht hingewiesen in der Illusion, fie verschwinden zu machen, das wäre wohl absolut aussichts­Yos, sondern sie wird hier einfach als ein Symptom jener Verirrung aller sittlichen Begriffe fonstatirt, welche mit der Zugehörigkeit zu der in jeder Weise bevorrechteten Klasse, der Bourgeoisie, im Allgemeinen verbunden scheint, und andererseits um in grell beleuchtetem Gegensatz hervortreten zu lassen, wie grundverschieden sich ein und derselbe mora­lische Begriff bet den verschiedenen Gesellschaftsklassen, das heißt im Kopfe des Bourgeois und im Kopfe des Proletariers darstellt. Dann betrachten wir nun ein ander Bild.

Es war vor Kurzem, im Januar dieses Jahres, als eines Abends im Südosten von Berlin   in dem großen Saale des Etablissements Sanssouci   eine jener imposanten Arbeiter- Massenversammlungen statt­fand, deren Schauplaz seit einiger Zeit die deutsche   Hauptstadt ist, und deren Nuhe, Aufmerksamkeit und hohe Begeisterung einen Beweis dafür liefern, mit welchem erhabenen Ernst der deutsche Arbeiter für eine der größten Klaffen- und Kulturbewegungen, welche die Welt je geschen, einzutreten gesonnen ist. Nachdem der Referent eine scharfe Kritik an der Sozialreform der Regierung geübt hatte, gelangte folgende Neso­lution in Vorschlag: Es sei die Pflicht eines jeden Arbeiters, bei der nächsten Reichstagswahl mit dem größten Eifer auf den Sieg des sozial­demokratischen Kandidaten hinzuwirken und den Tag der Wahl als Feiertag zu halten. In der Diskussion hierüber schlug ein Arbeiter vor, über die beiden Punkte der Resolution getrennt abzustimmen, da er gegen den zweiten sei, wenigstens in der vorgeschlagenen Fassung. Er begründete seine Ansicht etwa folgendermaßen: Prinzipiell sei auch er für Punkt zivei. Wenn es aber als die Pflicht jeden Arbeiters erklärt werde, den Wahltag als Feiertag zu halten, also an demselben die Arbeit ruhen zu lassen, so übernehme der für diese Resolution stimmende Arbeiter auch die heilige Verpflichtung, sein bei der Abstim­mung gegebenes Wort zu halten. Denn die Zustimmung zu einer Ne­solution sei seiner Meinung nach einem gegebenen Ehrenworte gleich zu erachten und müsse daher unbedingt gehalten werden. Nun könne es aber wohl geschehen, daß der eine oder der andere Arbeiter, der sich zur Haltung des Feiertags verpflichtet habe, unter den heutigen trau­rigen Verhältnissen, in der sicheren Voraussicht einer Maßregelung seitens seines Arbeitgebers von der Erfüllung dieser seiner Verpflich= tung abstehe und sein Wort breche, sich also dadurch mit einem sitt­lichen Makel behafte. Wie sehr auch in solchem Falle die Rücksicht auf die Sorge für Weib und Kind jene Nichterfüllung erzwingen möge, der Bruch eines gegebenen Worts sei unmoralisch und müsse unbedingt ver= mieden werden. Er empfehle daher, den ersten Punkt der Resolution anzunehmen, den zweiten aber fallen zu lassen.

Die von einem hohen sittlichen Ernst durchwehten Ausführungen des Arbeiters fanden zunächst bei einem großen Theil der versammelten Tausende lebhaften Anklang; sie waren offenbar der Ausfluß seiner innersten, wohldurchdachten Ueberzeugung. Seine Worte machten auch auf mich einen tiefen Eindruck.

Und das sind einfache, schlichte Arbeiter, welche diese hohe Auffassung von einem einmal gegebenen Ehrenworte haben, das in dem vorliegenden Falle die Bourgeoismoral vielleicht gar nicht einmal als ein Ehrenwort anerkennen würde, da es formell ein solches nicht darstellt. Wo fände man bei unserer sittlich total verlumpten und verlotterten Bourgeoisie

eine derartig fein durchgebildete, wahrhaft vornehme, moralische Auf­faffung des Ehrbegriffes! Man vergleiche hierzu das oben gegebene Beispiel, wie die Elite der gebildeten Bourgeoisie den Ehrbegriff hand­habt, wie er bei ihr zur heuchlerischen, nichtssagenden Phrase geworden ist. Ueber diesen scharfen Gegensatz indessen noch ein Wort verlieren zu wollen, würde nur ihn abschwächen heißen.

Troß des Anklangs, den die geschilderte Rede gefunden hatte, wurde die Resolution im Ganzen angenommen. Ein anderer Arbeiter nämlich, der gleichfalls mit dem ganzen Eifer seiner Ueberzeugung auftrat, ent= gegnete ungefähr: Er müsse die prinzipielle Berechtigung des gemachten Einwandes in gewissem Grade anerkennen. Allein hier handle es sich um eines der wesentlichsten Volksrechte, dessen Gefährdung dadurch, daß seine Ausübung auf einen Arbeitstag fällt, auf der Hand liege. Für viele werde allein hierdurch das Wahlrecht völlig illusorisch. Es handle sich vielmehr darum, die Wahlfreiheit energisch zu vertheidigen und in einer massenhaften Demonstration dafür mit Nachdruck einzutreten. Dies geschehe am besten, indem man den Wahltag ganz allgemein zu einem Feiertag mache und damit seine Verlegung auf einen Sonntag er­zwinge. Er fei überzeugt, daß sich nur wenige Arbeiter hier aus Furcht vor Maßregelung dazu bestimmen lassen würden, troß ihrer Zustimmung zu der Resolution am Wahltag zu arbeiten. Die Arbeiter brächten übrigens für ihre Rechte gern ein Opfer dar. Die Opfer­willigkeit der deutschen   Arbeiterklasse habe sich oft glänzend bewährt und ihr Nuhm und Ehre eingetragen. Aber ohne Opfer sei auch nichts zu gewinnen. Und falls wirklich einige Genossen, die sich in grausamer Zwangslage befänden, sich trotzdem am gedachten Tage zur Arbeit ent­schlössen, so wäre eine solche Handlungsweise nicht ohne Weiteres zu verdammen und mit dem Bruch eines gegebenen Ehrenwortes auf gleiche Höhe zu stellen. Wer die Lage der arbeitenden Klasse kenne, würde für solche Handlung wohl eine Entschuldigung finden.

Diese Nede fand donnernden Beifall und die Nesolution einstimmige Annahme.

Nie empfand ich eine größere Achtung vor der moralischen Größe des aufsteigenden Proletariats als an jenem Abend.

Die Sozialdemokratie in Dänemark  . Bom Hauptvorstand der dänischen Sozialdemokratie erhalten wir unter diesem Titel folgende Zuschrift:

Die allgemeinen Wahlen zu dem dänischen Folkething( Abgeordneten­kammer) fanden am 21. Januar ds. Is. statt. Bei diesen Wahlen

Feuilleton.

Bücherschau sozialistischer Dichterwerke.

III.

Karl Henckell  , Diorama. Zürich   1890. Verlags- Magazin. ( J. Schabeliz.)

Die Kunstkritik fällt nicht in den Rahmen dieses Blattes, noch fühlen wir selbst etwas von dem Beruf des Kunstkritikers in uns. Uns geht an dieser Stelle nur Juhalt und Tendenz der Dichterwerke an, mit denen wir uns zu befassen haben; Sprache, Form 2c. dagegen nur in soweit, als absolut geboten ist, um zu entscheiden, ob wir es mit ächter Poesie zu thun haben oder nicht. Dennoch glauben wir einige Worte über die Kunstrichtung vorausschicken zu sollen, der der Ver­fasser der vorliegenden Gedichtsammlung angehört.

Angehört ist vielleicht schon zuviel gesagt, denn Karl Henckell   folgt nicht überall der sogenannten naturalistischen Schule. Aber er ist un­zweifelhaft durch sie hindurchgegangen und steht noch stark unter ihrem Einfluß. Er gefällt sich in ihrer Auffassungs und Ausdrucksweise, leider auch in ihren Uebertreibungen.

Unzweifelhaft liegt dem modernen Naturalismus, wie ihn Emile Zola   verkörpert, ein sehr berechtigter Gedanke zu Grunde. Hat jedoch schon Zola   das Prinzip der Naturwahrheit sehr einseitig genommen und übertrieben, so haben seine Nachfolger es bis zum Kultus des Platten und Ordinären verzerrt. Sie glaubten dadurch ihre besondere Tendenz, wahr zu sein, zu bekräftigen, und handelten doch nur nach der Logik jener unangenehmen Gesellen, die Flegelei für Freimüthig keit, Rohheit und Schmuß für Natürlichkeit halten. Verletze ich die Natürlichkeit, indem ich mich wasche? Oder bin ich unnatürlich, wenn ich mich, behufs Verrichtung bestimmter körperlicher Funktionen, aus der Gesellschaft entferne? Im abstrakten Sinne, ja. Aber wir leben nicht im Naturzustand, wir haben im Laufe der Entwickelung andere Bedürfnisse und Gewohnheiten angenommen, nicht blos grob­materieller, sondern auch geistiger und sittlicher Natur. Ueber den

stellte die Sozialdemokratie 10 Kandidaten auf, nämlich die Partei­genossen: P. Holm, C. Hördum, A. G. Meyer, F. Hurop, J. Jensen, P. Knudsen, Harald Jensen, E. Marott, M. Mortensen und M. A. Madsen. Von denselben wurden die Parteigenossen P. Holm, C. Hördum und Harald Jensen mit zusammen 10,442 Stimmen gewählt. Die Gesammtzahl der für sämmtliche zehn sozialdemokratische Kandidaten abgegebenen Stimmen beträgt 17,232.

Neben obenstehendem Resultate der Folkethingswahlen geben wir im Folgenden eine Uebersicht über die Wirksamkeit der dänischen Sozial­demokratie. Diese wird zugleich zu näherer Beleuchtung des Wahl­resultats dienen können.

Die dänische Sozialdemokratie in Dänemark   beruhte in organisatori­scher Hinsicht ursprünglich auf Fachorganisationen, welche unter einer gemeinschaftlichen Zentralleitung und einem gemeinschaftlichen sozialisti­ schen   Programm verbunden waren. Diese ursprünglichen Fachorgani­sationen bestehen noch und sind sowohl an Zahl als an Größe beständig gewachsen. In Kopenhagen   allein bestehen 70 Fachvereine und beinahe in allen Provinzstädten sind die Arbeiter in großer Ausdehnung gewerk­schaftlich organisirt.

In organisatorischer Hinsicht haben indessen die Fachvereine aufge­hört, die eigentliche Grundlage für unsere Partei zu bilden. Dieses darf nicht so verstanden werden, daß die Fachvereine sich vom Sozialis­mus losgesagt haben. Keineswegs. Auf dem zuletzt abgehaltenen standi= navischen Fachvereinkongreß zu Kopenhagen   1888, der 135 Delegirte für im Ganzen 123 Vereine zählte, wurde ein Antrag, der die privat­tapitalistische Produktion verdammt und die sozialistischen   Prinzipien anerkennt, durch Akklamation angenommen.

Die Umwandlung der organisatorischen Grundlage der Sozialdemo­fratie in Dänemark   wurde dadurch herbeigeführt, daß die Arbeiter ein­sehen lernten, daß sie den Kampf für die Emanzipation der Arbeit in höherem Grade in das politische Gebiet herüberführen mußten, als es die Fachorganisationen zu thun vermochten. Daher wurden besondere politische sozialdemokratische Vereine gebildet mit dem Zwecke, die sozialisti­ schen   Prinzipien zu verbreiten und für deren Durchführung auf poli­tischem Wege zu kämpfen.

Es bestehen zur Zeit 80 solcher Vereine in Dänemark  , die in einem gemeinschaftlichen Bund vereinigt sind. Der ursprüngliche Rahmen wurde 1878 in Kopenhagen   gebildet, aber erst nach dem Jahre 1884, wo es unsrer Partei gelang, die Wahl von zwei sozialistischen Vertretern zum dänischen Folkething durchzusetzen, begann die eigentliche Ausdehnung unserer politischen Organisation über das ganze Land. Die weit über­wiegende Anzahl unserer politischen Vereine sind seitdem ins Leben ge= treten, und besonders ist es gelungen, in steigendem Grade die Land­arbeiterbevölkerung für den Sozialismus zu gewinnen.

Die dänische Sozialdemokratie wirkt theils durch 5 Tageblätter, theils durch die Verbreitung sozialistischer Schriften und theils durch münd­liche Agitation.

Von den 5 Tageblättern, die von unserer Partei herausgegeben werden, erscheint das eine in Kopenhagen   in einer täglichen Auflage von ca. 22,000 Exemplaren. Die übrigen 4 erscheinen in Jütland  , bezieh­ungsweise in den Städten Aarhus  , Horsens  , Randers   und Aalborg  .

Die sozialistischen   Schriften, die von unserer Partei herausgegeben werden, find theils originale, theils übersetzte Arbeiten. Von den über­sezten nennen wir hier nur die Folgenden:

Karl Marx  , Das Kapital", 1. und 2. Band. Das kommunistische Manifest".

August Bebel  , Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft".

August Bebel  , Unsere Ziele".

Wilh. Bracke, Nieder mit den Sozialdemokraten". Fried. Engels  , Entwickelung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft".

Fried. Engels  ," Der Ursprung der Familie, des Privateigen­thums und des Staates".

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Wilh. Liebknecht, zu Schuß und Truz". Schramm, Grundzüge der Nationalökonomie". Domela Nieuwenhuis  , Kapital und Arbeit". Benoit Malon  , L'histoire du Socialisme  ". Gesellschaftliches und Privat- Eigenthum". Nach Paul Lafargue  und Jules Guesde  .

"

Die weit überwiegende Anzahl der von unserer Partei herausgege= benen Schriften, sowohl die originalen wie die übersetzten, sind in unserem Hauptorgane, dem Sozial- Demokraten", das wie erwähnt in 22,000 Gremplaren täglich erscheint, veröffentlicht worden. Ferner sind sie alle in Sonderabdruck erschienen und haben in einer sehr großen An­zahl Exemplaren über das ganze Land Abnahme gefunden.

Das politische Wahlrecht hier im Lande ist vielfach beschränkt. Erst wenn ein Mann 30 Jahre alt geworden ist, wird er wahlberechtigt. Außerdem gibt es eine große Menge anderer Beschränkungen. Wenn 3. B. Jemand Armenhilfe erhalten hat, so verliert er sein Wahlrecht, und dies in der Regel auf Lebenszeit.

Auch das Wahlsystem ist sehr schlecht. Zur Wahl eines Abgeord­neten bedarf es nur der relativen Mehrzahl der abgegebenen Stimmen. In Folge dessen findet teine Stichwahl statt, und ein Kandidat kann durch eine Minderheit der abgegebenen Stimmen erwählt werden, wenn in dem bezüglichen Streise mehr als zwei Kandidaten aufgestellt wurden. Die Regierung, die zur Zeit in Dänemark   am Ruder ist, existirt nur Kraft der von ihr begangenen Verfassungsbrüche. Sie regiert durchaus absolutistisch auf Grund einer Reihe provisorisch erlassener Gesetze. In den letzten 5 Jahren hat die Negierung die Genehmigung ordent­licher Finanzgesetze verhindert. Sie schickt den Reichstag   nach Haus, erläßt sodann provisorische Finanzgefeße und macht auf Grund der= selben eine Reihe von Ausgaben, die das Folkething zu bewilligen aus­drücklich verweigert hat.

Die Regierung wirft jährlich ungeheure Summen für militärische Zwecke hinaus, und es sind besonders diese Ausgaben, worüber die Regierung und das Folkething sich beständig streiten. Die Regierung hat eine Festung um Kopenhagen   angelegt, obgleich das Folkething

Werth vieler derselben kann man streiten, aber sie sind da, und ein Narr, der ohne zum Thierdasein zurückzukehren, mit ihnen tabula rasa machen will. Diese fittlichen und ästhetischen Begriffe hängen von den materiellen Daseinsbedingungen ab, sie wechseln nicht nur von Epoche zu Epoche, sondern auch von Klasse zu Klasse. Der Wilde, der Barbar, der Zivilisirte haben jeder andre ästhetische Vorstellungen, ebenso aber auch der Geldproß, der Kleinbürger, der Proletarier unserer Zeit. So wenig nun die verlogene Ueberfeinerung in den sogen, höheren Stlassen, so wenig werden die Lebensgewohnheiten der niedergedrückten Land- 2c. Proletarier als erstrebenswerthes Ziel hingestellt werden können.

Das aber vergessen die Herren Naturalisten. Sie suchen den Gegen­fatz zur Ueberfeinerung in der Rohheit, den Gegensatz zur Prüderie die in Schmuz. Ihr Grundsatz ist: Naturalia non sunt turpia natürlichen Dinge und Vorgänge sind nicht schimpflich. Nun fa, schimpf­lich ist es gewiß nicht, vom Geschlechtsverkehr oder dem Verdauungs­Prozeß zu sprechen, und nichts abgeschmackter als die Unfitte, die es als zum guten Ton erforderlich macht, uns zu geberden, als seien wir Wesen ohne Unterleib, wie Zauberkünstler sie auf den Jahrmärkten zeigen. Aber wir nehmen weder den Geschlechtsverkehr öffentlich vor, noch lassen wir unsre Mitmenschen Zeugen sein, wenn unser Körper die unverdanten Stoffe abgibt, wir entziehen ihnen in dem einen Falle mit Rücksicht auf uns, in dem andern mit Rücksicht auf sie unsern Anblick. Das vergessen jedoch oder mißachten die Herren von der jüngeren naturalistischen Schule; sie laden uns zu diesen Dingen zu Gast, wie der Händler mit gewissen Photographien, die auch sehr naturwahr sind. Mag sie genießen, wer Gefallen daran findet, aber Kunst sind sie nicht.

Wir bedauern nun wirklich, um unsere Aussehungen vorweg zu er= ledigen, Karl Henckell   nur zu oft auf den Wegen jener Schule be= gegnen zu müssen. Wie er überhaupt der Sucht fröhnt, Kraftausdrücke zu bilden und dabei zu theils sehr unschönen, theils aber zugleich ganz sinnlosen Wortverrenkungen kommt, so scheint er auch eine ganz be= sondere Freude an vulgären Ausdrücken und Bildern zu finden. Ein drastisches Beispiel ist der Zweireiher, Heineanstinker" überschrieben, Wenn Stöcker und Kirchbach auf Heine fürzen, Seh ich Gott den Herrn auf den Papst zustürzen."

wiederholt das Geld hiezu ausdrücklich verweigert hat. Von dem jezigen Reichstag verlangt die Regierung allein für ein Finanzjahr nicht weniger als zirka 43 Millionen Kronen, obgleich die ganzen Ein­nahmen der Staatskasse mur zirka 54 Mill. Kronen betragen. Wenn der Reichstag   selbstverständlich diese, für eine Bevölkerung von 2 Millionen Menschen wahnsinnig hohen Militärausgaben nicht bewilligt, wird die Folge sein, daß die Regierung, wie früher, das Geld ohne Genehmigung nimmt. Durch ihre enormen Ausgaben für den Militarismus wird die Regierung binnen nicht langer Zeit die Staatskasse und die jetzigen finanziellen Hilfsquellen des Landes völlig geleert haben. Sie verarmt das Land durch ihre militärische Verschwendung vollständig.

Außer den provisorischen Finanzgefeßen und Militärausgaben hat die Regierung auch eine Reihe anderer provisorischer Geseze erlassen, die als Unterdrückungsmittel gegen die Bevölkerung zu funktioniren haben. Es find ferner ausgestellt worden:

1) Ein provisorisches Preßgesez, das die Presse beson­ders dadurch zu unterdrücken bestrebt, daß es die Nedakteure von Tage­blättern und Zeitschriften zur Angeberei zwingt.

2) Ein provisorisches Strafgeses, das jede für die Ne­gierung unangenehme Aeußerung in Nede oder Schrift mit Strafen bedroht.

3) Ein provisorisches Riffelgeset", das zum Zweck hat, der Bevölkerung die Beschaffung von Waffen zu verbieten.

4) Ein provisorisches Gesetz über die Errichtung eines militärischen Gendarmeriekorps. Dieses Korps von Miethssöldnern ist dazu instruirt, eventuell die Bevölkerung nieder­zuschießen, und es hat schon wiederholt unbewaffneten zivilen Personen gegenüber von seiner Instruktion Gebrauch gemacht.

Gleichzeitig damit, daß die dänische Sozialdemokratie sowohl durch die Wahlen als zu jeder andern Zeit thätig ist, sich auszudehnen und dem Sozialismus Anhänger zu gewinnen, gebieten unsere Interessen uns zugleich, die Regierung so energisch wie nur möglich zu bekämpfen. Dies, in Verbindung mit dem hiesigen Wahlsystem, bewirkt, daß unsere Partei nicht, wie die Sozialdemokratie in Deutschland  , Zählkandidaten aufstellen kann, um unsere Parteiſtärke zu messen. Eine solche Tattik würde zur Folge haben, daß wir dazu beitrügen, den Anhängern der Regierung den Wahlfieg in die Hände zu spielen.

Vor dem Jahre 1884 stellte die dänische Sozialdemokratie gewöhnlich nur einen Kandidaten auf, und zwar in dem größten Arbeiterkreis des Landes, dem 5. Kopenhagener Kreis. Bei den Wahlen 1884 stellten wir dagegen 3 Kandidaten auf, alle in Kopenhagener Kreisen. Es gelang uns damals, die Wahl von zwei Kandidaten, die zusammen 6305 Stimmen erhielten, durchzusetzen. Insgesammt wurden für unsere drei Kandidaten 6805 Stimmen abgegeben.

Bei den Wahlen 1887 stellte unsere Partei 4 Kandidaten auf, näm lich 3 in Kopenhagen   und 1 in der Provinzstadt Odense  . Die 3 Kan­didaten in Kopenhagen   wurden ausschließlich gegen die Regierungs­partei aufgestellt. Unser Kandidat in Odense   kämpfte dagegen sowohl gegen einen der Anhänger der Regierung als gegen einen Kandidaten der Linken. In 1887 gelang es uns nur, die Wahl eines unserer Kandidaten durchzusetzen, und zwar in dem 5. Kopenhagener Wahlkreis, mit einer Anzahl von 6751 Stimmen. Für sämmtliche 4 sozialistische Kandidaten wurden 8408 Stimmen abgegeben.

Bei den Wahlen am 21. ds. Js. stellte, wie erwähnt, unsere Partei 10 Kandidaten auf, nämlich drei in Kopenhagener Kreisen und sieben in Provinz- Wahlkreisen. Fünf unserer Kandidaten wurden ausschließlich gegen Kandidaten der Regierungspartei aufgestellt, einer kämpfte sowohl gegen einen Regierungskandidaten als gegen einen der Linken, und vier unserer Kandidaten kämpften ausschließlich gegen Kandidaten der Linken. In drei der Wahlkreise, wo wir bei dieser Wahl Kandidaten aufstellten, gehören die Wähler ausschließlich oder so gut wie ausschließlich dem Bauernstande an.

Wie erwähnt, wurden bei dieser Wahl für sämmtliche zehn Kandi daten 17,232 Stimmen abgegeben. Es gelang, die Wahl von drei Kandidaten durchzusetzen, welche zusammen 10,442 Stimmen erhielten. Zwei derselben, P. Holm und C. Hördum, wurden in Kopenhagen  gewählt, der dritte, Harald Jensen, in Jütland  , in einem Wahl­freis, wo die Wähler ausschließlich dem Bauernstande angehören.

Die dänische Sozialdemokratie hat demnach mit großem Erfolg und bedentendem Fortschritt für die Verbreitung des Sozialismus gearbeitet. Sie hat sich zugleich zu einer politischen Macht emporgeschwungen, die die übrigen hiesigen politischen Parteien anzuerkennen gezwungen sind. Kopenhagen  , 8. Febr. 1890.

Mit sozialistischem Gruße!

Im Namen des Hauptvorstandes der dänischen Sozialdemokratie: P. Knudsen  , Geschäftsführer, Römersgade 22.

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Dem vorstehenden Rundschreiben, das wir nicht nur aus internatio­naler Kollegialität, sondern auch wegen seiner fachlichen Darlegung der Auffassung der offiziellen dänischen Partei mit Vergnügen zum Abbruck gebracht haben, lag ein ausführlicher Begleitbrief bei, dessen Abdruck der Schreiber uns ebenfalls anheimstellt. Wir müssen indeß schon des fnappen Raumes halber darauf verzichten, abgesehen davon, daß der Brief nach unserer Meinung nur die Wirkung haben würde, noch Del ins Feuer des entfachten Zwistes zu gießen. Nichts liegt uns indessen ferner als das. Wir haben beide Nichtungen zum Wort kommen lassen, weil wir ein Aussprechen vorhandener Gegensätze für besser halten als ein Todtschweigen, aber wir haben unser Möglichstes gethan, alle per­sönlichen Invektiven 2c. aus unseren Spalten fern zu halten.

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Daß wir beiden Richtungen als zwei gleichberechtigte Parteien" Gehör verschafft, wird uns von P. Knudsen, dem Sekretär der Haupt­partei, zum besonderen Vorwurf gemacht. Wir danken Ihnen für diese Gleichstellung nicht", schreibt er, und er glaubt uns mit dem Hinweis auf unsere schwarze Liste zu schlagen. Was würden wir dazu sagen, wenn die dänischen Genossen die dort gekennzeichneten Personen als gleichberechtigt mit der deutschen   Partei behandeln wollten? Nun, so

Die Kraft liegt hier blos in dem Wort fürzen  ", während der Ver­gleich selbst ungemein matt und nichtssagend ist. Und grade auf ihn wäre es doch angekommen. In einem andern Gedicht ,, Materialismus", das gegen den groben Materialismus gerichtet ist, lautet der Schlußvers: O Thoren ihr! Der Triebflur" vollste Blüthe Ist eines Dichters Geistesklanggeſtalt.

Der Dichter liebt den Allgott im Gemüthe, Prinz Weichhirn liebt nur, wenn er Hymen knallt". Ob der Dichter nöthig hat, um Prinz Weichhirn" zu charakterisiren, sich auch dessen Ausdrücke zu bedienen, wird man billig bezweifeln dürfen. Hier hätten wir um so lieber darauf verzichtet, als wir um des Genusses der Schlußworte willen das noch abscheulichere Geistes­flanggeſtalt" in den Kauf nehmen müssen.

Man wird uns nicht mißverstehen. Nichts liegt uns ferner, als prüde Anstandsmeierei. Auch das derbe Wort hat seine Berechtigung, aber es darf dem Dichter nur Werkzeug sein, nicht ihn beherrschen. Göthe  , Heine, Herwegh  , Weerth  , die Altmeister der Lyrik und der so­zialen Poesie, haben sich nicht gescheut, sehr urwüchsig zu werden; aber doch nur, wo der Gegenstand es erforderte. Sie haben in ihren Ge­dichten den freien Liebes genuß verherrlicht, aber die bloße Geilheit zu verherrlichen, ist ihnen nie eingefallen. Dieselbe ist kein Gegenstand der Poesie, so wenig wie die Zote. Sobald man die Wahrheit" fo= weit treibt, soll man lieber gleich hübsch bei der natürlichen Sprech­weise bleiben.

Wenn man nun Henckell auch nicht vorwerfen kann, daß er die Geil­heit verherrlicht, so läßt sich ihm doch der Vorwurf nicht ersparen, daß er mit ihr bedenklich fokettirt und ebenso mit der Zote. Das ist eine Schwäche, von der er sich emanzipiren muß und auch, wie eine ganze Reihe benso schöner wie fecker Gedichte zeigen, emanzipiren fann, ohne geschlechtslos" zu werden.

Noblesse oblige! Das hätte Karl Henckell   auch in andrer Hinsicht berücksichtigen sollen. Wie aus dem Umschlag des vorliegenden Buches hervorgeht, ist das" Diorama" bei Weitem nicht die erste Gedichtsamm­flung, die Henckell veröffentlicht. Unter diesen Umständen durfte er schon etwas mehr Selbstkritik üben und manches recht werthlose Erzeugniß einer müssigen Stunde beiseite legen. Man kann von einem Dichter