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- Die Achtstundenbewegung in Amerika   trägt bekanntlich inso­fern einen von der europäischen   Achtstundenbewegung verschiedenen Cha­rafter, als die letztere ein Gesetz verlangt, das die industrielle Arbeit auf acht Stunden pro Tag im Maximum festseßt, während es sich drüben gegenwärtig darum handelt, den Achtstundentag praktisch durch die Macht der Organisation und Koalition zu erfäm­pfen. Als Ziel für alle Arbeiter ist das eine Utopie drüben wie hüben- daß es aber drüben Arbeiterkategorien gibt, die dieser Aufgabe zur Zeit gewachsen sind, ist durch die Thatsachen erwiesen. Und weiter ist es sicher, daß die Sache des gesehlichen Achtstunden­tages nur gewinnen fänn, wenn eine Reihe von Unternehmern bereits durch die Praxis gezwungen worden ist, die Arbeitszeit auf dieses Maß zu befchränken. Die Gesetzgebung wird in dieser Materie wie in vielen andern vorerst der Praxis nachhinken, und deshalb sowie aus andern Gründen, die darzulegen hier zu weit führen würde, ist es nach unserer Ansicht richtig, wenn diejenigen amerikanischen   Genossen, die von der Unmöglichkeit der Erkämpfung des Achtstundentages für die Gesammt­arbeiterschaft ohne Zuhilfenahme des Gesetzes überzeugt sind, troßdem die Aktion der Federation of Labour" nach Möglichkeit unter­stützen. Diese Zentralisation der amerikanischen   Gewerkschaften hat einen ganzen Aktionsplan ausgearbeitet, den das Philadelphia Tagebl." folgendermaßen schildert:

Die Amerikanische   Arbeiter- Federation hat beschlossen, daß die 3immerleute den Anfang in der Achtstunden- Be­wegung machen sollen. Unziveifelhaft gehört ihr Gewerk zu den best­organisirten im Lande. Ihr Sieg ist daher verhältnißmäßig leicht und um so wahrscheinlicher, wenn den Unternehmern flar gemacht wird, daß die Arbeiter des ganzen Landes hinter den Zimmerleuten stehen.

Alle Arbeiter müssen nun die Sache der Zimmerleute als ihre eigene betrachten. Sobald sie erfolgreich gewesen, wird eine weitere Abtheilung der Arbeiter- Vereine ins Feuer geschickt. Sie brechen die Bahn für die Nachrückenden. Jeder weitere Heerhaufen wird um so leichteres Spiel haben, als bereits Breschen geschossen sind. Es ist auch garnicht gesagt, daß dann das Tempo der Bewegung nicht beschleunigt werde. Das wird von selbst kommen, wenn nur der Start"( erste Anlauf) richtig gemacht und erfolgreich ist.

Die von der Federation" eingeschlagene Methode scheint auf den ersten Blick eher eine Verzögerung als eine Beschleunigung der Acht­stundenbewegung zu sein, indem sie die Massen der Arbeiter zum Still­stand beordert, bis ein einzelnes Korps siegreich oder kampfunfähig geworden ist. Wie aber die Dinge jezt in Amerika   stehen, läßt sich dieser Plan nur billigen. Zwar hat der theoretische Widerstand gegen das Achtstundensystem längst aufgehört. Aber in der Praxis leisten die Unternehmer der Einführung soviel als möglich Widerstand. Man hat das an den Abmachungen gesehen, welche Bauunternehmer im Osten jüngst mit Gewerkschaften trafen. Sie hatten wenig einzuwenden gegen Lohnerhöhungen, die sie einfach auf ihre Kunden abwälzen; aber viel gegen Verkürzung der Arbeitszeit, von der sie sich durch die ersteren öfters lostauften.

Die Arbeiter jedoch, die darauf eingehen, werden dies zu bereuen haben. Der ausnahmsweise hohe Lohn wird sich nicht erhalten. Man wird das Angebot von Arbeitsfräfen durch massenhafte Züchtung von Lehrlingen in sogenannten Gewerbeschulen bedeutend vermehren und fann auf eine baldige weitere Verstärkung derselben aus Europa   um so sicherer rechnen, als der Boom"( Aufschwung) dort schwerlich mehr bon langer Dauer sein wird. Dann wird der Lohn erfolgreich attackirt werden können. Die Verkürzung der Arbeitszeit aber pflegt zu bleiben, auch wenn die Konjunktur des Arbeitsmarktes sich verschlechtert hat.

Die Geschichte des Jahres 1886 hat gezeigt, daß die Unternehmer sich auf das Aeußerste der Verkürzung des Werktages widersetzen. Es liegt aber bis jetzt nichts vor, was annehmen läßt, daß sie sich einem neuen Ansturm eher unterwerfen würden. Deshalb ist die äußerste Vorsicht geboten. Es darf in diesem Kampfe teine großen Schlappen geben, welche den Unternehmungsgeist der Arbeiter wieder auf Jahre hinaus niederdrücken würden. Mithin ist es nur rathsam, daß die Be­wegung flein, mit einem einzelnen Gewerbe, in Szene gesetzt wird. Ist Erfolg aufzuweisen, so wird die unleugbare Apathie, die heute noch unter der großen Masse der Arbeiter herrscht, sehr rasch in das Gegen­hell umschlagen. Holida

Darauf sollten sich jetzt alle Gewerkschaften vorbereiten. Die Reaktion nach der großen Bewegung von 1886 hat nur zerstört, was nicht lebensfähig war. Allein es unterliegt gar feinem 3 weifel, daß die Arbeiterorganisation in diesem Lande jezt stärker ist, als nach jeder vorhergehenden Krisis. Die neu angesammelten Kräfte werden Bethätigung suchen; das liegt in der Natur der Dinge. Auf eine Periode der Abspannung folgt eine solche der Aktion und wir stehen an der Schwelle derselben. Es wird minder geräuschvoll zugehen, als im Jahre 1886, allein es ist kaum daran zu zweifeln, daß die praktischen Ergebnisse größer sein werden, als damals. auon bissc

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Was nun? Der gestürzte Hausmeier" schreibt man uns aus Deutschland   hat sein Desorganisationstalent so erfolgreich geübt, Staat und Gesellschaft so wirksam unterwühlt und so massenhaft mit Fäulniß erregenden Bazillen durchsetzt, daß auch der genialste Staatsmann und hätte er in der That das staatsmännische Gente, welches der gestürzte Reptilienvater sich für anderer Leute Geld hat anlügen laffen längerer Zeit bedürfen würde, ehe er sich in diesem Gachis, in diesem Chaos zurechtfindet von Ordnung gar nicht zu reden.

Die vollkommene Rathlosigkeit der Regierung geht aus der Nede hervor, mit der Herr Caprivi sich dem preußischen Land­tag borgestellt hat. Lob auf Bismarck  , dem wir so viel verdanken, Tadel gegen Bismarck  , der feinen Anderen neben sich aufkommen ließ und berechtigten Wünschen nicht Rechnung trug das Versprechen, es anders zu machen, und in gleichem Athem die Ankündigung, daß die Politik nicht verändert werden solle das sind Wider­sprüche, die nur aus bitterster Verlegenheit sich erklären lassen.

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Zum Glück hängt die Entwickelung der Dinge nicht von dem Ver­stande und dem guten Willen der Regierenden ab. Die besten Ab­fichten, verbunden mit dem größten Genie, können die Geschicke der Wölfer nicht von oben herab lenten; und die schlimmsten Ab­sichten verbunden mit dem größten Genie können von oben herab nicht hindern, daß die Geschicke der Völker von unten her auf gelenkt werden, das heißt durch die Völker selbst.

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Und das deutsche Volt ist jetzt in Bewegung. Nach der Erhebung des 20. Februar hat Michel sich nicht wieder schlafen gelegt Sturz des Blut- und Eisengößen, der so lange als Schöpfer und Träger des Reichs gepriesen und angebetet worden, ist ein Ereigniß, das die Phantasie, das Denken und Fühlen der Menschen in Anspruch nimmt und die Aufmerksamkeit der Massen auf die zahlreichen häßlichen und ekelhaften Krebsschäden des Staats- und Gesellschaftssystems hinlenkt, von dessen Lob, so lange der Blut- und Eisengöze auf seinem Posta­ment stand, das deutsche Reich widerhallte.

Und nun ist der Göße gestürzt, zertrümmert! Unter den Trümmern, hinter den Trümmern Schmuz, Fäulniß, Gestank.

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Das deutsche   Volk hat in den lezten Jahren eine wunderbar gute Schule durchgemacht. Das Aschenputtel unter den Völkern, hat es schließlich doch Glück gehabt. Die Götter, an die es geglaubt, und von denen es genarrt worden, sie sind gegangen einer nach dem anderen. Die Könige von Gottesgnaden die Kaiser von Gottes­gnaden die Kanzler von Gottesgnaden sie sind gegangen Einer nach dem Anderen. Die Einen gestorben, die Anderen verdorben der ritterliche König aus dem Stamm der Wittelsbacher  , der die deutsche Kaiserfrone den Hohenzollern   apportirte ein Irrfinniger, der sich ersäuft; ein Habsburger  , der sich im Ehebruch erschießt. Der Hohen­zoller Weißbart der wiedererstandene Rothbart, nur verblaßt stirbt, nachdem er ein volles Jahrzehnt nur gelebt hatte, um seinen Sohn und Erben vom Thron fernzuhalten stirbt in Mitten einer Familientragödie, so erschütternd und so empörend, daß wir die moderne Geschichte vergeblich nach einem Seitenstück durchsucht. Der Sohn des Hohenzollern Weißbart, Unser Frig", besteigt sterbend den Thron, und die drei Monate, welche er dem Tod abringt, find Mo­nate des Stampfs mit seinem getreuen Vasallen", der sich dafür rächt, daß es ihm nicht gelungen, durch einen kunstvollen Kehlkopfschnitt den Verhaßten aus der Welt zu schaffen. Die Szenen zwischen Kaiser und Kanzler, zwischen Vater und Sohn, zwischen Sohn und Mutter. Ein dritter Kaiser im Zeitraum von drei Monaten. Und nun der Sturz des Blut- und Eisengößen!

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Wahrlich eine Schule, wie noch kein Volk sie durchgemacht. Und das deutsche   Volk müßte kein Hirn im Schädel, kein Herz im Leib haben, wenn es in dieser Schule nicht gelernt hätte!

Unten ist Licht. Nur oben ist Finsterniß, Verwirrung. Oben Hader und Zwietracht; unten Eintracht, Einheitlichkeit des Ziels. Die Konferenz der sozialdemokratischen Fraktion in Halle hat das recht deutlich gezeigt. Alle Abgeordneten haben den Aufruf an die deutschen Arbeiter unterschrieben in einem Augenblick, wo die sozial­demokratische Partei nach dem Geschwäß der Bourgeoispresse in den heftigsten innern Kämpfen begriffen sein sollte. Als ob es zwet So­zialdemokratieen geben könnte! Wer nicht Sozialdemokrat ist, ist unser Feind. Und wer unser Feind ist, ist kein Sozialdemokrat. Wo die Dinge so klipp und klar sind, da gibt's teine Spaltung. Da gibt's nur Wa chsthum, Vormarsch und Sieg.

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- ,, Ernste Bedenken"- ein Kulturbild. Unsern Lesern wird bekannt sein, daß zur Zeit sich ein lebhafter Drang kundgibt, das Tarifsystem der Eisenbahnen nach neuen, vorgeschritteneren Prinzipien umzugestalten. Mit dem bisherigen Meilen-, bezw. Kilo­meter- Tarif- d. h. der Festsetzung der Fahrpreise nach der Zahl der Kilometer der zu befahrenden Strecken soll gebrochen und an seine Stelle ein 3onentarif eingeführt werden, mit gleichen Säßen für alle Fahrten innerhalb gewisser weiterer Strecken( nach Umkreisen vom Entfernungspunkt Zonen Was am einzelnen berechnet). Fahrgast verloren wird, soll durch die infolge der größeren Bil= Tigkeit bewirkte Steigerung des Verkehrs wieder eingebracht werden, und mehr dazu.

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Daß der Gedanke ein richtiger ist, wird Niemand leugnen können, zumal wenn man berücksichtigt, daß eine Steigerung des Verkehrs möglich ist, ohne die Lasten der Eisenbahnverwaltungen erheblich zu vermehren. Es laufen heute eine große Anzahl von Zügen mit fast leeren Personenwagen, blos um die Regelmäßigkeit des Verkehrs zwischen bestimmten Orten aufrecht zu erhalten, sie fosten oft mehr als sie einbringen und bei größerer Billigkeit würde dies Mißverhältniß nicht nur fallen, sondern das umgekehrte Resultat eintreten. Jedenfalls hat sich in dem Lande, wo der erste Versuch mit dem Zonentarif gemacht wurde Ungarn   diese Wirkung herausgestellt. Der Verkehr hat sich schon im ersten Halbjahr mehr wie verdoppelt, die Ein­nahmen sind um eine Million Gulden gestiegen. Kein Wunder, daß sich die Stimmen mehren, die auch für Deutschland   die Einführung des Zonentarifs verlangen.

Kein Wunder, daß sie bei den Anhängern des alten Systems auf Widerstand stoßen. Es ist hier nicht der Ort, die technischen Gründe

richtiger Vor wände zu kennzeichnen, mit denen die Reform bekämpft wird; übrigens gleichen sie auf ein Haar den technischen" Einwänden, die noch jeder Reform entgegengesetzt wurden. Aber nicht aus technischen, auch aus sozialen Gründen ist die Neuerung ver­werflich, und bezeichnenderweise ist es nicht ein Organ der oftelbischen Junker nein, das Hauptorgan der rheinischen Bourgeoisie die Kölnische Zeitung  ", die in einem Artikel über diesen Gegenstand mit bem schweren Geschüß einer Reihe ernster Bedenken" in's Feld rückt, deren erstes das ist, daß. man höre:

,, eine allgemeine Herabsetzung der Tarife nach Art des Zonen­systems zur weitern Beförderung der Bevölkerungs­wanderung Anlaß geben würde, womit namentlich dem ohnehin an Arbeitskräften vielfach Mangel leidenden Osten nicht gedient sein könnte."

Die gegen die Arbeiter gerichtete Spize dieses Bedenkens" tritt um so klarer hervor, als das rheinische Bourgeoisblatt furz vorher er­flärt hatte, daß es eine ausgiebige Ermäßigung der Fahrsäge für Reisende auf weitere Entfernungen für angezeigt hält, um auch Minderbemittelten Reisen in entferntere Gegenden, zum Geschäfts­betriebe, zur Erholung, zum Besuche von Verwandten oder zur Förder= ung politischer und patriotischer Zwecke und dergl." zu machen. Selbst­verständlich gilt das nur für Minderbemittelte" aus der Bourgeoisie, für Bourgeois, die gern billig reisen möchten, Geschäftsreisende und nationalliberale Agitatoren. Wer das für Uebertreibung oder perfide Unterstellung hält, der lese das folgende der zweiten ernſten Bedenken" gegen den Zonentarif:

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Wenn Jedermann für einige Mart die längsten Entfernun­nungen im Reiche, noch dazu mit dem Schnellzuge, zurücklegen könnte, so würde der Vergnügungssucht und dem vielfach verbreiteten Hang zum Bum melleben in den untern Klassen des Volkes in gefährlichster Weise Vorschub geleistet werden, und es würde an kostbarer Zeit wahrscheinlich viel mehr verschwendet werden, als an Geldaus­gaben für nothwendige und wünschenswerthe Neisen erspart wird. Wer in Köln   blauen Montag" macht, könnte unter Hinzunahme des Dienstags, vom Samstag Abend an in drei Tagen nach Berlin   und zurückgefahren sein und dann wahrscheinlich, troß billigen Fahrpreises, viel mehr Geld ohne sittlichen Gewinn verschwendet haben, als wenn er nur einen Tag in Köln   blau gemacht hätte. Zum nüßlichen Reisen auf weite Ent­fernungen gehört vor allen Dingen auch genügende Zeit und ein bernünftiger Reisezweck. Soweit leßterer für Arbeiterz. B. fich bietet, wird auch schon jetzt vom Gemeinwesen für die Er­füllung desselben gesorgt, wie das zuletzt die ganz erheblichen Fahrvergünstigungen für Arbeiter zum Besuch der Berliner   Un­fallverhütungs- Ausstellung bewiesen. Hierin weiter fortzufahren, wird eine ernste Aufgabe der Staatsbahnen, der wirthschaftlichen Körperschaften und Arbeitgeber sein. Die uferlose Verallgemei­nerung der billigen Eisenbahnfahrt nach dem Schema des Zonen­tarifs entspricht dagegen nicht den schweren Kultur aufgaben unferer 3eit."

Man kann nicht deutlicher reden als es hier geschieht. Oben wird die Verbilligung der weiteren Entfernungen verlangt, um Minderbemit­telten größere Reisen zur Erholung" zu ermöglichen, hier wird sie be= fämpft, weil der Arbeiter versucht sein könnte, auch einmal von der billigen Reise nach Berlin   und zurück, Gebrauch machen zu wollen, was bei den gebildeten" Klassen bekanntlich nur geschieht, um die Museen 2c. zu besuchen, nie zu dem Zwecke, in der Hauptstadt einmal ordentlich fidel zu sein". Der Bourgeois erholt sich, der Arbeiter bummelt, Wenn der Bourgeois reift, erfüllt er einen nüßlichen Zweck, wenn der Arbeiter reist, verschwendet er, tostbare Zeit". Und auf den Zweck der Reise kommt alles an. Wie wäre es, wenn man auf diesen Gedanken ein ganzes System aufbauen könnte? Kein Zonen­tarif, sondern einen 3 wedtarif. Der Artikel der Köln  . 3tg." gibt darin werthvolle Fingerzeige. Er verlangt 3. B." Sonderzüge"( für Leser, welche in das neudeutsche Kauderwälsch noch nicht eingeweiht find, sei bemerkt, daß darunter Extra züge gemeint find) zu erheblich ermäßigten Fahrpreisen bei Gelegenheiten wie man passe auf­hohen fir chlichen Festen( Einholung eines neuen Erzbischofs­o tugendhaft gewordene Stulturfämpferin?), in sämmtlichen Schulferien ( für Badereisen 2c.), bei bedeutsamen politischen Veranstaltungen ( nur reichsfreundliche selbstverständlich, z. B. nationalliberale Stougresse) und nationalen Festen( Sedanstag, Kriegervereins- Tagen 2c., an denen der Mordspatriotismus das- Erholen heiligt). Der Gedanke ist gut und ließe sich noch weiter entwickeln. Ermäßigte Fahr­preise für gute Zwecke und gute Leute. Gute Zwecke sind nur solche, die den Beifall der herrschenden Bourgeoisie finden, und gute Leute find natürlich nur unfere Bourgeois. Jezt ist die Lösung gefunden. Man ermäßige die Fahrkosten für we weite Reisen in erster und 3 weiter Slaffe, wo die Sache für den bummelluftigen Arbeiter" immer noch zu theuer kommt, und im llebrigen bane man das System der Sonderzüge" im obigen Sinne aus. So werden die schweren Stulturaufgaben unserer Zeit" vor der uferlosen Verallgemeinerung der billigen Eisenbahnfahrten geschützt. di

In der That, ein treffliches Stulturbild. Denn so, wie hier, steht's fa überall. Fortschritt sehr schön, aber nur so weit er der Bour­geoisie nügt. Geht er darüber hinaus, dann übertritt er feine Ufer" und muß aufgehalten werden. In Ungarn  , wo sich die Bourgeoisie erst entwickeln soll, da mag auch der Zonentarif angehen, in Deutsch­ land  , und namentlich im Rheinland  , wo sie sich entfaltet hat, da han delt es sich nur noch darum, dem vorhandenen starten Reise­bedürfniß in einer, dem allgemeinen Besten dienenden Weise Genüge zu leisten", nicht aber den Verkehr selbst stärker zu entwickeln". Kein gesellschaftlicher Fortschritt mehr, sondern Fortschritt nur, fo= weit er mit dem Bestehenden vereinbar ist. Und da man das nicht offen aussprechen kann, so muß die Moral herhalten, und das

fedem Philister so geläufige Thema vom Hang der Arbeiter zum Blau­machen.

Nun, der Fortschritt läßt sich auch durch Moralpredigten nicht auf­halten. Das Stemmen der Bourgeoisie gegen ihn beweist mur, daß die Zeit ihrer Blüthe vorbei ist, und daß es mit ihr bergab geht. Bete soviel du willst, graue Sünderin, es nüßt dir nichts, deine Tage sind gezählt, und kein Damm hält den Strom auf, dessen Wogen Du zitterud herannahen siehst.

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Der gleichzeitig mit dem Arbeitertag in Olten   abgehaltene Kongreß des schweizerischen Gewerkschaftsbundes war, nach dem Bericht der Arbeiterstimme", von zirka 80 Delegirten besucht, zum größten Theil Schweizer, während in den früheren Jahren meistens deutsche Genossen die Gewerkschaften vertraten. Es zeigt dies, daß die gewerkschaftliche Bewegung auch unter der schweizerischen Arbeiterschaft Wurzel gefaßt hat. Die Genossen Beck und Mert wurden zu Vor­fizenden, die Genossen Lang und Seidel zu Sekretären, die Genossen Manz und Brechbühler zu Stimmenzählern ernannt.

Es wurde beschlossen, den Gewerkschaftsbund im Sinne der Schaffung von Berufsverbänden und der Unterstellung der Reservekasse unter die Leitung des Gewerkschaftsbundes zu reorganisiren. Zu leßterem Zwecke foll eine Konferenz zwischen dem Bundeskomite, der Reservekasse- Kom­mission, dem Grütli- Zentralfomite, und den größeren Berufsverbänden, die noch nicht dem Gewerkschaftsbunde angehören, stattfinden. Dabei g ng man von der Voraussetzung aus, daß dem Grütliverein nach wie vor eine Vertretung in der Verwaltung zugesichert werde. Die Organisationen, welche bis jetzt sich der Reservelasse anschlossen, sollen auch fürderhin bei derselben verbleiben können; in Zukunft aber sollen Organisationen, welche der Reservekasse neu beitreten wollen, auch dem Gewerkschafts­bunde beitreten. Es ist diese Einrichtung nöthig, soll nicht der Gewerk­schaftsverband zerbröckeln. Die Beiträge für den Gewerkschaftsbund sollen minim sein- 5 Rp. per Mitglied und pro Vierteljahr. Da= durch wird allen Berufsverbänden der Eintritt leicht gemacht.

Aus dem Bericht des Sekretärs Pfenninger über den Stand der Arbeiterstimme" geht hervor, daß der Abonnentenstand derselben etwas zurückgegangen ist und daher tüchtig für die Verbreitung des Organs agitirt werden muß, soll das Defizit wieder verschwinden. Der Vertrag des Gewerkschaftskomite mit dem neuen Redakteur, dem an Stelle des freiwillig zurücktretenden Conzett in Urabstimmung gewählten Genosse R. Seidel, wurde genehmigt.

Der Kongreß beschloß Aufhebung der Wanderunterstübungs­kasse, weil dieselbe nur auf der Basis des Obligatoriums prosperiren fönnte, das Obligatorium aber nicht beliebt ward. An das Blatt, Der Achtstundentag  " wurde eine jährliche Subvention von 150 Fr. be= schlossen. Als Vorort des Bundes wurde Zürich   fast einstimmig bestätigt.

Der Stand des Gewerkschaftsbundes hat sich seit dem letzten Kongreß wieder recht ansehnlich gehoben. Die Organisation schreitet langiam, aber stetig vorwärts. Mögen ihr die gefaßten Beschlüsse zum Heil ge= reichen!

Es fanden in Olten   ferner noch zur gleichen Zeit ein Kongreß des schweizerischen Metallarbeiterverbands und eine Delegirtenver­sammlung schweizerischer Schuhmachervereine statt, auf welch lepterer die Schaffung eines Zentralverbandes beschlossen wurde, der sich an den Gewerkschaftsbund anschließen soll. Auch der Metall­arbeiterverband beschloß Anschluß an den Gewerkschaftsbund. Bravo!

Der Finger hat gesprochen. Nicht der Finger Gottes, welcher wir meinen den Gott bekanntlich Alles sieht, sondern ein blinder Finger, ein Finger, der blind ist, nämlich ein blinder Hesse. Wir meinen den Darmstädter   Finger, den Hessischen Westentaschen= Bismarck, der hoffentlich seinem Vorbild gelegentlich nachspedirt wird. Befagter blinder Hesse von einem Finger oder Finger von einem blinden Hessen   meinte neulich, die Sozialdemokraten tödteten die In­dividualität, vernichteten die Freiheit, proklamirten die allgemeine Stla­verei. Und von diesem Nichter'schen Blech war das blinde Fingerchen so entzückt, daß es selber wie wir zufällig aus allerbester Quelle erfahren haben daß es selber besagtes Blech, nachdem es seinen Finger- Stempel darauf gedrückt, brühheiß in die Presse bringen ließ, um Reflame für das Fingerchen zu machen. Am Ende wird das Fingerchen noch genial".

Aus Frankreich  . Die von den Pariser Delegirten ernannte Eretutiv- Kommission für die Mai- Demonstration hat die folgende Petition ausgearbeitet, welche nicht von einzelnen Arbei­tern, sondern von ganzen Gruppen und Syndikaten unterzeichnet ist, und von einem Delegation in die Kammer getragen werden soll: " Internationale Manifestation vom 1. Mai für den Acht stundentag und eine Arbeiterschußgesetz= gebung,

welche, mit dem Achtstundentag als wesentlicher Basis, bezweckt die die Sicherung eines Lohnminimums, die Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, die Festießung eines Ruhetags pro Woche, und die Ab­schaffung der Nachtarbeit, der privaten Arbeitnachweis- Bureaus, sowie des Zwischenunternehmerthums. Petition.

Die unterzeichneten Syndikate und Gruppen fordern als dringlichste aller Reformen die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages auf ein Maximum von acht Stunden:

weil der Achtstundentag Arbeit und Brot für eine große Anzahl von Arbeitern bedeutet, welche fich jetzt mit leerem Magen vor den Thüren der Werkstätten drängen; de

weil der Achtstundentag das Ende der periodischen Arbeitslosigkeit bedeutet, welche mit den Fortschritten des Maschinismus zahlreicher und zahlreicher werden;

weil der Achtstundentag ein unvermeidliches Steigen der Löhne be­deutet, indem er die mörderische Konkurrenz beseitigt, welche die unbe­schäftigten Arbeiter ihren beschäftigten Kameraden machen;

weil der Achtstundentag mit acht Stunden Schlaf acht Stunden Muße bedeutet, S. h. acht Stunden Leben, Freiheit und Aktion für die zur Maschine gemachte Arbeiterklasse;

well der Achtstundentag sogar dem Kleinhandel zu Gute kommt, da er die Kauf- und Konsumkraft seine Arbeiterkundschaft steigert." Diese Petition wird, wie überhaupt alles, was die Manifestation an= belangt, von der Bourgeoispreffe lebhaft kommentirt. Die große Auf­merksamtelt, mit welcher dieselbe die Kundgebung verfolgt, zeigt das böse Gewissen und die Angst vor einer imposanten und einheitlichen Aftion des Proletariats, mag sie noch so friedlich sein.

-Aus der polnischen Bewegung.( Nachruf.) Am 9. April starb in Meran   nach längerem Lungenleiden der sozialistische Schriftsteller Felig Daszynski bon 3 baraz, Galizien  . Die Jbee des internatio nalen Sozialismus in Polen   verliert in ihm einen begeisterten An­hänger. Wenn auch das, was er geleistet, dem deutschen Arbeiter un­bekannt ist, so dürften ihn doch einige Einzelheiten aus seinem Leben intereffiren.

15 Jahre alt, wird er wegen Agitation unter den Mitschülern aus der Realschule entfernt. Er fand keine andere Mittelschule, die ihn aufnehmen wollte. Dies verdankte er der Zuvorkommenheit der gali­zischen Behörden. Unter schweren materiellen Sorgen tämpfend, be= reitet er sich privatim für das Abiturientenexamen vor, das er auch glänzend besteht. Ein paar Monate Haft, die er, der Agitation ange= flagt, abbüßt, unterbrechen diese Vorbereitung. 1885 kommt er nach Zürich   und studirt Physiologie, bis zu der auf Befehl des Bundesrathes erfolgten Ausweisung. Ihr Vorwand war die bekannte Bombenaffäre auf dem Zürichberg  . Troß peinlicher Untersuchung war es nicht mög= lich gewesen, Daszynski in Beziehung zu diesen" terroristischen" Ver­suchen zu setzen. Sein einziges Vergehen war, am Grabe Brinstein's ( der beim Versuche verunglückte) gesprochen zu haben. Die letzten Worte der Nede sprach er deutsch  :" Hoch lebe der internationale Sozialis= mus". Für Hauptmann Fischer war dies Grund genug zur Verhaf­tung. Er hielt ihn zwei Wochen gefangen, und im Büricher Gefängniß verschlimmert sich der Gesundheitszustand D's in erschreckender Weise. D. wird als Verfasser der anonym erschienenen Schrift An den Branger" bezeichnet, in welcher die patriotischen Führer und der An­hang derselben unter der polnischen Studentenschaft wirklich an den Pranger gestellt werden. Der Grundgedante dieser Schrift ist: Voll­ständige und unversöhnliche Trennung der sozialistischen   Arbeiter vom demokratischen Bourgeois. Alle die hohlen Phrasen von der Gemein­