ich fenne nur ein Vergnügen: Hausmeier zu sein und am Staats­Milliardentopf zu fizen. Der Henter hole die Rüben und das Be­gräbniß erster Klasse ich lebe und ich will zurück in mein Palais in der Wilhelmsstraße!"

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O, wie Voltaire   lachen würde, hätte er diese Variation, diese Travestic seines berühmten Worts gehört:" Ihr erstickt mich unter Nosen!" Er, der leuchtende Genius des 18. Jahrhunderts und dieser stall­duftende Fuselfabrikant( Auch ich bin Schnapsfabrikant"), der von dem Genius seines Jahrhunderts keine Ahnung hat, und der Nichts ist, wenn ihm der Milliardentopf aus den Fingern genommen ist und wenn er nicht mehr auf den Knopf drücken kann, der eine Armee von

" Ich bin nicht todt!" feucht er, aiſcht er, brüllt er ich bin nicht todt; ich will nicht begraben sein! Ich habe das Recht, zu pro­testiren, zu nörgeln, Opposition zu machen, und ich will dieses mein gutes Recht ausüben!"

Und

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Aber, mein lieber Mann", fichert es dagegen kennst du nicht bas noblesse oblige? Hast du vergessen, was du selber so oft ge= sagt, daß ein gefallener Minister zu schweigendem Dulden verurtheilt ist? Willst du als Heuchler und Komödiant vor der Welt stehen? Hast du nicht selbst tausendmal wider die nörgelnde Opposition gedonnert? Hast du nicht tausendmal erklärt, daß, wer den Kanzler angreift, den Kaiser angreift und ein verdammungswürdiger Reichsfeind ist? Also hübsch ruhig! Pscht! Pscht! Mache dich nicht lächerlich! Füge dich in dein Schicksal du bist nun einmal todt und begraben. es ist ein Begräbniß erster Klaffe!" Ich ersticke- tönt es von unten aber nicht von den Rosen, sondern vor Wuth! Habt Ihr vergeffen, wer ich bin? Der Her= kules des neunzehnten Jahrhunderts? Der Oedipus  , der die Sphyny der sozialen Frage zum Selbstmord getrieben hat, weil er ihr Räthsel löfte. Der größte Staatsmann, der jemals ge= lebt hat. Und Ihr undankbaren Gelbschnabel und 3 werge­mich den Weisesten der Weisen, den Pfiffigften der Pfiffigen, den Kühnsten der Kühnen, den titanischsten der Titanen mich wollt ihr unter den Rosen eines Leichenbegängnisses erster Klasse begraben? Uff! Fort mit den Rosen! Freie Bahn dem Flügelschlage meiner erhausmeierlichen Seele. Mich nach dem Maaßstabe gemeiner Menschen messen? Von mir verlangen, daß ich mich in das Profruftesbett stecken laffe, welches ich für die vile multitude hergerichtet habe? Das werdet Ihr bereuen! Ihr werdet mich wiedersehen! Ich habe ge= waltige Waffen! Ich kenne große Geheimnisse."

" Picht! Picht! Still Freundchen. Arnim. Arnim!", flüstert es leiſe. Spiegelberg  , wir kennen Dich!"

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Und der Oedipus, Herkules oder wie sonst er sich hat tituliren lassen, fnurrt unverständliche Laute, und zappelt unter den Rosen seines Leichen­begängnisses erster Stelasse. Unter ihnen. Mit sanftem Drücken halten fie ihn nieder, und hat er die Besinnung noch nicht ganz verloren, so denkt er des französischen   Sprichworts: le ridicule tue. Immer und für Alle ist es ja nicht wahr, daß das Lächerliche tödtet. Aber für Hausmeier a. D. ist es wahr.

Er ist lächerlich geworden, dieser zappelnde, ftrampelnde Haus­meier a. D., der gar nicht einsehen will, daß er todt ist, und daß er selber höchst eigenhändig die Waffen geschmiedet, mit denen seine Gegner ihn abgethan haben.

Und diese Gegner Zwerge und Knaben!

O du armer lächerlicher Riese!

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Die Nemesis hat ihm nichts erspart. All seine stereotypen Sniffe und Pfiffe, in denen seine Talmi- Größe bestand, wenden sich gegen ihn. Er selbst hat die Stricke gedreht, die ihm, dem gewaltigen Guliver um Brust, Beine, Arme und sogar um die( langen) Finger gewickelt find; und die sie ihm umgewickelt und die ihn ein gewickelt haben es find Liliputaner! Jest erst fieht der Hausmeier a. D., wie wenig dazu gehört, groß" zu sein, wie er es war, und wie er bärm= lich flein er ist. Jedes Schlupfloch ist ihm verstopft ist ihm verstopft mit irgend ist ihm verstopft mit irgend einer Zauberformel, die er selber einmal gegen einen wirklichen oder vermuthlichen Nebenbuhler ausgeheckt hat. Und um aller Unwürdigkeit und Lächerlichkeit die Krone aufzusetzen: die Welt hätte von der ganzen so entseglich blamablen Geschichte gar nichts erfahren, wenn der arbeits­müde Halbgott, oder Ganzgott die Götter des Olymp konnten sehr gut müde werden, wie Jeder von ihrem Busen- Freunde Homeros   er­fahren kann der sich zu seinen Rüben" zurückgezogen hatte, nicht plöglich aufgefprungen wäre und das verblüffte Publikum angeschrien hätte: Aber ich bin ja nicht arbeitsmüde! Ich hätte noch gern meine Finger im Milliardentopf und meinen hinteren Menschen auf dem Reichskanzlerstuhl aber die Racer wollen mich los sein man will mich begraben."

Und die Welt lacht.

Tu l'as voulu, Georges Daudin!

Und wohl oder übel wird er Rüben zu bauen haben und viel leicht ein bischen Parlaments tohl. harmlosen Kohl. Denn es hat einen Arnim gegeben.

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So jammervoll, so poffenhaft hat sich niemals der Sturz eines sogenannten Großen Mannes" vollzogen. Und daß er selber der Herold seiner Blamage und feiner Schande ist, daß er, ähnlich jenem Hahnrei, der mit der Pistole durch die Straßen der Stadt lief, jeden fragend: Hast Du den Schuft X. gesehen, der mir Hörner aufgesetzt hat? daß er ähnlich jenem Hahnrei in alle Welt hinausschreibt und hinausschreit: ich bin nicht freiwillig gegangen, ich bin gegangen worden. Das ist eine ausgesuchte Malice der Weltgeschichte.

In nicht ganz hoffnungsloser Erwartung einer tragischeren Schlußszene sind wir einstweilen mit diesem to mischen Satyr= fpiel von Herzen zufrieden.

Und auch jetzt passirt dem Herkules" u. 1. w. a. D. das Pech, welches ihn sein Leben lang verfolgt hat: daß er die Arbeit seiner Feinde verrichtet. Wie er im Kulturkampf für den Pabst, in dem Feldzug gegen die Sozialdemokratie für die Sozialdemo= tratie gewirft, so jeßt für den neuen Kanzler und dessen Herrn also für seine Gegner und Feinde. Er macht sie wider Willen populär bei allen Denen, die ihn haffen und verachten, und das ist, wie der 20. Februar gezeigt hat, die große Mehr= zahl des deutschen Volks. Und auch die demokratische Ent­wicklung der Dinge in Deutschland   wird gefördert, denn die neue Re­gierung ist durch die demagogische Opposition des Zivil- Wallen­stein" genöthigt, sich auf die Volts massen zu stüßen. Insbesondere der Sozialdemokratie kommt die Rebellion des bockbeinigen Vasallen, der durchaus nicht auf die Nübenzucht beschränkt sein will, ganz vor­trefflich zu statten.

Und wären die moralischen Defekte des Mannes nicht gar zu flagrant, so wäre die deutsche Sozialdemokratie wahrhaftig verpflichtet, dem pustenden und knurrenden Hausmeier und Reichswauwau a. D. auf den Blumenberg seines Begräbnisses erster Klasse als Krönung des Gebäudes" ein Blatt Papier   zu legen: das Diplom der Ehren= mitgliedschaft unserer Partei die Partet desum= sturzes dem Umgestürzten.

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Neben den verschiedenen deutschen Behörden zeichnen sich nament­lich die dänische, die italienische und die französische  Regierung in Verboten und provozirenden Sicherheitsmaß­regeln gegenüber der Maifeier aus. Von den beiden erstgenannten tann das nicht Wunder nehmen Herr Estrup, für den beschworene Volksrechte Papierfeßen sind, handelt da ganz in seiner Rolle, und Rabagas- Crispi muß sich für die Blamage der Journalisten- Auswei­sung und der erbärmlichen Maßnahmen gegen Costa, die für leg­teren eine glänzende Wiederivahl zur Folge hatte, durch eine kleine Gesellschaftsrettung weiter blamiren. Daß aber die Regierung der französischen   Republit sich nicht entblödet, in Unterdrückungsmaß­regeln gegen eine friedfertige Demonstration mit den reaktionärsten Regierungen zu wetteifern, das ist eine Schmach, die die schärfste Brandmarkung verdient. Als Vorwand für die Verbote, Verhaftungen 2c. werden anarchistische, boulangistische und orleanistische Verschwör­ungen" angegeben. Nun, die Herren brauchfen alle diese nicht zu fürchten, wenn sie sich endlich einmal entschließen würden, auf das ewige Vorsehung- Spielen zu verzichten und die Arbeiter ihre eigene Po­lizei ausüben zu laffen. Nicht immer hat man das Glück, einen Bontanger zum Gegner zu haben, und wenn di Partei dieses traurigen Helden es am legten Sonntag in Paris   immer über

100,000 Stimmen gebracht hat, dann ist etwas sehr faul im Staate -Frankreich  .

-Mit großer Genugthuung nehmen auch wir von der That­sache Kenntniß, daß die Arbeiterpresse in Deutschland  von Quartal zu Quartal man möchte fast sagen, von Woche zu Woche sich weiter ausbreitet. Mit Beginn dieses Quartals sind wieder sieben neue Organe in's Leben gerufen, und trog der Konkurrenz der neuen nehmen die alten" wie der gut informirte Korrespondent der Wiener Arbeiterzeitung  " schreibtan Lesern bestän= dig zu, und die neuen erobern sich in kurzer Zeit einen Leserkreis, der die kühnsten Erwartungen übertrifft. So bekam z. B. ein in Mittel­beutschland neu erscheinendes Wochenblatt binnen einer Woche über 5000 Abonnenten, und Aehnliches ist anderwärts vorgekommen. Mehrere früher bestehende Wochenblätter haben sich in Tageblätter unt­gewandelt, ohne an Abonnenten einzubüßen, andere Wochenblätter werden diesem Beispiele später folgen. Dieser Prozeß heißt es am Schluß würde sich noch rascher vollziehen, wären die nöthigen gel­stigen Kräfte in gewünschter Zahl vorhanden."

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Soweit wir die Verhältnisse übersehen, ist die Arbeiterpresse schon jetzt der vor Schaffung des Sozialistengesetzes bestehenden an Zahl der Organe mindestens ebenbürtig, während sie dieselbe in Bezug auf die Verbreitung ganz erheblich übertrifft. Und was den Inhalt anbetrifft, so wollen wir nur soviel sagen, daß auch dieser im Großen und Ganzen dem der früheren Organe nicht nachsteht. Wohl entziehen sich gewisse Fragen unter den obwaltenden Verhältnissen fast ganz der Diskussion, wohl leidet die Kritik unter den, dem freien Wort gezogenen Schranken, aber dafür hat die Presse sich in einem wichtigen Punkt vorwärts entwickelt: den ökonomischen Vorgängen wird heute eine viel größere Aufmerksamkeit geschenkt, und im Allgemeinen auch ein viel größeres Verständniß entgegengebracht, als ehedem.

Wir haben schon früher hervorgehoben, und können hier nur wieder­holen, daß unter wenn diesen Verhältnissen die Aufgaben des Sozial­demokrat" zwar nicht aufhören, aber doch sich wesentlich verringert haben, wir weit entfernt sind, dies zu bedauern sondern uns dessen nur freuen können. Ein Blatt von dem Umfang des unsrigen kann schont aus technischen Gründen nicht darauf Anspruch erheben, ein unifassendes Bild der gewaltigen Bewegung zu geben, als welche die deutsche Sozial­demokratie heute sich darstellt. So ruft denn auch der Sozialdemo frat" den neu hinzugetretenen Arbeitsgenossen ein herzliches Glück­auf zu!

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Die Turner und die Achtstundenbewegung. Was jagent unsere Leser zu folgender Meldung? " In der letzten Sigung des Vororts des Turnerverbandes wurde nachstehende Resolution eingebracht und einstimmig angenommen:

" In Anbetracht, daß nach Abschnitt 5 der Prinzipiellen Beschlüsse des Turnerbundes" die Turner Verkürzung der Arbeitszeit und die Einführung des achtstündigen Normal- Arbeitstages anzustreben durch ihr Manneswort verpflichtet sind. tro Port dissot ng anarts In Anbetracht, daß die Achtstundenbewegung gerade jetzt einen neuen fräftigen Aufschwung nimmt, da große Arbeiter- Organisationen be= schlossen haben, in der nächsten Zeit die Ausführung des achtstündigen Arbeitstages zu verlangen,

Sei es beschlossen, daß der Vorort es gerade jezt für die geeignete Zeit hält, die Turner des Bezirks an die oben erwähnten prinzipiellen Beschlüsse zu erinnern und sie aufzufordern, keine Gelegenheit zu versäumen, den Achtstunden kämpfern alle mög­liche moralische und thatträftige Unterstügung zu gewähren."

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Vortrefflich, nicht wahr? Schade nur, daß es bloß der nord= amerikanische Turnerbund ist, von dem dieser Aufruf ausgeht. Die deutschen Turner haben zit so etwas teine Zeit. Sie haben Wichtigeres zu thun: Patriotische Lieder abfingen, Fackelzüge zu Ehren des Kaisers einstudiren und sich für Wahlschlepperei für reichstreue Kandidaten einüben. Sie sind dafür auch echt national".

Wer lacht da? Bismarck   hat einer Deputation seiner Ge­treuen die Befürchtung geäußert, daß die von Wilhelm II  , eingeschlagene Sozialpolitik der Sozialdemokratie neue Anhänger zuführen werde", Das hoffen auch wir. Aber der Mann, unter dessen Regime die Sozialdemokratie es zu einer Partei von 1,400,000 Wählern gebracht hat, ist schwerlich der Rechte, über sozialdemokratische Agitatoren wider Willen Bedenken" zu äußern. Wilhelm II.   ist ein guter Agitator und hat noch einen recht hübschen Spielraum, bis er Bismarck  , unsern " Besten" blos eingeholt, geschweige denn überflügelt hat.

- Die Thesen über die Berufsgenossenschaften, welche der schweizerische Arbeitersekretär Greulich dem Oltener Arbeitertag vor­legte und die auch dort Annahme fanden, lauten:

A. Arbeiter Gewerkschaften.

1. Sobald in einer Gemeinde oder in einem Bezirk aus den Personen des gleichen Berufes oder einer Gruppe verwandter Berufe sich eine Gewerkschaft gebildet hat, welche die Mehrzahl der Berufsgenossen um faßt, wird dieselbe auf ihre Anmeldung hin von der zuständigen Be hörde als maßgebende Berufsverbindung anerkannt. Die Gewerkschaft erlangt durch ihre Anerkennung folgende Rechte:

a. Begutachtung aller Geseze, Verordnungen und Verwaltungs- Maß­nahmen, welche den bezüglichen Beruf oder die Berufsgruppen betreffen, insbesondere der Begehren um Bewilligung von Ueber­zeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, sowie des ununterbrochenen Betriebes.

b. Begutachtung der Ortsgebräuche bezüglich Arbeitszeit, Lohn­zahlung, Kündigungszeit und anderer streitiger Punkte des Dienst­vertrages.

c. Vertretung der Arbeiter der Berufs oder der Berufsgruppe vor Gericht, soweit berufliche Intereffen in Frage kommen.

d. Das Recht, für die Arbeiter als Vertragspartei mit den Ge­werbsinhabern über die Arbeitsbedingungen zu unterhandeln und Dienstverträge zu vereinbaren, die für alle Arbeiter des Berufs oder der Berufsgruppe verbindlich find, die Einhaltung derselben zu überwachen und Zuwiderhandelnde mit Geldbuße zu belegen. 2. Die anerkannten Gewerkschaften sind verpflichtet, sobald drei lokale Gewerkschaften des gleichen Berufes oder der gleichen Berufsgruppe bestehen, einen schweizerischen Verband zu bilden. Dieser hat für das ganze Vereinsgebiet dieselben Rechte, wie die lokalen Gewerkschaften auf ihrem Territorium.

B. Arbeiter Kammern.

3. Die Gewerkschaften aller Berufe eines Kantons wählen einen gemeinsamen Borstand, der die kantonale Arbeiter Rammer bildet. Für seitabliegende Gemeinden und vereinzelt vorkommende Be rufe können allgemeine Arbeitervereine gebildet werden, welche zur Theil­nahme an der Wahl der Arbeiter- Kammern berechtigt sind.

4. Die fantonalen Arbeiter- Kammern haben folgende Befugnisse: a. Begutachtung aller Geseze, Verordnungen und allgemeinen Ver waltungs- Maßnahmen, welche die Arbeitsbedingungen und die Stellung der Arbeiter überhaupt betreffen.

b. Begutachtung aller Fabrik- und Werkstatt- Ordnungen; Unter­suchungen über die Einhaltung der Arbeiterschutz- Vorschriften durch Zeugenverhör und Augenschein; Vorschlagsrecht für die Wahl kantonaler Inspektionsbeamter.

c. Erhebungen über alle wirthschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter Klasse mit dem Recht, Zeugen zu verhören und schriftliche An­gaben zu verlangen.

5. Die fantonalen Arbeiterkammern sind der zuständigen Regierungs­abtheilung beigeordnet, welche ihre Kosten und Sizungsgelder bestreitet. 6. Die fantonalen Arbeiterkammern wählen Abgeordnete, welche eine fchweizerische Arbeiterkammer bilden. Diese hat die glei chen Befugniffe auf eidgenössischem Gebiete; sie ist dem zuständigen schweizerischen Departement beigeordnet, welches ihre Kosten trägt.

C. Gemischte Bewertschafts- ammern.

7. Wenn auf gleiche Weise wie bei den Arbeitern anerkannte Ge werkschaften der Gewerksinhaber zu Stande kommen, so haben sie für ihren Kreis die gleichen Rechte wie die Arbeiter- Gewerffchaften. Die Gewerkschaften der Arbeiter und Gewerbsinhaber des gleichen Berufs haben Abgeordnete in gleicher Zahl zu wählen, welche vereinigt ge=

mischte Gewertschaftstammern bilden und je einen Präs sidenten wählen, der weder Arbeiter noch Gewerksinhaber ist.

8. Die gemischten Gewerkschaftskammern haben das Recht, Beschlüsse zu faffen, welche für alle Berufsangehörigen verbindlich sind; sie können Zuwiderhandelnde mit Buße belegen und haben das Recht, die erlau= fenen Kosten auf die Berufsangehörigen zu vertheilen. Beschlüsse dieser Art sind nur dann verbindlich, wenn die Abgeordneten der Arbeiter und der Gewerksinhaber in gleich großer Zahl vertreten sind. D. Industrie- Kammern.

9. Wenn die Gewerkschaften der Gewerksinhaber verschiedener Berufe zu gleichen kantonalen und eidgenössischen Vertretungsförpern gelangt sind, wie es die Arbeiterkammern für die Arbeiter- Gewerkschaften sind, so bilden diese Störper mit gleicher Mitgliederzahl von beiden Seiten tantonale Industriekammern und eine schweizerische Industriekammer. Den Vorsiz in dieser Kammer führt der Vorsteher des zuständigen kantonalen oder schweizerischen Departements. 10. Die Industrie- Stammern haben für ihren Wirkungskreis folgende Befugnisse:

a. Organisation von Gewerbeschiedsgerichten und Beaufsichtigung ihrer Thätigkeit.

b. Bildung von Einigungsämtern zur Verhütung von Arbeitsein­stellungen und Arbeiterausschlüssen.

c. Begutachtung aller Fragen, aller Entwürfe von Gesetzen, Ver­ordnungen und Verwaltungs- Maßnahmen, welche Industrie und Gewerbe betreffen.

ers

d. Errichtung gemeinsamer Institutionen zum Nußen und zur För= berung gewerblicher Ausbildung und gewerblicher Jnteressen. 11. Konfliktfälle und Beschwerden werden in erster Instanz durch die zerische Industriekammer entschieden. fantonalen Induſtriekammern und in letzter Instanz durch die schwei­

E. Allgemeiner Grundsatz.

12. Der Beitritt in die anerkannten Gewerkschaften der Arbeiter und der Gewerbsinhaber darf von der beruflichen Befähigung und von der persönlichen Ehrenhaftigkeit abhängig gemacht werden. Es ist jedoch unzulässig, denselben durch hohe Eintrittsgelder oder sonstige uner= schwingliche ökonomische Anforderungen zu verschließen.

Direktoren und Geschäftsführer von Gesellschaften werden als Ge­werbsinhaber betrachtet.

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Soweit diese Thesen die Organisationen der Arbeiter betreffen, können wir ihnen im Großen und Ganzen nur anerkennend zustimmen. Nur der Passus, der von der Aufnahme in die Gewerkschaften han= delt, erregt unsere Bedenken." Berufliche Befähigung" ist ein sehr dehnbarer Begriff und kann leicht zu Mißbräuchen in zünftleri­sche mit Sinne führen, eine Möglichkeit, die bei großen Arbeiterkate­gorien leider nicht ausgeschlossen ist und daher auch nie außer Augen gelassen werden sollte. Warum nicht einfach sagen Nachweis der Be­schäftigung im betreffenden Beruf"?

Mit Bezug auf die Einigungsämter" 2c. haben wir unfre großen Zweifel, zumal uns die gleiche Berücksichtigung der Arbeiter und Gewerksinhaber in den Gemischten Gewerkschafts-, bezw. Industrie­fammern teine genügende Garantie gegen Uebervortheilung der Arbeiter bietet. Wir kommen auf dieses Thema gelegentlich zurück.

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Die sozialdemokratische Fraktion ist, wie wir hören, auf Montag, den 5. Mai, zu der ersten ordentlichen Fraktionsfißung be rufen, und wird sich, nach erfolgter Konstituirung, über ihre geschäft­liche Thätigkeit im Reichstag  ( Theilnahme an Kommissionen u. s. w.) verständigen, und die einzubringenden Anträge durchberathen. Außer dem Arbeiterfchußgesez wird auch ein Antrag zum Unfallver­sicherungsgesetz, sowie ein Antrag auf Aufhebung der Kornzölle sofort zur Berathung gelangen.

Aus Frankreich   wird uns geschrieben: Nachdem die franzö= sische Regierung durch den Mund des Herrn Faustministers" Con­st ans erklärt, daß sie am 1. Mai teinerlei Manifestation dulden werde, fonnten possibilistische Führer nicht umhin, den französischen   Arbeitern von der Betheiligung an der Maifeier abzurathen und letztere zu verurtheilen. Herr Joffrin hat dies in zwei Interviews" mit Reportern des Radical" und des" Temps  " gethan. Seitdem der Genannte nämlich in der Kammer sigt, ohne in dieselbe gewählt worden zu sein, fühlt er das dringende Bedürfniß, die im Palais Bourbon  ungesprochen bleibenden Reden den Reportern auf die allzeit nachrichten­hungrige Seele zu binden, und der beifallklatschenden Bourgeoiswelt in der Form von Interviews verkünden zu lassen, wie so vernünftig", ach so sehr vernünftig, wie in so inniger Seelenharmonie mit den Constans   und anderen gouvernementalen Mädchen für Alles" der Nichterwählte, aber vom Präfekten Berufene, von Montmartre   zu denken pflegt. Daß seine Erklärung mit Aufwärmung der alten Lüge vom " Kongreß, der nur Generalstäbe ohne Truppen hinter sich vereint" habe, beginnt, versteht sich von Seiten des Herrn Abgeordneten wider seinen Wahlkreis von selbst. Nach diesem schönen Anfang faut denn Herr Joffrin die Gründe gegen die Manifestation wieder, welche Herr Con­ stans   und die kapitalistische Presse bereits vorgekant haben, nämlich: die Manifestation fönne dem französischen   Temperament zufolge leicht ans­arten, die Reaktion, besonders der Boulangismus, werde ausschließlich aus ihr Nußen ziehen 2c. 2c. Alles dies ist nicht überraschend. Ueber­raschen muß es dagegen, wenn sich Herr Joffrin, nachdem er die Mani­festation verdonnert und widerrathen hat, plöglich als von jeher eifriger Verfechter des Achtstundentages proklamirt und zum Beweis auf seine Thätigkeit im Gemeinderath für Verkürzung der Arbeitszeit der städti­schen Arbeiter Hinweist. Gab es nicht einen gewissen Joffrin, der im Dezember 1881 bei seiner Kandidatur in Clignancourt für den Stadt­rath die Forderung des Achtstundentags( mit weiteren Forderungen zusammen) als non possible" aus seinem Wahlprogramm gestrichen hatte Gewiß, im Bariser Stadtrath ist eine Kampagne für Vertür­zung der Arbeitszeit geführt worden, und Joffrin ist auch für die For­derung eingetreten, hat mit Chabert zusammen für dieselbe gestimmt. Aber die Kampagne ist und bleibt der Hauptsache nach Baillants Werk, der durch seine ausgezeichneten Berichte über die Frage, durch fein unermüdliches Eintreten für sie, dieselbe entschied. Herr Joffrin hat ein schlechtes Gedächtniß, wollen wir annehmen.

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Jm Proletariat", dem offiziellen Organ der possibilistischen Partet, macht ein Herr Joindy den Versuch, die Manifestation vor der Gefolgschaft des Blattes wissenschaftlich todtzuschlagen. Der Kongreß von Paris  , bestehend aus Delegirten ohne Mandat ohne diese Lüge geht es nicht habe unter dem Einfluß der deutschen Sozialisten die Manifestation zu Gunsten des Achtstundentages beschlossen. Das Zu­standekommen einer derartigen friedlichen Manifestation sei vielleicht bei der trefflichen Organisation und Disziplin der Partei in Deutsch­ land   möglich, in Frankreich   dagegen fraglich. Die deutschen Sozialisten hätten dies erfahren, wenn sie sich an die wahre französische   Arbeiter= partei, die Possibilisten, gewendet. Statt dessen sind sie zu ihren theo­retischen Schülern", den Marristen, gekommen, die sich stets durch eine allgemein ungefchickte und von Seiten Etlicher sogar infame Haltung ausgezeichnet haben". Dadurch haben sie die Sache des internationalen Proletariats schwer geschädigt, und Herr Joindry ist so freundlich, ihnen den dafür gebührenden moralischen Nasenstüber zu ertheilen. Doch da= mit nicht genug. Herr Joindy muß den französischen   Arbeitern be­greiflich machen, warum die deutschen Sozialisten gerade zu den +++ Marristen und nicht zu den im Schooße der alleinseligmachenden Kirche ſizenden Possibilisten gekommen. Und da Joindy ein- findiger Kopf ist, so hat er das Näthsel in genialer Weise gelöst. Man höre und staune. Der deutsche Sozialismus befindet sich nämlich noch heut zutage unter dem Einflusse des Impulses, der ihm Lassalle gegeben hat. In der Folge erstrebt er foziale Reformen, welche durch die ökonomische Entwicklung nahegelegt werden, ohne die Religion und die politische Form der Regierung anzutaften. Es ist also leicht möglich, daß der neue deutsche Staiser danach strebt, und daß es ihm auch gelingt, die Geschicke des deutschen Sozialismus zu leiten. Aehnliche Dottrinen und Bestrebungen finden sich nun unter den franzöfifchen Sozialisten bei Denen, welche einen Augenblick hofften, fich der boulangiftifchen Be­wegmig zu bedienen, um eine sozialistische Aktion auszuüben. Daher alfo das Einvernehmen zwischen deutschen Sozialisten und französischen  Marriiten. Nachdem noch Herr Joindy die üblichen vernünftigen Gründe gegen die Manifestation entwickelt, und es freundlich den Gruppen überlaffen, ob sie fich an der Maifeier betheiligen, nicht be= theiligen oder einen Mittelweg wählen wollen, schließt er mit dem