Druckerei hergestellte Aufrufe in deutscher Sprache wurden an die deut­ schen   Arbeiter vertheilt, und diese darin eingeladen, sich ihren polnischen Brüdern anzuschließen. Ich lege Ihnen einen solchen Aufruf bet, dessen unbeholfene Form in der Art der Herstellung ihre Erklärung und Ent­schuldigung findet."

Soweit der werthe Briefschreiber. Wir können nicht umhin, den Aufruf, von dem er am Schluß spricht, hier zum Abdruck zu bringen, und zwar genau im Wortlaut des Originals. Er lautet: to doping Genossen!

Allüberall erschallt der laute Ruf der Arbeiter, die sich zum Feiern des ersten Mai ermuntern. Es wird ein Fest sein, wo die Unterschiede aller Nationen vor dem gemeinschaftlichen Zwecke des kämpfenden Volkes verschwinden, wo sich die Arbeiter, Angesichts der erbleichenden Feinde, brüderlich die Hände reichen.

Ihre Losung ist der achtstündige Arbeitstag. Das Feiern des ersten Mai ist ein Zeichen des übereinstimmigen Strebens darnach.

Wir, polnische Arbeiter, können nicht hinterbleiben. In den Reihen der Manifestanten werden wir auch nicht fehlen.

Deutsche   Arbeiter! pres

Uns drückt dieselbe Noth, unsere Kräfte saugen aus- dieselben Aus­beuter. Schulter an Schulter müssen wir im Kampfe gegen diesen unseren gemeinschaftlichen Feind auftreten.

Auf, Brüder, feiert mit das große Arbeiterfest, den Ersten Mai!

Arbetter- Komite,

der fozial- revolutionären Partei Proletariat".

Warschau  , den 29. April 1890."

Nach neueren Berichten hat die russische Henker- Regierung auf die Proflamationen mit Massenverhaftungen geantwortet. Das ist ja ihre ganze Weisheit.

ni rodioit

Aus dem Reichstage. Der Reichstag   hat seine große So= Tonialdebatte, seine große Militärdebatte und seine große Sozialpolitische Debatte bereits hinter sich. Ueber die ersten beiden liegen uns ausführliche Zeitungsberichte, über die dritte zum Theil erst telegraphische Meldungen bor. In der Kolonialdebatte, wie in der Militärdebatte zeigte sich, was freilich für keinen Stenner der Verhältnisse ein Geheimniß war, daß auch von diesem Anti- Kartell­Reichstag feine Erleichterung der Militär- und Steuerlasten zu erwarten ist. Das Zentrum wetteifert mit den Nationalliberalen in patriotischer Opferwilligkeit aus dem Säckel der Steuerzahler, und der Freisinn sperrt sich zwar, den Knochen, den ihm die Regierung hinhält, mit Haut und Haaren zu verzehren, hat aber auch nicht den Muth, ein flares und entschiedenes Nein! herauszubringen. Die Rickert und Hänel möchten gar zu gerne wieder regierungsfähig werden, und drängen den unglückseligen Eugen zurück, wo sie nur fönnen. Die Partei ist durch diese Rivalität der Führer, die freilich nur der Wiederschein ist der Verschiedenartigkeit ihrer Wähler, zur absoluten Impotenz verurtheilt. In der Kolonialdebatte sprach Vollmar, in der Militärdebatte Liebknecht für die Sozialdemokratie. Vollmar begründete in län­gerer Rede ben ablehnenden Standpituft der Sozialdemokratie gegen jebe Betheiligung des Reichs an den Kolonialunternehmungen und be leuchtete die Hohlheit der hochtönenden Redensarten, mit denen für dieselben bei der Masse Reklame gemacht wird. In einer Replit fertigte er recht gut den alten Windthorst ab, der, wie der erste beste Stardorff, von der Zivilisation Afrikas   durch die Bibel und das Schwert" ge= fabelt hatte. Liebknecht charakterisirte in einer längeren Rede die politische Situation Europas  , wie sie durch die Grundsäße der herr fchenden Regierungssysteme im Allgemeinen und die Bismarc' sche Po­Titit im Besonderen geschaffen worden ist, und die durch gesteigerte Ni­stungen nur verschlimmert, nicht aber verbessert wird. Herrn Moltke, für den es nachgerade an der Zeit wäre, sich den Namen des großen Schweigers auch zu verdienen, wurde auf seine abgeschmackte Be= hauptung, nicht die Regierenden oder die herrschenden Streise gefährdeten den Frieden zwischen den Nationen, sondern gerade im Volte felbft seien die Störenfriede zu suchen, gehörig gebient und fein Geständniß, die begehrlichen Elemente in den niederen Volksschichten" machten die mi­litärischen Rüstungen nothwendig, gebührend angenagelt. Wie sehr der Mann bereits verwrangelt ist, bewies seine von Liebknecht treffend zurückgewiesene Bemerkung, der nächste Strieg werde nicht mit einem Jahr abgethan sein, sondern vielleicht fieben oder be gar dreißig Jahre dauern. Es braucht dieser ganz unmöglichen Perspektive wahrhaftig nicht, um die Wölfer vor dem nächsten Striege grauen zu machen.­Liebknecht traf den Nagel auf den Kopf, wenn er fagte, daß gerade Moltte's Darlegungen, von dieser Uebertreibung abgesehen, die beste Rede gegen die weitere Aufpaunung der Militärschraube gewesen seien.

Natürlich predigte Liebknecht   tauben Ohren. Der Reichstag   wird bewilligen, was die Regierung verlangt, die Einen leichten, die Andern schweren" Herzens, aber der Effekt ist der gleiche. Man taumelt dem offenkundigen Bankrott entgegen, weil man mehr noch als ihn die Umfehr fürchtet. Va banque iſt die Barole.

Ueber die sozialpolitische" Debatte, in der Grillenberger sosialistischerseits die Hauptrede hielt, in nächster Nummer.

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Wenn zwei dasselbe thun. Eine radikale Manier, Lohn­in einer kleinen drückereien zu begegnen, haben die Arbeiter einer Fabrit in e Stadt Mitteldeutschlands   angewandt. Obwohl sie für ihre angeftrengte Thätigkeit durchaus teine abnormen Löhne beziehen, ließ ihnen dieser Tage der Leiter der Fabrit eine Lohnrebuttion anfündigen. Die Ant­wort, die ihm die Arbeiter ertheilten, bestand darin, daß sie ihn tüchtig durchprügelten und der profithungrige Herr ging nunmehr, ohne an Lohnreduktion zu denken, wieder in sein Bureau zurück.

Was würde wohl die kapitalististische Presse sagen, wenn ein Arbeiter­blatt eines Tages eine solche Notiz brächte? Wie würde sie in Ent­rüstung ausbrechen über die Nohheit der betreffenden Arbeiter, welches Geschrei würde sie anstimmen über die Verkommenheit des Arbeiterblattes, solche Rohheit durch Stillschweigen zu bemänteln- ja, durch die Form der Mittheilung demonstrativ gutzuheißen. Staats­anwalt und Polizei würde sie anrufen um Hilfe gegen solchen Drang, fein Ausnahmegesetz wäre scharf genug, um die übermüthigen Arbeiter in Zaum zu halten, der Vergiftung des Volksgeistes durch die frevelhaften Ausschreitungen einer allen moralischen Erwägungen unzu­gänglichen Presse" ein Ende zu machen.

Nun, es haben sich nirgends Arbeiter zu solcher rabitalen Manier" hinreißen lassen, obwohl es an Maßregeln, die sie im höchsten Grade erbittern mußten, wahrlich nicht gefehlt hat. Wohl aber hat ein in Kapitalist zwar fein Fabrikant, sondern ein Rittergutsbesitzer der Nähe des Städchens Mügeln bei Oschatz   das Prügeln für die rechte Art gehalten, einer Bitte wohlgemerkt, einer Bitte um Lohnerhöhung zu begegnen. Sachsen­  

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Er hat den Sprecher einer Deputation seiner Arbeiter gänger aus den polnischen Distriften brutal durchgeprügelt, und die in jenen halbfeudalen Provinzen des Ostens aufgewachsenen Arbeiter haben sich das leider gefallen lassen, ohne ihm die auf solches Verfahren einzig gebührende Antwort zu ertheilen.

Und die ganze bürgerliche Ordnungspreffe" berichtet den Vorfall in der oben dargestellten Weise. Sie kann ihr Entzücken über die radi= tale Manier des rohen Patrons nicht bemeistern. Sie darf es leider nicht in ausdrücklichen Worten zu erkennen geben, aber sie läßt es durch die Form der Darstellung unverkennbar durchblicken. Dieser sächsische Knüppelheld ist der Mann nach ihrem Herzen. Was von Seiten des in Unwissenheit gehaltenen Arbeiters Rohheit sonder Gleichen wäre, ist bei dem, zweifelsohne gebildeten Rittergutsbesizer denn wer Geld hat, ist an sich schon gebildet"- nachahmungswürdige radikale Manier".

Natürlich müßten wir lügen, wollten wir behaupten, daß uns diese hämische Freude über eine infame Brutalität überrascht hätte. Wir find von den Sykophanten des deutschen   Ausbeuterthums auf alles vorbereitet, sie haben uns, um mit dem Dichter zu reden, ans Un­geheure gewöhnt." Aber festnageln müssen wir ihre Gemeinheit. Und imi Uebrigen überlassen wir sie ihrer Freude über die feudale Art der Erledigung einer Lohnfrage. Man fann gewisse Vorzüge nicht haben ohne ihre Kehrseiten. Und wer darüber jubelt, daß Arbeiter eine Behandlung als Leibeigene stillschweigend hinnehmen, der darf hinterher nicht schreien, wenn dieselben eines Tages ihre Herren" mit derjenigen Münze heinzahlen, die bei Leibeigenen zu allen Zeiten üblich zu sein pflegte. Naditale Manier" hüben

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radikale Antwort drüben.

Zur Lage in Deutschland   wird uns geschrieben:

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Der Hannover  ' sche Stourier", das Organ Bennigsens, der noch immer in mehr oder weniger legitimen Beziehungen zu dem unfreiwilligen Einsiedler" von Friedrichsruh   steht, hat offen erklärt: Der 1. Mai habe dem Sozialistengeset den Todes= stoß verset. Und mit dieser Erklärung hat der Hann. Kourier" die Richtigkeit der Annahme bestätigt, daß die reaktionären Parteien aller Schattirungen, deren Chef der Reichskanzler a. D. noch heute ist, ihre Hoff= nungen auf den 1. Mai gesezt hatten. Das Gebahren der sämmtlichen Preßorgane und sonstigen Faktoren, die weiland im Dienste des Sh­stems Bismard arbeiteten, ließ nach dieser Richtung hin überhaupt teinen Zweifel zu, und die ganze Situation war eine solche, daß sie, gewissermaßen mit Naturnothwendigkeit, den Plan eingeben mußte, die für den 1. Mai beschlossene internationale Manifestation zur Wieder­einsetzung des gestürzten Führers zu benutzen. Immerhin ist es aber gut, aus dem Munde des Bennigsen- Blatts die positive Bestätigung zu haben.

Der Aufruf der Fraktion hat hiermit seine glänzendste Nechtfertigung erhalten. Durch ihn, und durch ihn allein ist der Plan der vereinigten Reaktionsparteien vereitelt worden. Hätte er nicht ent­schieden von der allgemeinen Arbeitsruhe abgerathen, so würden zwar die deutschen   Arbeiter in ihrer überwältigenden Mehr­heit am 1. Mai ruhig gearbeitet haben, es wäre aber an verschiedenen Orten sicherlich zu Versuchen, die Arbeitsruhe allgemein zu machen, ge­kommen, und Kollisionen mit der, im Sold der Arbeitgeber stehenden Polizei wären unvermeidlich gewesen. Und wie leicht ist es, aus dem fleinsten Krawall einen großen Aufruhr zu machen?

Wohl war von der obersten Stelle" in Berlin  , welche ihren Pap­penheimer von Friedrichsruhe kennt, die Ordre erlassen worden, am 1. Mai die Arbeiter möglichst ruhig gewähren zu lassen und provo­fatorischen Auftretens sich strengstens zu enthalten, es muß jedoch be­dacht werden, daß fast sämmtliche Polizeibehörden und sonstigen Ber­waltungs- und Vollziehungsbeamten in Deutschland   unter dem System Bismarck   angestellt worden find, lange Jahre, viele von ihnen Jahr­zehnte lang, deffen schmutzige Arbeit verrichtet, und zum großen Theil den Glauben an eine Wiederkehr desselben noch nicht aufgegeben haben. Tausende von Beamten, ja man fann sagen die Mehrzahl der Polizei und Verwaltungsbeamten erblicken auch heute noch in dem Reichskanzler a. D. ihren eigentlichen Chef und sind ge= heimen Befehlen aus Friedrichsruhe zugänglich. Und in Frie­drichsruhe hoffte man auf den ersten Mai, wünschte man Kra­walle, Tumulte, gewaltsame Konflikte jeder Art, welche der geängstigten Bourgeoisie die Nothwendigkeit der Gesellschaftsrettung ad oculos de­monstrirt, den rebellifchen Staiser zur Raison gebracht und dem unfrei willigen Einsiedler von Friedrichsruhe zu einem Triumphzug nach Ber­ lin   in die Wilhelmsstraße verholfen hätten."

Die Gefahr war also nicht gering, und der Aerger, daß die Arbeiter nicht so dumm waren, den Wunsch ihrer Feinde zu erfüllen, ist von dem Hannover  'fchen Stourier, unter Ausplauderung des geheimen Grunds, tragi- tomischer Ausdruck gegeben worden. Wer die Lage der Dinge in Deutschland   zu überblicken im Stande ist und sich nicht in irgend ein Steckenpferd verbissen hat, muß jest post festum nach dem Maifeste der Arbeiterjeden Zweifel an der Korrektheit der Fraktions­Taktik verloren haben. Sollte dem aber nicht so sein, so braucht der Zweifelnde nur die Briefe der unterrichteten Genossen von Ham= burg über die dortige Arbeitseinstellung zu lesen. Er wird dann finden, daß es aller Sträfte der so wohl organisirten Hamburger Ges werfe und der konzentrirten Opferwilligkeit der übrigent Arbeiter Deutschlands   bedürfen wird, um den Hamburger Streifenden zum Sieg zu verhelfen. Der Sieg wird allerdings errungen werden, da die ge= sammte deutsche Arbeiterschaft es als eine Ehrensache betrachtet, den so frech von dem Geldprozenthum und dessen kriechenden Dienern: der Polizei herausgeforderten Hamburger Brüdern Beistand zu leiften indeß es wäre nicht gut, wenn viele solche Kraftproben" zu gleicher Zeit gemacht werden müßten.

Es ist auch nicht außer Acht zu lassen, daß wir in eine Periode schlechten Geschäftsgangs eingetreten sind auf allen Ger

bietet Hest ueberproofton oor, utb es ist mit Beſtimmtheit anzu­

nehmen, daß, abgesehen von den politischen Gründen, das provo fatorische Auftreten eines großen Theils der deutschen   Bourgeoisie von der Ueberzeugung diktirt war, der Moment sei günstig für eine Ge neral- Kraftprobe.

Es ist zu bedauern, daß dies auf Seiten der Arbeiter nicht a II­feitig flar genug erkannt wurde. Das aber kann getrost versichert werden, daß, wenn der erste Mai im Lauf dieses Frühlings noch eine mal zu feiern wäre, die Arbeitsruhe in dem Festprogramm der deutschen   Arbeiter vollständig fehlen würde.

Ja, hätten wir den ersten Maitag der Arbeit voriges Jahr ge= habt, oder vor zwei Jahren, dann stand die Sache anders die Mehrheit der Arbeitgeber hätte sich tampflos dem kräftig kundgegebenen Willen der Arbeiter gefügt.

Genug die Mai- Hoffnungen des Alkoholikers von Friedrichsruhe find wie Seifenblasen zerplagt, und er bleibt lebendig begraben in seiner ländlichen Gruft und die Feßen kann er zu den, Makulatur gewordenen Strafanträgen hinzulegen.

Inzwischen fährt er fort, für neue Makulatur zu sorgen: er schreibt unverdrossen für die Hamburger Nachrichten" giftige Artikel, die je= doch von Niemand mehr ernst genommen werden. Und sintemalen dem Eigenthümer der besagten Kloake: dem Lumpazius Kusserow ein sehr deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl gegeben worden ist, daß der Nachfolger des Kanzlers a. D. nicht mit sich spaßen läßt, so pas­firt sogar das Unerhörte es sind Artikel des Kanzlers a. D., die zi alkoholisch waren, in den Papierforb gewandert. Fürwahr, einen hübscheren Wizz hätte die Weltgeschichte nicht machen können. Der neue Reichskanzler ist nicht der Strohmann, für den er Anfangs gehalten wurde. Er hat sich durch sein taktvolles und kluges Auftreten im Reichstag eine sehr gute Position errungen, und wird voraussicht­lich Manches ohne Friftionen" erreichen, was sein rüpelhafter, knotiger Borgänger mit allem Poltern und Rabauen sicherlich nicht erreicht hätte. Einweilen herrscht im Reichstag eine vergleichsweise angenehme Temperatur troß der afrikanischen Size, über die der alte Windt­horst sich neulich beschwerte und die einzige Gegend, wo man ver­drießliche Gesichter sieht, ist die Sumpfpfüße, die von den national­liberalen Fröschen bewohnt ist.

Parlamentarische Kämpfe und Konflikte sind vorläufig nicht in Sicht die Kolonial- und die Militärvorlage der Regierung werden anstandslos mit allen Stimmen gegen die der Sozialdemo­traten und einiger Fortschrittler bewilligt werden, desgleichen die Se= werbegerichts- Novelle; und was das Arbeiterschut= gesetz angeht, so scheint die Regierung sich verschiedene Bestimmungen des sozialdemokratischen Entwurfs aneignen wollen. Zu scharfen Auseinandersetzungen wird es hauptsächlich um das Ko ali­tionsrecht tommen, indeß auch hier ist der Regierung die Ma­jorität sicher.

Unter solchen Verhältnissen sind die Auflösungsgerüchte, die von den geschlagenen Sartellbrüdern in Umlauf gejezt worden sind, natürlich verstummt.

Die Sozialdemokratie wird aber alle Hände voll zu thun haben mit der nothwendig gewordenen Reorganisation der Partet.

- Die Interpellation des Sozialisten Ferroul in der fran­ zösischen   Kammer über die feindseligen Maßnahmen und Erlasse des Herrn Constans gegen die Demonstrationen des ersten Mai hat dem Letteren ein Vertrauensvotum, nicht nur von Seiten seiner opportunistischen Gesinnungsgenossen, sondern auch von Seiten der großen Mehrheit der Monarchist en eingebracht. Nicht weniger als 86 Erzreattionäre stellten Herrn Constans   das Zeugniß aus, daß er diesmal seine Sache gut gemacht habe. Die Frankfurter Zeitung  " ist darüber hoch erfreut, und sie kann sich nicht geringschäßig genug über die Herren Clemanceau, Pelletan und Genossen äußern, die diesen Anlaß nicht grade geeignet zu einem Vertrauensvotum er­achteten. Zum ersten Mal", jubelt fie, haben 86 Mitglieder der Rechten ausdrücklich einer republikanischen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen, ja der Vertrauensantrag ging sogar von dieser Seite aus; in jenen 86 Deputirten hat man also fortan die konstitutionelle Nechte zu sehen. Der Nest der Rechten theilte sich; die Einen stimmten gegen die Regierung, die Andern enthielten sich der Abstimmung. Die Stechte, wie sie bisher bestand, ist also todt. Nicht minder bezeichnend

ist das Schicksal des Radikalismus; die Herren Clemencean, Belletan und Genossen befanden sich jedesmal in einer geringen Minorität in der Gesellschaft der Boulangisten und der reaktionären Intransigenten, und sie brachten die gesammte unversöhnliche Opposition bei dem ent­scheidenden Votum nur auf 56 Mann. Es ist entschieden eine Re­gierungsmajorität in der Bildung begriffen, das deutet die Sißung vom Samstag an, und die Blätter sind im Nechte, wenn sie die Ergebnisse der Sizung als sehr bemerkenswerthe besprechen."

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Nun, uns will scheinen, eine Regierungsmehrheit, in der die bisherigen Todfeinde der Republik   und, wie Figura zeigt, erbitterten Gegner der Arbeiterinteressen so erbittert, daß sie darüber ihren Haß gegen die Republik   vergessen eine maßgebende Rolle spielen, eine solche Regierungsmehrheit sei ein sehr zweifelhafter Segen und müsse jeden, dem die Sache der Freiheit und des sozialen Fortschritts am Herzen liegt, zur äußersten Vorsicht mahnen. Wir erinnern uns, wie verderb= lich sich diesseits des Rheins das Bündniß mit, aus Zweckmäßigkeits­gründen liberalisirenden Junkern für den deutschen   Liberalismus und die ganze neuere Gesezgebung erwiesen hat. Niemand hat den Natio= nalliberalismus schärfer darob angegriffen als die Frankfurter Zeitung  ", und die Herren Sonnemann, Stern und Genossen hielten es. für keine Schande, mit Welfen, Polen  , Ultramontanen und reaktionären Intransigenten jedesmal in der Minorität zu sein." Nach unserer Ansicht ist es ein gutes Zeichen für Herrn Clemenceau und seine Freunde, daß fie am 10. Mai in der Minorität waren.

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Einige fog. freireligiöse Organe hatten sich, wie wir aus der New- Yorker Boltszeitung" ersehen, sehr mißfällig barüber geäußert, daß in den jüngst veröffentlichten biographischen Notizen über die Abgeordneten der deutschen   Sozialdemokratie einzelne noch als An­gehörige beſtimmter Religionsgemeinden aufgeführt werden. Ihnen antwortet unser New- Yorker Kollege:

" Der Zelotismus; den wir bei den Pfaffen aller Religionen fin­den, ist bei den freireligiösen Pfaffen nicht ausgestorben, und die jesuitische Marime: Verläumde kühn, es bleibt doch etwas hängen, hat auch bei denen ihre Vertreter, die jeden Augenblick Toleranz", ,, wahre Menschlichkeit" und ähnliche Phrasen aus der Rüstkammer des " Kulturkampfes" hervorholen. Deutet doch einer dieser Vertreter der wahren Menschlichkeit" verstohlen an, daß das Nichtablegen der Neli­gion seitens der sozialdemokratischen Abgeordneten nur Wahlmanöver sei. Als ob man etwas ablegen kann, was man nicht hat!

"

Der Verbreiter dieser verleumderischen Verdächtigung beweist mit seiner Auslaffung höchstens, daß er noch mit beiden Beinen in religiösen Anschauungen steckt und daß er den Schein über das Wesen stellt. Weiter beweiſt er, baß er von der deutschen   sozialiſtiſchen   Bewegung

und

und beren Wirkung auf die Denkweiſe des Volks keine Ahnung hat, Menschen gehört, für die nur die eine Frage existirt: gibt's einen Gott oder gibt's feinen. Die Agitation der Sozialdemo= fratie auf politischem und ökonomischem Gebiete hat mehr Menschen von religiösen Anschauungen befreit, als alle Agitationen der Frei­religiösen, Nadikalen und ihrer Nachbeter zusammengenemmen. Und damit basta!)

Aus der rheinisch- westphälischen Vergarbeiterbewegung. Am 11. Mai fand, wie man der Frankfurter Zeitung  " schreibt, in Boch um eine Délegirten- Versammlung des rheinisch­westphälischen Bergarbeiter Verbandes statt( nicht zu verwechseln mit der noch bevorstehenden allgemeinen Zechendelegirten­Versammlung). Es waren 134 Zahlstellen vertreten. Beschlossen wurde, für den Druck des rheinisch- westphälischen Berg arbeiterorgans die Offerte der Frau Jeup- Barmen anzunehmen( 4420 Mart für 20,000 Auflage oder 221 Mart für 1000 Eremplare viertelfährlich). Von den eingegangenen sechs Offerten war dies die billigste. Die theuerste ging von Bazes- Barop aus mit 11,080 Mart für 20,000 Auflage viertel­jährlich, einmal in der Woche. Der Antrag, das Blatt öfter erscheinen zu lassen, wurde abgelehnt; dagegen beschloß die Versammlung die Herausgabe des Organs auch in polnischer Sprache für die zahl= reichen polnischen Berglente in Rheinland  - Westphalen; die Annahme eines veränderten Verbandsstatuts wurde auf den Bergmanns­tag in Halle a. S. verschoben. Beschlossen wurde endlich in der von 11 Uhr Vormittags bis 6 Uhr Abends dauernden Versammlung eine Unterſtügungstasse für gemaßregelte Bergleute zu gründen. Eine bezügliche Resolution wurde abgefaßt und die Spize" ( Schröder- Dortmund und Hünnighaus- Gelsenkirchen  ) bekam Auftrag, diese Streit- Unterstützungskasse sofort überall zu organisiren."

Die amerikanische   Arbeitsfederation( Gewerkschaftsverband' hat zweifelsohne einen sehr klugen Schachzug gethan, daß sie in ihrem von Neuem aufgenommenen Stampf um den achtstündigen Arbeitstag eine Branche den Feldzug eröffnen ließ, in der nicht nur die Lage des Arbeitsmarktes im Allgemeinen zur Zeit eine sehr günstige ist, sondern die auch über eine tüchtige fampffähige Organi­fation verfügt: die von McGuire trefflich geleitete Brüderschaft der Zimmerleute. Die Siege dieser können nur ermuthigend auf die übri­gen, nach ihnen in den Kampf tretenden Organisationen wirken, sie ebenfalls mit Siegeszuversicht erfüllen; und wenn dieses Gefühl an sich auch noch nicht den Stampf entscheidet, fo

so mehr Selbstvertrauen der Sieg um so wahrscheinlicher ist, ist es doch unläugbar, daß die Arbeiter die Aktion aufnehmen. Insofern fann man also dem Fort­gang des Kampfes erwartungsvoll entgegensehen.

Aber man soll die Erwartungen auch nicht übertreiben. Wir haben fchon in einer früheren Nummer ausgeführt, daß wir den Gedanken, den Achtſtundentag für die Gesammtarbeiterschaft durch die bloße Macht der Koalition zu erfämpfen, nicht nur für diesseits des atlantischen Ozeans, sondern auch in Bezug auf Amerika   für eine Utopie für undurchführbar halten.

Das Phil. Tageblatt" fnüpft in einer seiner letzten Nummern an die betreffende Notiz( in Nr. 17 uns. Blattes) an und begleitet sie mit folgender, zur Beurtheilung der amerikanischen   Verhältnisse höchst lehr­reicher Auseinandersetzung:

Die vorstehenden Ausführungen des S.-D."

"

decken sich mit

dem Standpunkt, den das Tageblatt" stets eingehalten hat. Wir sind für den gefeßlich beschränkten Arbeitstag, unterstüßen aber jede Be­wegung der Arbeiter, welche eine Verkürzung der Arbeit zum Ziele hat. Wir verkennen auch die besonderen formalen Schwierigkeiten nicht, welche die Einführung des gesetzlichen Arbeitstags hat. Dem Kongreß d. h. der Bundesversammlung in Washington   steht die Befugniß zum Erlaß eines solchen Gesezes, nach heutiger Auffassung wenigstens, nicht zu; in den Staaten müßten Verfassungs- Aenderungen durchgefeßt werden, und es ist dann noch fraglich, ob das Oberbundesgericht sie gelten ließe.

Allein, troß alledem, der gefegliche Marimal- Arbeitstag muß auch hier erkämpft werden. Der Plan der Federation of Labor, ein Gewerbe noch dem andern für die Aktion heranzuziehen, ist ein ganz guter. Bei den Baugewerfen wird die Durchführung wahrscheinlich feine großen Schwierigkeiten machen; vielleicht auch nicht bei den Kohlengräbern. Aber wenn es einmal an die eigentlichen Fabrikations­zweige kommt, zum Beispiel in der Textilindustrie, dann wird die Auf­gabe eine ungemein schwierige werden. Und wir sind der Ansicht, daß ein Gesez, das direkt oder indirekt die Arbeitszeit beschränkt, mit weit geringerem Kraftaufwand herbeizuführen und durch dasselbe das einmal gewonnene Resultat viel sicherer festzuhalten ist, als durch Arbeiter­Koalitionen. So hat bekanntlich die gefeßliche Beschränkung der Frauen­und Kinderarbeit auf ein gewisses Maß in den Industrien, in welchen neben ihnen Männer beschäftigt find, auch die Verkürzung der Arbeits­zeit für diese zur Folge gehabt.

Angenommen nun, daß der Kongreß kein allgemeines Achtstundengesetz erlassen kann, so vermag er doch, ohne daß eine Verfassungs- Aenderung nöthig ist, die Beschränkung der Arbeitszeit in solchem Umfange vor­schreiben, daß sie geradezu Regel im Lande wird, welche die Aus­nahmen durch die Wucht der Thatsachen schon beseitigen wird. Es ist an dieser Stelle ausgeführt worden, daß dies geschehen kann, indem der Kongreß von seinem unzweifelhaften Besteuerungsrechte Gebrauch macht und vermittelst desselben die Korporationen( Aktien- Gesellschaften) gerade so unter seine Kontrolle bringt, wie er es mit den Zettelbanken gethan. Dann mag er die Regulirung der Arbeiterverhältnisse in einem noch biel größerem Umfange vorschreiben, als bloß durch Beschränkung der Werfzeit. Es scheint uns überhaupt, als ob in dieser Richtung eher als in derjenigen der Verstaatlichung der Industrien sich die fünftige amerikanische   Sozialpolitik bewegen werde und der Professor Beemis