Nr. iS.Donnerstag, 22. Jänner 1931.vene o.SDmfiftatiftit.Di« amerikanische Kulturschande wachst.Dieser Tage hat sich, wie berichtet, ein neuerFall von Lynchjustiz in der Stadt St. Louis(Missouri) ereignet. Cm junger Neger wurde,den Kopf noch unten, mit Ketten an das Dacheines Schulhauses gehängt, das Haus mit Petroleum übergossen und angezündet.— In diesemZusammenhang ist die Tatsache bemerkenswert,daß, wie die amerikanische Bereinigung zur Förderung der Farbigen mitteilt, die Zahl derLynchfälle imletzten Jahrge stiegenist: 1829 waren es 12 Fälle, 1930 aber 25. Bonden Opfern waren 24 Nager und ein Weitzer,Unter den Ursache» der grausamen Hinrichtungen zählt dir Statistik auf:Daß ein Neger das von ihm gelenkte Auto-mobil trotz Aufforderung nicht anhielt.Aktive politisch« Betätigung eines Negers.Zeugenaussage eines Negers gegen einenWeitzen vor Gericht.Streit mit einem Weitzen.Rur m drei Fällen war der Anlatz der früherf# beliebte angebliche Ueberfall auf eine weitzeFrau. Uebvigens hat«ine Reihe bekannter Frauender amerikanischen Südstoaten in«in« Erklärungdagegen protestiert, datz„der Schutz der weihenWeiblichkeit in di« Hände de- Mobs gÄegt werde".Verhaftung einer ganzen zigeunerbandeweg«» eines Raubübersalles.Aus UShorod wird berichtet: Bekanntlichwurde» gegen Ende des Monates September 1930bei einem Raubüberfall in Rusks Komärove«,Bezirk Mhorod, dem amerikanischen StaatsbürgerBasil Dzamek Schecks einer amerikanischen Bankim Werte von einigen tausend Dollars gestohlen.Durch die angestrengten Nachforschungen der Gen-darmeri« wurde festgestellt, datz dies« Schecks verschiedenen Geldinstituten in Balea lui Mihail sowie inIatu Mar« in Rumäni«» durch«inen ungarischen Grobgrundbesitzer zur Auszahlungvorgelegt wurden. Das Ergebnis der Nachforschungenwar di« Verhaftung einer ganzen Zigeunerband«,di« deS Nachts di« tschechoslowakisch-ungarisch«Grenze überschritten, den Raub durchgeführt hatteurtd auf demselben Wege wiederum nach Ungarnzurückgekehrt war. Di« Schecks verkaust« di« Zi-geunerband« einem Gutsbesitzer und Advokatenaui der Umgebung von Nyreghhsza, der den Versuchmacht«, sie sukzessiv« in Rumänien einzulösen. Damals wurden etwa 6 Personen und 4 weitere Personen, di« d«S Wiederanlaufes dieser Schecks verdächtig waren, darunter der Direktor einesGeldinstitutes in Satu Mar«, in Haft genom-men. Bei d«r Vernehmung der Berhaft«ten unddurch di« weiteren Nachforschungen wurde bekannt,datz der 29 Jahr« alt« Basil Bondsr. der aufder Einöde Pohoritej bei SereonL als Pferdehirt«angestellt war, die Zigeun«r zu dem Raube verleitethalt«. Bodntr beteiligt« sich persönlich an demRaubüberfall. Mit«iner Hack« bewaffnet, stand ervor d«m Gehöft der Dzamek Wache, damit di« Zi-geuner bei ihrem Raubzug nicht gestört würden.Bodntr, der russischer Staatsbürger ist. kämpft« inder Wrangelarme« gegen di« Bolschewik«». Erwurde nunmehr w«g«n Teilnahm« an dem Raubüberfall in RuSkg Komtrovee verhaftet und demKreisgericht« in ULhorod«ingeliefert.Die fOHbttlMtn Träume derRedakteur; Kandel.Bon Karel Lapek.Redakteur Koubek hatte am Morgen vergessen,was er dies« Rächt geträumt hatte:«S ziemt sichnicht für«inen ernsten Mann, sich mir solchenDummheiten,«inemsolche« Trug, wie«S Träum«sind, abzugeben. Aber er war etwas nachdenklicher als gewöhnlich.Statt abends einen Blick in das Sekretariatfeiner Partei zu werf««, lief er ganz allein durchdie All«« des Stadtparks.„Weiß Gott", spracher zu sich,„die Arbeit in so einem Krähwinkelist ganz vergeblich. Fünfzehn Jahr« schon schreibeich mein« Leitartikel und kein Hahn kräht danach."Er blieb stehen und rief:„Gebt mir die Spaltender großen Prelle und ich will zeigen, wie manschreiben soll! Ander-wo, in Deutschland zumBeispiel, würde man ein« Feder, wie die meine,zu schätzen wissen. Aber hier? Hier muß ichmir von einem Ignoranten sagen lassen:^LassenSie uni mit Genf in Ruhe, lieber Herr Koubek.Wir haben andre Sorgen. Sie sollten lieber diemangelhafte Straßenremiaung, den Schmutz hieran den Pranger stellen."—„Das wäre wasRechtes!" ereiferte sich Herr Koubek.„Ich habemich schon lang« genug mit Ihren Blödheitenabgegeben. Mein Lieber, meine A.iikel könnenJüen Straßenschmutz nicht aus der Welt schaffen.Ich habe eine größer« Sendung, Herr! Ich willdas Volk auftütteln, Herr! Ich will schreiben,daß wir uns am Rande eines Abgrundes befinden— und ähnliche Dinge. Ueber Europa ballen sichschwer« Wolken zusammen! Wir müssen vorbereitet sein!" sprach Herr Koubek zu seinem imaginären Gegner gewendet.„Eine der größten deutschen Zeitungen wollte von mir Artikel über di«Lage Europas. Ich habe das Anerbieten natürlich abgelehnt, aber— ich weiß natürlich, daß ichkeinen Dank dafür ernten werde."„Es ist ja wirklich wahr", brummte Redakteur Koubek vor sich hin,„mit meinem Stil,rneiner kompromißlosen nationalen Gesinnungkönnte ich in andern Landern eine große Roll«spielen. DaS ist nun einmal meine Veranlagung:Sobald ich die Feder zur Hand nehme, muß ichfür di« Heiligsten Güter der Nation und ähnlicheDing« kämpfen. Dat ist angeboren! Ich bin«ben«in Journalist großen Stils. Du lieber Gott,Dße 2HHionraer&ft&aft M Ototen<5ultanä!VERLANGET UEBERAUEin Zahnarzt macht Karriere.— Jud Siitz am Goldenen Horn.— Di« Prinzeninflation.■- Der Kampf nm die Erbschaft.Stambul, Mitte Jänner.(Eig. Bericht.)Auch die Entzauberung der Türkei durch die Modernisierungskampagne des kemalistischen Regimeshat dem Lande doch noch nicht seine ganze Phantr-stik zu nehmen vermocht. Das türkische Volk wirdzwar angehallen, in lateinischen Lettern zu lesen undzu schreiben und selbst alte, würdige Männer, derenHauptarbeit mehrere Menschenalter hindurch sützeSNichtstun im CafShaus gewesen ist, bemühen sichmit einer von nicht geringer Tragik überschattetenKomik, amerikanisches Arbeits- und LebenStempo zumarkieren. Trotzdem ragen die Rudimente der gutenalten Zeit in die neue, und mitunter scheint eS, alsob sie nur ruhen, um wieder lebendig zu werden.Der HofmedikuS des Sultans.Der Spruch des internationalen Schiedsgerichtsin Sachen der Erbschaft deS Sultans Abdul Hamidhat eine geheimnisvolle Type wieder ins Licht derLeffentlichkeit gerückt. Es handelt sich um einenalten, russisch-jüdischen Zahnarzt, Dr. GinSburg,der seinerzeit der Vertraute des Roten Sultans warund jetzt die ganze Gunst Mustafa Kemal Paschasgenießt. Dr. GinSburg kam zu Anfang der achtzigerJahr«, wie viele ander« Abenteurer, nach der Stadtam Goldenen Horn, uw sein Glück zu machen. Erhatte in Rußland und in der Schweiz unter großenSchwierigkeiten seine Studien vollendet und ließ sichnach allerhand Irrfahrten am Bosporus als Zahnarzt nieder. Mann und wie das Auge Abdul Hamids wohlgefällig auf Dr. Samu«l GinSburg fiel,wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Der ge-schickte Fachmann wurde sehr bald der Hofmedikusdes Sultans und sein Ruf stieg in kurzem derart,datz er zu zu einem der wenigen europäischen Sterblichen avanciert«, denen es erlaubt war, das Allerheiligste der Frauengemächer des Mdiz KioSkS zubetreten, um sich der Fürsorge für die blendendweitzen Zähne der neuen legitimen Frauen des Be-Herrschers der Gläubigen und der für die weit mehrgeschätzten der jeweiligen Favoritinnen zu widmen.Phantastischer Reichtum.Damit war die Tätigkeit des Hakims bei weitemnicht erschöpft. DaS kleine Männchen war nicht nurein Künstler seines Facher, sondern er war gleich,zeitig, wie dir jüdischen Leibärzte der weltlichen undder kirchlichen Fürsten des Mittelalters, ein gewandter Hofmann, ein kluger Politiker und ein gewiegt«« Diplomat, der mit dem mißtrauischen Tyrannen umzugeh«» vermochte, wie keiner der sonstigen Günstlinge Abdul Hatnids. Er wuchs sich daher zum AllerweltSfaktotum aus und war zumSchluß außer Hofzahnarzt»och der' Hofastrologe, derVertrauensmann in diffizilen politischen Angelegenheiten und vor allem der Verwalter des diesigen kaiserlichen Privatvermögen-, da- er durch eine geschickte und rücksichtslose. Politik bis zu einer Höhesteigert«, gegen die selbst amerikanische MultisMillionäre als arme Teufel erscheinen. Abdul Ha-mid war allerdings in der glücklichen Lage, in denSchätzen eines über drei Erdteile auSgedehnienRiesenreiches nach Belieben wühlen zu können. Beider patriarchalischen Art und Weise, in der diesermärchenhafte Reichtum verwaltet wurde, ist eS niemals zu einer bilanzmäßig einwandfteien Schätzungdes Hamidischen Vermögens gekommen, und selbstsein genauester Kenner, Dr. GinSburg, vermag sichvon seinem Umfang nur vage Vorstellungen zu machen. Trotzdem dürfte eS mit zweieinhalb BillionenDollar nicht zu niedrig beziffert sein, denn zu ihmgehören der größte Teil der heiß umstrittenen Petroleumvorkommen von Mossul, Zinngruben auf Tha«soS, Oelbaumgärten auf Zypern und Riesendomänenin Thessalien, Syrien und Palästina.Der Traum der Verbannte».Die Beherrschung des Facher ließ Dr. GinSburgalle Wechselfälle überdauern die seit dem Sturze seines Gönners die Türkei hermsuchten. Für die zahlreiche Sippschaft Abdul Hamids war dagegen mitdem Sturze ihres Oberhauptes di« bitter« Zeit desExils angebrochen. Eine Schar von Prinzen, Emirenund Prinzessinnen ergoß sich über die HauptstädteEuropas und ist seit Jahren genötigt, sich wie weiland russische Großfürsten und andere gewöhnlicheSterbliche schlecht und recht durchs Dasein zu schlagen. Abdul Kedim, der Lieblingssohn des Schreckenssultans, verdient 20 Dollar pro Woche als Geigerin einem Budapester Nachteafs, andere haben ihreHarem- in Aleppo und Beirut in Schauobjektr fürsensationslüsterne amerikanische Touristen verwandelt, der größte Teil vegetiert in tiefftem Elendmeistens von der Hände Arbeit getreuer Diener, aberkeiner lebt ohne Hoffnung. Ihr großer Traum blei-ben die zwei Billionen, die vorläufig von den Siegerstaaten, England, Frankreich, Italien und Griechenland geschluckt worden sind, obwohl sie nicht türkisches Staatseigentum, sondern persönlicher Besitz Abdul Hamid- waren.Di« Herd« wird gesammelt!Da Not auch da- Denken von an arbeitsloserDahinvegetieren gewohnten Parasiten in Bewegungzu setzen vermag, kann es nicht wundernehmen, wenneiner der Angehörigen der aus Glanz ins Elendhinabgesunkenen Sultansfamilie auch einmal aufeine ingeniös« Idee kam. Er legte Dr. GinSburgnahe, die materiellen Interessen seines toten Gebieters wieder in die HaM> zu nehmen. Als treuerDiener feines Herrn sagt« er auch nicht nein, obwohl es keine leicht« Aufgabe war, die zerstreuteHerde zu sammel», die ersten- räumlich über alleWelt zerstreut lebt und die überdies trotz ihresElends eher bereit war, vor Hunger zu verrecken,alt einem Vetter oder einer Base auch nur deneines Rechtsanspruches zu gönnen.r Diplomatie des Zahnarztes ist diese- Wun der schließlich doch gelungen. Er schuf sich die Verbindung mit jedem der Erbberechtigten, überzeugtedie von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Dor-gehens, gewann Anwälte von internationalem Ruf,wie den Expräsidenten der französischen Republik,Millerand, und, war wichtiger ist als alles andere,ein Konzern von englischen und amerikanischen Kapitalisten streckt di« ungeheuren, für die Prozetzfiih-rung nötigen Mittel vor.Wo«in Will« ist, ist auch ein Weg zu« Scheck.Di« ersten Früchte dieser zähen Bemühungensind nicht auSgeblieben, und Dr. GinSburg hat einenwichtigen moralischen Erfolg zu verzeichnen. Dirgriechisch« Regierung hat sich bereit erklärt, mit denNachkommen Abdul HamidS auf der Basis eurer Abfindung von 50 Millionen Dollar zu verhandeln.Vom Verhandlungswillen bis. zur Zahlung einesSchecks ist zwar noch immer«in weiter Weg, aberwarum soll ein Zahnarzt, der fest, Jahren im Laby-rinth der hohen Politik und verwickelter Rechtsgesteift« zu Hause ist, nicht imstande sein, Staatenebenso Millionen herauszureißen, wie er es mit denZähnen der Herrschaft getan hat. Die Rechtsansprüche der Schützlinge Dr. Ginsburgs stützen sichauf einen Paragraphen der Friedensvertrages vonLausanne. Er heißt dort, daß das Privateigentumder Staatsangehörigen des ehemaligen ottomanischenReiche- durch sein« politischen Rechtsnachfolger re-spettiert wird. Bon feiten der alliierte» Mächte, dierotz ihrer sonstigen Differenzen in dieser Angelgrn-heit treu zusammenstehen, wird aber geltend gemacht, daß die Nachkommen Abdul HamidS nach derjungtürkischrn Revolution die türkische Staatsbürgerschaft verloren haben. In der ersten Instanz hatdiese Auffassung gesiegt, aber der Kautpf geht weiter. Wahrscheinlich wird dar Ende dieses fettenBillionenprozesses ein magerer Millionenvergleichsein, aber einiger wird für die notleidenden Erbendoch herausschaurn. Sie warten, sie hoffen, und vermutlich werden st« nicht ganz enttäuscht werden.was könnte man aus dieser Begabung machen,wem: ich in«iner Weltstadt lebte! Ich würdegewiß genötigt werden, mich in der aktlven Politik zu betätigen. Ich täte«S ja nicht gern, aberder jubelnden, unübersehbaren Volksmenge zuliebe. Ich wär« ein Führer der Nation— oderetwas Aehnliches. Das Programm ist mir völligklar: die Regierung der Schwächlinge Hinwegfegen, ein Regime nationaler Begeisterung einführen, alle Feinde vernichten— und alles wärein Ordnung. Und dann vielleicht auf demGipfel meines Ruhmes einem heimtückischen Fanatiker zum Opfer fallen. Natürlich mit einemLächeln auf den Lippen: der Kampf ist zu Endegekämpft. Schön gesagt. Aber eS ist auch möglich,daß ich nur verwundet würde."Atemlos blieb Redakteur Koubek stehen.„Ichbin schon wieder zu schnell gegangen", tadelte ersich.„Immer, wenn ich so rasch gehe, bekomm«ich energische Gedanken und kann dann nicht einschlafen. Rur langsam gehen! Ich Gott, dies«kleinen Berhältniffe. Verfluchte Schinderei!"Und Redakteur Koubek ging langsam in di«Stadt zurück.In dieser Nacht träumte er, daß er durch eineseltsame strahlende Straße gehe.„Diese Straßehabe ich doch schon irgendwo gesehen, dachte«r;ach ja, natürlich, im Film„Die Lichter vonParis". Und hier, vor dem typisch pariserischenKaffeehaus sitzt Herr Taussig, hat einen^linderhüt auf und winkt Herrn Koubek zu. Herr Koubeküberlegt, ob er Herrn Taussig sehe« soll, setzt sichaber dann zu ihm, und bestellt bei dem typischenKellner in weißer Schürze:„Garton, einenschwarzen Kaffee."(So pflegt nämlich MonsieurLavicka, Lehrer der französischen Sprache, im Kaffeehaus zu bestellen.)„Nun, Herr Koubek, wasgibt er Neuer in der Zeitung?" flötet HerrTaussig.— In diesem Augenblick rennt«intypischer Pariser Kamelott über den Gehsteig undbrüllt aus voller Kehle:„Uauaa, auauaaa!"—Herr Koubek winkt äußerst mondän mit dem Finger und kauft die noch nach Druckerschwärzeriechende Zeitung„Möft amt", sagt er(genauwie zu Hause Monsieur Lavicka),„lesen Sie diesenLeitartikel, er ist von mir."„Tiänr(Ah!)", meint verwundert Herr Taussigund faltet die Zeitung auseinander.Herr Koubek neigt sich über seine Schulterund liest mit.(Er ist ganz erstaunt, wie gut erFranzösisch kann.) Ha, hier steht eine entrüstet«Ablehnung der schamlosen Provokationen der deutschen Presse. Die Deutschen— so steht«S geschrieben— kennen im heutigen Europa keinen andern Weg als den eigenen, kein« anderen Interessen'als die pangermanischen. Sehet— schreitder Leitartikel—, hier ist ihr wahres Gesicht!Wird uns Herr Briand weiter etwas vom Weltfrieden und Paneuropa erzählen?„C’est fort!"(das ist stark!) sagte HerrTaussig, so wie Monsieur Lavicka zu sagen pflegte,wenn er das Prager Abendblatt las.„Que voalez vous, man amf?"(„Was wollenSie, mein Freund?^, entgegnete Herr Koubekleichthin und las weiter:„die französische Nationwill nicht den Krieg, sondern di« SicherheitFrankreichs. Diese Sicherheit steht auf dem Spiel.Wir stehen am Rande eines Abgrunds! DirFrage des Tages lautet: wer wird Frankreichund di« ganze zivilisierte Welt gegen di« neuenAngriffe oes Barbarismus mühren?— HörenSie die Stimme, welche auf diese fatal« Frageantwortet: ,Mol!"-(„Ich!") Und unter dem Arc!de Triomphe erhebt sich der unbekannte Soldat,der dies sprach."„Bravo!" sagte Herr Taussig gerührt.„Gol-Iden« Wort«, Herr Koubek. Denen hüben Sie«Sgut gegeben!"„Das ist nur meine Pflicht", erwiderte bescheiden Herr Koubek.„Ich habe eine deutsche Zeitung in derTasche", sagte Herr Taussig.„Also, dann lesen Sre, was di« Kerle daraufantworten", brummte Herr Konbek. Und HerrTaussig begann zu lesen.,^ier, meinte er nach einer Weile,»verwahren sie sich energisch gegen die schamlose Provokation der französischen Presse. Und weiterschreiben sie: die Beleidigung bezüglich der Kriegsschuld kann nur mit Blut abgewaschen werden.Wer di« Sicherheit Frankreichs will, will denKrieg.— Du meine Güte", meint« Herr Taussigerschrocken,„kommt wirklich wieder ein Krieg?"„Er kommt", antwortete Herr Koubek.„Undich will Ihnen auswendig sagen, was weiter indem Artikel steht: Hat«in Volk das Recht zuleben, dann hat es auch die Pflicht zu leben, undes muß sich Lebensbedingungen erkämpfen, diecs vor jeder Drohung sichern. Dies« Pflichtnehmen wir mit allen ihren Konsequenzen aufuns. Ter Geist, der in uns erwacht ist, ist derGeist unserer Vater, di« sich nie mit der Schmachdes Friedens und den internationalen Verträgenversöhnt hätten. Wir wissen, daß der Kampfür unsere Nation, die Nation Kants und Goethes,ein Kampf für die Kultur der ganzen Welt ist.„Tas ist stark", sagte Herr Taussia.„Aberwieso wissen Sie den Artikel auswendig, HerrKoubek?"„Weil ich ihn geschrieben habe", sagte Redakteur Koubek und erwacht«.>...*.."......„Verflixte Träume", brummte Herr Koubekund wälzte sich auf die andre Seit«. Herr Taussiaäß noch immer vor dem kleinen KaffeehauStischund las di« Zeitung; hinter ihm aber hob sichvom lichtblauen Himmel der schiefe Turm vonPisa ab, das römische Kollosseum und der rauchende Vesuv.„Ich lese soeben Ihren Artikel", sagte HerrTaussig.„Dieser«in« Absatz hier ist wirklich stark."„Welchen meinen Sie?" fragte Herr Koubekund laS:„Auf die schamlos« Provokation der franzü-rschen Blätter gibt es nur ein« Antwort: Italienläßt sich von niemandem in seinen nationalenBestrebungen hindern. Italien hat die elastischenGlieder des olympischen Siegers und die harteFaust des römischen Eroberers. Aus dem Weg,inkaml Poltronl!(elende Kerle). Weder die hohenGipfel der Alpen, noch di« versklavte Horde, di«uns- im Osten droht, vermögen die italienischeIdee aufzuhalten. Wir Magyaren..."„Wieso Magyaren?" fragte erstaunt HerrTaussig.„Da- ist«in Irrtum, nicht?"„Ach nein", entgegnete Herr Konbek.„DaSist doch ganz gleichgültig." Und er las weiter:„DaS magyarische Volk kann wohl gefesselt werden, aber nie und nimmer wird es dm Kopfbeugen. Der Sieg deS Rechter wird der Siegdes ungarischen Gedanken- sein! Und was ist«Smit der Wilnaer Frage? Di« österreichische Heimwehr wird sich ihr Recht schon erkämpfen! Jawohl, uns geht eS um die Integrität Ungarns,um Zivilisation, Ehre und Rache— und ähnliche-. Noch ist Polen nicht verloren! SchwatzenSie doch nicht vom Frieden. Unser Volk läßtsich das Erstarken unserer Feinde nicht mehr gefallen! Also, sprechen wir vom Korridor, fallsSie es wünschen. Aber di« Herren an den grünenTischen verrate» uns. Patrioten aller Länder;da? ist unser Unglück, verstehen Sie?"„Herr Koubek, Herr Koubek", schrie HerrTaussig.„ist Ihnen nicht wohl?"-„Nein", donnerte Herr Koubek,„das istmeine innerste Ueberzengung!"In diesem Augenblick errvachte RedakteurKoubek entsetzt und in Schweiß gebadet. SeinHerz klopfte wild und im Kopf verspürte er einseltsames Dröhnen. Ich habe Fieber, dacht« er.Ich hätte gestern abend nicht im Park herumlaufen sollen. Mein Gott, wie schlägt denn meinPuls? Achtundacht',igi Aber er könnt« sich nichterinnern, ob das zu viel fei oder zu wenig. Mitdiesen sorgenvollen Gedanken schlief er wiederein. Er träumte, daß er in der werten Gymnasialklasse sei und einen Aufsatz schreiben müsseüber da- Thema: Tas Schicksal Habsburg- ist dasSchicksal Oesterreich-..„Koubek", sagte Professor Hejdo,„jetzt bcw:isen S'e. daß Sie ein guter Stilist sind."Und Wenze-laus Koub-k schreibt sein« Schul,lufgabe.(Deutsch von Anna A u r e d n i c e k,in der„Arbeiter-Zeitung")