Vision von 162/8 PCI Bücher jeglicher Art an Kameradenund sonstige zahlungsfährge Personen zu ver-kaufen. Also nicht nur in den Vereinskreisen, sondernüberhaupt beim zahlungsfähigen Publikum will diese„Buch-Handlung" den übrigen Buchhandlungen dadurch Konkurrenzmachen, daß sie Bücher zu einem Preise verkauft, den_ diedem Börsenverein deutscher Buchhändler angehörigenFirmen satzungsgemäß nicht gewähren dürfen.— Daß sich dieÄriegervereinlcr sonst, wie das alle guten Patrioten thun, als Retterdes Mittelstandes aufspielen, thut nichts zur Sache. Logik ist niemalseine Stärke jeuer Leute gewesen.Dresden, 20. Febr.(Eig. Ber.) An der ungeheuren Ausnützungdes Personals der sächsischen Staats-Eisenbahnen scheint jetzt sogardie offizielle Vertretung der Geistlichkeit Anstoß zu nehmen. Dassächsische Landeskonsistorium hatte an die Generaldirektion der Staats-bahnen den Wunsch gelangen lassen, daß dem Bahnpersonal wenig-stens jeder zweite Sonntag dienstftei gegeben werden solle.Die Herren Geistlichen— die ja jedenfalls den Nebenzweck ver-folgten, die Arbeiter für den Kirchenbesuch zu begeistem— habenaber eben auch keinen anderen Bescheid bekommen, als dieArbeiter selbst, wenn diese ähnliche Wünsche laut werdenließen: nämlich einen direkt ablehnenden. Dabei hatman wieder die Ausrede gemacht, daß der starke Verkehran Sonntagen eine Erfüllung dieses Wunsches auf absehbare Zeitnicht zulasse. Ms ob dem nicht sehr leicht abgeholfen werden könnte,wenn das Personal entsprechend vermehrt und vernünftigere Ein-richtungcn getroffen werden. Doch das kostet Geld und Geld-ausgaben für solche Zwecke läßt das System des möglichst hohenIleberschußherausschindcns nicht zu. Da müssen alle anderen Rück-sichten, selbst solche auf die Kirche, zurücktreten.Nach Stumm'scher Manier hat der Stadtrath zu Dresden füralle Angestellten in städtischen Diensten, die unter 1200 M. Ein-kommen haben, den Heirathszensus eingeführt bezw. das Heirathendieser Beamte» von einer Genehmigung des Rothes abhängiggemacht. Begründet wird diese Maßregel damit, daß Leute mit soniedrigem Einkommen eine Familie nur mit größter Sorge ernährenkönnen, und diese Sorgen auch nachtheilig auf die Arbeitskraft derBetreffenden einwirken. Dieses Zugeständniß, daß eine Familie ineiner Großstadt mit 1200 M. Einkommen nicht ordentlich erhaltenwerden kann, hindert fteilich den Stadtrath nicht, den gewöhnlichenRathsarbeitern, welchen solche Heirathsvorschriften nicht gemachtwerden können, Löhne von 18 M. wöchentlich anzubieten.—Eine Staatsaktion gegen die Sozialdemokratie. AusStraßburg i. E., IS. Februar, wird uns geschrieben:Bei dem geschäftsführenden Ausschuß deS Landeskomitee'sbersozialdemokratischen Partei Elsaß'-fLothringen's,den Genossen B. Böhle, G. Hoffmann und I. M a n st e i nhier, sowie bei dem Kontrolleur der elsaß-Iothringischen Parteileitung,Genoffen L. E m m e I in Saargemünd, fanden gestern Abend auRequisition deS Ersten Staatsanwalts am Landgericht Colmar Haus-suchungen statt. ES handelte sich darum, den Nachweis zu erbringen.daß die in den verschiedenen Parteiorten des Landes bestehendenpolitischen KlubS(von 20 oder weniger Mitgliedern) eine mit demLanbcskomitee zusammenhängende einheitliche Organisation ohnebehördliche Genehmigung bilden. Das Verfahren, das vor 2— 3Monaten in Gebweiler durch eine Strafuntersuchung gegen dendortigen Klub„Vorwärts" eingeleitet wurde, scheint die Behörde bisjetzt nicht beftiedigt zu haben, daher wohl diese plötzliche General-aktion, die nur bei dem Kassierer Hoffmann zu einem Ergebnitz,nämlich zur Beschlagnahme der Kassenbücher und einiger andererPapiere geführt hat. DaS Vorgehen zeigt un verhüllt, daß im Landder Ausnahmegesetze unter allen politischen Parteien die Sozial-demokratie speziell noch eine Ausnahmebehandlung erfährt.Chronik der MajestätSbeleidigungS-Prozesse.Wegen Majestätsbeleidigung wurde von der Straf-kammer zu Schneidemühl der Schmiedegeselle Gluszynskiaus Zirke zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt.—Chronik der Gewaltthätigkciten.kVergleiche zum Dresdener Zuchthaus- Kurs.)Wegen Mißhandlung eines zu Unrecht verhafteten Schrift-setzers hatte sich vor der Essener Strafkammer, wie uns von dortberichtet wird, der Schutzmann H. Lanvpe, früher in Essen,jetzt in Bremen, zu verantworten. ES wurde festgestellt, daß derBürgerschützer den Schriftsetzer auf dem Wege zur Wache ohneRußland und Oesterreich, die industriell am wenigsten entwickeltenStaaten, würden natürlich von einem Mangel an Lebensmitteln amwenigsten zu befürchten haben, aber Bloch weist mit Recht daraufhin, daß der russische und galizische Bauer auch in Friedenszeitenoft Hunger leidet, daß die Bevölkenmg dieser Länder, da sie nochviel ärmer als diejenige der Weststaaten ist, das Elend des Kriegesebenso schwer fühlen würde.Er fragt nun: Werden die Völker Europa's ein solches Elendohne Murren ertragen? Er zweifelt daran. Wir auch.Dann berechnet Bloch die täglichen Ausgaben eines Krieges,bei den heutigen Heeresmassen, wobei er als Maßstab nur dieAusgaben in den letzten europäischen Kriegen benutzt, und es er-giebt sich für die Mächte des Dreibundes und des Zwei-bundeS die nette Summe von 104 890 000 Franken täglich, wo-von auf Deutschland 2S 600 000 Franken entfallen. Woher nehmenund nicht stehlen? lautet die Frage. Herr Bloch meint, man wirdeben stehlen, man wird Assignaten herausgeben, die nach dem KriegeMakulatur sind, weil alle Staaten ruinirt aus dem Kriege hervor-gehen.Aber nicht nur der Krie� niinirt die Staaten, auch der„be-waffnete Friede" besorgt es gründlich. Die Leser des„Vorwärts"dürften über die Lasten des Militarisimis zur Genüge oricntirtsein und wir können uns an dieser Stelle weitere Ausführungensparen. Doch wollen wir den Passus zitiren, mit welchem dasKapitel schließt: Wenn— heißt es— die Uebermäßigkeit der Be-lastung und ihre Unproduktivität zum Bewußtsein der Massenkommt, welche nicht leidenschaftslos zu denken verstehen und dieMängel der sozialen Ordnung nicht begreifen können, ohne sie sofortdem bösen Willen irgend jemandes zuzuschreiben, kann dann diese?Bewußtsein nicht jene Stimmung erzeugen, welche Heine in seinemWeberliede ausdrückt:„Das Schiffchen schlvirrt, der Webstuhl krachtWir weben bei Tage, ivir weben bei Nacht.Alldeutschland, wir weben dein Leichentuch,Wir weben hinein den dreifachen Fluch."Die Tirade von den„urtheilslosen Massen" macht sich nichtübel, aber es giebt doch auch denkende Menschen, welche die Schuldsofort irgend'jemandem zuschreiben, z. B.:„Bei der furchtbarenGefahr, welche beide kämpfenden Flotten mit Vernichtungbedroht... muß man sich die Frage vorlegen: Istes ein blinder Konservatismus, oder eine andere Artdes Wahnsinns, welches die maßgebenden Faktoren zurAusgabe immer neuer und neuer Milliarden veranlaßt, welche manganz anders benützen könnte, indem man sie dazu anwendet, dieernsten Gefahren zu bannen, welche diesen Faktoren selbst und derganzen sozialen Ordnung drohen." So zu lesen im Buche seinerExzellenz des Herrn Staatsraths v. Bloch, Band III Seite 340.Also wären wir ja wieder einig! Es ist irgend eine Art„Wahnsinn der maßgebenden Faktoren", welcher zu immer weiterenmaritimen und militärischen Ausgaben veranlaßt, diese„maßgebendenFaktoren" sind aber nichts anders als ein Werkzeug der herrschendenBourgeoisie und seine Exzellenz hat ganz recht z die Bourgeoisievergrößert durch diesen Wahnsinn nur die Gefahr, in der sie schwebt,der Gefähr, sammt den maßgebenden Faktoren hübsch sachte beiSeite geschoben zu werden.den geringsten Anlaß dermaßen wiederholt in? Geficht ge-schlagen, daß Blut aus Nase und Mund floß. Das Gericht warder'Ansicht, daß L. wegen seines festeren Zufassens bei der Ver-Haftung nicht straffällig sei, weil er sich im Jrrthum befand, obereshätte kein Grund zu der Mißhandlung auf dem Wege zur Wachevorgelegen. Wegen seiner Unbescholtenheit und der begreiflichen(?)Erregung bei der Affäre hätte man die Frage auf mildere Umständebejaht. Das Urtheil lautete auf 73 Mark Geldstrafe.Die„Vossische Zeitung" hat zwar kein armselig Wörtleinder Kritik für das Dresdener Zuchthausurtheil ge-funden, dafür hat sie sich aber— nach Tantenart— über eine hoch-wichtige Toilettenfrage aufgeregt. Man macht uns darauf auf-merksam, sie habe es seltsam gefunden, daß der Rechtsanwalt Heine dieUnterschiebung des„Dresdener Journals" nicht gleich gemerkt habe, dasdie Anklageschrift statt der Urthcilsbegründung veröffentlicht habe,und daß es erst des sozialdemokratischen Organsder sächsischen Haupt st adt bedurfte, die offiziösenUnrichtigkeiten ins Licht der Wahrheit zu rücken.Nun, der„Vorwärts" hat sofort bei der telegraphisch über-mitteilen Wiedergabe des„Thatbestandes" von einem offenbar unter„Benutzung der Anklageschrift und der Urtheilsbegründung"veröffentlichten offiziösen Artikel gesprochen und von Anfangan nichl den Glauben gehabt, daß es sich um die Mittheilungdes Urtheils handle. Der Verdienst der„Sächsischen Arbeiterztg."bestand darin, daß sie durch den Hinweis auf die einleitenden Sätzedes Artikels nachwies, daß eine Irreführung der öffentlichenMeinung beabsichtigt war. Außerdem hatte sie unsereMuthmaßung durch den Vergleich mit der Anklageschrift b.e-(tätigt. Herr Heine hatte also keinen Anlaß, den„Vorwärts" zukorrigiren.—Ausland.Oesterreich-Ungarn.In Ungarn ist der Ministerwechsel, der seit Monaten täglicherwartet wurde, nun endlich erfolgt. Das Kabinet B a n f f h izusammengebrochen. Der Kaiser designirte Coloman Szellzum Ministerpräsidenten und betraute denselben mit der Kabinets-bildung. Szell nahm die Mission an und wird sich Dienstag frühnach Budapest begeben, um die vorerst sistirten Kompromißvcrhand-lungen mit der Opposition wieder aufzunehmen.Der neue Ministerpräsident ist 56 Jahre alt, er war von 1875bis 1879 Finanzminister. Bisher bekleidete er den Posten einesPräsidenten der Ungarischen Kreditbank in Pest.Unsere österreichischen Parteigenossen begleiten den Zusammen-bruch des Kabinets Banffy in der„Wiener Arbeiterztg." mit folgendenWorten:„Mit dem Rücktritt Banffy'S ist das einzige Hinderniß desKompromisses zwischen Mehrheit und Opposition, der einzige Grundfür die Fortdauer eines Konflikts beseitigt, der wichtige sachlicheBeweggründe garnicht hat. Aber das Nothwendige und Unausbleib-liehe kommt, wie das so in Oesterreich und Ungarn unumstößlicheRegel zu sein scheint, zu spät; was vor drei Monaten eine glatteEriedigiing der parlamentarischen Schwierigkeiten bewirkt hätte, wirktheute als Versäumniß, das die verderblichsten Folgen für die politischeEntwicklung Ungarns hervorgerufen hat. Das Vergnügen, einenpolitisch todten Mann, einen Ministerpräsidenten, der im Parlamentnicht mehr das Wort zu ergreifen wagen durfte, 2 Monate längerim Amt zu behalten, hat Ungarn gekostet: den Bruch der Ver-fassung, eine zweimonatliche Herrschaft des anßergesetzlichenZustande?, die vollständige Zerrüttung der parlamentarischenZustände und eine tiefe Erschütterung der gesetzlichen Grundlagendes künstlich und lose zusammengefügten Staatswesens. Das istwahrlich eine theure Kostenrechnung. Und vergeblich fragt man sich,wofür diese Opfer gebracht wurden.... Wer sich aber die Geschichtedes Sturzes Badeni's ins Gcdächtniß zurückruft, der wird erkennen,daß hierzulande die Staatswcisheit aus begangenen Fehlern ebennur zu lernen weiß, wie sie die zukünftigen Fehler zu begehenhabe."—Frankreich.Nachwchen der Präsidcuteuwahl. Wie am Sonnabend, sogab es auch am Sonnrag Abend einige Spektakelauffllhrungen dernationalistischen Radaumacher in den Straßen. Auf den Boulevardskam es zum Handgemenge zwischen Parteigängern und GegnernLoubet's. Mehrere Frauen wurden niedergetreten. Allmälig gelanges der Polizei indessen, durch energisches Eingreifen hier dieRuhe wieder herzustellen. An anderen Stellen kam es dagegenwiederum zu lärmenden Szene», so wurden vor der„LibreParole" gegen Loubet feindselige Rnfe ausgestoßen, währendvor dem„Journal" Freunde Zola's diesem eine Ovation darbrachten.Gegen 11 Uhr mußte vor den Bureaus der Rothschild'fchen Bank inder Rue Lafitte eine Ansammlung von der Polizei zerstreut werden,da die Manifestanten die Fensterscheiben im Erdgeschoß der Bankzertrümmerten.Barth ou hat den Vorsitz der Gruppe der progressistischenRepublikaner niedergelegt und dies in einem Schreiben an-igt, in welchem es heißt, er habe seine Entlassung genommenIge von Meinungsverschiedenheiten mit seinen Kollegen und um'ich bei der schweren Krisis der Republik Urtheils- und Altionsfreihcitzu bewahren.Dem„Figaro" zufolge äußerte Präsident Loubet bezüg-lich der feindseligen Kundgebungen gegen seine Person zu einerhervorragenden Persönlichkeil:„Ja, das Alle? gleicht einer Heraus-'ordennig, ich nehme sie an. Ich habe keineswegs gewünscht, unterden gegenwärtigen Umständen Präsident der Republik zu sein. Die'ür mich gestimmt haben, können auf mich rechnen. Sie habenmanchmal von meiner Güte gesprochen, ich werde sie durch meineWiderstandskraft in Erstaunen setzen." Ferner äußerte Loubet zahl-reichen Besuchern gegenüber, niemand habe das Recht, ihn einenDreysilsisten oder Aniidreyfusistcn zu nennen, er sei mit der Mehrheitdes Volkes für die auf Gerechtigkeit beruhende Wahrheit.Paris, 20. Februar. Deputirtenkainmer. MinisterD u p u y bringt für das Begräbniß des Präsidenten Favre aufStaatskosten eine Kreditvorlage von 160 000 Fr. ein. Die Dringlick-keit und sofortige Berathung werden von der Kammer votirt. Dö-[eante(Soz.) verlangt, daß beim Begräbniß die Geistlichkeit völligausgeschlossen werde. Der Präsident Deschanel unterbricht denRedner mehrere Male und ersucht ihn, auf die trauernde FamilieRücksicht zu nehmen. Der Unterantrag Dejeante wurde schließlichmit 444 gegen 63 Stimmen abgelehnt und die Kreditvorlage mit463 gegen 42 Stinimen angenommen.—Spauien.DaS Nationalkomitce der spanischen„SozialistischenArbeiterpartei" hat folgenden von Pablo Jglesias und AntonioGarcia Quejido unterzeichneten Aufruf erlassen:„Da die konstitutionellen Garantien wieder hergestellt sind undwir darauf rechnen, daß der Kriegszustand, der in einigen Landes-thcilcn bereits aufgehoben ist, nun bald im ganzen Lande aufgehört habenwird, so hat das Komitee in Erfüllung des fast einmüthigen Verlangensder spaiiischen Sozialisten beschlossen, daß im Mai in Madrid derfünfte Kongreß der sozialistischen Arbeiterpartei stattfinden wird.Den �ag. an welchem er zusammentreten soll, werden wir ge-legentlich näher bekannt geben.Zum Zwecke der Festsetzung der Tagesordnung richten wir analle Vereinigungen, welche Vorschläge zu machen wünschen, das Er-suchen, uns diese im Lanfe des Monats März einzusenden."—Madrid, 19. Februar. Der Ministerrath nahm den Entwurfbetreffend die Abtretung der Philippinen an.— DieDebatte über alle den Friedensschluß berührenden Vorlagen wirdzuerst im Senat stattfinden.—Griechenland.Wahlen in Griechenland. Die Wahlen zur Deputtrtenkammerhaben am Sonntag ohne Zwischenfall stattgefunden. In RegierungS-kreisen wird versichert, daß die Regierungskandidaten gute Erfolgegehabt haben. Die Delyannisten haben eine Niederlage erlitten undwerden in der neuen Kammer wahrscheinlich nicht mehr als 90 Sitzeerhalten. Delyannis wurde in Gortyna als einziger der dortaufgestellten delyannistischcn Kandidaten gewählt. In Athen, woDragumis und drei andere Trikupisten sowie Zaimis, Negris undvoraussichtlich auch Ralli gewählt sind, fiel die ganze delyannistischeListe mit Smolenski durch.—Rußland.Die Sekte der Dnchoborzen, welche wegen ihres Glaubensseftens der Pobedonoszew'schen Organe fanatisch verfolgt und chika-nirt worden ist, betreibt mit ungebeugter Energie die Auswanderungnach Kanada. Sechs Dörfer sind bereits leer und zwei weiteredürften in kürzester Zeit ebenfalls vollständig verlassen werden. ArgeKopfschmerzen bereitet der russischen Regierung die Frage, wie dieseleerstehenden Ortschaften am schnellsten wieder von russischenBauern besiedelt werden könnten. Denn es besteht die Ge-fahr, daß Armenier und Griechen sich an diesem fruchtbarenLandstrich festsetzen werden, was angesichts der Nähe dertürkischen Grenze den russischen leitenden Kreisen durchaus nichtwünschenswerth erscheint. Nun ist die Frage nicht so leicht zu lösen.denn die in der nächstqelegenen Stadt Kars wohnhaften Güter-schlächter haben die günstige Konjunktur benutzt und das lebende undtobte Inventar zu billigen Preisen angekauft. Sie würden esselbstverständlich, da die Nachfrage groß ist, nur zu theuren Preisenverkaufen. Angesichts der Schwierigkeit dieser Lage wird in denbenachbarten Gouvernements die Besiedelung jener Ortschaften durchrussische Bauern lebhaft erörtert, ohne daß man aber bisher sich zueinem feste» Plan entschlossen hat.—Asien.Russen und Chinesen haben im Reiche der Mitte einenblutigen Zusammenstoß gehabt. Wie aus Peking gemeldet wird,fand bei Talienwan zwischen Russen und Chinesen ein Gefecht statt,wobei 100 Chinesen getödtet worden sein sollen. Man glaubt, daß derZusammenstoß auf die Steuerfrage zurückzuführen sei. Sollte es sichetwa um eine neue„Pachtung" handeln?—Die Amerikaner scheinen trotz der großen Siege, die sie überdie Filipinos errungen haben, doch noch weit davon entfernt zu sein,das Jnselgebiet in der Gewalt zu haben. Ehe dieses erreicht wird,dürfte es' noch viel Opfer an Menschenleben kosten. Am Freitaghaben, wie General Otis der Regierung in Washington mit-theilt, neuerdings Scharmützel an der Pumpstation stattgefunden, beidenen acht Amerikaner, einschließlich 2 Offiziere, verwundet wordensind. In Regierungskreiscn nimmt man auf Grund der Berichteüber solche Zusammenstöße an, daß Otis sich gezwungen sieht,energisch zur Offensive überzugehen, damit die Truppen eine Stellunggewinnen, welche sie während der Regenzeit behaupten können.Die Tagalen denken nicht daran', sich den Amerikanern zuergeben. Der �Präsident Aguinaldo erließ eine Proklamation,in welcher er die Amerikaner beschuldigt, die Filipinos in ver-rätherischer Weise angegriffen, ihre Ortschaften ohne Grund bom-,bardirt, ftiedliche Bürger gesangen gesetzt und es auf Ausrottungder philippinischen Rasse abgesehen zu haben. Dieselbe werde aberden Kampf bis aufs Messer fortsetzen und sich bei denGroßmächten beschweren.—Beamtenbesoldungen in Preußen.Die Denkschrift betr. Diensteinkommens-Verbesserungen für Unter-beamte und einzelne Kategorien von mittleren Beamten, die imAbgeordnetenhause zur Berathung steht, soll, wie der Finanzministerin leiner Etatsrede ausführte, den Abschluß der 1390 begonnenenGehaltsaufbesserungen bilden; die Beamten sollen alle Hoffnungenauf weitere Gehaltsaufbesserung fahren lassen und sich klar machen,„daß nun auf absehbare Zeit alles Drängen, alles Arbeitenin der Presse, hoffentlich auch das Massenpetitioniren an den Land-tag, vorüber sei und keinen Erfolg mehr haben könne." Die„viel-fach höchst bedenklichen Organe" der Vereine der Unterbeamten, diemitunter„geradezu geeignet erscheinen, die Disziplin zu unter-graben", werden nach Ansicht des Herrn v. Miquel nunmehr davonüberzeugt sein, daß für die Unterbcamten in Preußen weit mehrgeschieht, als für höhere Beamte.Vergleichen wir mit diesen hochtönenden Regierungsphrasen dienackte Wahrheit und sehen wir zu, ob die Lage der Uitterbeamtcndes preußischen Staates wirklich eine so bcneidenswerthe ist!Die Aufbesserung der Beamtengehälter nahm im Jahre 1890ihren Anfang. Es wurden damals' für Unterbeamte und einzelneKategorien von mittleren Beamten 12' /s Millionen bereit gestellt;hierzu kamen in der folgenden Session 400 000 M. zur Auf--besscrung der Gehälter der Kanzleibeamten. Im Jahre 1897/98beivilligte der Landtag sodann 20'/2 Millionen für Gehaltserhöhungen für mittlere und höhere Beamte. Die Unterbeamtcngingen leer aus, obwohl die Regierung selbst zugeben mußte, daßeinzelne Kategorien von Unterbeamten einen Anspruch auf weitereBerücksichtigwig haben. Im Allgemeinen aber seien, wie Miquel inder Budgetkommission sich äußerte, die Gehälter der Unterbeamtenfür absehbare Zeit als ausreichend zu erachten, da es sich hier umPersonen handle, welche nur mechanische Dienstleistungen zu ver-richten hätten, wozu sie keiner Vorbildung bedürften.Ganz abgesehen von der in diesen Worten zum Ausdruckkommenden geringen Bewerthung der Dienste der Unterbeamten,trifft es auch sachlich nicht zu, daß die Gehälter für absehbare Zeitals ausreichend zu erachten sind. Der klassischste Zeuge dafür istder Finanzminister selbst, denn wer die Miquellsche Knauserig-keit kennt, der weiß, daß er nicht aus eigenem Triebesich zur Einbringung der Besoldungsvorlage entschlossen hat,sondern weil die Verhältnisse ihn dazu drängten. Diezahlreichen Petitionen von Unterbeamten, mit denen das Abgeordneten-Haus seit Jahren förmlich überschwemmt wird, sind keine künstlicheMache, sie sind der Nothschrei einer Beamtenklasse, die ihre wirth-schaftlich unhaltbare Lage um so schwerer empfinden, als sie politischso gut wie machtlos sind, da ihnen die hauptsächlichste Möglichkeitzur Verbesserung ihrer Lage, die Möglichkeit, sich mit ihren unter-drückten Genossen zu koaliren, genommen ist.Und noch ein anderes Moment kommt hinzu, das die Regierungjur Einbringung der Vorlage veranlaßt hat, nämlich politischeErwägungen. Schon lange fühlt die Regierung, daß es mitdem Kadavergehorsam der Beamten zu Ende geht. Die Erkenntniß,daß von oben herab ihre Lage nicht wesentlich aufgebessert werdenkann, bricht sich immer mehr und mehr Bahn in den Reihen derUnterbeamten. Bei den Wahlen zeigen sie sich nicht als das Stimm-vieh, das sich auf Befehl ihrer Vorgesetzten an die Urne führen läßtund den ihnen in die Hand gedrückten Zettel blindlings hineinwirft,in Vereinen besprechen sie ihre Lage, in Fachorganen ichlagen sieeinen der Regierung nicht genehmen Ton an, kurz, sie beginnen sichals freie Menschen zu fühlen, die ihrer eigenen Meinung Ausdruckgeben, und das will die Regierung um jeden Preis verhindern. Siewill ein gefügiges Beamtenhccr, das neben der Armee das„Bollwerkgegen den Umsturz" bilden soll. Aus diesem Grunde wird den Unter-beamten jetzt wieder eine Aufbesserung zu theil, nicht gerade viel,aber nach Ansicht der Regiermig doch genug, um die Beamten zu-'rieben zu machen, zumal da Herr von Miquel mit bekannterBeredtsamkeit den Unterbeamten»achweisen wird, daß es ihnen eigent-lich viel zu gut geht. Den Anfang mit dieser Beweisführung hat erja im Plenum und in der Bndgetkommission des Abgeordnetenhausesbereits gemacht.Aber die Thatsachen strafen den Finanzminister Lügen, und sie'prcchen eine beredtere Sprache, als selbst Johannes v. Miquel.Die Gehaltsaufbesserung vollzieht sich theils in Form von Er-höhung der Gehälter, theils in Form von Abkürzungder F r i st e n für die Erreichung des Höchstgehalts, theils durchausgedehntere Gewährung von Stellenzulagen. Von einerErhöhung der Besoldungen derjenigen Beamten, welche schon jetzt einHöchstgehalt von 1800 M. oder darüber beziehen, ist von vornhereinabgesehen worden, da, wie es in der Begründung heißt, ihr Gehaltbei Hinzurechnung des Wohnungsgeldzuschusses ausreichend bemessen