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Dienstag, 28. Juni 1932
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Lar Ledes mied länger? so Jahre und mehr? SPD . Wir lange tvährt ein Menschenleben? Dem bekannten biblischen Spruch zufolge 70 Jahre, und wenn es hoch kommt, achtzig. Aber die Zahlen der wissenschaftlichen Statistiken, die von Gesund- heitsbehörden und Lebensversicherungen ausgestellt wurden, widerlegen vorläufig noch diese Behauptung. Der Lebensdurchschnitt für den europäischen Menschen liegt zur Zeit zwischen 55 und 60 Jahren, und nur wenige, etwa 5 Prozent der Gesämtbevölkerung, erreichen ein Lebensalter von achtzig Jahren und darüber hinaus. Aber die Frage Können wir unser Leben verlängern?", die hier und da in wissenschaft- Tichen Kreisen auftaucht, hat eine gewisse Berechtigung. Es ist zu hoffen, daß eine allmählich« Steigerung der menschlichen Lebensdauer durchzusetzen ist. Denn schon jetzt leben wir länger, bedeutend länger, als’ Menschen vergangener Jahrhunderte. * Das Lüben der Menschen in vorgeschichtlichen Zeiten war nach den neuesten Forschungsergebnissen sehr kurz. Man konnte bei ihnen bequem ein Jahrhundert in fünf Menschenalter einteilen. So starben, wie aus Gräberfunden in England und Neumexiko hervorgeht, die Erwachsenen schon zwischen 18 und 30 Jahren. Selbst die„ägyptischen Mumien" erreichten nur ein Lebensalter von 28 Jahren. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich um Angehörige wohlhabender und reicher Volksschichten handelte, die sich den Luxus der Einbalsamierung leisten sonnten. Auch die Antike brachte dem Menschen kein höheres Alter. Aus den Grabinschriften römischer Bürger, die verschiedenen Berufsschichten angehörten, konnte vielmehr festgestellt werden, daß viele dieser Menschen nicht älter als zwanzig Jahre wurden. Und das zu einer Zeit, als das römische Imperium die halbe Welt beherrschte und dir antik« Kultur schon Zentralheizungen, kilometerlange Wasserleitungen, Chausseen und Krankenhäuser kannte. Auch das Mittelalter schuf für den Menschen keine günstigeren Lebensbedingungen. Schutzlos war der mittelalterliche Mensch Hungersnöten und Epidemien ausgesetzt, von deren Ausmaßen wir uns kaum noch eine Vorstellung machen können. Wurde doch im 14. Jahrhundert halb Europa durch die Pest in eine schaurige Leichenwüste verwandelt; ganze Städte starben aus und auf dem Lande blieben nicht genug Menschen übrig, um den Boden zu bestellen. * Am Ausgang des 17. Jahrhunderts stellte der große englische Astronom Hailey Untersuchungen über das Durchschnittsalter der Menschen an. Er kam dabei zu dem Ergebnis, daß man ein Jahrhundert in drei Generationen einteilen müsse. Die Lebensdauer war also, trotz der Dezimierung der Europäischen Menschheit durch den Dreißigjährigen Krieg, gestiegen.'Der eigenüiche Anstieg aber begann erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, mit dem Zeitalter der Technik, das die Lebensbedingungen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verbesserte. „Zwei Dinge", sagt der Franzose Ozenfant , „bewegen di« Menschen, der Wirklichkeitssinn und die Todesfurcht. Wir können den Tod nicht umgehen. Wir müssen uns vor dem natürlschcn Erlöschen der Lebensfunktioncn als vor etwas Unabänderlichem beugen. Eines aber können wir mit Hilfe der modernen Hygiene und Medizin erreichen: den Tod hinausschieben! Amerikanisch « Statistiker haben rrrechnet, daß schon das kommend« Jahrhundert jedem Menschen «ine Lebensdauer von mindkstens Sv Jahren garantieren wird. Diese Boraussage mutet im ersten Augenblick utopisch an. Sie verliert aber ihren phantastischen Charakter, wenn man die sinkende Kurve der frühen Sterblichkeit in den letzten beiden Jahrhunderten beobachtet. Der Sozialanthropologe Alfred P l o e tz führt die verminderte Sterblichkcht auf die Anpassung der
Wie kill man sich auslennen? Bon Hans Rössink. --Ich weiß nicht", murmelt der lschecho- slowakische Zollbeamte Nepomuk Chuzborek, indem er gedankenvoll zusieht, wie einem dicken Reisenden das Gepäck revidiert wird,„bet Mann gefällt mir nit mehr!" Sein Freund und Amtsbruder Sebastian Schaborek entläßt soeben den verdächtigen Polerk- reisenden mit einem jovialen AbschiedÄvort, wie er das nun schon seit langem zu tun gewohnt ist. Tenn der dicke Herr Morqwski aus Preßburg macht die Reise nach Pplen mindestens zum Zwölften Male, immer über die kleine Station, Wo Chuzborek und Schaborek ihres Amtes walten; so ist er allmählich ein guter Bekannter geworden. „Schaborek", sagt Chuzborek jedoch heute, „da stimmt was nicht!" „Was soll denn da nicht stimmen?" „Tas mit, den Andenken." Sebastian schwrigi. Mit den Andenken verhält cs sich so:.. Ter dicke Herr Morawski, der jeden Monat seine Verwandten in Polen besucht, pflegt als guter Sohn, Bruder, Onkel. Reff« und Vetter stets eine Anzahl niedlicher Pvrzellanfigürchen mitzubringen, die zwar nicht viel Wert haben und deshalb nichi einmal verzollt zu werden brauchen, aber den Benvandten, wie Herr Morawski mit strahleudem Wohltätergcsicht versichert, sehr große Freude»rachen. „Ich bitt' dich. Bastl", sagt Mucke Chilzborek eindringlich,„wo bleiben die Verwandten mit all diesen Schäschen, Rotkäppchen, Tirndln und
Umwelt an den Menschen durch ihn selbst zurück. Technik und gesellschaftliche Organisation haben den Menschen von der Natur emanzipiert.„Diese Anpassung", sagt Ploetz,„ist bereits jetzt zu einer glänzenden Höhe gestiegen und hat in Anbetracht ihrer im biologischen Sinne erst kurzen Dauer noch eine große Zukunft vor sich." * Während also der Mensch in früheren Kulturen im Kampfe mit einer rauheren Umwelt schon frühzeitig sein Lebenskapital verbrauchte, führt das Leben in der höheren Gesellschaftsform des modernen Staates zu einem langsamen, aber stetigen Sinken der SteMichkeitsziffer. Noch vor einem Vierteljahrhundert starben beispielsweise von 100 Menschen 17 im Säuglingsalter. Heute ist der Prozentsatz in einzelnen Großstädten, wie Frankfurt a. M., schon
auf etwa 5 zurückgegangen und es besteht die Aussicht, ihn in absehbarer Zeit noch weiter zu vermindern. Den großen Volksseuchen, wie Tuberkulose, Syphilis und Krebs, stehen wir nicht mehr so hi:;- los gegenüber wie in vergangenen Zeiten. Die Aufllärung breiter Volksschichten durch eine vielseitige Propaganda trägt ebenfalls zur Erhöhung der Lebensdauer bei. Wir haben die Aussicht, daß in einer höheren Gemeinschaftsform, wie sie der Sozialismus anstrebt, die Lebenschaneen, die die Natur den Menschen gibt, immer nachhaltiger ausgenützt wer>-n können. Vielleicht werden spatere Generationen mit 50 Jahren eine zweite Jugend erleben. Möglich, daß dadurch die Menschen einer kommenden Zeit zu kulturellen Leistungen befähigt werden, die wir, die wir schon mit 60 Jahren an der Schwelle des Todes stehen, nur unvollkommen ahnen können.
CaroPetschek. Kur seine Familie«, und Geldgeschichte.
Der Angeklagte. Bor der Strafkammer 3a des Landgerichtes III unter dem Vorsitz des Landaerichtsdirektors Ohnesorg(jenes Mannes, der im.Naziprozeß des Grafen Helldorf zum Freispruch gekommen ist), läuft bis auf weiteres ein Prozeß. Angeklagt ist Geheimrat Dr. Nikodem Caro Wege» versuchten Betrugs und zweimaliger falscher eidesstättiger Angaben; Nebenkläger ist Doktor E r n st Petschek, der Sohn des Aussiger Familien- und Kohlenkönigs Ignatz Petsche k. Geheimrat Caro ist einer der Ersten des reichsdeutschen Stickstoffkapitalismus; er hat sein Vaterland vom Chilesalpeter befreit, die Gewinnung des Stickstoffs aus der Luft erfunden und „seine damaligen Patente aus vaterländischen Gründen dem Reich ohne einen Pfennig zur Verfügung gestellt"... so sagt er in seinem Konstitut vor dem Strafrichter. Er hat aber„hohe" Einnahmen aus seiner Tätigkeit bei den Bayrischen Stickstoffwerken gehabt, aus Tantiemen und ausländischen Lizenzen(er hat also nicht nur die vaterländische Verteidigung und chre Armee, sondern auch deren Feinde von Chile befreit und damit den Kuaeln in den Leibern seiner Landsleute das Schießpulver zum männerfreudigen Kampf am Felde der Ehre und einiger Verdienste geschenkt). Und aus diesen Einkünften, die während des Krieges eineinhalb Millionen Mark betrugen, war es ihm möglich, nur siebenhunderttausend Mark bei sich im einbruchssicheren Schrank aufzubewahren. Der Herr Geheimrat hat sich nämlich davor gefürchtet, daß sein Vaterland sein Vermögen durch„Maßnahmen" vermindern könnte und sich darum für die von den Vorvätern her bekannte Methode des Strumpfschatzes entschlossen. Von diesen Siebenhundert Tausendern soll er nun im Jahre 1918 seinem Schwiegersohn und jetzigen Nebenkläger eine Mitgift von B i e r- hundert Tausendern bar bezahlt haben und darum geht es jetzt in diesem Prozeß. Der Klager. Der Herr Geheimrat hat nämlich neben seinen Stickstoff- und sonstigen Interessen, noch eine Tochter, die verheiratet fein• wollte; und dazu wurde Dr. Ern st Petschek erwählt, der Kronprinz der Aussiger Kohlendhnastie. Auch diese hatte Interessen, neben der schwarzen Kohle auch den Kriegsgewinn spendenden Stickstoff, und beide stießen in Polen aufeinander. Einmal, in glücklichen Zeiten, haben die adligen Neuvermählten Länder oder Städte mitgebracht erhalten, heute nennt man das Interessen; das bleibt in der Wirkung gleich, weil jetzt weniger durch Landsknechte als durch Aktienpakete über
das Leben des arbeitenden Volks disponiert wird. Also die„Interessen" stießen aufeinander und daran mußte die Ehe neben der innigen Geschäftsverbindung eben rettungslos scheitern. Der Zankapfel. Geht eine Ehe sogenannt,„gewöhnlicher" Leute in Brüche, dann gibts Ehescheidung und -trennung, aber die Oeffentlichkeit ist daran weniger interessiert; in unserm, jetzt kriminell aufgezüchtetem Fall behauptete nun der liebe, notleidende Kohlen-Stickstoff-Schwiegerpapa, daß er gar keine Mitgift bekommen habe. Er„stellt sich also her"— wie der Volksmund sagen dürfte— er, unser Kapitalistenkönig, der nach Ansicht„informierter Wirtschaftsführer" über einige Dutzend solcher Mitgiften verfügen müßte. Erstens also hat er keine Mitgift bekommen, zweitens wäre Caro niemals in der Lage gewesen, diese Summe bar zu bezahlen, drittens sei Caro gar kein bedeutender Mann(im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Sinne), sondern in jeder Beziehung ein Hochstapler, ein unlauterer Mensch, der Weibergeschichten habe und sein Geld auf unlautere Weise verdiente. Caro ließ die Petscheks Vater und Sohn vor Gericht so aussagen, wie sie wollten und behauptete Plötzlich, daß eine Quittung der Petscheks existiere, die er während der Inflation einem polnischen Geschäftsfreund zur Aufbewahrung gegeben hat. Dieses Schriftstück ist derzeit nicht mehr in seinem Besitz, es soll sich in England befinden, ist aber unauffindbar, weil der Pole inzwischen gestorben sei. Und da nun einmal die Familien Todfeinde geworden sind, wird dieser Kampf bis' aufs Gerichtsmesjer.durchgeführt: die Petscheks haben gegen Caro- wegen seiner Behauptungen Strafanzeige erstattet und trotzdem die Berliner Staatsanwaltschaft zweimal die Anklageerhebung abgelehnt hat, wurde der Prozeß über Anordnung der Strafkammer doch eröffnet. Der Prozetzsumpf. Gleich zu Beginn gab es eine Sensation: Catos Verteidiget machte davon Mitteilung, daß nach Auskunft des Preußischen Innenministeriums ein nationalsozialistischer Abgeordneter im Interesse des Juden Petschek Erkundigungen über Caros Staatszugehörigkeit eingezogen habe; und im weiteren Verlauf der Verhandlung kommt heraus, daß die Petscheks ihren Gegner in ekelhaftester und skandalösester Weise bespitzeln ließen,, daß sie seinen Haushalt bewachten, seine Zeugen bedrohen, seine Vergangenheit, Zukunft und sonstigen Geschäftsgeheim- nifse erforschen ließen, nur um ihn vor Gericht wieder und wieder beschmutzen zu können. Aber der Gegner ist ihnen diesmal gewachsen: Caro
} Die Unzufriedene§
Das Wochenblatt der Frau hottet nw 60 Heiter
spricht von Petscheks Geschäften nur als von Räubereien und es ist bezeichnend, daß deshalb gegen ihn noch kein Verfahren eingeleitet wurde: der Angeklagte behauptet selbstsicher, daß Pet schek unter Verletzung der deutschen Gesetze in die Wirtschaft eingedrungen sei, daß er, obwohl in Berlin , Hohenzollernstraße 4 wohnhaft, in den Jahren 1927-1928 nicht einmal gemeldet gewesen war, um auf diese Weise den Staat um die Steuern zu prellen, wiewohl er ungeheuerliche Millionengeschäfte inszenierte und durchführte, der Angeklagte enthüllte weiter, wie Petschek sowohl die tschechischen als auch deutschen Braunkohlen in der Hand habe und je nach seinem Berdienst bald die eine oder die andere Wirtschaft schädige, wie Petschek sich immer wieder geweigert habe, vor deutsch « Gerichte zitiert zu werden, mit der Begründung, er sei Tscheche, worauf der Nazivorsitzende Ohnesorge meint:„Vielleicht war er als Tscheche zu stolz, vor ein deutsches Gericht zu kommen!", was Caro also beantwortet:„Er war aber nicht zu stolz, deutsches Geld zu räubern!" Man wirft Caro Haß gegen die Petscheks vor und schon beweist der Angeklagte, wie sein Kind in der Familie Petschek gequält wurde, erzählt, daß die Frauen der„Secundoge- n i t u r" nur zu Fortpflanzungszwecken geheiratet würden, daß man sie wie Gefangene behandle, er schildert seinen• ehemaligen Schwiegersohn als kleinlichen, bösartigen, arroganten Menschen, für den nur diejenigen existieren, an denen er verdienen kann und gegenseitig werfen sich dann. die Anwälte die Festreden vor, mit denen in Zeiten des Familienfriedens einer den anderen als Wohltäter der Menschheit, der Wirtschaft und natürlich auch des Vaterlandes gepriesen hätte. Caro bringt eine ganze Reihe von Publikationen vor, in denen die Geschäftsführung ss)«t- scheks und seine' Roll« in der deutschen Wirtschaft als direkt verbrecherisch bezeichnet wurde; niemals hat sich der sonst so empfindliche Petschek dagegen gewehrt, daß man ihm die Schandrolle vorgeworfen hat, die er im Sächsischen Kohlensyndikat spiele, das er auch an die Tsche choslowakei verrate und seine Anwälte parieren dies mit dem Satz:„Wer im Vollbesitz seines guten Gewissens ist, läßt sich auf Pressefehden nicht ein. Wenn die Angriffe wahr wären, hätte sich sicherlich ein M i n i st e r i u m(!) gefunden, das angeblich geschädigte Volk zu schützen!" Welch gut bezahlter Optimismus!! Und Dr. Alsberg spricht in diesem Stritt historisch bedeutsame Worte:„Es ist richtig, daß Petschek aus seiner Machtposition bisher nicht herausgedrängt werden konnte, er hat eben das größere Geld.. Zur Zeit geht der Prozeß munter weiter: Petschek kommt nicht zu Gericht, das ist nicht seine Pflicht und Professoren befugen, daß diese Aufregung seiner zarten Gesundheit schaden müsse; Caro hat seine Quittung noch nicht gefunden, aber seine Anwälte haben schpn Zeugen gefunden, die sie gesehen hüben. Die Namen die? ser wertvollen Bürger werden aber nicht im Vorhinein verraten, um sie„vyr Belästigungen der Petscheks zu schützen". Ob die Nazis noch auch zu Gunsten Caros intervenieren, wissen wir nicht...
Kavalieren, den Katzen und Spatzen und Hun- derln? Müssen nicht längst alle Gesims« übervoll sein? Warum schenkt er nit amal was anders?" Bastl ist überwältigt von soviel beruflichem Scharfsinn. Er nickt wohl zehnmal hintereinander, urck> sie beschließen, dem dicken Preß- burqer, mag er noch so liebenswürdig sein, beim nächsten Male auf den Zahn, bezw. auf das Porzellan zu fühlen. „Nein weißt, Mucki", sagt Sebastian entschlossen,„überlisten lassen wir uns nimmer!" Nach der Monatsfrist kommt Herr Morawski wieder. Düster« Amtsmienen empfangen ihn; Nepomuk schließt schweigend den Koffer auf und Sebastian holt den Hammer.„Aber... ei nun..... wie... was??" entsetzt sich der dicke Herr. Vergeblich; Bastl hält ein Weihes Unschuldsschäfchen in der Hand und schlägt ihm kunstgerecht den Kops ab. Tas Ergebnis ist verblüffend; ein« Portion Kokain kommt zuyr Vorschein! Mucki Chuzborek sieht den Herrn aus Preßburg vernichtend an, dieser schlägt die Augen nieder. Sebastian aber schwingt den.Hammer, bis alle Figürchen ihres Kopfes und Inhalts beraubt sind, worauf Herr Morawski festgcnommen und der Gendarmen« übergeben wird. „Gut! Sehr gut, di« Leute!" preist der Ober- zollkommandanl, als es ihm gemeldet wird, und! er erwähnt Chuzborek und Schaborek lobend in seinem Tagesbefehl. „Siehst du, sagt Mucki,„man muß sich nie verblüffen lassen!" Und Bastl nickt selbstbewußt. Ein paar Wochen später— der bitte Herr Morawski ist inzwischen zu drei Monaten ver
donnert worden— kommt ein sehr distingiert gekleideter Herr an die Grenze, zeigt seinen Paß und öffnet die Koffer. Die Augen der beiden Grenzwächter werden groß wie Aepsel, und sie tauschen einen einzigen langen Blick. Unten im Koffer liegen woblbe- hütet, etwa ein halbes Dutzend winziger Porzellanfiguren. „Ich bin nicht genau darüber im Bilde, ob und wie hoch sie verzollt werden müssen." sagt der Herr. Er bekommt keine Antwort. Nepomuk wiegt die Figürchen in der Hand—„Schöne Dinger!" denkt er anerkennend— und Sebastian holt den Hammer. Klatsch, rollt der Kopf des Rokokofräuleins über den Revisionstisch. „Oh... ah... au! Meine lieben-Herren, was machen S'?" stöhnt der Herr auf. „Bitt' schön, um Himmelswillen... ich bitt Sie um alles..." Sebastian hält irritiert inne. „Laß dich nit verblüffen!" knurrt Nepomuk ihn an, und der-Hammer tut seine Arbeit weiter. Aber, o Wunder, auch die zweite Figur erweist sich als vollkommen leer. Bastl wirft den Hammer hin, aber Nepomuk, mit mehr Mißtrauen begabt, schlägt noch«in drittes Mal zu. Das Ergebnis ist negativ lvie zuvor; es findet sich weder Kokain noch sonstwie Verbotenes. Mucki faßt sich ans Kinn und sieht den Herrn unsicher an. Bastl desgleichen. Mit einem verlegenen Lächeln wollen sie ihm das Porzellan wieder in den Koffer schieben Aber der Reisende, der sich vorhin so sehr erregt hat, bekommt jetzt auf einmal eine eisige
Ruhe. Er schließt die Bruchstücke in den Koffer und geht hinaus. Draußen erkundigt er sich nach der Zollkommandantur und schlägt, argwöhnisch nachgeschaut, den Weg dorthin ein. Eine Vietelstunde später kommt er in Begleitung des Oberzollkommandanten zurück. Bastl und Mucki können sich nicht entsinnen, ihren Chef jemals so toben gehört zu haben. Dem Lauf seiner Donnerrede wortwörtlich zu folgen, ist ihnen in der Aufregung nicht möglich; sie schnappen als Wichtigstes den Aufdruck „Kostbare Stücke" auf der häufig wiederkehrt und vermutlich hem Porzellan gilt, ferner ein zweifellos für sie bestimmter Kraftausdruck von „unbeleckten Karpathenbären". Nach letztem, vernichtendem Blick auf seine Untergebenen wendet sich der Kommandant an den Reisenden: „Also, Herr Professor, für den Augenblick lassen Sie sich bitte an meinen unendlichen Entschuwi- gungen genügen! Selbstverständlich kommt der Staat für den Schaden auf; ich iverde mich persönlich dafür einsetzen, daß alles mit größter Beschleunigung erledigt wird." Drei Wochen später zahlt der Tschechoslowakische Staat dem-Herrn Professor Pollaczek auS Wien zweitausend Schilling Schadenersatz für zerschlagenes altes SevreS - Porzellan. „Siehst du", knurrt Sebastian, als die Namen Chuzborek wieder im Tagesbefehl prangen, ,^>as kommt davon, dah wir damals den Morawski...— Ich sag'-Halt: alles laufen lassen— das ist das Richtige!" Und Nepomuk, gänzlich irre geworden an seinen zollamtlichen Qualitäten, stimmt ihm müde. zu.