Nr. 11
Sonntag, 13. Jänner 1935
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Der türkische Außenminister leitet die Rats­tagung anläßlich der Saar  -Abstimmung Am Freitag Dormittag trat der Völkerbunds­rat zu seiner 84. Tagung zusammen. Er wird in Anwesenheit der prominentesten Ver­treter während der Saarabstimmung zusam­menbleiben, um auf Grund des Abstim­mungsergebnisses die endgültigen Entschei­dungen zu treffen. Vorsitzender des Rates ist diesmal der türkische Aussenminister Ruschdi Aras
Der Winter auf dem Balkan  Die Temperatur auf dem östlichen Balkan  ist sehr rasch auf durchschnittlich minus 18 Grad zurückgegangen. Die Stürme und das Schneetreiben auf dem Schwarzen Meere dauern an, wodurch der Schiffsverkehr stark be- emträchtigt wird. Auf der unteren Donau   wurde der Schiffsverkehr infolge Schneestürme und trei­bender Eisschollen eingestellt. Das baldige Ein­frieren der Donau   wird erwartet. Meldungen aus Saloniki zufolge ist der Winter besonders in Nordgriechenland sehr streng, wo der Schnee stellenweise einen Meter hoch liegt. Vie­lerorts sind Rudel hungriger Wölfe aufgetaucht, die den Schafherden sehr gefährlich werden. Auch aus nahezu allen griechischen Häfen werden so heftige Stürme gemeldet, dass die Schiffe am Ausfahren gehindert sind.
Abschwächung des Frostes. In Westeuropa   war ei SamStag überall etwas wärmer. Die Erwärmung schwächt sich jedoch unterwegs ab und dürfte bei Uns nur«ine Milderung des FrosteS herbeiführen. 8» unseren Gegenden herrschte Samstag mässiger Frost von rund minus 5 Grad Celsius. Das Gebiet strenger Fröste hat sich nach Inner- und Südostruß- land zurückgezogen, wo am Nachmittag minus 15 bis minus 20 Grad Celsius verzeichnet wurden. Der gesamte Wettercharakter wird auch in den näch­sten Tagen winterlich bleiben. Wahrscheinliches Wetter Sonntag: In den böhmischen Ländern vor­wiegend bewölkt, und stellenweise Niederschlag. Vor­übergehend Frostmilderung, Wind aus westlichen Richtungen. Im Karpathengebiete vorwiegend bis wechselnd bewölkt, Abnahme der NiederschlagSnei- gung, mässiger Frost. Wetteraussichten für Mon­tag: Fortdauer des winterlichen Wetters, unbestän­dig, vielfach Schnefall. Die Postgebühren. Das Post- und Telegra­phenministerium hat eine neue Uebersicht der Postgebühren herausgegeben, in der auch alle gün­stigen Sondertarife sowie auch die seit dem 1. Jän­ner 1985 geänderten Tarife enthalten find. Der Verkaufspreis beträgt 2 KL und bann beim Hilfs­amt des Post« und Telegraphenministeriums in Prag  -Smichob, Holeckobä 36, am besten mit einem Biancoscheck, der auf das Scheckkonto Nr. 40.902 (Anschrift deS Kontos: Post- und Telegraphenmini­sterium, Administration des Anzeigers und verschie­dener Publikationen, Prag  -Smichov  ) ausgefüllt wird, bestellt werden. Die Fahrtbrgünstlgungrn für Mitglieder der Touristenvereine. Das Eisenbahnministerium hat den Touristenvereinen im Jahre 1934 die Begünstigun­gen derart erweitert, dass für die Rückreisen und für den Einzelnen ein grosses Betätigungsfeld geschaf­fen worden ist. Diese ausserordentlichen Begünsti­gungen brachten aber auch Mitglieder in die Vereine, welche Fahrten zu nichttouristischen Zwecken unter­nahmen. Auch Reisebüros sollen die tariflichen Be­stimmungen durch die Verein« umgangen haben. Da« Ministerium verfügte Einschränkungen, die in der nächsten Zeit in Kraft treten sollten. Nun wurde von den Touristenvereinen, zu welchen auch die .Naturfreunde" zählen, eine Konferenz veranstaltet. Tie Vertreter aller Verbände stimmen strengeren Bestimmungen zu, welch« dem Missbrauch der Fahr­ten für andere Zwecke steuern sollen, können jedoch der kurzfristigen Entscheidung und der Aufhebung einiger Begünstigungen in der verlangten Form nichc zustimmen. Die Auswirkungen einer Aufhebung der letzt geltenden Begünstigungen wurden in ernem Memorandum dargestellt und von einer Abordnung der Verbände, bei welcher auch dieNaturfreunde" vertreten waren, dem zuständigen Ressortchef über­geben. Es wird nach der Aussprache die Hinaus­schiebung der Gültigkeit deS bezüglichen Erlasses und feine Modifizierung erwartet. Dem wirklichen Tou­risten, welcher auch bei den früheren Begünstigungen in Gruppen hinausfuhr, werden strengere Betsim­mungen nichts anhaben, nur darf er nicht in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt werden. Ruch geht- nicht an, Bestimmungen, die in allen Veröffentlichun­gen der Eisenbahnverwaltung und in den Prospekten der Vereine für 1935 ausgenommen wurden, kurzer­hand aufzuheben. Wir erwarten, dass eine für beide Interessenten gangbare Lösung gefunden wird.
Fascismus in( Wer den österreichischen Fascismus kennen­lernen und das Wesen des österreichischen Spie­ssers voll verstehen will, kann auf das Studium der Fascisten in denKronländern Oesterreich ob und unter der Enns  " nicht verzichten. Dort, in den Städten und Marktflecken am Ausgang der Alpen­täler, ist das typisch Oesterreichische, das, nach den Worten der diversen autoritären und ständestaat­lichen Ober- und Unterführer den österreichischen Fascismus ausmacht, in Reinkultur zu finden. Richt in der Grossstadt. Zu viel fremder flutz ist dort wirksam. Und zu viel Kontrolle. in der Provinz kann man den echt österreichische::, den so oft gerühmten und belachten österreichischen Beamten bei seiner«Wirksamkeit" beobachten, die aus einer harmonischen Zusammenfügung von Schlamperei, Brutalität nach unten und Servili­tät nach oben besteht. Und den österreichischen Spiesser, dessen un­sagbare Dummheit nunösterreichische Tradi­tion" geworden ist, nirgends findet man ihn so ausgeprägt wie an den Stammtischen in den klei­nen Provinzorten und kann ihn nun wieder, wie in der guten alten Zeit wirken sehen an der un­kontrollierten Verwaltung der Gemeinden und Bezirke. Dort findet er aber auch den prächtigen Proleten, der schon in der Zeit der Monarchie einen zähen, aber erfolgreichen Kleinkrieg gegen diese Art des Oesterreichertums geführt hat. Nun, da der autoritäre Ständestaat aufgerichtet ist, führt er diesen Kampf mutig wieder und nicht weniger erfolgreich. Und von diesem österreichischen Fascismus in einer österreichischen Provinzstadt wollen wir nun erzählen. Zum besseren Verständnis des Nach­folgenden muss aber vvrausgeschickt werden, dass diese Stadt n o ch im Besitze der Christlichsozialen ist, aber die Heimwehr bereits heftigst um ihre Eroberung kämpft. Der Leiter der vaterländischen Front in die­ser Stadt ist ein alter österreichischer Oberst. Jetzt ist er christlichsozial. Einmal hat er auch Beiträge für die sozialdemokratische Partei geleistet. Aber daran lässt er sich gegenwärtig nicht gerne erin­nern. Dieser Oberst nun hat einige ehemalige so- zialdemokratische Funktionäre rufen lassen und sie wie folgt angeredet:Meine Herren! Ich habe Sie rufen lassen, um Ihnen nahezulegen, der vaterländischen Front beizutreten. Ja, ich be­schwöre Sie, dies zu tun. Ich kann Ihnen ver­sichern, dass wir Ihnen alles konzedieren werden, was Sie wünschen, denn wenn Sie nicht Mitglie­der werden und mit uns kämpfen, dann werden wir beide. Sie und die vaterländische Frönt, von der Heimwchr aufgefressen." Die Funktionäre entfernten sich, ohne das rot-weiss-rote Bändchen erworben zu haben. Kurz darauf werden die Arbeiter eines grö­sseren Betriebes zu einer Versammlung des Frei­heitsbundes eingeladen, in einer Form, die es ihnen unmöglich machte, fernzubleiben. Einer jener neugebackenen Gewerkschaftssekretäre ver­suchte so recht und schlecht, seinen wenig Interesse zeigenden Zuhörern klarzumachen, dass sie zum Frcihcitsbund kommen müssten, wenn sie ihre In­teressen wirksam vertreten wollten. Nachdem er eine gute Stunde geredet hatte, ohne irgend einen Zusammenhang zwischen sich und den Versamm­lungsteilnehmern herzustellen, meldete sich einer zum Wort und meinte, es wäre ja alles schön und gut. Er hätte aber auch eine Aufforderung bekom­men, dem Heimatschuh beizutreten. Beiden Ver­einen könne er aber nicht die Mitgliedsbeiträge bezahlen, dazu sei der Verdienst zu klein. Nur einem. Er wisse nur nicht welchem. Er habe soviel davon schon reden hören, dass sich beide Parteien heftig bekämpfen. Nun wolle er aber weder den Hcimatschutz bekämpfen noch auch den Freiheits­bund. Es dürfe niemanden Wundern, wenn er un­ter solchen Umständen noch zu keinem Entschluss gekommen sei und sich weitere Ueberlegung vor-
ter Provinz behalten müsse. Seinen Ausführungen schlossen sich die anderen Arbeiter an, der Herr Gewerk- schastssekretär wusste nichts zu antworten, schloss die Versammlung.... und seither haben diese Arbeiter Ruhe. Jeder wacht ängstlich darüber, dass der andere ihm die Arbeiter dieses Betriebes nicht wcgschnappt. In der Stadt war nach langem Kuhhandel der. Gemeindetag" zusammengestellt und er­nannt worden, der nun weiterhin ihre Geschicke leiten sollte. Weil weder die Christlichsozialen zu- ,'liessen, dass die Heimatschützer eine zu große Ver­tretung bekamen, noch der Heimatschutz an einer zu grossen christlichsozialen Fraktion interessiert war, konnte eS geschehen, dass ein gutes Drittel Nazi, darunter auch stadtbekannte Funktionäre, dre im Juli nur ihr wirtschaftlicher Einfluß vor Wöllersdorf   oder schlimmerem bewahrt hat, in die erlauchte Versammlung einer ständischen Ge­meindevertretung kamen. Nun wurde die Wahl des Bürgermeisters ausgeschrieben. Als vor zirka zwei Jahren ein neuer sozialdemokratischer Bürgermeister gewählt worden war, da bereiteten ihm die Arbeiter eine gewaltige spontane Kundgebung. Auf so etwas wollte auch der neue Bürgermeister nicht verzich­ten und es wurde nun eifrig einespontane" Kundgebung vorbereitet. Bor dem Rathaus wurde ein Rednerpult aufgestellt, ein Mikrophon ange­bracht, an zwei Seiten des grossen Platzes Laut­sprecher montiert und alle Korporationen, deren man habhaft werden konnte, aufgefordert, sich am Tage der Wahl um S Uhr die frühere Bürger­meisterwahl fand nämlich auch um 5 Uhr nach­mittags statt vor dem Rathaus einzufinden. Und richtig, am Tage der Wahl warteten vor dem festlich hergerichteten Rathaus gegen 300 Personen. Und warteten. Schier kein Ende wollte daS Warten nehmen. Ünmutsfalten legten sich allmählich in die Gesichter dieses kleinen Häuf­leins über das unmenschlich lange Warten an einem nasskalten Dezemberabend. Bis endlich ver­kündet wurde, daß die Verhandlung des Ge- meindetages vertagt worden sei. Kopffchüttelnd die Teilnehmer derspontanen Kundge- zu ihren ständischen Stammtischen. WaS t wE da geschehen? Eiftig wurde darüber an den Stammtischen gestrftten, bis man endlich die Wirklichkeit erfuhr. Die Christlichsozialen und Heimatfchützer konnten sich einfach über die Person des Bürger­meisters nicht einigen. Jeder wollte den Bürger­meister haben und verttat seine Forderung mehr heftig denn sachlich. Und die Nazigruppe im Ge­meindetag konnte sich unter solchen Umständen Denn auch nickt entscheiden. Weder fürnoch wider. Ist ihnen auch nicht zu verdenken; sie sind in der österreichischen   Provinz noch einigermassen' erb­lich belastet vom Vermächtnis des altenNatio­nalverbandes" seligen Andenkens. Also beschloß man nur, eine Deputation zur Regierung zu schicken. Dort kamen sie aber schön an: Man bedeu­tete ihnen, dass man über dem ersten einen zwei­ten noch höheren Regierungskommissär einsetzen werde, und nun gelang die Einigung rasch. Nach einigen Tagen wurde der Bürgermeister ein Christlichsozialer, der Heimatschutz erhielt das Sicherheitsreferat und damit die Herrschaft über die städtische Polizei einstimmig gewählt, die spontane Kundgebung" klappte diesmal besser und voll Triumph sendete die Welle Wien   dieses freudige Ereignis in den Aether  . Na fteilich, je schwerer die Geburt, desto größer die Freude, wenn sie glücklich überstanden ist. Bleibt noch nachzutragen, dass die städtische Polizei bis jetzt noch keinen Lester im Gemeinde­tag hat. Im Schoße des Heimatschutzes hat man sich nämlich bisher nicht darüber einigen können, wer das Sicherheitsressort innehaben soll... Am Tage der verhinderten Bürgermeister­wahl geschah aber noch anderes: Die Korporatio-
Friedrich Deutsch, Probstau, gestorben Am Freitag ist Genosse Fritz Deutsch, Ge meindevorsteher in Probstau, einem Herzschlag er-' legen. Mit Deutsch   scheidet einer der bekanntesten Arbeiter des Teplitzer Gebietes aus den Reihe!, der Sozialdemokratie, denn der Verstorbene war seit seiner frühesten Jugend Mstglied der politi­schen Organisation, der freien Gewerkschaft, de' Genossenschaft und der Kulturorganisationen. Als Proletarierkind erkannte er rechtzeitig, welche Auf­gaben seine Klasse zu erfüllen hat, wenn sie sich ein besseres Lebensdasein erkämpfen will. In die­ser Erkenntnis begann auch er zu schaffen- im Dienste des Sozialismus. Frühzeitig schon suchsi er die sozialisttsche Literatur, forschte und grübelt, und war seinen Arbeitskollegen ein freundlicher Berater, em wahrhafter Kamerad. Deutsch war auch einige Jahre im Konsumverein Teplitz- Schönau   beschäftigt und diente dort mit seine»' ganzen Kraft den Zielen der Genossenschaft; in jeder Parteiversammlung nahm er an den Ge­schehnissen deS politischen Lebens regsten Anteil war ständig bemüht, jener Idee zu dienen, der er sein Lebensziel geweiht hatte. Die Partei ent­sandte ihn nach dem Umsturz im Jahre 1919 in die Gem-indevertretung, der er ohne Unter­brechung als Mitglied angehörte und auch au' diesem Posten ein tteucr Anwalt der Interesses:, des schäftenden Volles war. In der letzten Periode wurde er Mstglied des Gemeinderates uno fest einem Jahre ungefähr versah er die geradh­in der gegenwärtigen Zeit so schwierige Funktion eines Vorstehers der Gemeinde Probstau. Mi» der organisierten Arbeiterschaft des Teplitzer Be­zirkes trauert um den Verstorbenen auch fein Gattin, Genossin Deutsch  , und sein Sohn. Wir danken an dieser Stelle dem wackeren, treuer. Kampfgefährten für seine aufopferungsvoll-. Tätigkeit, für seine selbstlose und hingebungsvoll- Arbeit und werden ihm stets ein dauerndes An­ämien bewahren. nen der Gewerbetreibenden der Stadt sandten an den früheren sozialdemokratischen Bürgermeister, der auch ein Gewerbetreibender war, eine Depu­tation, um ihm mitzuteilen, daß sie noch in ihm ihren Bürgermeister erblickten, denn ihnen wäre es nicht eingefallen, ihn, der für die Stadt so güt gesorgt habe, abzusetzen. Und weil die Kunde davon an die Ohren der gegenwärtigen Machthaber in der Stadt gedrun­gen war, mußte, wohlverstanden, mußte einfach dre Kundgebung nach geglückter Bürgermeister­wahl klappen. Ein öffentliches Versicherungsinstitut in der Stadt bekam einen neuen Obmann. Der frühere verdienstvolle Obmann, ein. Sozialdemokrat, wapj. abgesetzt worden. Einen Heimatschützer» der schon«-: je nachdem es einträglich war, Christlichsozialer, Heimatschützer und Nationalsozialist war und seit Feber wieder Heimatschützer ist und, wenigstens was die Strafkarte anbelangt, kein unbeschriebe­nes Blatt Papier   darstellt und um seine Lster- reichische Neberzeugung jedem, der zu ihm kommt nur eindringlich vorzuführen, nach seiner Ver­gangenheit könnte vielleicht jemand zweifeln, schaffte er sich vor seinem Büro einen grün-weißen Fußabstreifer an. Im Gebäude hat auch ein höhe­rer Beamter des Instituts seine Dienstwohnung. Einmal es ist freilich schon lange, beinahe ein Jahr eher- schien auch der Beamte freiheitlichen Ideen zu huldigen. Aber jetzt mußösterreichische" Gesinnung dokumentiert werden und flugs tut er es seinem Vorgesetzten nach und legt auch vor seine Wohnungstür einen grün-weißen Fuhstrei- fei. Jetzt kann jeder sehen, welch guter österrei­chischer Beamter er ist... sr.
GEDENKET bei allen Anlässen der Arbeiter lürsargel
Vom Prager   RundionK So wie zwei Jahre in der kalendermäßigen Wende einander die Hand reichen, so begegneten Ver­gangenheit und Gegenwart einander in den Prager  Sendungen am 5. Jänner. Sttaschnih brachte wie man börte, auf besonderen Wunsch einiger alle­ren DamenVergessene Lieder". Die schmach­tenden Gesänge von Radeck«, Bendel, Dessauer, Him­mel usw. wurden nach einleitenden Worten von Dr Herta Wien-Claudi von Nelly v. Grasern mit inbrünstigem Versenken ingute alte" Zeit vor­getragen und man konnte sich so recht vorstellen, wie »'m Lawendeldust solcher Poesie traute Bilder für stille Herzen aus langem Schlafe erwachten. Ganz von selbst fügt sich dazu die freundliche Würde einer Kirschholzkommode, in deren feiertäglichen Glanze sich die leise tickende Pendelscheibe einer Alabaster­uhr spiegelt, zartfühlend teilnehmend an den stillen Seufzerlein, die kosend über Vergessenes streicheln' Der Abstand zwischen dem Damals und dem Heute wurde so recht fühlbar, als sich in der Liblitzer Abendsendung die Gegenwart mit Max H ü t t e l, Anton K. i l, Fidelio Finke   einstellte, überzeugend vertreten durch eine im Empfinden ebenso tiefe wie in der Gestaltung reife Sängerin: Maria Tutta Wie wandelbar ist doch der Ausdruck eines im Wesen gleichen Gefühls! Eine ähnliche Rückschau in daS Vergangene, an den Augenblick leichter anknüpfend durch di« vielsagende Deutung der immer gültigen Satire auf AllzumenschlicheS, eröffnete das nach dem Roman von Charles Dickens   bearbeitete Hörspiel Die Pickwicker  ", das Sonntag von Liblitz übertragen wurde.
Der Laie in religiösen Dingen hörte nicht ohne Verwunderung am Montag aus dem Munde«meS gewiß Berufenen, deS Prälaten Dr. Josef Grü­ner, daß der im Jahre 1935 in Prag   zusammen­tretende erste gesamtstaatliche Katholikentag eine Manifestation jenerWerktätigen Liebe" sein Werde, die alsChristi Testament an die katholische-Kirche" immer daSKennzeichen der Christen" gewesen ist und sichdurch alle Jahrhunderte bewährt hat" Der Katholikentag in Prag   werde für immer di« klare ScheidungHie Christen hie Antichristen  " bringen und dadurch wesentlich beitragen, dieder­zeit schwerste Krise, die Krise der Seele" zu über­winden. Dievon Gott   gesetzten Führer", die Bischöfe, sind die Veranstalter diesergrandiosen Unternehmung", die auch vom Papste freudig be­grüßt wird. Es ist ein Wunderbares um die un­begrenzte Liebe, die jedem die Hand reicht, jedem Feinde verzeiht, sich schützend vor jeden stellt, dessen Leben bedroht ist. die jede Waffe von sich weist. Güt« und Milde übend über die Erde schreitet, nie einen Auftechten fällt, sondern Gefallene aufrichtet, die segnend ihr Verzeihen breitet von Jahrhundert zu Jahrhundert frei von jeder Schuld deS BluteS und deS Hassens... Der mit etlicher Verspätung inS Land rückende Winter gab Prof. Fritz Mink aus Budweis   An­laß, den Hörern die verschneiten Wälder des Böhmer­waldes als das Paradies für alle Skifahrer zu schil­dern mit der Beredsamkeit einer von der Schönheit der Natur ergriffenen Seele. In der Vorschau auf das Musikprogramm der Prager   Sender gedachte Dr. Richard Pflegsöhrl vor allem des 75. Geburtstages des Komponisten und Rektors Jos. B,-
Foerster. Tie Kehrseite des Winters war zu schauen in den Elendsbildern, die Red. Horner in den aktuellen zehn Minuten am Mittwoch und Sekretär M a ch u n z e zur Beantwortung der Frag«Wie lebt der sudetendeutsche Arbeiter?" malten mi: furchtbarer Eindringlichkeit nachgebildet den kaum faßbaren Tatsachen in den Notstandsgebieten in den Randsiedlungen unserer Republik  , wo in zahllos«" Arbeiterfamilien daS Einkommen lange schon nichr einmal die Hälfte dessen erreicht, WaS notwendig wäre, um auch nur die notwendigsten Forderungen der Lebenserhaltung tilgen zu können. Wie leben diese Menschen? Werden sie in ihrer Verzweiflung nicht doch einmal den Lockungen deS FasciSmuS ver­fallen, von dem ja Alexander Brunner in der Mittwoch-Sendung klarlegte, daß er sein wichtigstes Agitationsmittel darin hat, den verelendeten Schich­ten den Wohlstand zu versprechen, wenn auch die Er­fahrung lehrt, daß in den Ländern mitautoritärer Staatsform" eine bedeutende Senkung der Löhne und des Lebensniveaus folgte? Wie aber soll sich ein­mal die Verzweiflung dieser armen, ewig gequälter Menschen abreagieren? Die tröstlichen Worte, zu denen sich diewirt­schaftlichen Reliefs" immer wieder flüchten(Arid Weil), werden über kurz nicht mehr viele gläubige Ohren erreichen; in der unerbittlichen Kält« der Hungerstuben werden di« letzten Hoffnungen nur zu schnell erfrieren. Nicht unerwähnt bleibe die rei- zende Jugendstunde, in der Paul und Hans sich auf­machten. um Tscheljuskin zu retten. Ernst T h 2 n e r.