Seit« 2
Donnerstag, 28. März 1835
Nr. 71
Die Sanierungsvorlage
In ihrer endgültigen Form
-en außerstande ist, eine eigene freie Rede zu hal-t . ten, war eben nur die in die Auslage des neuen politischen Geschäftes gestellte Reklamefigur, der von dem um ihn gewobenen Führerschein um­woben, Kundschaft anlocken sollte, während im Laden drinnen ganz andere Herrschaften anord­neten. Die Enttäuschung konnte weder auf deutscher wie auf tschechischer Seite ausbleiben. Die einen mußten erkennen, daß die SHF nicht im gering­sten daran denke, ihre fascistischen Totalitätsan­sprüche aufzugeben. Die Bürgschaft, welche der B. d. 8. über ein Jahr lang für die Henleinfront leistete, lohnte diese damit, daß sie die Organisa­tionen des Bundes mit SHF-Zellen verseuchte und schließlich, als ihrer Forderung, den 8. d. 8. in der Heimatfxont aufgehen zu lassen, nicht gut­willig entsprochen wurde, mit Hilfe ihrer im B. d. 8. tätigen Wühlmäuse dessen Fundamente zu erschüttern suchte. Ob den Landbündlern die Be­sinnung nicht zu spät gekommen ist, wird wohl schon die nächste Zukunft lehren. Auch auf tsche­chischer Seite sind die Erkenntnisse über das wahre Wesen der SHF spät gereift. Erst mußten die tschechischen Bewohner der deutschen Grenzge­biete an ihre politischen Parteien die Ernstesten Mahn- und Warnungsrufe ergehen lassen, ehe man darauf kam, daß es mit der Erziehung des Hen- leinanhanges zumStehen auf dem Boden des Staates" Essig sei und daß sich die Henleinpartei von den früheren offenen hakenkreuzlerischen Ge­bilden nur durch ihre noch stärker« Aggressivität und Dreistigkeit unterscheide. Es hat ein Jahr gedauert, ehe in den Auf­fassungen über die SHF jene entschiedene Wand­lung eingetreten ist, daß man nun die Frage erör­tert, ob man die SHF gottergeben hinnehmen oder sie den aufgelösten Hakenkreuzparteicn in den Or­kus nachsenden soll. Wie es heißt, bat die SHF für jeden Fall ihren nach Millionen zählenden Wahl­fonds in Sicherheit gebracht, aber im übrigen fühlt sie sich sicher und nimmt dasAuflösungS, gerede" nicht ernst. Sie stützt sich dabei aus die von ihren bisherigen Partnern verübten Fehler und als stärksten Trumpf hat sie das Argument, die Regierimg könne und dürfe sie nicht als eine un­zuverläßliche und gefährliche Partei auflösen, da doch noch kürzlich verbürgt staatserhaltende Poli­tiker bereit waren, mit ihr engste Wahlbündnisse abzuschließen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die maßgebenden Faktoren von der Sentimentalität werden leiten lassen, an welche die SHF so eifrig appelliert, fest steht, daß diese selben Faktoren bis­her herzlich wenig getan haben, um die Positionen des Aktivismus zu festigen, vielleicht bringen sie jetzt auch noch den Ehrgeiz auf, dem deutschen Akti- viSmuS, auf dessen neuerliche Mitarbeit nach den Wahlen sie angeblich Wert legen, endgültig das Grab zu schaufeln. Mit aller Deutlichkeit sei ge­sagt: wir werden in jedem Falle den Kampf gegen den Henleinspuk zu führen wissen und un­ser Schicksal hängt nicht von der Frage ab, was mit der Henleinfront geschieht, west mehr ist schon das Staatsinteresse damit verknüpft und auch das Problem, wie in dieser wildgährenden Zeit die Grundlagen einer ruhigen Entwicklung bewahrt werden können. Ilnd so eriibrigt nur die Feststel­lung: die Gestaltung der künftigen politischen Verhältnisse im Staatemußnoch mehr die Haupt­sorge anderer Faktoren sein als die unsere!
Prag  . Die Vorlage über die Sanierung der Selbstverwaltungskörper erhielt am Diens­tag im Koalitionssubkomitee die endgültige Form und wurde dann vom Budgetausschuß genehmigt; sie wird in der nächsten Plenarsitzung am Don­ner s t a g ausgelegt werden. Die Vorlage stellt zweifellos einen bedeutenden Fortschritt dar: Es ist in ganz Europa   das erstemal, daß ein Staat an das Problem der Sanierung der langfristigen Selbswerwaltungsdarlehen herangeht. Ueber die Aenderungen erfahren wir: Zuschläge unverändert An der Höhe der Zuschläge im Artikel l hat der Ausschuß nichts geändert. Die neuen Zuschläge zur ZinSsteuer werden jedoch erst ab 1936 gelten. Ganz gestrichen wird der Artikel IV, wornach die Gemeinden und Bezirke für das lau­fende Jahr höhere Zulagen hätten einheben können, auch wenn ihr Budget für 1938 schon be­willigt war. Das heißt, daß die Voranschläge für 1938 unverändert in Kraft bleiben und die Aenderungen praktisch erst ab 1936 sich auswirken werden. Neu ist im Arttkel I der Zusatz zu 8 10, daß die Regierung über Antrag des Innen- und Finanz- Ministers bis Ende 1989 den Anteil nach Äbs. 6a (86 Prozent der überwiesenen Umsatz, und LuxuS- steuer) ganz oder teilweise dem Landes- a u S s ch u ß zur Bedeckung der Zinsen und Amortisation der Bezirks- und Gemeindeschulden überlassen kann.(Nach der Regierungsvorlage sollten die 38 Prozent dem Hilfsfonds zufallen.). Im§ 20 wird ergänzend festgestellt, daß Dar­lehen auch ausgenommen werden können für I n v e st i t i o n en, die im Rahmen der pro­duktiven Arbeitslosenfür­sorge durchgeführt werden, sowie zum Ausgleich der vor dem 1. Jän­ner 1938 fälligen Annuitäten. Diese Formulierung geht auf einen Antrag unserer Partei zurück. VerpflegskostenfQnftel entfällt Neu geregelt wird auch daS sogenannte B e r- pflegSkostenfü n f t e l: Während die Ge­meinden bisher ein Fünftel der uneinbringlichen VerpflegSkosten in den Krankenhäusern für ihre An­gehörigen tragen mußten(der Regierungsentwurf wollte dies lediglich auf vier Wochen ein­schränken), wird jetzt bestimmt, daß diese Verpflich­tung der Gemeinden mit Ende 1938 überhaupt erlischt. Dafür erhält der LandeSauSschuß in Böhmen   ab 1986 jährlich 6 und in Mähren   2,8 Mil­lionen miS den Zuteilungen an die Gemeinden als Ersatz für die uneinbringlichen VerpflegSkosten. In der Slowakei   und Karpathorußland, wo das Kran­kenhauswesen verstaatlicht ist, führt der LandeSaus- schuß aus diesen Zuteilungen jährlich, 2,3, bzw. 0,45 Millionen an den Staat äv. Damit sind be­sonders kleinere Gemeinden, die arme Gemeinde­angehörige in Irrenanstalten   oder Krankenhäusern hatten, von einer drückenden Sorge befreit! Revision Im Artikel II(Beaufsichtigung der Gemeinden und Bezirke) wird festgesetzt, daß schon Orte mit mehr als 3000 Einwohnern(im Regierungsentwurf 8000) der Aufsicht, bzw. Revision durch den Landesausschuß unterliegen. Die Instruktionen für die Durchführung von lleberprüfungen(Revisionen) erlassen die LandesauSschüss«. Es bleibt bei der Be­rechtigung des Landesausschusses, nach Anhörung deS Bezirke!(der Gemeinde) Maßnahmen zur Be­seitigung von Anständen vom Standpunkt der zweck­mäßigen Gebarung anzuordnen. Rach einer Erklärung des Innenministers denkt man mit dieser
Maßnahme keineswegs an eine allgemeine Herabsetzung der Gehälter oder an eine allgemeine Verschlechterung der sozialen Verhältnisse der Ange­stellten der Selbstverwaltung.   Aus dem Regie­rungsentwurf wurde überdies der Nachsatz gestrichen, wornach diesinsbesondere auch zum Zwecke der Verbesserung des Betriebes der Unternehmungen nach der ökonomischen Seite" der Fall h^tte sein können. Jenen Bezirken und Gemeinden, die diese Weisungen nicht fristgerecht durchführen, kann der Landes(Bezirks)-Ausschuß nur die Landeszuschüffe sperren; die staat­lichen Zuteilungen können nur die Ministerien für Inneres und Finanzen auf Antrag des Landes­ausschusses zurückhalten.- Schuldenregelung Der vielumkämpste Artikel III, der den Anspruch auf die Schuldenregelung und deren technische Durchführung regelt, bleibt im§ 1 bis auf eine stilistische Aenderung gleich; der zweite Absatz des§ 2 dagegen wird neu formuliert: Schulden ans Darlehen, welche di« terri­torialen SelbswerwaltungSverbänd« nach dem 1. Jänner 1935 abgeschlossen haben, dürfen nur ge­regelt werden, wenn diese Darlehen zur Aus­gleichung der den Gläubigeranstalten geschuldeten Annuitäten bis zur Höhe dieser Annuitäten mit Zubehör abgeschlossen wurden, unter der Voraus-! setzung, daß Pie Annuitäten in der Zeit vor dem 1. Jänner 1985 fällig waren und aus Darlehen stammten, die auch sonst den Bestimmungen deS Ws. 1 entsprachen. Die Gläubigeranstalten können in diesem Falle nur dann inn Schuldenregelung ansuchen, wenn sie auf die Ausgleichung solcher Annuitäten durch ihre Umwandlung in ein Dar­lehen eingeht."
Prag  . Genosse Dr. Holitscher sprach am Dienstag im Senat zum Ausländergesetz. Wir ver­öffentlichen nachfolgend einen Auszug aus seiner Rede, aus der heworgeht, daß wir dem Staat keineswegs das Recht der Kontrolle über die Aus­länder innerhalb unseres Staatsgebietes abspre­chen wollen, andererseits uns aber nachdrücklich auf die Erklärung des Innenministers berufen müssen, daß das Asylrechtgewahrtund nichtmißbraucht werden wird. Während es in früheren Zeiten der Stolz aller demokratisch regierten Staaten war, Auslän­dern, die aus polittschen Gründen ihr Vaterland ver­lassen mußten, Ashl zu gewähren, ist das jetzt ändert geworden. Genau so, wie sich die Staaten auf dem Gebiet der Wirtschaft abschließen, suchen sie sich auch auf jede mögliche Weise vor dem Zuzug von Aus­ländern zu schützen. Gegen diesen Wahnsinn anzu­kämpfen ist vergeblich. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten so manches erlebt, was uns die Notwendigkeit einer Evidenz der Ausländer gezeigt hat. Ich erinnere an den Mord an Jng. Forints bei uns und an die Entführung des Journalisten Jacob aus der Schweiz  . Wenn wir vergleichen, mit welchem Nach­druck und Ernst sich die Schweiz   gegen diesen Ein­griff in ihr« Hoheitsrecht« zur Wehr gesetzt hat, so müssen wir leider feftstellen. daß die Tschechoslowakei  eine solch« Energie vermissen ließ. Minister Dr. Cernh hat öffentlich erklärt, daß bat Asylrecht gewahrt»erden wird. Wir berufen »ns darauf und»erden dagegen protestiere», falls
Im Absatz 3 wird di« Ermächttgung, a» t o «ahm s w e i s e auch Schulden aus Darlehen zu regeln, die nicht den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entsprechen, falls die Regelung dieser Schul­den zum Ausgleich der finanziellen Verhältnisse der Bezirke(Gemeinden) unumgänglich not­wendig ist, auch auf jene Gemeinden und Bezirke ausgedehnt, die zwar mcht im Sinne des 8 1, Abi. 1,finanziell schwach" sind,deren finan­zieller Stand jedoch infolge außerordentlicher lokaler Wirt­schaftsverhältnisse äußerst ge­fährdet ist." Die Aufteilung der zur Durchführung der Sa­nierung erforderlichen 202 Millionen auf die ein­zelnen Länder bleibt unverändert. Neu ist die Bestimmung, daß zu den Sitzungen deS Kuratoriums nach Bedarf auch Vertreter der Gläubigeranstalten, die von der Regierung zu ernennen sind, mit b e- ratender Stimme herangezogen werden können. Der Ausgleich von Schulden durch Barzahlung wird aufkleinere" Schulden eingeschränkt. Endlich wird noch bestimmt, daß das Kuratorium dem Landes- auSschuß einen Bericht über die Durchführung der Schuldenregelung und darWer zu erstatten hat, ob und in welcher Höhe es den Beitrag, an den Hilfsfonds nach 8 9 festgesetzt hat. Ah 1. Jänner 1936 Die Bestimmungen betreffend die Auf­sicht über die Wirtschaftsgebarung der Bezirke und Gemeinden und betreffend den Einwand der Ungültigkeit des Beschlusses einer Vertretung, falls eine formal ungenügende Schuldverschrei­bung ausgestellt wurde, sowie die Bestimmungen über die Einhebung höherer Zuschläge werden mit dem Tage der Verlaut­barung des Gesetzes wirksam. Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes erlangen Wirksam­keit mit 1. Jänner 1936 mit der Ab­weisung, daß Maßnahmen, welche zur rechtzeiti- gen Durchführung schon vorher erforderlich sind, vom Tage der Verlautbarung an getroffen werden können.
ei« Gcndarmeriekommandant»der eine ander» Amtsperson, die sich, wie a»f zut Deutsch sagt,ein schönes Bildert einlegen will", llebergriffe begehen und die Fremden sekkiere« und schikanieren»der von ihnen mehr verlangen sollte, als im Gesetz vorgeschrieben ist. ES handelt sich beim Problem der Emigration vielfach nicht um politische Fragen, sondern um den Arbeitsplatz. Ich verstehe vollkommen, daß man trachtet, den Arbeitsplatz in erster Linie den eigenen Staatsbürgern vorzubehalten, aber vergessen wir nicht die Gefahr der Reppressa- l i e n. Wir haben bei uns 45.000 Reichsdeutsche, die hier in Arbeit stehen, aber es gibt 280.000 tsche­choslowakische Staatsbürger, die in Deutschland   be­schäftigt sind. Oesterreicher   leben 80.000 bis 40.000 bei uns, die Zahl der tschechoslowafischen Staatsbür­ger in Oesterreich   jedoch beträgt 180.000. Wir begreife«, daß die Regierung eS für not­wendig hält, dir hier anwesende» Fremden in Evidenz zu führe», daß sie sich erkundigt, waS sie hier machen, waS für eine Propaganda sie entfalte«, ob im Inter, esse der Republik   und Demokratie»der nicht,«nd wir wünschen, daß sie sich gegen alle»ende, die fascifti» sch« Methode» unterstützen«nd Arbeit für diejenigen Regierungen leisten, die gegen die Demokratie»nd gegen»«seren Staat eingestellt find. Wir bitten aber, daß daS Gesetz in einem demokratischen, kulturelle» und zivilisatorischen Sinne durchgeführt werde«nd keine Verfolg«,,gen für jene bedauernswerten Men­schen nach fich ziehe, die genötigt' Warrn, ihr Vater­land z« verlasse«,«nd damit gerechnet habe», in di«, ser demokratischen Republik, an deren Spitz» rin Masaryk steht, ei« Asyl zu finde«.(Beifall.)
Emigration und Asylrecht Aus der Rede des Genossen Dr. Holitscher zum AuslSndergesetz
42 ^M^nadi Ibn^ Roman von Fritz Rosenfeld  
Die Geldscheine lagen auf dem Schanktisch, und Jakob Halling schwieg. Marinka betrachtete sie und wagte es nicht, sie zu befühlen. Er schob sie ihr zu, da holte sie eine kleine Ledertasche aus der Lade, faltete jeden Schein, barg ihn sorglich in den leeren Fächern und schloß die Lade zu. Mit einer Geste, deren Sinn sie selbst nicht be­griff, legt« sie den Schlüssel auf den Tisch, Da, es gehört nicht mir, mag kommen wer will und die Lade aufsperren und sich das Geld nehmen. Der Zug fährt bald, Marinka," sagte Halling, und wußte nicht, was er weiter sagen sollte. Da stand er, ein alter Mann, grauhaarig, und erfahren im Umgang mit den Menschen, und war schüchtern wie ein Kind bei seinem ersten Schulweg. Ja, der Zug fährt," sagte Marinka. Ich werde einstcigen müssen, sonst bekomme ich keinen Platz mehr." Es sind nur zwei Wagen, sie müssen ein­steigen, sonst ist kein Platz mehr frei." Er gab ihr die Hand, sie legte ihre kleinen, dünnen Finger hinein, und das billige Ringlein blitzte mit dem gläsernen Stein. Ich werde dich nicht Wiedersehen, Marinka." Wir werden uns nicht Wiedersehen." Ich werde nicht vergessen, dsr einen Brief zu schreiben, wenn ich in Dpsilon angekommen bin." Einen langen Brief, und dann immer wie­der«inen Brief jeden Monat." Jeden Monat oder auch öfter. Immer, wen« ich etwas zu sagen habe, das ich keinem Menschen sagen kann außer dir." Schweigen.
Du wirst mir antworten, auf jeden Brief?" Ich schreibe nicht schön, Herr, meine Schrift ist schwer zu lesen." Ich werde sie entziffern» Marinka. Und willst du mich nicht einmal besuchen?" Ist es sehr weit?" Nicht sehr ein paar Stunden mit der Bahn, dann eine Stunde mit dem Autobus, tief in den Wäldern, ein kleines Städtchen, und ein kleines Haus in einer engen Straße. Dort werde ich wohnen." Vielleicht besuche ich sie. Aber dann schreibe ich nicht, daß ich kommen werde. Ich klopfe eines Tages an ihre Tür, sie machen auf, und ich stehe da. Ist das nicht viel schöner?" Es ist viel schöner, Marinka, du hast recht." Sie zog ihre dünnen, kleinen Finger aus seiner Hand. Das billige Steinchen glitzerte und sprühte. Leb Wohl, Marinka." Gute Reise, Herr." Der Kellner schleppte Hallings Koffer, Ma­rinka trug eine Wolldecke, die er aus dem Coupk geholt hatte, bei Anbruch der Nacht. Sie reichte sie durchs Fenster in sein Abteil. Wenn der Zug abfährt" dann komm« ich heraus und winke und sehe ihnen nach, solange man den Zug sehen kann." Der Heizer stand da, breitspurig, die Pfeife im Mund. Du hass heute gute Geschäft« gemacht, Ma­rinka. Du hast Geld in der Kasse. Was kaufst du dir dafür?". Ich weiß eS nicht." Eine n«ue Bluse?" Sie schüttelte den Kopf. Einen goldenen Ring?" Sie schüttelte den Kopf. Nichts. Gar nichts. Nichts kauf« ich mir." Sie sah zu Halling zurück, in ihrtn blauen, Hellen Augen blitzte ein Lachen auf; dann sagte sie zu dem Heizer:
Ich muß jetzt sparen. Ich muß jetzt alles Geld zusammensparen'. Und dann lief sie an ihren Schanktisch und klapperte mit den Gläsern und rüttelte an den Taffen und ließ die Diesser und Gabel klirren, als wollte sie eine Stimme übertönen, die wuchtig und schwer wie das Brausen einer Orgel aus ihrem Herzen heranschwoll und in ihr Blut klang und ihren Körper erfüllte in allen Fasern und allen Fugen. Und als der Kellner ihr Worte zurief, und als der StationSvorftand kam und eine Flasche Bier verlangte und als der Postbote seinen Branntwein haben wollte da mußten sie ganz laut brüllen, dreimal, bis Marüika sie hörte. XVII. Cabrotte strich um Kilmek wie ein Raubtier um sein« Beute. Er belauerte jeden Griff, jeden Schritt. Nun öffnet« Kilmek den Koffer, nun steckte er den Rasierappart in die Handtasche, nun rollte er sein Handtuch zusammen, nun schob er die Bürste unter die Kleider. Kilmek fühlte die Blicke Cabrolles auf sich brennen; er wußte, was Cabrolle wollte, und er wich ihm nicht aus. Aber Cabrolle sollte beginnen, er sollte augreifen, viel­leicht gab er sich beim Angriff eine Schwäche, die Kilmeks Chancen verbesserte. Der Kofferdeckel klappte zu, Kilmek schob die Riemen durch die Schnalle, zog mit aller Kraft an. Das Blut schoß ihm in den Kopf. Er setzte sich auf den Koffer, atmete schnell und tief. Da sprang Cabrolle ihn an. Herr Kilmek" Kilmek sah nicht auf, er ordnete seine Kra­watte, die Knöpfe seiner Weste. Herr Kilmek. das Spiel gestern wir waren beide von Sinnen* Kilmek antwortete nicht, es war, als spräche Cabrolle zu einem Tauben. Es kann doch nicht gelten."
Fest und ehern klammerte sich der Blick Ca­brolles an Kilmeks rotes, stumpfes, schweigendes Gesicht. Es kann doch nicht gelten, sonst bin ich ruiniert, ein Bettler." Keine Antwort. So sagen Sie doch, daß es nur ein Scherz war, daß wir beide zu viel getrunken hatten, daß Sie mich zum Narren halten wollten* Kilmek stellte den Fuß auf den Koffer, zog den Schnürsenkel an seinem rechten Schuh fester an. Ich bitte Sie quälen Sie mich nicht sagen Sie, daß eS nicht gilt, und geben sie mir das Geld zurück, und die Wechsel" Ich habe Ihnen gar nichts zu sagen." Cabrolle wischte mit dem Tuch über die Sttrn. Er ritz mit der Hand den Kragen auf, die Krawatte hing lose herab^ Ich hab doch nicht um so hohe Einsätze spielen wollen" Sie haben gespielt, und ich habe ge­wonnen." Wir haben gespielt, um uns die Zeit zu ver­treiben. Wir haben gespielt, weil wir beide Angst hatten' Ich hatte keine Angst. Mir konnte niemand etwas rauben." Cabrolle fatzte Kilmek am Ausschlag deS Rockes. Ich bitte sie, Kilmek, geben sie mir das Geld und die Wechsel zurück. Ich will ihnen ja einen Teil schenken" Schenken? Das Geld gehört mir." Cabrolle stampfte mit dem Fuß auf, drehte sich im Kreis, die Augen glühend vor Wut: Nein, es gehört nicht ihnen, es gehört mir. Sie haben es mir weggenommen, sie haben mich übertölpelt, ich bin ihnen auf den Leim gegangen, haben mich betrogen" (Fortsetzung folgt.)